Seift 6 Freitag, 24. Juli 1931. Nr. 171 Ein Blumenwunder. I» jeder Stadt und in jedem Dorfe gibt es ei« Blumenwunder, von dem unser Volk nichts weiß. Das ist die Osterluzei, der bekannte Strauch, mit dem man Lauben auskleidet, und dessen sonderbare, zwar oft unscheinbar gefärbte Blüten wegen ihrer Gestalt noch manchen Lieb­haber finden- Diese Blüten mit ihrer langen Röhre locken namentlich die Mücken an, die leicht in der Röhre abwärts kriechen können, da die zahlreichen Haare, die die Röhre auskleiden, alle nach einwärts stehen. Welche Ueberraschung aber, wenn sie hinaus wollen! Da verwehrt eine Barrikade starrender Spieße den Austritt. Unruhig kriecht der Gefangene umher. War er schon in einer anderen Blüte und hat er sich dort mit Blütenstaub beschmiert, so ist das sein Glück, denn dann wird er bei seinen Wanderungen durch sein Gefängnis leicht in die Lage kommen, die am Grunde des Kessels, in den er eingesperrt ist, stehende Narbe zu befruchten. Das ist das Sesam, das ihm die Tür öffnet. Denn sofort nach der Befruchtung geht eine Reche Ver­änderungen in der Blüte vor sich. Es schlagen sich Lappen, die bis dahin die Staubbeutel in dem Kessel verdeckt hatten, zurück, und die Mücke beladet sich von neuem mit Blütenstaub. Aber auch die Haare, die in der Röhre den Ausgang verwehrten, schrumpfen jetzt ein und fallen verwelkt zusammen- Der Ausgang ist frei; die beunruhigte Mücke erhebt sich zu neuem Tanz in die Lüste. Freilich geht es chr wie vielen Männern in der Liebe; bei der nächsten lockenden Osterluzei versucht sie ihr Glück doch wieder aufs neue. In der Blume aber sind die Wunder noch nicht zu Ende. Der Blütenstiel vollführt nun eine Be­wegung- Er neigt sich abwärts, und die Oeffnung der Röhre wird von der Blüte selbst verschlossen. Ein großer Lappen neigt sich über die Oeffnung «ud deckt sie zu. Keine Mücke wird mehr hinein- gelassen. Die Hochzeit ist vorüber; die Pflanze bedarf der Gäste nicht mehr. Wer das nicht einmal gesehen hat, der kann sich keinen Begriff machen von der Aufregung, die den Zuschauer bei diesem Anblick packt, und der tiefen Aufrüttelung aller seiner gewohnten Begriffe von der Pflanze. Das Tier in der Pflanze ist doch plötzlich wach geworden. Es hat mit fester Hand zugegriffen und seine Intelligenz bekundet. Eine rätselhafte, unbegreifliche Intelligenz; unbegreiflich deshalb, weil wir nicht die Hilfsmittel der Pflanze kennen, durch die sie sich die Erfahrungen verschafft hat, die dazu gehören, um so handeln zu können. Die fabelhaften Instinkte der Insekten sind durch diese Blume Überboten, in der die Befruchtung so viele sinnvolle Handlungen auslöst. Eine ganze Reihe von ineinander greifenden Bewegungen und Veränderungen gehört dazu, damit sich das abspieien kann, was wir hier so einfach erzählten, und niemand kann heute noch angeben, durch Uebung welcher Kräfte die Pflanze das erlernt hat. Sie wird immer eigenartiger und unvergleichlicher, fe tiefer man in ihr Leben eindringt, uno die Ahnung befällt uns, daß die Naturforschung und Psychologie ihre schönsten Entdeckungen der Zukunft dort machen wird, wo man es niemals vermutet hätte auf dem Gebiete der Pflanzenkunde. Der oerhängniroolle Bries. Novell « von Ernst Ludwig Anger. Licker Freund! Dieser Brief-öS letzte, was ich in meinem irdischen Leben jemals schreiben, jemals einem anderen mitteilen wecke soll nichts anderes sein, als das Geständnis eines Men­schen, der sich mit einem solchen Maß von Schuld beladen hat, daß seine Kräfte nicht aus- veichen, diese Last noch länger zu tragen. Ich wecke tot sein, wenn Du diese Zeilen liest, und ich glaube, Du wirst sagen: es ist gut, daß er tot bst.'Denn ich habe einen Menschen gemordet, der jung und schön und gütig war, einen MeN- fchen, der mit allen Fasern seiner Seele und seines Körpers an diesem Dasein hing, einen Merchhen, den ich gelickt habe wie keinen an- deren ans dieser Wett. Ich'habe ihn, ungewollt, gewiß, doch nicht ohne Schuld, in jene unge­heuere, purpurne Finsternis geschleudert, aus dar es kein Zurück gibt, von der wir, solange wir leben, niemals etwas wiffen werden. Ich habe Johanna getötet, meine Frau! Wundert Dich das, mein licker Freund? Ich siehe im Geiste Dein ungläubiges und erstauntes Gesicht, aber wenn Du ein paar Zeilen weiter gÄesen hast, wirst Du es mir glauben. Ich habe eigentlich nie recht begriffen, welchem Umstande es zuzuschreiben war, da­mals, vor vier Jahren, daß Johanna meinen Antrag annahm; gewiß lickte ich sie aufrichtig, mit einer gliche«den, reinen, unendlichen Leiden­schaft, und sie wußte das. Aber da warst Du, jünger als ich, vollkommener an, Geist und Körper, ein Mann, wie dazu bestimmt, eine Frau Aücklich zu machen. Und ich ahnte, fühlte, begriff, daß Johanna» Herz von rechts wegen Dir gehörte. Um so glücklicher war ich, als sie mir ihr Jawort gab auf das ich eigentlich nie zu hoffen wagte. Ich bin immer etwas begriffsstutzig in fachen Dingen gewesen. Ich war glücklich und zeckrach mir nicht, viel den Kopf damals. Sehr, sehr viel später habe ich etwas mehr von den inneren Zusammen­hängen gewittert. Ich habe geahnt, daß Johanna Dich zwar gelickt hat» aber mich heiratete, weil Du keine Anstalten machtest, ihr Deine Licke zu erklären. Und zuweilen meinte ich, Du tatest es nicht, weil Du ihre Gefühle, ihre Zuneigung und Licke nicht erwidertest, weil Du sie zwar gern hattest, aber nicht genug, um Dich für dauerrck an sie zu binden. Ja, vielleicht war es so. Ich werde keine Das Blütenleben ist offenbar der Höhepunkt des gesamten Pflanzenlebens. Denn hier drängen sich die Eigenarten des Gewächses zusammen; an ! der Blüte ist alles, das kleinste Blättchen, das letzte Härchen, von tiefem Sinn erfüllt. Das, was Sym­bolik des religiös empfindenden Gemüts und Phan­tasie der Dichtung vorausgeahnr haben, wird Schritt für Schritt von der kritischer und nüchternen Wissenschaft bestätigt: die Blume hat ein Eigen­leben und ist wirklich so etwas wie der Kopf der! Pflanze, denn sie sorgt mit ihren Handlungen für das Wohl des Ganzen. R. Francs. Geriditssaal Die verratenen Geheimatten. SttibrnVs Juformationeu. Strafverfahren gegen eine Ministerialbeamtin. Prag , 23. Juli. Bor dem hiesigen Bezirk­gericht wurde heute die am 10. d. M. vertagte Verhandlung gegen die 23jährige gewesene Beamtin des Innenministeriums Anna Herejk fortgesetzt, i Es handelt sich um eine Anklage nach§ 5 des sog. !Bestechungsgesetzes" vom 3. Juli 1924, welcher Paragraph die Verletzung der amtlichen Schweigepflicht, insbesondere auch die Verbreitung vertraulicher amtlicher Berichte, Tatsachen und Dokumente als Uebertretung mit Strafe bedroht. Anna Herejk war auf Grund eines Disziplinarverfahrens fristlos ent-! lasten worden und die Staatsanwaltschaft arbeitete zunächst eine Anklage wegen des Verbrechens der mißbrauchten Amtsgewalt aus, die aber dann fallen gelasten wurde. Der Sachverhalt ist noch in frischer Erinnerung. Als es im März l. I. um die Prüfung des Perg - lerschen Mandates ging, druckte Stkibrn^ in seinen Blättern in großer Aufmachung einen zwei Jahre alten Akt des Innenministeriums ab, in welchem die Frage der Staatsbürgerschaft PerglerS in günstigem Sinne behandelt wurde. Es war klar, daß ein ganz außergewöhnlicher Fall von Indiskretion vorliegt und Stkibriyfs Informa­toren selbst in den höchsten Staatsämtern sitzen. Es folgte naturgemäß eine äußerst strenge Unter­suchung, auf Grund deren die Entlastung der Beam­tin ausgesprochen und das Strafverfahren eingelei- tet wurde. Eine ganze Reihe von Ministerialbeamten und -Angestellten traten heute als Zeugen auf. Der Akt war von Sektionsrat Dr. Werner bearbeitet worden, der der Angeklagten auch die später ver­öffentlichten Texte diktierte. Es handelt sich um eine Abschrift des alten Aktes und um einBo- tum" dieses Referenten. Es kamen nur wenige Person«« überhaupt in Betracht, wenn man von der nicht allzu wahrscheinlichen Möglichkeit abfieht, daß etwa..di«.Dokumente von dritten Per­sonen vom Schreibtisch des Referenten entwendet, abgeschrieben und dann Wicker zuruckgtlegi wurde, Im übrigen handelt es sich um ein weder signiertes, noch unterschriebenes Konzept, also kein Akten­stück im eigentlichen Sinne. Die Angeklagte soll ihrer politischen Gesinnung nach der StkibrnL-Partei nahestehen. Am wahr ­scheinlichsten schien nun die Meinung, daß Anna Herejk bei Niederschrift des erwähnten Diktates einen Durchschlag hergestellt und diesem der Redaktion der Sttibrns-Blätter übergeben habe. Im Züge der Erhebungen wurde auch ein Bogen Blau­papier vom Schreibmaschinentisch eingehend untersucht, da man hoffte, aus den Abdrücken eventuell den Text rekonstruieren zu können, womit der Beweis erbracht worden wäre, daß tatsächlich ein Durchschlag hergestellt wurde, waS an sich schon auf­fallend urck verdächtig wäre. Doch gelangen diese Versuche nicht vollständig, so daß ein lückenloser Be­weis nicht zu erbringen war. Der Akt wurde dann in eine andere Abteilung gckracht und befand sich später in Verwahrung des Sektionsrates Tobisek. Daß auf diesem Transport sich dritte Personen des betreffenden Aktes bemächtigt hätten, ist unwahr­scheinlich und wird auch von den als Zeugen ver­nommenen Unterbeamten Berünek und Hek un­bedingt in Abrede gestellte So beruht denn die Anklage nur auf einer Reihe von Indizien, und zwar nicht sonderlich star­ken. Auch die Eltern der Angeklagten traten als Zeugen auf und behaupten fest die unbedingte Schuldlosigkeit ihrer Tochter. Der Vater ist Ka­stellan beim St. Beitsdom. Stellenweise dramatisch geht es bei der Einvernahme des Zeugen Bilek zu, der ein Onkel der Angeklagten und gleichfalls im Innenministerium als Unterbeamter der gleichen Abteilung angestellt ist. Dieser Zeuge soll sich nach den Behauptungen der Herejk und ihrer Eltern kurz nach der erfolgten Veröffentlichung gebrüstet haben, daß er diese wichtigen Akten s e l b st in der Hand gehabt habe. Er bestreitet heute energisch, eine solche Aeußerung getan zu haben und erklärt, hier müsse ein Mißverständnis vorliegen. Beide Parteien überhäufen sich gegenseitig mit Vor­würfen, bis der Richter dem Zank ein Ende macht Abg. Stki'brn^, der gleichfalls als Zeuge ge­laden war, war nicht erschienen, da er angeblich in eigener Sache zum Untersuchungsrichter geladen wär! Der Richter GR. P e r n 1 beschließt von sei­ner Vernehmung als unwesentlich abzusehen. Der Verteidiger hielt eine stellenweise recht aggres- -sive Verteidigungsrede. Schließlich wurde die-An­geklagte frei gesprochen. In der Urtellsbegrün- dung wird hervorgehoben, daß die Berdachtsgründe zwar gewichtig seien, daß ober ein einwandfreier Beweis von der Schuld der Angeklagten nicht erbracht worden sei. rb. Kirnst und Wissen Klette Bühne Sammer spiel zeit. Di« Feriai- spielzeit der Kleinen Bühne, die am 1. August be­ginnt, bringt ein Ensemblegastspiel des Wiemr KomikertheatersMa; und Moritz" mit Sandor Rott und Armin Springer an der Spitze. Zur Aufführung,, gelangen die SchwänkeZahn um Zahn",. Klein und Kestenbaum",Ko- p i t l macht alles" undDie Friedenskon­ferenz". Vorverkauf ab Samstag, den 25. Juli, in der Auskunstsstelle des Deutschen Hauses, Gra­ben 26(Tel. 24687), und beim Portier des Neuen Deutschen-Theaters(Tel. 21210). Literatur In Neelams U«iverfa1°Bibttothek erschien: Westöjtliche Welt." Unter Slalve», Griechen, Türken, Bon Julius Rudolf Kaim. Reich illustriert. In Halbleder gebunden 3.30 RM. Bolks- verband der Bücherfreunde, Wegweiser-Verlag G. m. b. H., Berlin-Charlottenburg 2. In einer Reise­schilderung von erfreulicher Frische und Darstel- lungSkraft veranschaulicht der Verfasser mit großem Geschick ein Bild von den heutigen Menschen und Berhältnisten dieser einst weltbewegenden Kultur­zentren des Balkans, von den mannigfachen Ein­flüssen von Ost und West, die sich dort seit Iah» tausenden auswirken. Besonders weiß er die org«. nische Zusammengehörigkeit aller gesehene» Dinge, ihr Schicksal, zu erfaßen und darzustellen und mir künstlerischem Geschmack die verklärte Landschaft und die träumenden Stätten längst vergangener Pracht zu schildern, von deren romantischen Aus­strahlungen wir immer wieder ergriffen werden. Das ausgesucht gute und reiche Bildermaterial, das diesem Bande in drucktechnisch hervorragender Form beigegeben ist, erhöht die Freude am Besitz dieses interessanten Werkes. Alfous von Czibulka: Die Handschuhe der Kai­serin. illovellen. Rr. 7156. Geheftet 40 Pf., geb. 80 Pf. In dem vorliegenden Bändchen ist die bunte Welt des Siebenjährigen Krieges die Szene. Herausgeber: Siegsried Taub. E he f red a k teu r: Wilhelm Nießner. Lerantwortlicher Redakteur: Dr. Emil S traust, Prag . Druck:.Rota" A.-IK. für Zeitung- und Buchdruck, Prag . Für den Druck verantwortlich: Otto Holik, Prag . Die Zeiwnermarkensrankinn wurde von der Poff u. Lelcgruotzen- ^^^direknoo^mU^erlaß Rr. 13.800/VII/I980 bewillig! Vo verkehren wir? I CaleCoHtiHenrar*, Prag , Graben] KINO PROGRAMM Wran-Urania-Kino Unigei rica<5(.nc> Hivo;>ra g». Geschlossen Antwort mehr aulf diese Frage von Dir er­halten, und im Grunde ist es ja auch gleich- gültig. Wenn man an der Schwelle des Todes steht, verlieren viele Dinge Wert und Bedeu­tung, die in früheren Tagen unser Leben ent­scheidend beeinflußt hatten. Wir haben also gcheiratet, und ich war sehr, sehr glücklich. Anfangs wenigstens. Ich nannte eine Frau mein eigen, die zu erringen ich früher nie gehofft hatte, sie war gut und zärtlich zu mir, und wenn sie mich nicht lickte, nicht so lickte, wie ich Johanna gelickt hab«, so ließ sie mich eS doch niemals merken. Später freilich wurde es langsam ander-. Und daran warst Du schuld. Natürlich wenn Du selbst verheiratet wärest, würdest Du das ohne weiteres verstcken natürlich ist selbst die harmonischeste Ehe nicht eine lückenlose Kette glücklicher Tage. Das kann nicht sein. Es liegt an den Unvollkomnietcheiten alles Irdischen, daß es nicht so sein kann. Es kamen Wollen, Beostimmungen, kleine, schmerzliche Auseinandersetzungen es kamen Tage, wo wir, ohne ein Wort zu wechseln, aneinander vorüber, nebeneinander hergingen. Ja, und dann begriff ich endlich, daß diese Frau, die ich so lickte, Dich nicht verqessen konnte. Es ist ja alles so klar: sie hat Dich gelickt, che sie mein wurde, und gerade weil diese Licke nicht bis zum letzten gehen durfte, stand Deine Ge­stalt nun vor ihrer Seele als schimmerndes Ideal des Mannes, unbefleckt, unbeschmutzt durch den Alltag, durch das Wiffen um jene Mängel und Schwächen, von denen Du gewiß nicht frei warst. Sie hat anfänglich nie von Dir gesprochen. Aber ich ahnte die Zusammenhänge. Ich war traurig darüber, daß meine große, unbeirrt« Licke es nicht fertig bekam, mir dies Herz rest­los zuzuwercken. Doch bemühte ich mich ehrlich mich damit vbzufinden. Denn schließ­lich: wie konnte ich neben Dir bestehen? Und welche Mittel gab eS, die Erinnerung an Dich in ihrer Seele auszurotten? Es gab kein Mittel, natürlich, nicht ein­mal Zeit und Raum. Du wurdest lckendiger in Jichanna, je länger unsere Ehe dauerte, und wandeltest als Schemen zwischen uns auf allen unseren Wegen. Aber Du warst wenigstens fern, so glaubte ich. Wir beide. Du und ich, wir haben zwar niemals mehr einen Brief gewechselt, seit meiner Heirat, aber ich hatte unsere gemein­same Heimatstadt mit Johanna verlassen, da- malS, und Dein Beruf band Dich an jenen Ort. Für immer, wie ich dachte. Bis ja, bis vor Jahresfrist Johanna das Schweigen, dos über Dir und allem, was Mit Dir zusammerching. brach. Bis sie erst­malig Deinen Namen nannte, bei einer belang­losen, gleichgültigen Gelegenheit, zunächst. ES tat mir ja ein bißchen weh anfänglich aber ich nahm es hin, wußte ja, daß sie eigentlich, im Grunde, immer nur Dich gelickt hatte. Mit der Zeit wurde es schlimmer. Ich weiß nicht recht, wie es kam, daß wir uns immer mehr' auseinanderlebten, uns immer seltener Verstanden. Es gab Szenen, deren ich mich hinterher schämte, Vorfälle, die mich er­bitterten. Und immer bei solchen Gelegenheiten fiel Deftt Name, wurde mir vorgehalten, wie Du Dich-benommen, was Du gesagt hättest. Du warst eine reine, in Licht gebadete Gestalt und ich daneben ein« Art Luzifer , böse, herz- kbs, dunkel und häßlich. Solche Art von Bergleichen konnte nicht angenehm sein für mich, nicht wahr? Sie mußte noch demütigen und verletzen, natürlich. Sie erschütterte meinen Glauben an Johanna, aber das' war noch nicht dos Schlimmste. Gut, jcker Mensch hat sein Ideal, an das er sich mit um so größerer Innigkeit klanunert, je weniger das reale Leben ihm seine Verwirklichung er­möglicht. Schlimmer war, daß langsam der Verdacht in mir aufbrach, sie stünde mit Dir jetzt heimlich in Verbindung, und es seien diese mir verborgenen und unbekannten Beziehungen, die Johannas Abneigung gegen mich nährten und mir ihr Herz entfremdeten. Ich wagte nicht zu glauben, daß Johanna mit Dir zusammentrifft, daß Ihr Euch heim­lich seht. Es war ja auch unwahrscheinlich. Mer ich dachte, sie wechselt Briese mit Dir, unter irgendeiner Deckadresse. Und Deine Ant­worten seien es, welche die Erinnerung an Dich in ihr nicht stecken ließen. Ich hätte eine Aussprache herbeiführen können, natückich. Aber ich war feige und hatte Angst vor dem, was Johanna dann offenbaren würde. And deshalb sann ich hin und her, wie ich, ohne mich bloßzustellen. diese geahnte,.ge­fürchtete Beckindung lösen könnte. Biele schlaflose Nächte habe ich grübelnd diesem Problem geopfert. Bis ich schließlich auf jenen verruchten Einfall kam, der zwei Men­schen in den Tod Hetzen sollte. Ich ließ in einer andern Stadt Anzeigen drucken, Traueranzeigen, in denen ich Johannas plötzliches Ableben mit ­teilte.- Ich vernichtete alle Anzeigen, bis auf eine diese eine schickte ich Dir. Begreifst Du, was ich damit bezweckte? Ich rechnete so: Ist mein Verdacht'unbegrün­det gewesen, so schadet es nichts. Du wirst diese Anzeige als Abschluß einer Episode Deine? -Lebenö ansehen, die für Dich seit langem er­ledigt war, und damit gut. Habt Ihr aber wirklich in schriftlicher Verbindung gestanden, so ist diese Beckindung durch einen imaginären Tod gleichsam für immer zerschnitten. Du wirst ihre« letzten Brief nicht mehr beantworten, ttn'i» selbst wenn Du, nach Eckalt der Todesanzeige, noch, eine Mitteilung von Johanna bekänist, würdest Du denken, eS sei ein Versäumnis der -Poft, verspätete Zustellung oder sonst ein rätscl- -hafter Zufall, den aufzuklären keinen Zweck mehr hätte. Und daß Johanira. wenn je ein Brief von ihr unbeantwortet bleiben würde, ein zweites Mal schreiben würde, bas hielt ich für ausgeschlossen. Weil ich ihren Stolz nick ihre Empfindlichkeit kannte. Ich habe die Folgen meines TchritteS natürlich nicht richtig bedacht» nicht zu Ende gedacht. Es war ein kindisches Unternehmen, über das der Außeirstehendc lächeln mag. Aber wer eifersüchtig ist und zudem Anast hat vor der Wahrheit, dessen Handlungsweise hat mit Logik kaum mchr etwas zu tun. Es kam alles ganz, ganz anders, als ich erwartete. Es kam so, daß Du mir antworte­test, womit ich nicht gerechnet hatte. Daß Der" Beileidsbrief der schwarzumrandete i" einem Augenblick eintraf, wo ich nicht zu Hause war, daß Johanna ihn in Empfang nahm. Sie sah den Ortsstempel wir hatten keinen andern Bekannten mehr in der Stadt, wo D" wohnst. Es konnte sich also nur um Dich han­deln. Sie glaubte, daß Du tot wärest, und e» brach ihr Her;. Sie starb am Sonnabend Herzschlag und wir haben sie heute der Erde zurückgegeben., Jetzt also ist sie in Wahckeit tot- Mein Verdacht war unbegründet sie hn> ja nicht einmal Deine Handschrift auf dew Briefumschlag erkannt. Das vergrößert meine Schuld. Ich glaubte, eine Erinncruns zu töten und mordete statt deffen den Mensches der mir am liebsten war. Sinnlos! Tenn ars« bei anderem AnSgang hätte ich Jichanna sün immer verloren. Ich habe beschlössen zu sterben. Heute noch- Um Mit dem Leben meine Schuld zu bezahl^ aber dar ist keine hinreichende Sühne. Dem ich stecke gern!....