Nr. I«. Mittwach, 5. August 1481. Seite 5. Wo strht freute der Segelflug? Nach neueren statistischen Ausrechnungen ist festgestellt worden, datz 60 Prozent aller auf der Erde befindlichen Lebewesen fliegen können. Diese hohe Ziffer erklärt sich durch das Vorhandensein von vielen Millionen Insekten. Zu den Lebe­wesen, denen das Fliegen von Natur aus nicht gegeben ist, gehört auch der Mensch, aber es war von jeher seine Sehnsucht, sich auch in die Lüfte schwingen zu können. Schon in der griechischen Sage treffen wir auf Dädalus   und Ikarus, die sich ein paar Flügel an den Rücken banden und damit von Kreta   aus übers Meer flogen. Das erste Flugzeug dagegen ist von dem Universal- Emer der erfolgreichsten Segelflieger, Georg Hirth.  genie Lionardo da Vinci konstruiert, aber niemals ausgeführt worden. Er als erster hatte erkannt, datz der Mensch einer Maschine bedürfe, um sich m die Lüfte, heben zu können. Bor Erfindung des Verbrennungsmotors konnte es natürlich nur Versuche mit Luftballons geben, oder aber man mußte auf den Motor verzichten und auf aridere Weise sich durch die Luft zu steuern versuchen- Otto Alienthal erbaute 1896 das erste Segelflugzeug der Welt, das man damals noch Gleitflugzeug nannte. Bei einem seiner Flüge verunglückte er tödlich, aber er blieb der Pionier der Segelfliegerei. Heute wissen wir, datz der Flug eine Fortbewegung im Luftraum bedeutet, bei dem entweder die Körper leichter als die Lust sein müssen^Luftschiff, Ballon) oder ihnen sine Bewegungsenergie innewohnt, welche die Schwerkraft überwindet(Flug der Geschoss«, der Bogel   und der Motorflugzeuge). Was die Rekorde und Erfolge anbetrifft, so hat das Motor- flugzeug längst gesiegt, aber dennoch bleibt der Segelflug der elegantere von beiden, der schönere und der der Natur am meisten angepaßte. Die primitivste Art des Fliegens ist das sogenannte passive Fliegen der Samenkörner, der -Fallschirme oder der einfachen Gleitflieger, die 'Nur vom Hügel herunter ins Tal fliegen. Einen Fortschritt zeigen bereits die Flatterflieger wie die Fledermäuse, Flugfrösche und fliegende Fische. Auf der nächsten Stufe finden wir bereits die Segelflugzeuge, denen der Luftwiderstand oder der Wind als tragende Kräfte dienen. Die Kunst ist «s eben, sich diese richtig nutzbar zu machen. In­alge des Krieges trat die Segelfliegerei ganz in den Hintergrund, weil sie 1914 noch in der ersten Entwicklung stand und man nicht daran glaubte, datz aus ihr etwas werden könne. Erst nach Friedensschluß warf man sich auf den Ban von Segelflugzeugen und entwickelte im Bau von Apparaten eine außerordentliche Kunstfertigkcit- Die Segelflugzeuge werden nach Art der Kinderdrachen mittels eines Gummiseils zum Ausstieg gebracht, und benutzen unter Verlegung des Schwerpunktes nach vorn entgegenkommenden Wind zum Auftrieb, Die wichtigsten Plätze für Segelfliegerei sind die Wasserkuppe   in der Rhön  sowie die Kurische Nehrung   bei Rossitten  . Hier wurden eine ganze Reihe von Weltrekorden auf­gestellt, bei denen sich besonders der ostprcußische Aolksschullehrcr Ferdinand Schulz   auszeichnete, der später tödlich abstürzte. Heute weiß man, datz rin Segelflugzeug bei günstigem Wind sich in hügligem Gelände ziemlich weit fortbewegen Ann, so daß man mit einiger Sicherheit den PNnkt erreicht, den man erreichen will. Gleich­zeitig hat man aber erkannt, datz sich nur be­stimmte Gegenden zum Segelflug eignen, so daß also mit reinen Segelflugzeugen niemals ein Mülärer Flugverkehr unterboten werden könnte. Wenn sich ein. Segelflieger einmal in die Höhe geschraubt hat, dann ist es ihm natürlich möglich, stch in einer bestimmten Höhe, ewig hin- und dergleiteiid. zu halten, weil man eben immer Luftströmungen antreffen wird, die man unter die Flügel bekommt, um neuen Antrieb zu erhal­len. Aber, wie schon gesagt, es eignen sich nur bestimmte Gegenden zum Start, weil man nicht überall den geeigneten Bodenwind zum Hoch- nhrauben findet, . Zur Zeit ist ohne Frage eine Stagnation im "egelflug zu beobachten, was nicht darauf zurück- iuführen, ist, daß Deutschland   für weitere Ber- Ache kein Geld hat, sondern die jahrelangen Arobeflüge in der Rhön   und in der Kurischen Aehrung Hobe» uns einwandfrei erwiesen, daß He Segelfliegerei. eigentlich nur eine einzige Zukunft hat: Sie ist sirr die Wissenschaft, beson ­ders für meteorologische Messungen der Wind- der Segelflug dagegen wenig oder nicht mit geschwindigkeit, des Windwiderstandes, der Wind- Sicherheit geeignet- Dadurch sollen natürlich die strömungen und so weiter ein außerordentlich außerordentlichen Leistungen unserer Segelflieger ivichtiger Faktor, viel wichtiger als Fesselballons nicht geschmälert werden, denn ohne ihre Pionier­oder Freiballons  . Für den Flugverkehr oder l arbeit wäre die reguläre Fliegerei nicht so rasch Transport von Menschen, Post und dergleichen ist I vorangekommen. Wo»st de» tSühatz veo 3nfa? Schandtaten der habgierigen spanis chen Eroberer. Blut und Folter bei der Jagd nach Gold. Tic größten Schätze, die man aus der Geschichte kennt, dürften heute noch ini Jnkareich verborgen sein, das sich einst vom Rio Ancasmay in Colombia  bis zum Rio Maule in Chile   erstreckte. Der letzte Inka  -König Atahualpa   wurde von dem spanischen Eroberer gefangen genommen. Da ihm die Gold­gier der Spanier nicht verborgen blieb, unter- handelte er mit Pizarro und verstirach, ihm so viel Gold für seine Freiheit zu geben, daß der Boden des ganzen großen Raumes, in dem er stand, be­deckt wäre. Da die Spanier sich eine solche Menge Goldes nicht vorstellen konnten, schüttelten sie zwei­felnd die Köpfe, und da Atahualpa   diese Bewegung so auffaßte, als sei ihnen sein Anbieten nicht groß genug, hob er die Arme, stellte sich auf die Zehen­spitzen, legte die Finger an die Wände und sagte, er wolle nicht nur den Boden blecken, sondern das Zimmer bis zu dieser Hohe mit Gold füllen, wenn sie ihm seine Freiheit Wiedergaben. Die Spanier gingen auf seinen Vorschlag ein und Atahualpa  bemühte sich nun, die versprochenen Schätze herbei­zuschaffen. Da damals das Gold bei den Inkas keinen Münzwert hatte, sondern nur zu dekorativen Zwecken benutzt wurde, waren Paläste und Tempel mit GoK>- und Silbergegenständen gefüllt und eS dauerte natürlich geraume Zeit, bis aus den zum Teil entlegenen Tempeln die Kostbarkeiten herbei­geschafft werden konnten. Darüber wurden die Spanier ungeduldig, ihre Habgier steigerte sich in dem Maße, wie di« Schätze ihnen zuströmten, und sie sagten sich, daß, wo man ihnen freiwillig so un­geheuere Reichtümer geben wollte, mit Gewalt doch noch viel mehr zu holen sein müsse. Sie beschlossen deshalb, den Inka  -König zu töten, obwohl sie ihm die Freiheit zugesagt hatten. Die Nachricht von der Ermordung ihres Königs drang zu den Lastträgern, die mit unernreßlichen Schätzen unterwegs waren, dir abgeliefert werden sollten. Sofort hielten sie auf ihrem Weg inne. Einstimmig waren sie der Meinung, daß die Spanier diese Schätze jetzt nicht bekommen dürsten und sie verbargen den Schatz in der Nähe der Stelle, wo sie sich gerade befanden. Sie selber aber verschwanden. Di« Urberlieferung berichtet, daß der von ihnen beffeite geschafft« Schatz einen Wert von siebenhundert Millionen Mark ge­habt habe. Aber dieser märchenhafte Schatz ist nicht das einzig«, was ein Schatzgräber im Jnkareich finden könnte, denn bei dem Einbruch der Spanier in das Land wurden auch die ungeheueren Kostbar­keiten im Sönnentempel von Cuzoo von den Priestern weggeschafst. Man weiß, daß die Wände dieser Tempels ganz mit Goldplatten bedeckt waren. Fenster uick Wrgejimse waren aus Silber und Gold, lieber dem Altar befand sich ein Riesenbild der Sonn« mit Silberstrahlen. Auch waren die mit Gold belegten Mumien von zwölf toten Inka­königen hier untergebracht, wir auch ihre Statuen aus lauterem Gold sich hier befanden. Im Tempel­park nahm die Pracht phantastische Formen an: hier hatte man Springbrunnen aus Gold, inmitten von Büschen, Blumen, Vögeln und Schmetter­lingen, dir alle aus Gold und anderen kostbaren Metallen mit eingelegten Edelsteinen bestanden. Dir unermeßlichen Schätze wurden in der Nähe von Picoeomba vergraben, wo sie heute noch liegen. Rur   das große Sonnenbild, das man in Lust Pampa versteckt hatte, wurde vierzig Jahre später wiedergefunden und nach Spanien   geschickt. Den Wert dieser vergrabenen Schätze, unter denen- sich Edelsteine und Perlen von unvergleichlicher Kost­barkeit befanden, kann niemand ermessen. Unter ihnen fft auch eine Halskette, die di« Jnkakönige bei feierlichen Gelegenheiten trugen und die aus zweihundertundzwanzig taubeneiergroßen Wei­st« inen bestand. Auch die von Francis Drake   vergrabenen Schätze sind größtenteils bisher noch nicht gehoben Wochen. In seinen Memoiren ist zu lesen, daß einer seiner Negersklaven einst«ine» spanischen Soldaten gefangen nahm, der die Transport« rn- geheuerer Schätze von Panama  »»ach Rombre de Dios zu überwachen hatte. Mit Hilfe der Folter wuche der Gefangene gezwungen, den Weg des nächsten Transports zu verraten, und Drake mit seinen Leuten überfiel eines Tages, nach einem zunächst mißlungenen Versuch, eine der Kavawanen und erbeutete einen Zug von Eseln, die etwa drei­ßig Tonnen Silber mit sich führte»; Da es nicht möglich war, die ganze Beute mitzunehmen, wuche ein großer Teil an Ort und Stelle vergraben, und zwar in der Nähe des alten Gold Road, einige Meilen von Old Panama. Drake wuche später verhindert, die vergrabenen Schätze abzuholrn. Bei einer anderen Gelegenheit hat Francis Drake   dir geraubten Schätze, da er nicht aller mitnehmen konnte, ins Meer geworfen, und zwar bei Island of Plate. Huirdert Jahre später versuchten See­räuber einiges von den Schätzen auszufischen, hatten aber nur geringe Erfolge dabei, obwohl annähernd fünfundvierzig Tonnen versenkt Wochen sein sollten. Wer wich einer Tage- der Glückliche sein, der diese Schätz« wicher ans Licht fächert? Volkswirtschaft und Sozialpolitik Die NttthsHiysattioi». Anmeldetermin bis 15. September. Die Regierung bewilligte dem Landwirt­schaftsministerium für ein« allgemeine FlachS- HilsSaktion bestimmte Mittel zum Zwecke der Qualitätsverbesserung und der Absatz- fördenrng deS heimischen Flachs«». Das Landwirtschaftsmiuisterium betraute mit der Durchführung dieser Hilfsaktion den C e n t r o l e n", FlachS-Einkaufs-, Erzeugungs­und Kredit-Vereinigung in Prag   II., Ltepanskü 30, welch« Vereinigung zu diesem Zwecke eine be­sondere Flachs-EinkaufS- und Verkaufsstelle ein­gerichtet hat. Die Flachs-Hilfsaktion bezieht sich n u r a u f Flachs einheimischer Herkunft und beruht darauf, daß den. Flachsbauern, den FlachS- baugenossenschaften, soweit diese den FlachShanoel aus eigene Rechnung betreiben, und den privaten Brcchereien, soweit diese durch die Krise im Flachsbau materiell geschädigt wurden, em in einer bestimmt festgesetzten Zeit rückzahlbares AushilfSdarlehen bewilligt werden kann. Eventuell kann auch eine andere Form der Hilfs­aktion, soweit sie geeignet ist, gewählt werden. In Betracht können nur Flachsbauern, Flachsbaugenossenschaften und Privatbrechereien, di« in den letzten drei Jahren Flach» gebaut, bzw. den Brechereibetrieb tatsächlich auSgeübt habe», kommen. Zur Festsetzung des Umfanges und der Art der Durchführung der Hilfsaktion ist laut Erlaß des LandwirtschanSministeriumS der wirtschaft­liche Stand der durch die FlachSbaukris« Geschä­digten zu erheben und eine Aufnahme der bisher unverkauften Vorräte heimischen Flachses nach den einzelnen OualitätSklaffen durchzuführen. Derffenlrokn" führt diese Erhebungen mittels besonderer FormulareAnmeldung für die FlachS-Hilfsaktion", die den Ansuchern aus Wunsch kostenlos zugesandt werden, durch. Jeder Interessent muß eine selbständige Anmel­dung abgeben; Sammelansuchen werden abge­lehnt. Nach Einlauf aller Anmeldungen veröffent­licht derCentralen" die Durchführungsart der FlachS-HilfSaktion und gibt die Bedingungen, unter welchen diese Aktion durchgeführt wird, so­wie besondere Gesuchsformulare heraus. Die Drucksachen werden allen Interessenten, die die Anmeldung abgegeben haben, zugesandt. Diejeni- gn, die ihre Anmeldung nicht rechtzeitig abgegeben haben, können an der gekennzeichneten Flachs- Hilfsaktion nicht teilnehmen. Diejenigen Flachsbauern, Flachsbaugenossen­schaften und Brecher, die durch die FlachsbauNise materiell geschädigt wurden, werden aufmerksam gemacht, auf schriftlichem Wege um die Zusen­dung der Anmeldeformulare für die Flachs- Hilfsaktion anzusuchen. Flachsbau-, ev. andere landwirtschaftliche Organisationen, Alachsvertrau­ensmänner, Gemeindeämter u. a. können für ihre Mitglieder ev. Flachsbauern in dem betreffenden Bezirke, Gebiete, Gemeinde usw. um die gemein­same Zusendung der Formulare bei genauer Angabe ihrer Anzahl, ansuchen. Die ausgefüllten Formulare sind demCen­trolen" bis spätestens 15. September 1931 einzu­senden. Auf unvollständige oder nach dem Termin eingereichte Ansuchen wird in keinem Falle Rück­sicht genommen werden. Der-opfeupfliickerlohn Im Landesbeirat für landwirtschaftliche Ar- beiterangelegenheiten für Böhmen   fanden am 31. Juli Verhandlungen über die Festsetzung der Akkordsätze für das Hopfenpflücken statt. Die Verhandlungen waren diesmal sehr er­schwert und erst nach stuirdenlangen Beratungen war es möglich, ein Abkommen zu erzielen. Der für Hopfen zu erzielende Preis ist heuer ein sehr niedriger und aus dem Grunde heraus waren die Hopfenbauernorganisationen bemüht, den Lohnsatz möglichst niedrig zu halten. Die Arbei­tervertreter waren demgegenüber, bemüht, einen zu großen Abbau der Lohnsätze zu verhindern. Daß es möglich war, be» dieser Situation zu einem Abkommen über den Lohn zu gelangen, liegt daran, daß beide Telle bemüht waren, einen erträglichen Abschluß zu erzielen. Nach dem an- genommerren Antrag des Referenten wurde für das Saazer Gebiet für 30 Liter gepflück­ten Hopfens der Akkordgrundlohn mit 1.10 Kronen festgesetzt. Di« zulässige Er­höhung darf 1L0 X nicht überstei­gen. Für das Raudnitzer, Auschaer und Daubaer Gebiet beträgt der Akkord­grundsatz 90 Heller und die zulässige Erhöhung darf 1. Krone nicht übersteigen. Die vielen Tausenden von Menschen, die ! alljährlich in die Hopfengebiete waüdern, un» dort ein paar Kronen zu verdienen, müssen sich nun bei Abschluß des Vertrages entscheiden, ob sie mit diesem Lohn äukommen oder ob sie von ihren Arbeitgebern andere Lohnsätze fordern wollen. Die vom Landesbeirat- bestimmten Akkordgrundsätze binden den Hopfenpflücker durchaus nicht, aber es war bisher so, daß im großen und ganzen doch nur diese Lohnsätze be­zahlt wurden. Heuer, wo der Hopfenpreis ein niedriger ist, wird in den Kreisen der Bauern der Gedanke erwogen, ob sie nicht einen Teil ungepflückt lassen sollen, um so bessere Preise zu erzielen. Der Hopfen selbst steht gut und die Hopfenbauern sind von dem guten Stand des Hopfens eigentlich nicht befriedigt. Di« Einschrän­kung der Anbaufläche bringt heuer keine Er­leichterung. ES werden heuer auch nicht soviel Pflücker beschäftigt werden als andere Jahre. D»e Anforderungen von Pflückern bei den Ber- mittlungsanstalten sind geringer und weiter ent­fernt wohnende Pflücker wollen die Hopfen­bauern nicht nehmen, well die Bahnauslagen zu hoch sind urü> sie Pflücker in der näheren Um­gebung genügend haben. So werden viele, die gehofft hatten, bei dieser Arbeit ein paar Gro­schen zu verdienen auch diese Möglichkeit nicht haben. Die Hoffnung hunderter Menschen, wie­der auf eine ganz kurze Zeit Arbeit zu haben, wird zunichte. Biele Arbeitslose find ins Hopfengebiet gewandert, um bei den Bauern während der Pflücke beschäftigt zu werden und dieses Angebot von Kräften wirkt sich natürlich aus. Doch die Hopsenpflücker, die zur Pflücke verwendet werden, müssen darauf bestehe», daß zunrindest der vom Landesbeirat festgesetzte Lohn gezahlt wird, damit sie doch wenigstens einige Kronen heimbringen können. Der Bänlellänger lebt»och! Bon Erich Gottgetreu. Couches, Normandie  , Anfang Juli. Die fahrenden Künstler, die auf offener Straße die neuesten Schlager singen und den Text für wenige Sous an oen Mann und mehr noch an die hierfür besonders empfängliche Frau bringen wollen man sieht sie in Frankreich  überall. Es sind meist ihrer drei, stets ist auch eine Frau dabei. Einer singt, zwei spielen. Die Instrumente, die sic benutzen, sollen Geigen vor­stellen. In wenig aufregender, mäßig rhhch- mischer Melodie klingen die ost sehr sentimen­talen Weisen, die stet» von der Liebe und ihrer Schwester, der Eifersucht, reden, die Häuser hoch; die Fenster öffnen sich, die Herzen. So ist eS unter den Dächern von Paris", unter den Dächern von Lyon  , von Marseille  , Gondr«- eourt, Laigl«, Conches Touches ist ein entzückendes keines Städt­chen in der östlichen Normandie  . Hier leben wenig tausend Einwohner, doch hier herrscht kein Leben".Sehenswürdigkeiten", di« etwa Fremd« anziehen könnten, gibt es nicht. Der Maire hat seinen Kummer darüber. Nie ist etwas los in Conches, und der Freitag, der Markttag, gilt schon als groß« Sensation, nicht zuletzt auch des sich regelmäßig einstrllenden Bänkcksangs wegen. Gar nun der letzte Freitag Die Dreieinigkeit des Bänkelsängers hat dies­mal nicht nur Liebeslieder und Gafferchauer auf dem Lager, das es in der Kehle trägt. Die Hauptattraktion istLa Catastrophe du Bateau Le Saint Philibert", das traurige Lied vom Untergang des TouristendampfersSaint Phili­bert" in der Loiremündung, jene Katastrophe, die etwa fünfhundert Menschen, Arbeiterfamilien, auch viele lleinen Kindern, vor etwa vier Wochen das Leben kostete; noch heute wirft tagti^lich das Meer verstümmelte, kaum identifizierbare Leich­name an Land. Nun ist aus dem Unglück auch ein Lied geworden. Die Nacherzählung der Katastrophe kostet einen Franken. Keiner, der den Text^ttel nicht kauft. Die Verse springen wie di« Wogen, die das Schiff fraßen, aber die Leut« singen sie alle mit. Glichet vom langen Zeigefinger deS Vor­sängers betrachten sie dabei dr« aus ZeitungS- bildern zusammengellebte Photomontage, die, gleichermaßen zu Lehr- und Werbezwecken an dem großen Sonnenschirm angeheftet ist, der das Ter­zett vor der prallsten Sonn« schützt. Es ist so heiß, daß die Musik nur ganz langsam dahin­fließt, so verführerisch langsam, wie sich bei Saint Nägaire die Loire   ins Meer ergießt. Manchmal ist das Lied zu Ende, sie sangen aber immer wieder von vorn an. Mit seinen schwer übersetzbaren Versen werden den Kehlen Knüppel zwischen die Stnnmbänder geworfen: Am 14. Juni 31 Fand statt die Exkursion, Doch plötzlich bildete ganz frei sich In den Wolken ein Zyklon. DaS Schiff, dar sank ganz plötzlich Auf der Höhe von Saint Nazaire  Und fürchterlich, entsetzlich Hallten Schreie über das Meer. Im Verlauf der Fortsetzung des Liede», das in krassen Bildern die Einzelheiten der Kata­strophe schildert, wird schließlich die materielle Hilfe für die Hinterbliebenen Waisen und Greise erbeten, das Herz von ganz Frankreich  , heißt«S, schlägt für sie. Die Leute singen alle mit: der Blinde, dem sein etwa zwölfjichriger Sohn, der ihn an der Hand führt, stets noch den Text vor­sagen muß; Schulmädchen mit der Mappe unten» Arm; dicke Marstfrauen, die längst ihre Bohnen und Artischocken vergessen haben; der Briefträger, der mit gutem Gewissen sein« Kunden warten laßt; Mütter mit ihren Kindern an der Hand. Das Lied packt sie. ES rührt an ihr Herz. Dieses klein« Lied von einem großen Schicksal.