ftr. 168. Dienstag, 21. Juli 1981 Seit« 8. Der aktuelle Daumier. Todesstur; in den Auszuqsschacht. Sonn­tag früh fiel der Mälzer der Troppauer Bür­gerlichen Brauerei Josef Fleischer aus Unachtsamkeit in den Schacht des in der Mäl­zerei befindlichen Aufzuges und stürzte acht­einhalb Meter tief, ab, wo er mit gebrochenem Genick tot liegen blieb. Auf den Unfall wurde man erst aufmerksam, als die Kinder Flei­ schers ihren Väter aus dem Betrieb abholen kamen. Der Verunglückte hinterläßt sechs un­versorgte Kinder. Ei» Schwimmbad ahn« Wasser. Man schreibt »ns aus Böhm.-Kamnitz: Eine lustig« Begebenheit, dir freilich für den Urheber mit allerlei Unannehm­lichkeiten verbunden war, ereignete sich dieser Tage in unserem Städtchen. Der Schwimm- und Bade­meister der städtischen Badeanstalt hatte am Abend, so wie er dies alle Tage zu tun Pflegte, den Ablauf des Schwimmbassins geöffnet, damit das unreine Wasser ablaufe. Rach des Tages Müh und Plag überwältigte den wackeren Bademeister die Müdig­keit, und so geschah es, daß er, am Ufer des Bade­leiches fitzend, einfach einschlummerte. Er tat einen tiefen und langen Schlaf, länger, als es gut war, denn als er gegen Morgen die Augen aufschlug, da mußte er zu seinem nicht geringen Schrecken fest­stellen, daß das Wasier aus dem Badeteich entschwun­den war und sich vor ihm nurmehr eine verschlammte Sandfläch« hinzog;.. Wohl beeilte sich der Bestürzte, de» Ablauf zu versperren und den Zulauf zu öffnen, aber das Bett des Schwimmteiches ist so groß, daß zu seiner Füllung mit Wasier ein Zeitraum von wenigstens einer Woche erforderlich ist. Der Stadt- gemcinde als Eigentümerin der Badeanstalt ist da­mit ein erheblicher Schaden entstanden, denn die Zahl der täglichen Badegäste beträgt in der Zeit der Hoch­saison, also im Juli, durchschnittlich 600 Personen. Die Badefreude dieser Gäste ist durch den tiefen Schlaf des Schwimmeisters sozusagen in das nicht­vorhandene Wasier gefallen.... Land ohne Rege». In weiten Gebieten Dalma­ tiens ist seit vier Monaten kein Tropfen Regen ge­fallen. Di« Wiesen find gänzlich ausgetrocknet und diel Bieh ist zugrunde gegangen. Der Mais mußte unreif abgemäht werden und dient zur Rotfütterung des Geflügels. Die Kartoffeln mußten nußgroh und hart aus dem Boden ausgeklaubt werden. Das Obst ist außergewöhnlich teuer, die wilde Weichselkirsche, die sogenannte Marasche, aus der der berühmte Maraschinolikör bereitet wird, kostet etwa fünfzehn Mal soviel wir im vergangenen Jahre. Die Hitze ist .»»erträglich. Die Fälle von Hitzschlag, Wahnsinn und Selbstmord häufen sich. Ein« Rordböbmin in Berlin tödlich verunglückt. Wie uns auS Haida berichtet wird, ist die in Pärchen gebürtige und dahin zuständige Hausgehilfin Marta Rösler auf tragische Weise in Berlin ums Leben ge­kommen. Das bedauernswerte Mädchen verunglückte dadurch, daß rin von ihm zum Wäschcplätten benütz­tes Spirit uSbügeleisen explodierte und ihm so schwere Brandwunden zufügte, daß es kurz »ach der Einlieferung ins Krankenhaus Berlin-Lich­terfelde verstarb. Die Verunglückte ist 29 Jahre alt. Hoffnung auf Abrsiiuir«. Zwei junge 22jährige Burschen aus Duisburg-Meiderich schrieben, ange­regt durch ein Bild in einer illustrierten Zeitung, an König von Abesiinien mit der Bitte, ihnen angesichts der trostlosen Arbeitslosigkeit in Deutschland , irgend­eine Beschäftigung zu verschaffen. Erstaunlicher Weise erhielten die beiden Erwerbslosen Antwort. Der König von Abesiinien riet ihnen, getrost zu ihm zu kommen, für Arbeit wolle er schon sorgen. Da das Duisburger Wohlfahrtsamt den unternehmungs­lustigen jungen Leuten keinen Reisezuschuß zahlte, haben die beiden sich per Fahrrad auf den Weg ge- machl. Sir hoffen, in fünf Monaten am Ziel anzr- langt zu sein. Hoffentlich auch am Ziel ihrer Arbeits­wünsche. Di« Hermopolis-Exveditiou. Di« in Oberäghpten »nd zwar auf dem Tell el Aschmunein unter Leitung von Professor Dr. Röder arbeitende Hermopokis- Expedition fetzt ihre Arbeiten zur Erforschung der alten Stadt Hermopolis erfolgreich fort. Die Ruinen­fläche läßt sich bereits gut übersehen. Es hat sich her­ausgestellt, daß der bereits früher erkannte Urzeit­bezirk ein« Ausdehnung von 450 mal 570 Metern hatte urlb von einer etwa 15 Meter dicken Und eben­so hohen Ziegelmauer umschlosien war. Im Innern dieses Bezirkes, der nach altägyptischer Anschauung ,der Schauplatz der Entstehung von Acht und Leben am Anfang der Dinge" war, liegen zwei große Tem­pel und mehrere Kapellen. Bon hier aus soll nach der ägyptischen Mythologie die Sonne aus einer Lotosblüte aufgestiegen sein, und hier sollen auch die ersten Lebewesen entstanden sein: vier Frösche und vier Schlangen, die ersten Gefährten des Sonnengotts. Traveller-Schecks und Auslandsgeld, werd«« In Deutschland überall eingelöst. Die Generalver­tretung der Rcichsbahnzentrale für den Deutschen Reiseverkehr in. Prag II, Lützowova 40, teilt uns folgendes mit: Die neue Devisen-Rotvcrordnung, die den Handel mit Devisen und ausländischen Zah- lungrmitteln auf hie Rcichsbank beschränkt, hat die Meinung aufkommen lasten, daß di« Banken, H o t e l s u n h Reisebüros auch kein« Travel- ler-Tchecks der ausländischen Touristen einlösen dürften. Diese Unternehmen sind im Interesse der reibungslosen Abwicklung des Reiseverkehrs jedoch berechtigt, ausländische Zahlungsmittel zum amtlichen Kurse gegen deutsche einzuwrch- seln und Traveller-Schecks einzulösen. Dir einge- rwmmenen Dsvisen werden an die Reichsbank wei- tergeleitet, Änfö^gcdesten besteht für di« in Deutsch­ land weilenden AuSlandsfremden kein Grund zu irgend einer Beunruhigung. Wie wir hören, wirken auch die diplomatischen Vertretungen der fremden Länder in Berlin in beruhigendem Sinn« auf alle bei ihnen vorsprechenden Touristen ein und lege« jhnen nahe, in Deutschland zu verbleiben. In em«r der intereffantesten Privat-Kunst- ämmlungen des Kontinents, hie nicht nur der Leidenschaft für erstklassige Kunstwerke, sondern auch dem stets wachsenden Bedürfnis eines sorg- ältig arbeitenden Schriftstellers ihr Dasein ver­dankt, in der Kunstsammlung von Eduard Fuchs , hängen Arbeiten von Honorä Daumier neben altem chinesischen Porzellan und chinesischen Pla- tiken. Die uralten Zeugen einer sagenhaft gewor­denen Vergangenheitvertragen" sich gut mit den Gemälden und Lithographien eines Künstlers aus dem vorigen Jahrhundert. Etwas Gemeinsames ist ihnen, und dieses Gemeinsame ist das kaum näher zu bestimmende Etwas, das den Haupt­bestandteil alles Künstlerischen ausmacht. Eduard Fuchs , der beste Kenner Doumiers, hat dem größ­tenWitzblattzeichner" des vorigen Jahrhunderts also auch äußerlich einen Platz angewiesen in der Reihe derEwigkeitswerte", in der Reih« jener Kunstwerke, di« über ihre Zeit hinaus Geltung behalten. Aber von dieser aktuellen Bedeutung Dau­mier s soll nicht die Rede sein. Die Geltung des bedeutendsten Karikaturisten Frankreichs ist nicht auf ästhetische Dinge beschränkt. Er war groß in der Form» aber diese Form war ihm nur Mittel ium Zweck, sie war ihm das Ausdrucksmittel für sein politisches Bekenntnis. Die bürgerlichen Kunschistoriker haben sich auf die Tatsache gestützt, daß Daumier oft versucht hat, die Tagesarbeit für dre Politik abznschütteln ' und in die besinnlich« Ruhe des Malerateliers zu­rückzukehren, und sie haben einen gelegentlichen Fluch auf das Hetztempo der Karikatur at einem anhaltenden seelischen Konflikt aufgebaufcht, der das Dasein deS Malers beschatt?! przh sein Leben füx di« Kunst zermürbt hab^. s ES ist richtig, Daumier hat ost di« Absicht gehabt, den Lito- graphentisch mit der Staffelei zu tauschen. Warum aber hat er diese Absicht nicht verwirklicht? Es war nicht nur der Mißerfolg, der seiner Malerei bis an das Ende seines Schaffens den Weg versperrte. Nein, Daumier verwünschte die Pressearbeit nur dann, wenn es für ihn keine Möglichkeit gab, politisch deutlich zu werden. Er warf sofort den Pinsel hin und stürzte der poli-- Der alte Dammkops!... Bon Bernhard Gervais«. Wenig« Männer sind wohl im Laufe ihres ehelichen Daseins von ihrenbesseren Hälften" so grausam mißhandelt worden wie Cäsar Cag- not von der fernen. Frau Cagnot war eine herrschsüchtige Frau, jähzornig und ungewöhn­lich zänkisch. Was unerklärlich bleibt, wenn man ähnlrche Falle untersucht, ist der Umstand, daß solche Frauen geheiratet werden. In der Ehe setzt man notwendigenveise gegenseitiges Per- standnis voraus: welches Wunder führte Xant­ hippe und Sokrates so eng zusammen, Laß sie eines Tages die Ehe miteinander eingingen? Wie bracht« es dies« Frau Cagnot zustande» sie,der Geist, der stets verneint«", daß sie ihre Natur bekämpfte, als sie auf di« traditionelle Frage des Standesbeamten:Willigen Sie ein, Herrn Cäsar Cagnot zum Ehemann zu nehmen?" mit einem entschiedenen ,Ha" antwortete? Cäsar Cagnot war ein kleiirer Magistrats­beamter ohne Zukunft und ohne Ambitionen, war ein braver Mann, ein wenig farblos, ein wenig schüchtern, ein'wenig feige. Diese Charak- terlosigkert war lange Zeit hindurch der einzige ernsthafte Borwurf gewesen, den seine Frau gegen ihn erhoben hatte. Du besitzt nicht einen Pfennig Energie, kein Fünkchen eigenen Willen!" pflegt« sie zu behaupten.Ein wahrer Jammerlappen bist Du!" Vielleicht wäre sie überrascht gewesen» zu erfahren, daß ein Mann voll Energie und starkem Willen ihr bei der ersten besten Gelegenheit eine tüchtig« Tracht Prügel verabfolgt oder sie zum Fenster hinauSgeworfen hätte» in jedem Fall auf und davon gegangen wäre. Aber die zänkischen Frauen entbehren durchaus der Logik. Im später« Alter liefert« Cäsar Cagnot übrigens seiner Gattin ein«n andern Gegenstand des Mißvergnügens, damals, als er di« sonder­bare Idee hatte, sich in seinen Mußestunden mit Malerei zu beschäftigen. Ganz Plötzlich war in ihm dieser Gedanke entstanden, als er sich mit mehreren Künstlern angefreundet hatte, deren Ateliers sich im sechsten Stockwerk desselben Hauses befanden, m welchem auch er wohnte. Böse Gesellschaften verderben gute Sitten!" Er versuchte sich also selbst in der Malerei und war über das Resultat derselben verblüfft. Es war tischen Karikatur begeistert in die Arme, ivenn revolutionäre Ereignisse die bis dahin gefesselte Presse befreit hatten. Aus seinem Schaffen läßt sich die Geschichte der Klassenkämpfe in Frank­ reich von 1830 bis 1872 ablesen. Nur die Pausen zwischen den Monaten des offenen Kampfes füllte Daumier mit unpolitischen Arbeiten aus, mit Atelierarbeit und mit dem öden Broterwerb für banale Witzblätter oh, er versuchte auch hier politisch zu sein, und seine soziale Satire entsprang der Erkenntnis und dem Gefühl, daß die be­stehende Gesellschaftsordnung wert ist, umgestoßen zu werden. Das Barometer seines seelischen Kon­flikts stieg und fiel mit den Schwankungen der politischen Temperatur. Ja, dieser Daumier hat nicht nur Witze auf den kleinen Bürger gemacht, der auf das Kapital schimpft und sich vor den» Bolschewismus fürchtet und deshalb im entscheidenden Augenblick bereit ist, aus die Arbeiter zu schießen. Daumier hat nicht nur die Keinen Laster und Dummheiten des Bür­gers verspottet, sondern er hat auch die großen Verbrechen dieser Klasse festgehalten, hie Jämmer­lichkeit ihrer Innenpolitik, die Niedertracht ihrer Außenpolitik, ihren Eiertanz zwischen Republik und Monarchie. Fünfzig Jahre sind seit seinem Tode vergan­gen. Und seine politischen Zeichnungen sind noch immer aktuell! Es hat sich viel ereignet in diesen fünf Jahrzehnten, aber nicht genug, uns die Ruhe des Rückblicks zu gestatten. Fünfzig Jahre! In­zwischen hat jedes zerknitterte Blatt von Daumier Sammlerwert bekommen. Aquarelle, für die er mit Mühe und Not 50 Frank bekam, kosten jetzt Tausende, und die Museen reißen sich.darum. Daumier, das ist ein attuelles Wort sirr den Kunstmarkt. Weiter nichts? Das Leben eines kämpferischen Menschen er­wartet Antwort von uns. Lernen wir es kennen! Das jetzt als Prämie für die Werbung von zwei Mitgliedern der Büchergilde Gutenberg, Berlin , herausgekommene BuchDaumier " von Erich Knauf erzählt begeistert und lebendig von Dau­ mier und seiner Zeit, und es enthalt zahlreiche Abbildungen aus allen Schvffcnsperioden dieses größten Zeichners des vorigen Jahrhunderts. Das Buch hat das Formal und den Umfang der Gil­denbücher der Normalreihe. Schon die erstaunlich große Zahl der Abbildungen mÄht das Werk begehrenswert. eine Offewbarung, der unwiderstehliche Drang einer Lieb«, einer Leidenschaft, eines bisher ungeahnten Lasters. Wie oft hatte Frau Cagnot nicht sein« Pinsel zerbrochen, seine Leinwand verbrannt, die Far- ventuben auf den Kehrichthaufen geworfen! Ver­gebens! Cäsar, durch seine neuen Freunde urtter- stützt, welche dieser eheliche Kampf aufs höchste ergötzt«, fand immer wieder Mittel, das ver­nichtete Material von neuem herbeizuschaffen. Er malte auf Holz, auf Karton, auf Papier, mit Farben ohne Wahl. Wenn auf seiner Palette 8aS Grün ausgegangen war, entwarf er, ohne sich im geringsten beirren zu lassen, rotes Gras und blaue Baume. Fehlt« das Zinnoberrot oder daS Karmin, nun, so stattet« er seine Häuser mit gelben und schwarzen Dachziegeln aus. Wohlverstanden! Frau Cagnot verurteilt« diese scheußlichen Sudeleien. Da sie von ihrem Mann stammten, setzte ihn ihr Urteil nicht in Erstaunen.Der alte Dummkopf hat es nie ver­standen, aus seinem Leben etwas zu machen!" vertraute sie ihren Intimen an. Die Manie Cagnots war bald in einem ziemlich weiten Umkreis bekannt geworden. Wenn er sich mit seiner Staffelei, dem Farbenkasten und dem Klappstuhl an die Arbeit begab, hielten ihn die Ladeninhaber auf seinem Weg an und rissen ihre Witze: Nun, Herr Cagnot, schönes Wetter heute für die Malerei!" riefen sie chm zu.Hoffentlich dringen Sie am Abend etwas recht Sensatio­nelles heim!" Und es waren in der Tat sensatio­nell« Dinge, die auf diesen Ausflügen entstanden: blaue und rot« und grün« Bilder, welche Cagnot großmütig an seine Bewunderer verschenkt«, di« sich im füllen darüber lustig machten. Auch ich werd« durch diesen alten Dumm­kopf zum Gespött der Leut«!" schrie Frau Cagnot, rot vor Scham und Zorn, wenn sie di« Werke ihres Mannes beim Schlächter, beim Bäcker oder im Grünkramkeller die Wändezieren" sah. Und schmerzvoll fügte sie hinzu: Er wird mich wohl mit seinen Torheiten sicherlich bald ins Grab bringen!" Indessen>var er es, der zuerst starb. Eine doppelseitige Lungen­entzündung rief ihn ab, nachdem er an einem eisigen Wintertag auf dem trostlosen Hintergrund der Gegerü» eine Schneelandschaft erstehen zu lassen sich bemüht hatte. Wahrend der folgenden zwei Jahre, einer geheimnisvollen Entwicklungsperiode, überstrahlte der Ruhm Cäsar CagnvtS die Welt. Zwanzig Broschüren in Luxusausgabe berichteten, wie dieser bescheidene Mamr, fernes Talents unbe­wußt, Wunder an Meisterwerken geschaffen hatte. Der alt« Cagnot wurde zu einer Art Heiligen, ein Apostel der modernen Malerei. Di« ganze junge Schule schwor nur auf ihn, und de» Staat wurde nahegelegt, so schnell wre möglich eines seiner Bilder für den Louvre zu erwerben. Etwas von diesem Ruhm fiel auch auf die Witwe des Meisters, ,chie verehrungswürdig« Gefährtin des verblichenen Künstlers". Würde­voll empfing sie die Besucher in großer Trauer in dem Speisezimmer ihrer Keinen Wohnung, unter der vergrößerten Photographie des Ver­ewigten, di« in einem schonen goldenen Rahmen an der Wand prangte. Hier empfing sie auch di« Bilderhäntller, die seit der ersten Stunde auf der Jagd nachCäsar Cagnots" waren. Ach! sie hatte ihnen nichts oder fast nichts zu verkaufen. Verschone mich mit Deinen Schmierereien, bei deren Anblick mir daS Herz lveh tut!" hatte sie früher jedes Mol erklärt, wenn der Gatte mit einer seiner grünen, gelben oder roten Malereien erschien und sie in. einem Zimmer aushängen wollt«. Ein halbes Dutzend Studien hörbstenS hatten Gnade gefunden, man weiß nicht warum. Und dies« gab sie zu eilig her, eh« der Sturm noch eingesetzt hatte, während sie bald darauf wut- erfullt die Bereicherung der Nachbarn erleben mußt«, die der alte Cagnot mrt seinen Werken überschüttet hatt«. Der Bäcker, der Spezerer- warenkausmann, der Schlächter, der Weinhändler erhielten für diese Geschenke hohe Preise: zwanzig­tausend, dreißig-, fünfzig tausend Franks. Als Frau Cagnot nun eines Tages eine dunkle Rumpelkammer aufräumt«, entdeckte sie, Ren die Wand gelehnt, in einem Rahmen erne derbar beklexte Leinwand. Im Augenblick kam chr die Erinnerung an ein lange vergessenes Erlebnis ins Gedächtnis zurück: Es war vor einigen Jahren im Sommer an einem Sonntag gewesen. Frau Cagnot und ihr Mann waren auf das Land gefahren. Cäsar hatte natürlich seine Staffelei mitgenommen. Eine mit Blumen bedeckte Wiche, auf welcher ein« Kuhherdc wei­det«, regte ihn zum Malen an. Ziemlich ruhe­voll verging der Nachmittag, ihm bei feiner Lieb- lingSbchchäftigung, ihr über ihrer Handarbeit. Da geschah eS, daß Cäsar beim Zusammenpacken sei­ner Sachen ungefchickterweffe mit der noch fri­schen Malerei gegen daS schöne Kleid seiner Frau strich Welch eine Szene! In gerechtem Zorn hatt« sie daS Bill) ergriffen und zu Boden ge- wochen, zwischen die hohen Gräser, di« seine Ar­beit vernichteten, Kühe, Blumen, Wiese durchein- andevwffcheNd... Und Cäsar hatte sich lange Wochen hindurch des Tabaks enthalten müssen, die Reinigungsanstalt zu bezahlen. Frau Cagnot stand m Betrachtung ver­sunken vor dem verdorbenen Bild, dessen Farben zerplatzt und auf dem di« Figuren unkenntlich waren. Wieviel hatte sie an jenem fernen Sonn­tagnachmittag durch ihren unvernünftigen Jäh­zorn emgebüßt? Vielleicht fünfzigtausern» Francs, vielleicht noch mehr, die Preise hörten nicht auf zu steigen.... Aber sie fand doch ein« Entschul- vigung für sich: ihre Unwissenheit, während er, der Gatt«, der einzig Schuldig« war. Ich hab« ihm ja stets feine Energielosigkeit vorgoworfen!" schloß sie. In diesem Moment hob sie ihre Augen, chr Blick fiel auf das Porträt chres Mannes, und cs schien ihr, als ob ern sar­donisches Lächeln seine Lippen umspielt«. Er verspottet mich Wohl noch, dieser alte Dummkopf!" schrie sie erbost. Und zum ersten Male begriff sie, welchen wahren Verlust sie er­litten, daß sie Witwe geworden war. Sie besaß nun niemand mehr,die Verehrungswüvdige Ge­fährtin des großen Meisters", an dem sie ihre schlechte Laune auslassen konnte. Berechtigt« Uebertragung von Margarete Michalowski. Volkswirtschaft und Sozialpolitik Ungarisch-deutscher Handelsvertrag. Vorzugszoll für ungarischen Weizen. Budapest , 19. Juli. (MTJ.) Die in Berlin begonnen und Ende Juni in Genf fort- 8«setzten ungarisch-deutschen Handelsvertragsver- andlungen sind mit Erfolg beendet worden. Der Handelsvertrag wurde gestern in Genf von den Bevollmächtigten der bewen Staaten unter­zeichnet. Der neue ungarisch -deutsche Handels­vertrag der erste Tarifvertrag zwischen den beiden Staaten umfaßt auch Tarifeinlagen, die die gegenseitigen Zollbindungen und Zoll­ermäßigungen enthalten. Entsprechend den vom Europa -Studienausschuß des Völkerbundes ge­faßten letzten Beschlüsse wird in dem Vertrage deutscherseits kür ungarischen Weizen ein begünstigter Zollsatz gesichert, zu dessen Inkrafttreten aber die Zustimmung der meistbegünstigten Staaten notwendig ist. Der Vertrag tritt nach Austausch der RatiflkationS- urkunden in Kraft. Es wurde jedoch in Aussicht genommen, den Vertrag in Gänze oder in be­stimmten Teilen bereits vor dem Austausch der Ratifikationsurkunden beiderseits p r o v i s o risch zur Anwendung zu bringen. In diesem Falle werden die von dem ungarischen Zolltarif gewährten Begünstigungen rn dem Maße ins Leben treten, in welchem deutscher­seits die auf die Einfuhr von ungarischem Schlachtvieh gesicherten Begünstigungen, bzw. der begünstigte Weizenzoll in Kraft gesetzt werden.