Seite 6Freitag, 21. August 1931.fit. 194.Spekulationen um die Ehe.Eine Heiratsschwindlerin und ihre Partner.Prag, 20. August. Vor kurzem wurde vor demhiesigen Gericht eine 56jährige Frau abgeurteilt,die Heiratsschwindcleien in größtem Stilbetrieben und zehn heiratswütige Greise um nahezueine halbe Million geprellt hatte. Heute gelangteein ähnlicher Fall zur Verhandlung, der sich sreilichin Weit bescheideneren Grenzen hält und sich auchdadurch von seinem Vorgänger unterscheidet, daßdie Angeklagte und die Geschädigten einander kaumetwas vorzuwerfen haben. Tie Anklage führt kurzfolgendes aus:Die 36jährige Katharina Jelinek, die inT o b o t k a mit einem gewissen B a z l e r imKonkubinat lebte, bot sich aus ein Inserat hindem Josef Ludwig in Prag als Haushälterin an.Nach kurzer Korrespondenz kam es außerdem zueinem Abkommen, daß die Jelinek ihren Dienstgeber nach einiger Zeit heiraten werde. Nachdieser brieflichen Exverlobung zog sie zu ihm, umdie Hauswirtschaft zu übernehmen, die sieangeblich so ausgezeichnet führte, daß Ludwig nachseiner Behauptung nur von Kaffee und Brotlebte, weil ihm seine Haushälterin und Braut ebennichts kochte und auch sonst sich um den Haushaltwenig kümmerte. Als er erkrankte und ins Spitalkam, verließ sie die Wohnung und kehrte zuB a z l e r zurück. Angeblich hat der Bräutigam ihrin der Hoffnung auf baldige Eheschließung zusammen 8.220 Kronen gegeben und beschuldigt sie nun betrügerischer Machinationen.Nummer Zw e i ist ein 70jähriger Kohlenhändler in S m i ch o v. Diesmal hatte die Jelinekselbst die Initiative ergriffen und ein Inseraterscheinen lassen, durch daS sie einen Gatten suchte.Sie gab sich als„schuldlos geschiedeneFrau aus, die durch einen„trunksüchtigenund rabiaten Gatten um ihr Vermögengekommen sei und jetzt an der Seite eines altenMannes Beruhigung für ihre aufgeregten Nerven suchte"— wie sie ihn ihren Briefenso schön schreibt. Er war bereit, ihr diese Beruhigung zu verschaffen, richtete eine zu diesem Zweckgemietete, gemeinsame Wohnung ein und daS Eheglück hätte seinen Anfang nehmen können, wennnicht die Angeklagte inzwischenNummer Drei, einen Herrn aus Pilsendurch ein weiteres Jnserat gekapert hätte,den sie in der von Nummer Zwei neu eingerichteten Wohnung empfing, der aber bald Lunteroch und ohne Schaden davonkam, während derKohlenhändler 23.852 Kronen Defizit zu buchenhatte. Nebenbei borgte sie sich von der Tochter derBräutigams-Kohlenhändlers eine Nähmaschineim Werte von 2000 Kronen aus, von der späternichts mehr aufgefunden wurde, als der Versa tz zettel.— Inzwischen hatte BräutigamNummer EinS, als er aus dem Spital heimkehrtedie Strafanzeige erstattet und.sie beeilte sich,ihren früheren Lebensgefährten B a z I e t eine fixund fertig ausgearbeitete Zeugenaussage zuschicken, in der dieser das Blaue vom Himmel beschwören und bestätigen sollt«. Er tat dies freilichnicht, sondern übergab den Brief der Polizei unddas Resultat war eine Anklage wegen mehrfache«Betruges, Veruntreuung und Verleitung zur falschen Zeugenaussage.Wie sich schon aus den geschilderten Unternehmungen ergibt, ist diese Frau eine glänzendeKomödiantin und ihr Auftreten vor Gericht entsprach dem auch vollkommen. Sie ist nach ihrepErklärungen nicht nur keineswegs schuldig, sondernim Gegenteil ein armes Opfer. Dem BräutigamNummer Eins habe sie nicht nur nichts gekostet,sondern noch ihr Geld geopfert. DerKohlenhändler habe sie selbst einem Bekannten a b t r e t e n wollen, während sie in Ehrenseiner begehrte und ihm eine treue Gattin seinwollte. Nie hat sie Gek verlangt. Was dir Nähmaschine betrifft, so hat sie eine köstlicheErklärung zur Hand. Als sie nämlich die Wohnungdes Kohlenhändlers räumen mußte und dieübrige Einrichtung,(die er ihr zum Geschenk machte)bei einem Spediteur einstellte, bekam sieAngst, die fremd« Nähmaschine könnte in demmöglicherweise feuchten Magazinrosten und daher trug sie sie in das trockene Versatz-amt. Das wäre alles sehr schön— wenn nur nichteine so umfangreiche Korrespondenzgegen sie zeugen würde.Was nun aber die Geschädigten betrifft,so erschienen auch diese in sonderbarem Licht.Nummer Eins soll eine sehr problematischeExistenz sein und hauptsächlich vom Hasardspiel leben. Ein Zeuge meint, daß er 8.200 Kvermutlich niemals beisammen gesehen hat, geschweige denn besessen. Der Kohlenhändler soll dieBraut tatsächlich infolge des Widerstandes seinererwachsenen Kinder seinem Freund Bene» mitsamt der Wohnungseinrichtung angeboten haben, aber das Geschäft zerschlug sich.So scheint es also, daß die handelnden Personeneinander so ziemlich würdig sind.Trotzdem di« Angeklagte heftig schluchzte undjammerte und während des Plädoyers ihres Verteidigers förmlich« Duette mit ihm vorführt«, ließsich der Gerichtshof(OGR. M a s ä k) nicht rühren.Sie wurde, bei teilweisem Freispruch von einigenPunkten, doch in im Wesentlichen schuldig erkanntund trotz bisheriger Unbescholtenheit zu einer unbedingten Kerker st rafe von dreiMonaten verurteilt. In der Urteilsbegründungwird ausgeführt, daß bei der Art, wie die Angeklagte«in arbeitsloses und ange-nehmes Leben auf Kosten anderer zuführen wußte, die Verbüßung der Strafe gebotenerschein«.Man wird di«s«m Argument seine gründ-sätzliche Zustimmung nicht versagen könnenund freilich den Wunsch beifügen, daß allen, die«in„arbeitsloses und AngenehmesLeben auf Kosten anderer führen" mitdiesem Maß« gemessen werden.Kunst und WissenKleine Bühn».Dienstag, den 25. August, Eröffnung der neuenSpielzeit mit der Erstanfführung des Lustspiele„Intimitäten" von Eoward. Regie: HanS GötzMitwirkende: Carpentier, Meller, Götz, Ströhlin.Erst« Wiederholung am Mittwoch, den 26. ds.,nächste Aufführung Sonntag, den 80. ds.Donnerstag, de« 27. d«. wird der russischeKomödien-Abend„Spieker",„Doppelgänger",„Hei-ratSantrag", der gegen Schluß der Spielzeit beifälligst aufgenommen wurde, mit der bekanntenBesetzung wiederholt.Freitag, den 28. ds. gelangt als 1. Operetten-Abend dieser Spielzeit das musikalische Lustspiel„Lockt a i I" von Ralph Benatzky zur.Ausführung.SamStag, den 29. ds. findet hie Premiere derKomödie„Moritat" von Otto Bernhard Wendlerstatt. Die Rolle des Kremp ist mit Josof Rennerbesetzt. In den übrigen Rollen sind beschäftigt:Medelsky, Ondra, Rohm, Bauer, Janisch, Ludwig,Padlesak, Reinhardt, Stiegler, Beit. Snszenierung:Friedrich Hölzlin. Erste Wiederholung am Montag,den 31. ds.Rene» Deutsches Theater.Donnerstag, den 27. ds. Beginn der neue«Spielzeit.— Reueinstndirrung:„Der Arzt widerWillen". Komische Oper von Gounod nach dergleichnamigen Komödie von Moliere. Dirigent:Max Rudolf. Inszenierung: Oskar Schuh. Besetzung: Ried, Schwarz, Szakmarh, Bandler, Berkmann, Hagen, Reiter, Roller..Anfang 7.30 Uhr(213—1).Freitag, de« 28. dS>, zur Feier von Goethe-Geburtstag: Neueinstudiert:^Vorspiel auf demTheater."—„Die Mitschuldigen."—„Die Launede- verliebten." 8n den von Max Liebl inszenierten Stücken sind beschäftigt: Carpentier, Warnholtz,Alda, Hölzlin, Leitgeb, Rösner, Schindler, Ströhlin,Taub. Anfang 7.30 Uhr(214—II). Nächste Wiederholung Moniag, den 31. ds. Anfang 7.30 Uhr(217—1).Samstag, den 29. ds.„Der Troubadour", Opervon Verdi/Dirigent: Kurt Adler. Anfang 7.30 Uhr(212—111).Sonntag, den 30. ds.„Im weißen Rößl", Sing-spiel von Hans Müller. Musik von Ralph Benatzky.Inszenierung: Max Liebl. Anfang 7 Uhr(216—IV).*Der Aartenvorverkauf für alle Vorstellungen imNeuen Deutschen Theater und in der Kleinen Bühn«beginnt heute!VereinsnadiriditenOrtsgruppe Prag. Sonntag,den 23. August: Abfahrt nachUvaly, Masaryk-Bahnhof'6 Uhr40 Minuten. Führt Schaffer.Der FilmSiu ausgezeichneter Kulturfilm:„Die Gefahren der Liebe."Unter Kulturfilm stellt sich die Oeffentlichkeitgemeinhin«NvaS vor, was in erster Linie fad,nicht zum sagen fad ist und was man sich nuransieht, weil es eben eine kulturelle Verpflichtungist, sich einmal für sein Geld mit Langerweile zuPlagen. Bon diesem Gesichtspunkt aus ist der vomLloyd Film-B er leih dieser Tag« vorgeführteTonfilm deutscher Erzeugung„Di« Gefahrender Liebe" kein Kulturfilm. Denn«r ist spannend wi« nur ein Spielfilm(also etwa tausendmalunterhaltender und anregender als ein amerikanischer Tonfilm), er zeigt tadelloses Spiel, saubereRegie und hält sich frei von Kitsch jeglicher Art,also von Romantik, Rührseligkeit und komischenMoritaten. Alles, was hier geschieht, sönnte imLeben so geschehen sein, geschieht wohl auch baldda, bald dort so oder nicht wesentlich anders undist erschütternde Anklage unserer verworrenenMoral, unserer mangelnden gesellschaftlichen Für-'rge, unserer Justiz.Der Film spielt auf einem Versuchsgut, auf-.in eine botanische Versuchsanstalt untergebrachtist. Der Verwalter, der das Gut leitet, ist derTypus d«S. brutalen„Frauenbezwingers", ein Säufer, Schürzenjäger, Leuteschinder. Er steckt Arbeiterinnen und dann auch eine wissenschaftliche Mitarbeiterin mit Syphilis an, schwängert sie unddrückt sich um di« Verantwortung. An dem Schicksal des einen Mädels, der wissenschaftlichen Hilfsarbeiterin Ilse Thorn, wird nun«in leider typisches Frauenschicksal gezeigt. Ihr Verlobter, der siezu seiner Frau gemacht hatte, läßt das Mädel, inhem nun die Sinnlichkeit, das Triebleben.gewecktwurde, monatelang allein. Ne Folge sind nervöseZustände, Trübsinn und als Ende ein Alloholrausch,in dem das Mädel, halb vergewaltigt, halb verführt daS Opfer des syphilitischen Verwalters wird.Der Verlobte kehrt zurück. Kein Arzt will Ilse dieFrucht nehmen, der doppelte Fluch unerwünschterSchwangerschaft und gefährlicher Erklärung treibtst« zum Aeußersten; sie schießt den Verwalter, derihr mit zynischem Hohn begegnet, über den Haufen.DaS Gericht spricht sie frei, di« ärztliche Kunst heiltsie, sie wird dem Leben wiedergegeben. Nes dieergreifende, ohne kitschigen Beigeschmack bleibendeHandlung.In dieses Spiel wird nun die sonst in trockerrerForm gebotene„Austläruna" eben spielend, zwanglos natürlich eingeflochten. Man begleitet Ilse zumFrauenarzt, man sieht eine Wassermann-Station,blättert mit der Kranken in einem medizinischenWerk, sieht die Syphilis-Station einer Hautklinik,di« Zellen der Paralytiker und die Tabetiker, manhört von den Heilverfahren und. empfängt Warnungund Trost ohne jede schulmeisterliche Geste(Fürdie tschechischen Kinos sind di« wissenschaftlichenTeile des Dialogs ins Tschechische tranSponi:::worden.)Der ausgezeichnete Regisseur des Filmes istEugen Thiele di« wissenschaftlich« Beratungbesorgt« Dr. G u t t m a n n, dir Musik Leo L e u x(Erzeugerfirma Rowik& Roell, Berlin). Unter denMitwirkenden seien nur Albert und Else Bässe r m a n n, HanS Stüwe, Schlettow(Ver-walter), Kurt Lilien genannt. Das Mädchenspielt Toni van Eyck, deren kindliche Gestalt undnaives Spiel ergreifend menschlich wirken. Ter Filmist allen Lichtspielhäusern, aber auch Bolksbildung»-organisationen wärmstens zu empfehlen.(Steuerfreier Kulturfilm!) Dr. E. F.„Ist Mary Dngan schuldig?" Es war sicher einWagnis, einen Kriminalfilm zu drehen, der zu neunZehnteln im GerichtSsaal spielt und sich vom Filmischen so weit entfernt, daß er nur noch photographiertes Theater ohne Szenenwechsel ist; das Originelle, Eigenartige des Films geht dabei verloren.Wenn der Film trotzdem spannend ist und manwährend der langen Gerichtsverhandlung nicht ermüdet, so liegt es an dem ausgezeichneten Spieleinzelner Darsteller(vor allem Arnold K o r f f s,am schwächsten ist di«.Heldin selbst, von NoraGregor kaum gespielt, sondern nur dekorativdargestellt) und an dem Tempo, das der Regisseurder Gerichtshandlung und den Dialogen zu gebenwußte. Zu empfehlen ist der Film vor allem deshalb. weil er ein anschaulicher Bild d«s amerikanischen Prozeßverfahrens gibt,dessen himmelschreiend« Albernheit so viele Menschenleben vernichtet und in Europa diel zu wenigbekannt ist. Diese Karikatur eines Prozesses, anden mittelalterlichen JnquisitionSprozeß erinnernd,wird in dem Film mit treffender Satire iest-gehalten. fr.Heransqeber: Siegfried Tand.Chefredakteur: Wilhelm NießnerVerantwortlicher Redakteur: Dr. Emil Strauß. Vrag.Druck:.Rota"' Sl.-B. für Zeitung» und Buchdruck. Prag.Für den Druck verantwortlich: Otto Holik Prag.Die ZetlungTmerkenfmnkaNir wurde von der Poft n. Tetegravhcn-direktio» mir Erich Nr. 13.300/VII/1930 bfflrlUjtl KINO PROGRAMM l> vom 21. August bis 27. August 1981.Wran-Urania-Kino 4)76|ChnKei#eu!«he: Hins er«*'' lai-O.v?9„Brand In der Oper“.(BARCAROLE).Alexa Engstrom, Jamila Novotny, Gustav FröhliehGustav Grundgens.Wo verkehren wir?| falt„Continentar, Prag, üratea].137iiDovi Diin(Qcn. WIBIielin OpalrnMKonzert. PRAG IIDie Deutsche Bezirksjugendfürsorge Mähr.-Altstadt..sucht eineMtrforgefWtvefterGesuche mit kurzer Lebensbeschreibung und Ge-haltSansprüchen sind bis 18. September einzubringen. 1283Erlebnisse mit Katze«.Bon Fedor von Zabeltitz.Als leidenschaftlicher Tierfreund hatte ichauch immer Katzen im Hause. Es gibt Menschen,die Katzen nicht leiden können, weil sie sie fürfalsch halten. Aber das ist durchaus unrichtig.Die Katze ist ebenso gutmütig wie der Hund—wenn sie liebevoll erzogen wird. Das ist dieHauptsache. Ich habe deshalb stets nur ganz jungeKatzen zu mir genommen und bei ihnen d:eErfahrung gemacht, daß sie sich sogar ausgezeichnet dressieren lassen. Die Katze ist ungemein klug.Gehör und Gefühl sind bei ihr außerordentlichscharf entwickelt. Die ani feinsten dressierte Katzebesaß Ernst von Wildenbruch. Er und seineGattin hatten eine wahrhafte Passion für dieseSäugetiergattunq. In ihrer Wohnung wimmeltees von Zehengängern beiderlei Geschlechts, unddamit sie ungehindert von einem Zimmer in dasandere schlüvfen kostnten, waren unter den Türenschmale Oeffnunqen mit Klapven angebracht, umdem lieben Viehzeug die Passage zu erleichtern.Einmal besuchte ich Wildenbruch und wurde vonihm auf das schmale Biedermeiersofa am Fensterseiner Arbeitsstube genötigt. Und da saß plötzlichein Lebewesen wie ejn junges Tigertier nebenmir. Es war aber bloß ein riesiger, schwarz undrotgelb gefleckter spanischer Kater, den Wildenbruch einmal von einem Verehrer geschenktbekommen und der sich lautlos in das Gemachgeschlichen hatte. Dieser Kater konnte auf zweiBeinen laufen, Kopfstehen, sich auf Befehl wieeine Kugel zusammenrollen und noch sonst mancherlei Kunststücke, die Frau von Wildenbruchtzm beigebracht hatte.Einen so gelehrten Kater habe ich sreilich niebesessen, dafür aber einmal ein höchst seltenes!Katzengeschöpf, nämlich ein schwanzloses, das aufder Insel Man im Irischen Meer beheimatet seinsollte. Ob alle diese schwanzlosen Katzen vonMan kommen, weiß ich natürlich nicht. Sie hießBetsy, hatte sehr schöne, bernsteinfarbige Augenmit Opalglanz und einen häßlichen Körper. IhreHinterbeine waren nämlich länger und kräftigerals die vorderen und infolgedessen sah sie in derDämmerung wie ein junger Känguruh aus. Auchwar das eine Hinterbein schwarzgelb gestreift unddaS andkre schwarzweiß. Aber dies verrückte Viehhatte eine akrobatische Begabung, die man bewunden: konnte, und sie produzierte sich sichtlich gernin ihresi' Salonnummern. An den Ast einerBuche im Garten hatte ich einen langen dickenStrick aushängen lassen, und eß machte ihr besonderen Spaß,. an diesem Strick mit fabelhafterGeschwindigkeit hinaufzuklettern und sich dann inden Baumwipfeln zu schwingen, wo sie in un-gehenreft Sätzen von Ast zu Ast sprang.- Sie wareine ganz ungewöhnliche Springerin. Späterging sie«in Liebesverhältnis mit einem gewöhnlichen Torfkater ein. Das endete insofern unschön,als Betsy fünf Junge von einer unsagbarenSchauderhaftigkeit zur Welt brachte. Es warendurchwegs Karikaturen der Gattung Helisdomesfika. Da es Sommer war, so hatte Betsyihr Wochenbett im Freien. Und da sah man nuneines Morgens ein wunderliches Schauspiel. Einkleiner Junghase, der sich in den Park verirrthatte, säugte an ihren Zitzen, und sie ließ sich diesnicht nur ruhig gefallen, sondern leckte denFremdling auch noch mit zärtlicher Mütterlichkeit.An einem Lenztage, vor längeren Jahren,schickte mir Ernst von Wolzogen einmal einenAngorakater zu, mit der Bitte, ihn zu behaltenI und mit aus das Land zu nehmen. Er mußtenach dem Zusammenbruch seiner Bunten BühneBerlin verlassen und wollte sich nicht mit demKater Herumschleppen. Dies Biest war prachtvoll,ein Riesentier mit langem, weißem, seidenweichemHaar, funkelnden Augen, kirschroten Lippen undFußsohlen. Aber es war auch bösartig und un-sauber. Ich taufte es Achmed, weil es aus einerGegend stammte, wo manche Leute so heißen.Da ich zunächst allein auf meinen Landsitz fuhr,so verpackte meine Frau Achmed in einen geräumigen Korb, legte Labung dazu, und ich gab denKorb als Bahngepäck auf. Im Kltpee traf icheinen verehrten Bekannten. Und der geriet ineine nicht endenwollende, Heiterkeit, als derSchaffner in Fürstenwalde singend in das Kupeerief, ob sich hier ein Passagier, befände, der einelebendige Katze aufgegeben habe. Ich meldetemich natürlich, und da erklärte der Schaffnerweiter, ich möchte mich sofort in den Gepäckwagenbegeben, der Kater sei auSgebroche» und sitze nunoben auf einem großen Schrankkoffer und wollenicht mehr herunter, er beiße und kratze und zeigeauch sonst ein ungebührliches Benehmen. So wares in der Tat. Im Gepäckwagen gab ich mir alleMühe, das wilde Tier Zu beruhigen und wiederin seinen Korb zu locken. Es gelang mir abernicht. Achmed ließ sich wohl von mir anfaffenund streicheln, wollte indes durchaus nicht dieHöhe seiner Situation verlassen. So blieh mirdenn nichts anderes übrig, als bei der Weiterfahrt zwei Stunden lang im Gepäckwagen stehen-zubleiben, die Hand in Achmeds Fell vergraben,!denn wenn der Expedient sich ihm näherte, sobegann der Kater zu fauchen und zeigte dieKrallen. Wir haben an diesem Tier aus Angorakeine rechte Freude gehabt. Einmal, im Spätfrühling, verschwand Achmed spurlos, kehrte aberzu Herbstbeginn völlig verwildert wieder zurück.Er hatte sich monatelang im Walde umhergetrieben. Achmed richtete nur Unheil an und vergriffsich sogar an den Hühnern. Kein Wunder, daßer tragisch endete. Im Kampfe mit einer dickenWasserratte, die wohl von ausgelegtem Giftgefressen hatte, erlag er seinen Verletzungen.Achmed war auch die einzige Katze, die sichmit meisten Hunden nicht vertragen konnte. Sonstwaren Hund und Katze in meinem Hause immerdie besten Freunde. Sie balgten sich miteinanderherum, sie fraßen zuweilen auch aus demselbenNapfe. Aber wenn die Katze davonlief und durchden Garten preschte, war eS sofort mit derFreundschaft aus. Dann regte sich der Instinkt,der uralte Widerstand im Blut, und kläffendjagten die Köter dem Katzentier nach. Sie Pflegten ja selten die Katze zu erwischen, die im letztenAugenblick immer auf einem Baum oder sonsteiner Höhe Deckung findet, aber ich habe es dockeplebt, daß ein Foxterrier ein Kätzchen, mit demer sonst in idyllischem Frieden lebte, bei einersolchen Jagd im Genick packte und, vielleicht gegenseinen Willen, nur in der Sportlust des Augenblicks, totbiß. Mein letztes Katzerle habe ich jüngstin Berlin verloren. ES war ein sogenanntesKarthäuserkätzchen, ein süßes Schmeicheltier mitpfiffigem Gesicht und schwarzen Lippen, spieligund zärtlich. Es stürzte vom Balkonrand dreiStockwerke tief auf die Straße, war aber im Fallnicht zu der berühmten traditionellen Wendunggekommen, die es der Katze gestattet, mit denFüßen zuerst den Boden zu berühren; es brachsich das Rückgrat und starb nach wenigen Minuten. Seitdem besitze ich weder Katze noch Hund.Meine Frau meint, man würde doch recht einsamim Alter.i