Nr. 182

Mittwoch, 19. August 1931.

Seitr 3

Der internationale Textilarbeiter- tonsreß in Berlin . -Montag, den 17. ds., wurde in derKroll- Oper", der 13. Kongreß der Textilarbeiterinter­nationale vom Vorsitzenden des reichsdeutschen Textilarbeiterverbandes, Genossen Schrader, eröffnet. In seiner Eröffnungsansprache ver­wies der Vorsitzende auf die schwierigen Pro­bleme, die der Kongreß im Interesse der Tex­tilarbeiter aller Länder zu losen hat. An dem Kongresse, welcher in der Zeit vom 17. bis 22. h. M. tagt, nehmen 122 Delegierte aus 13 Län­dern teil. Nicht vertreten sind an dem Kongresse Ungarn und Palästina. Dem Kongresse ging am Vorabende eine Festveranstaltung voraus und zwar aus Anlaß des 40jährigen Bestehens des Deutschen Textilarbeiterverbandes und des 13. internationalen Textilarbeiterkongresses, an wel­cher Feier die Kongreßdelegierten teilnähmen. Begrüßungsansprachen am Kongresse hielten: Der Vertreter des Arbeitennlinisteriums, Mini­sterialrat Röttig, der Vertreter der Stadt Ber­ lin , Genosse. Wells für die sozialdemokratische Partei in Deutschland , für den A. D. G.-B. Hermann Müller , für den I. G.-B. Schevenells und für das Internationale Arbeitsamt Staat. Am ersten Nachmittag erstattete Kollege Ton: Shaw- England, den Sekretariatsbericht, und es fand anschließend daran eine Aussprache statt. Möge nun der Kongreß jene erfolgreiche Arbeit leisten, die zur' Besserung der Lage der Textil­arbeiter aller Länder führt.-

Die Hitler -Kommunifteu greifen in ihrer Verlegenheit, den Arbeitern die Allianz zwischen Hakenkreuz und Sowjetstern zu erklären, zu dem Mittel der hemmungslosen Frechheit. Man merkt es, daß die Kapetschisten- blatteln in Aussig von dem Reimann redi­giert werden, der nächst dem Viktor Stern die sozusagen eisernste Stirn unter den Wort­führern des Dankrottismus hat. Da erscheint ein LeitartikelBon Braun bis Hitler eine Front", in der weiter vomroten" Volksent­scheid fabuliert wird, in dem die Kozi tun, als hätten sie nie mit einem Nazi Bruderschaft ge­macht, und der mit der mehr als frechen Be­hauptung schließt: Von Braun bis Hitler schließt sich die Einheitsfront gegen die einzigen, di« am 9. August einen Erfolg errangen, gegen di« revolutionären Bolksmafsen Deutschlands , die am 9. August ihren Willen zur Vernichtung der fascistischen Diktatur unter der Führung ihrer Kommunistischen Partei bekundet haben!" Das wurde geschrieben zur selben Stunde, da die mit den Nazi verbündeten moskowitischen Mordbanden in Leipzig sozialdemokratische Ar­beiter überfielen und einen Jungarbeiter nieder­stachen. Ganz abgesehen davon, daß die Kozi mit dem Volksentscheid verkracht sind, weil ihnen, was sich an den Einzelresultaten nachweisen läßt, dl« Arbeiter di« Gefolgschaft versagt haben, bleibt doch die Schande bestehen, daß sie Hitler in den Sattel hebyl wollte n. Sie aber haben die Stirn, ihren Freund und Kom­mandeur. zu verleugnen und von einer Ein­heitsfront Hitlers und Brauns zu reden. Dabei ist es für jeden denkenden Arbeiter durch­sichtig, was jetzt in Deutschland gespielt wird: Hitler bleibt in Reserve, um eventuelllegal" an die Macht gelangen zu können und um seins SA zu schonen, während die moskowitischen Kalfakter für ihn ins Feuer gehen und die Ermordung der sozialdemokratischen Arbeiter ihre Sprge sein lassen. Wenn der Reimann fortfahren wird, diesen Tatbestand zu verdrehen, dann wird ihm kaum das Los erspart bleiben, das seinem Par­ieibruder Freund widerfahren ist, dem die Arbeite?, angewidert von der bolschewistischen Demagogie, in offener Versammlung ins Gesicht gespuckt haben!

Proteftversammlung der Anglobank- Beamten. Die in der am 17. August 1931 stattgefun- vene Protestkundgebung versammelten Angestellten der Anglo-Tschechoslowakischen und Prager Creditbank haben nach Anhörung der Referate über den Eingriff der Bankleitung in die Existenzfragen der subalternen Beamtenschaft folgende Resolution beschlossen: , Wiederum sollen durch neuerlichen Abbau vie Angestellten betroffen werden, während die Anzahl der Direktoren und der anderen leiten­den Funktionäre sowie deren Gehalte, die den größten Teil der Bankregie ausmachen, auch Weiterhin unangemessen hoch bleiben. Die mit Staatsgeldern aus den Mitteln der Steuerträger sanierte Bank dient hier den Interessen einzel­ner und unternimmt einen direkten Angriff auf oie Existenzen der subalternen Beamten. Die allen drei Jnstitutsorganisationen ange- Wossenen auf der Versammlung vertretenen Angestellten fordern energisch, daß ihre Existen- scn unter Anwendung aller Mittel geschützt und oie Absichten der Bank zunichte gemacht werden.

Exekution gegen«inen Bezirk. Wie>,Leske Elvvo" berichtet, hat di« Arbeitelunfallversiche- ^Ungsanstalt für Böhmen eine Straßenmaschine des Bezirkes Semil pfänden lassen, da ihr der Bezirksausschuß an Beiträgen für die beim Be­zirke beschäftigten Arbeiter den Betrag von kl.000 Kronen schuldet«. Im letzten Augenblick gelang es, das Geld.anfzubringen und damit die Einstellung der Exekution zu erreichen.

ßineBank für internationale Agrarkredite"? Beratungen in Rom . Rom , 18. August.(Stefani.) Im Inter­nationalen Agrikultur-Institut findet zur Zeit eine wichtige Tagung in Anwesenheit von Dele­gierten aus 20 Staaten, des Völkerbundes und der Bank für internationale Zahlungen zum Zwecke der Schaffung einer Bank für inter­nationale kurzfristige Agrarkre­dite statt. Die Gründung dieser Bank ist be­kanntlich bei der letzten internationalen Getreide­konferenz vorgeschlagen worden. Nach mehreren Sitzungen wurde ein Protokoll unterzeichn net, in welchem die Initiative des Internatio­nalen Agrikultur-Institutes sowie der Text dreier Dokumente gebilligt wird, die den Arbei­ten der nächsten Konferenz zur Grundlage dienen werden. Tas Internationale Agrikultur-Institut wurde aufgefordert, diese Konferenz für Novem-

Das politische Interesse des demokratischen Sozialismus konzentriert sich gegenwärtig auf Mitteleuropa , auf die Ereignisse in Deutschland . Auch auf dem Wiener Kongresse der S. A. I. sind die Verhältnisse in Mitteleuropa Gegen­stand einer besonders eingehenden Erörterung gewesen. Unverkennbar aber ist es, daß in dem Land, in dem die Ausgangspunkte sozialistischer Theorie und sozialistischer Praxis zu suchen sind, sich die sozialistische Bewegung in der Defen- stve befindet, links bedroht durch bolschewistische Zersetzungsversuche und rechts durch die bewaff­neten Bänden des Rüstungskapitals. Wenn wir aber unfern Blick nach dem Westen und Norden Europas wenden, so wird jeder Pessimismus von uns weichen. Vor wenigen Wochen erst zogen die Sozialisten Spaniens als die stärkst« Partei in die Cortes ein, England hat schon seit zwei Jahren eine Arbeiterregie­rung und auch die französischen Sozial­demokraten haben die besten Aussichten bei den Kammerwahlen des nächsten Jahres. Zll den Parteien, auf die sich das Schwergewicht der internationalen, sozialistischen Arbeiterbewegung zu verlegen scheint, gehören auch di« beiden großen sozialdemokratischen Landesorganisatio­nen Schwedens und Dänemarks , deren Entwicklung vom Fascismus überhaupt nicht und vom Bolschewismus nur in geringem Ausmaß bedroht ist. Erst spät hat im Norden Europas die indu­strielle Entwicklung und damit das Leben einer, sozialistischen Arbeiterbewegung begonnen. Die Sozialdemokratie Deutschlands stand in der Aera des Sozialistengesetzes, Bernstein verschickte von Zürich sein mutiges Kampfblatt, als die Wellen­der marxistischen Propaganda nach dem Norden kamen. Doch in diesen Ländern ging die Ent­wicklung mit Eilschritten vor sich, die Sozial­demokratie konnte dank den demokratischen Staatseinrichtungen die bürgerllchen Parteien bald überflügeln und das vorläufige Ergebnis für diese beiden Länder ist, daß Dänemark eine in ihrer Mehrheit sozialistische Regierung besitzt und daß man auch in Schweden für die nächste Zukunft damit rechnen kann, daß die Kommando­höhen der Politik mit Sozialisten besetzt werden. Das Entwicklungstempo der schwedischen Sozialdemokratie ist ein besonders rasches gewe, sen und ist ein Beweis für die Ueberzeugungs- krqft der sozialistischen Idee, die über alle Hin­dernisse hinweg zum Siege führt. Und Hinder­nisse hat es für die schwedische Arbeiterbewegung, vor allem für die beiden Männer, die an rhrer Wiege standen, für August Palm und Hjalmar Branthing, genug gegeben. Auch in Schwe­ den gab es in den achtziger Jahren ein soge­nannteskleines Sozialistengesetz", das die zar­ten Anfänge einet sozialistischen Organisation und Presse, zerstörte. Die vier kleinen Parteizei­tungen mussten 1888 ihr Erscheinen einstellen, weil alle Redakteure hinter den berühmten schivedischen Gardinen saßen. Unter ihnen war auch der Mann, der zweimal das höchste Amt bekleidete, das Schwedens König zu vergeben hat, Hjalmar Branthing. Er war der Führer der schwedischen Arbeiterklasse, er ging für sie ins Gefängnis, war bis zum Jahre 1901 ihr einziger Vertreter im schwedischen Reichstag und hat sie eine weite Streck« auf demWeg zur Macht" geführt. Sein Ableben im Jahre 1925 war ein schwerer Verlust für di« ganze sozialistische Welt und auch seine politischen Gegner haben ehrende Worte für seine geniale Größe gefunden. Unter dem Drucke der Sozial­demokratie wurde das Wahlrecht immer mehl erweitert, das letzte Mal 1919, als die Frauen das Stimmrecht erhielten. Das Zweikammer­system setzt jedoch der Partei noch heute eine Schranke. Wahrend in die zweite Kammer des schwedischen Reichstages auf Grund des gleichen, direkten Wahlrechtes gewählt wird, gehen die Mitglieder der ersten Kammer aus indirekter Wahl hervor, sie werden von den 24 Landsthin­gen(Landtagen) und den Stadtvertretungen der größeren Städte gewählt. Die Unzuverlässigkeit der beiden bürgerlichen Linksparteien bei Stich­wahlen brachte es mit sich, daß die Sozialdemo­kratie in der ersten Kammer, in der sie vor 1911 überhaupt nicht vertreten war, meist nicht die ihr zukommende Stärke besitzt. Heute verfügt sie in der ersten Kammer über 52 Mitglieder von 150 und in der zweiten Kammer ist sie mit 90 von 240 Abgeordneten die weitaus stärkste Partei und ihr Fraktionsmitglied Bernhard E r i c s o n sitzt auf dem Stuhl des Kammer­präsidenten. Auch in den Gemeinden ist die Par­tei sehr stark vertreten, in 34 Orten mit über

ber dieses Jahres einzuberufen, damit das Statut der Bank für internationale kurzfristige Agrarkredite definitiv ausgearbeitet werden könne.

Amerikanische Gewerkschaften für Beitritt zum Haager Gericht. Atlantic City , 18. August. (Reuter.) Der Vorsitzende der amerikanischen Arbeits­föderation, die zur Zeit in Atlantic City eine Tagung abhält, Green, hat an den Senat der Bereinigten Staaten den nachdrücklichen Appell gerichtet, mit möglichster Beschleunigung den Beitritt der Vereinigten Staaten zum Internationalen Gerichtshof im Haag zu genehmigen. Green erklärte, der Bei­tritt der Vereinigten Staaten würde in hohem Maße den Interessen des Friedens, des guten Willens und der Freundschaft unter den Natio­nen dienen.

5000 Einwohnern besitzt sie in den Vertretungen die absolute Mehrheit, darunter auch in der Reichshauptstadt. Die Mitgliederzahl ist gerade in de» letzten Jahren besonders stark angewachsen, was auch dem Umstand zu verdanken ist, daß einige Ge­werkschaften den kollektiven Anschluß an die Partei vollzogen haben. Die Mitgliederbewegung der S. S. A.(Sveriges Socialdemokratiska Arbetarparti) weist in den letzten fünf Jahren folgende Entwicklung auf: 1926 189.000 1927 203.000 1928 221.000 1929 234.000 1930 260.000 Erfreulicherweise kann man gleichzeitig fest­stellen, daß Schwedens Sozialistische Frauen- und Jugendbewegung gleichfalls sehr starke Stellungen errungen hat. Der schwedische so­zialistische Jugendverband ist mit 61.000 Mitgliedern die stärkste Sektion der Jugendinternationale. Das ist darauf zurückzu­führen, daß es in Schweden feine Gewerkschafts- sugendgruppen gibt und daß man für die Mit­gliedschaft im schwedischen Jugendverband keine obere Altersgrenze festgesetzt hat, wie in den übrigen der Jugendinternationale angegliederten Verbänden. Üeber eine gute Organisation ver­fügt auch der sozialistische Frauenverband, der mit seinen 3000 Frauenklubs über das ganze Land verbreitet ist. In Hinblick auf die Partei presse können die Parteijahrbücher jährlich mindestens einen neuen Publizistischen Mitkämpfer begrüßen. Gegenwärtig gibt es 29 von der Partei aner­kannte Presseorgane, von denen mehr als die Hälfte täglich erscheinen und die meist in eigenen Druckereien heraestellt werden. Das Zentral­organSocial- De m o k r a t e u" ist ein sehr modern ausgestattetes Blatt; in Format und Umfang den großen schwedischen Nachrichten­blättern angepaßt, steht.es auch in seinem Jn- formationsdixnst nicht hinter der bürgerlichen Presse zurück. Aus alley diesen Tatsachen geht hervor, daß Schwedens Sozialdemokratie gefestigt allen kommenden Kämpfen, besonders den Kammer- wahlen des nächsten Jahres entgegengeht. Gleich­zeitig kann festgestellt werden, daß die Krise der Partei, die in den ersten Nachkriegsjahren durch kommunistische Absplitterungen zum Ausdruck kam, überwunden ist. Heute können die Moskauer nicht mit der geringsten Berechtigung in Schwe­ den ihr künftiges Operationsfeld erblicken. Besser als in andern Ländern hat es sich in Schweden gezeigt, daß sich die Kommunisten durch ihre beständigen Parteiinquisitionen s e l b st ihren Lebensfaden abschneide>l. Dazu kommt noch, daß politische Gewaltmethoden, in einem Lande, dessen Entwicklung auf gesetz­lichem Wege bedeutende Fortschritte gemacht hat, besten Bevölkerung politisch erzogen und. in ihrer Mehrheit demokratisch gesinnt ist, absolut nicht am Platz sind. Das haben im Verlauf der letzten zehn Jahre die meisten schwedischen Kom­munisten selbst eingesehen, es war ihnen nicht möglich, Moskaus schablonenartige Parolen auf Schweden anzuwenden und sie haben mehr als einmal rebelliert. Da war es nn Jahre 1925 zunächst Höglund, Führer der schwedischen Kommunistenpartei, der eine oppositionelle Gruppe ins Leben rief und sich mit den Vertre­tern der Sozialdemokratie zu Einigungsverhand­lungen zusammensetzte. Höglund und Genossen erklärten sich bald in allen wesentlichen Punkten mit bem Programm der Internationale und der schwedischen Partei einverstanden und führten der Sozialdemokratie ihre 4000 Anhänger zu. Ein Zeichen dafür, daß eine Einigung zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten nicht so ganz unmöglich ist, vorausgesetzt, daß die letzte­ren den Glauben an die Autoritäten des Ostens verloren haben. Den zweiten schweren Schlag er­hielt die Komintern im Herbste 1929, als das mit den schwedischen Kommunisten höchst unzu­friedene Ekki seinen Stockholmer Statthalter K i l b o m für abgesetzt erklärte. Die anbefohlene Parteidiskussion wurde zwischen Moskau und Kilbom in Form eines physischen Kampfes um die Redaktion desFolkets Dagbladet" geführt. Kilbom behauptete das Schlachtfeld, die Mehr­heit der Kommunisten trat zu ihm über und die aus acht Mann bestehende Parlamentsfrak­tion erklärte sich für ihn. Daraufhin wurde eine neue frisch linierte Partei gegründet und ein eigenes.Blättchen herausgegeben, das von rus ­

sischen Unterstützungen und von Schimpfkanona­den aufLiquidatoren" undSozialfascisten" lebt. Die wenigen Anhänger der neuen Partei rekrutieren sich fast zur Ganze aus den rück­schrittlichsten Teilen des Landes, die schon immer die Heimat aller Art von Radikalismus gewesen sind, aus Norrbotten, dem Siedlungsgebiet der Lappen und aus Westernorrland..(Daß sich Nordschweden auch in anderer Hinsicht durch Radikalismus auszeichnet, beweist die Tatsache, daß eine für das Alkoholverbot eintretende Rich­tung der freisinnigen Partei den Namen ,Morr­landsfreisinn" trägt.) Nur noch 17.000 Stim­men haben die Kommunisten Moskaus bei den Landsthingwahlen des letzten Jahres erhalten, bannt hat ihnen die Arbeiterschaft eine deutliche Absage erteilt. 17.000 Stimmen für die Dikta­tur, 580.000 Stimmen für den demokratischen Sozialismus, 38.000 sirr die kommunistische Opposition die Zahlen sprechen für sich. * Dreimal schon hat in S ch W e d« n e l». sozialistische Regierung die Bühne des polnischen Handelns betreten, dreimal schon konnte ein rein sozialistischer Ministerrat seine Tätigkeit zum Wohle der Arbeiterschaft.ausüben, doch immer nur durch eine Unterstützung dec bürgerlichen Linksparteien, deren Zuverlässigkeit auch hier sehr begrenzt war. Das erste Mal hat es die schwedische Arbei­terklasse im Jahre 1919 bewiefen, daß sie fähig ist das Staatsschiff zu steuern. In der vorher­gegangenen liberal-sozialistischen Koalitionsregie­rung waren Mißftimmigkeiten wegen des Gc- meindesteuergesetzes ausgebrochen. Die Regierung Eben trat zurück, der Berufung Branthings zum Ministerpräsidenten war der Weg geebnet. Das erste Werk der neuen Negierung ipao die Er­weiterung des Wahlrechtes, die außer der bereits erwähnten Dekretierung des Frauenwahlrechtes auch eine Herabsetzung des Wahlalters auf 23 Jahre zum Inhalt hatte. Die militärische Dienstzeit wurde herabgesetzt. Kom- Missionen für Sozialisierung, für Trustkontrolle und industrielle Demokratie traten trotz. dem Widerstreben der immer noch sehr starken Rech­ten in Aktion und arbeiteten wissenschaftliche Gutachten aus. Als mau aber in der'Frage der Alandsinseln, die ein Streitobjekt zwiscyrn Finn­ land und Schweden waren, international«, sozia­listische Grundsätze auf dem Gebiet der äußer« Politik zur Anwendung bracht«, da war das den Bürgerllchen zuviel, Branthing wurde- nach siebeneinhalb Monaten erfolgreicher Tätigkeil gestürzt. Beamten- und Rechtskabinettc losten die Sozialistenregierung ab. Nach den Wahlen des Jahres 1924 Mögest die Sozialdemokraten mit 104 Mandaten in die zweite Kammer des Reichstages ein und Bran­thing konnte zilm zweiten Mal seine Regierungs­erklärung zur Verlesung bringen. Bald aber wurde der Todkranke von Rickaxd Sandler abgelöst. Unter Branthings zweiter und Sand­lers erster Regierung lvrirde fieberhaft am?lus- bau der sozialen Gefetzgebung gearbeitet: es er­folgte die endgültige Festsetzung der acht- stündigen Arbeitszeit, die Reform der Unfall- und Sozialversiche­rung und unter der besonderen Mitwirkung, der weiblichen Reichstägsmitglicder wurde auch dl« Mutterschaftsunterstutzung zur Tatsache. Dir 'Regierung vertrat die Interessen der Konsumen­ten, als sie die Verbrauchs-steuern, vor allen Dingen die Kaffeesteuer herabsetzte. Die Regierung vertrat di« Interessen der Arbei­ter, als sie ein Trusbkontrollgesetz schuf, das ihr weitgehende Möglichkeiten des Einblickt in die Geschäftsführung der Monopole sicherte. Im Interesse der ganzen gesitteten Menschheil aber handelte die Sozialistenregierung, als in Schweden eine wirkliche Rüstungsbe­schränkung durchgeführt wurde, während man in den meisten andern Ländern das Wort Abrüstung" nur auf den Lippen führte.. Der Friedeirswille des demokratischen Sozialismus wurde gegenüber einer bis an die Zähne bewaff­neten Welt manifestiert. Die Friedensstärke der schwedischen Armee wurde von 6 auf 4 Regimen­ter herabgesetzt, die.Zahl' der Offiziere von 2600 auf 1600, die Zahl der Unteroffiziere von rund 2000 auf 1000. Die Sozialisten auf Schwedens Minister­sesseln haben den Kontakt mit der Arbeiterschaft des Landes niemals verloren. Als in Stripa ein Arbeitskonflikt ausgebrochen war und die Unter­nehmer von der lokalen, staatlichen Arbeitslosen­kommission Streikbrecher anforderten, da wurde ihrem Verlangen infolge Eingreifens der Regie­rung nicht entsprochen. Das liberale Bürgertum hatte die Abrüstung befürwortet, hat die sozialen Gesetze angenommen, aber daß eine Regierung in einer Auseinandersetzung zwischen Arbeit und Kapital sich auf die Seite der wirtschaftlich Schwächeren stellte, das war für sie unerträglich. Als die Regierung einen Sonderkredit zur Be­kämpfung der Arbeitslosigkeit vom Reichstag beanspruchen wollte, sah sie sich der geschlossenen Front der Bürgerparteien gegenüber. Mit zwei rühmlichen Ausnahmen, darunter Kerstin H e s» elgren, Sozialpolitikerin und erste Frau im chwedischen Reichstag , stimmten alle, Freifiin­nige und Liberale, gegen die Regierung und ver­anlaßten sie in den Junitagen des Jahres 1926 zum Rücktritt. Der freisinnige Parteichef E k- mann wurde Ministerpräsident, die Sozial­demokraten sind seither wieder in Opposition. Drei sozialistische Regierungen haben Schwe­ den ein großes Stück vorwärts gebracht, drei ozialistische Regierungen wurden vom Bürger­tum gestürzt. Die vierte sozialistische Regierung wird das dauernde Vertrauen eines Arbeiter­reichstages besitzen und wird im Lande der poli- tischen Demokratie auch der sozialen Demokra­tie zum Siege verhelfen. Walter Kolarz .

Stadens MMüMMW auf dem Vormarsdi.