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Sozialdemokrat

Zentralorgan 6. Deutschen ſozialdemokratischen Arbeiterpartei i.d.Tschechoslowakischen Republik.

11. Jahrgang.

Interims- Handelsabkommen mit Ungarn .

Budapest , 12. September. In dem Bestre­ben, wenigstens noch vor dem Abschluß des tichechoslowakisch- ungarischen Handelsvertrages den Warenaustausch teilweise zu erleichtern, haben die tschechoslowakische und die ungarische Regierung bei den gegenwärtigen Handelsver­tragsverhandlungen Maßnahmen getroffen,

denen zufolge in der Zeit vom 17. September bis Ende dieses Jahres bei herabgesezten Zöllen die Einfuhr von 20.000 Waggons Brennholz aus der Tschechoslowakei und die Ausfuhr von 29.000 Stück schwerer Schweine aus Ungarn nach der Tschechoslo­flowakei gestattet wird.

Die Verhandlungen über den Handels­bertrag werden von den beiden Delegationen fortgesetzt.

Handelspolitischer Konflitt Desterreichs mit Ungarn .

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Wien , 12. September. Die Verhandlungen Desterreichs mit Ungarn über die Be­seitigung der jetzt vorherrschenden Schwierigkei­ten im Warenverkehr werden bereits Montag, den 14. d. M. in der ungarischen Hauptstadt ihren Anfang nehmen, wohin sich wie die ,, Neue Freie Presse" erfahren haben will- einte österreichische Delegation begeben wird. Es wird sich bei diesen Verhandlungen in allererster Reihe um die Bezahlung des vollen Betra ges der Warenschulden, auch der nach dem 12. September 1. J. fälligen, sowie um eine Regelung für die finanziellen Außenstände in Ungarn , handeln.

Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh.

Redaktion und Verwaltung: Prag II., Relájania 18. Telepdon: 26795, 31469.( Nachtredaktion): 26797 Potichedami: 57544

Sonntag, 13. Geptember 1931

Nr. 214.

Die Schicksalsfrage des Völkerbundes. Das Ziel der Reaktion.

Curtius über Wirtschaftskrise und Abrüstung.

Genf , 12. September. Die Völkerbund versammlung beendete heute nachmittags die allgemeine Debatte über den Jahresbericht des Gneralsekretärs. Als zweiter Redner er­griff Reichsaußenminister Dr. Curtius das Wort.

Dr. Curtius läßt sich nicht in eine Würdigung der vom Völlerbund geleisteten Ar­beiten ein, was, wie er in seiner Rede ausdrüdlich unterstrich, er den anderen überließ, aber er zeigt mit treffenden Argumenten, was im Völlerbundschoß noch zu leisten ist, damit eine Erleichterung in der schwierigen finanziellen und wirtschaftlichen Lage eintrete, die nach rascher Remedur ruft. Dieser erste Teil der Rede, in dem viele sachliche Argumente für die Unerläßlichkeit der Zusammenarbeit der europäischen Staaten enthalten sind, und in denen auch auf die Interessen der Ueberseestaaten Rücksicht genommen ist, hat bedeu= dende Aufmerksamkeit hervorgerufen und wird insbesondere in Fachkreisen des Völ­terbundrates gewürdigt.

Der zweite Teil der Kundgebung des deutschen Außenministers war der Abrüstungs­frage gewidmet. Ganz klar betonte Dr. Curtins gleich einleitend die volle Ber­antwortung des Völkerbundes für das Gelingen der Abrüstungskonferenz. Red­ner adressierte einige schmeichelhafte Worte an Lord Robert Cecil , mit dessen früheren Aus­führungen er vollkommen übereinstimmt und würdigte auch den italienischen Vorschlag über die Rüstungspanse, mit dem sich der deutsche Vertreter vollkommen identifiziere. Ins besondere der erste Teil der Rede Dr. Curtius' war öfters vom Beifall begleitet und am Schlusse lohnte allgemeine Zustimmung der ganzen Versammlung die Ausführungen des Redners. Es scheint, daß in den Kreisen des Völlerbundes und bei der Mehrheit der Dele­gation die heutige Rede Dr. Curtins' einen sehr günstigen Widerhall gefunden hat.

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Den ganzen Sommer hindurch hat die tschechische Fingopresse eine Kampagne gegen: die Teilnahme der Deutschen an der Regie­rung geführt. Die deutsche nationalistische Presse hat das Schlagwort prompt aufgenom men und erklärt, die Deutschen müßten aus der Regierung austreten, weil sie sich die Frechheiten der tschechischen Nationalisten nicht gefallen lassen dürften. Sie forderten also nun eben das, was ja die tschechischen Nationalisten als wünschenswert hinstellten. Der Herr Karg und der Herr Nikolau stießen in die gleiche Trompete, schmetterten der die gleiche Fanfare: Deutsche aus Regierung!

Wer da aber glaubte, daß die Herren Karg und Nikolau, daß der tschechische und der deutsche Nationalismus diese Politik auf eigene Faust machten, der hat noch einen wei­ten Weg zur richtigen Erkenntnis unjerez tatsächlichen politischen Situation. Der deutsche und der tschechische Nationalismus haben ihre Auftragsgeber in den Reihen derselben Klasse und sie verkünden nur, was die Bourgeoisie will. Nicht immer dürfen sie dabei die volle Die Lage der diesjährigen Bundesverjamm-[ die Behandlung der Abrüstungsfrage trägt von Wahrheit, nicht immer in offenem Bekenntnis lung, erklärte Dr. Curtius u. a., wird vor vornherein und ganz allein der Völlerbund die wahren Absichten der besitzenden Klasse allem durch zwei Tatsachen bestimmt: Durch die die Berantwortung. Die Sazung des proklamieren. Ihr Geschrei, die Deutschen furchtbare wirtschaftliche Notlage, in Böllerbundes hat der Welt die Abrüstung ver­der sich die meisten Länder befinden, und durch lindet; sie ist dem Völlerbunde bei seiner Ent- müßten aus der Regierung austreten, sollte die bevorstehende A brüstungstonferen; stehung als Sauptaufgabe zugewiesen; sie war den reaktionären Plänen der Bourgeoi­Ich glaube, daß ist seine Schicksalsfrage, die sich auf der sie den Weg ebnen, aber es sollte diese Bläne die Augen der Völker jeßt auf Genf gerichtet bevorstehenden Konferenz entscheiden muß. Es auch verhüllen. Die Sommerkampagne der sind, die vor allen Dingen wissen wollen, ob die bringt feinen Rußen, die gegenfäßlichen An- nationalistischen Presse war ein vernebelter hier versammelten Staatsmänner imftande sind, fichten, die in der Abrüstungsfrage heute noch be- Tankangriff mit doppeltem Ziel: Bresche in stehen, zu verschleiern. die feindliche Front zu schlagen, aber auch die Auch die Reichs post" befaßte sich heute Answeg aus der Not Die Aufgabe der kommenden Abrüstungs- Richtung des entscheidenden Offensivstoßes zu mit den Schwierigkeiten im Handelsverkehr mit zu finden oder wenigstens vorzubereiten und ob konferenz ist eine starte und wirksame Hera b- verschleiern. Ungarn und erklärt hiebei u. a.: Die Klagen der wir eine berechtigte Hoffnung darauf geben fön- ebung der Rüstungen. Zugleich muß österreichischen Geschäftsleute, daß der österreinen, daß es in der brennenden Frage der Abfige Ziel, wie es in Artikel 8 der Satzungen be­der Weg festgelegt werden, auf dem das endgül­chisch- ungarische Zahlungsverkehr über- rüstung bei der bevorstehenden Konferens 3 stimmt ist, erreicht werden soll. Angesichts der haupt nicht funktioniere und daß man greifbaren Grgebnissen kommt. int gewaltigen Unterschiede die Ausfuhr nach Ungarn am besten ganz ein­Rüstungsstande Die Gefahren der Wirtschaftslage haben sich würde stellen solle, werden auch von der österreichischen aufs äußerste zugespitzt. Magazinierung von Landwirtschaft erhoben, die angesichts der vor­liegenden Fälle die Frage aufwerfe, ob ein wei- Rohstoffen und Lebensmitteln auf der einen liegenden Fälle die Frage aufwerfe, ob ein wei teres Verharren bei den derzeitigen Formen des Seite, Mangel und Hunger auf der anderen, Zu­Handelsverkehres mit Ungarn mit den Lebens- fammenballung von Kapital und Anhäufung interessen der österreichischen Bevölkerung ver von Gold in foenigen Ländern, in anderen Ent- bedeuten und wäre einem Scheitern der Konfe­blößung von Kapital und unerträglicher Zins renz gleichzusetzen. Vor mehr als einem Jahr einbar sei. Das Verlangen nach Sistierung des ungarischen Handelsvertrages wird in der druck und als furchtbarste Erscheinung der Zer- sehnt hat man einer Anzahl von Staaten, dar Reichspost" auch von einem Handelsjuristen rütung der internationalen Wirtschaft die Arter meinem Lande, unter dem Drude eines verlorenen Krieges die Verpflichtung zur Ver begründet, der darauf hinweist, daß die im öfter- beitslosigkeit in den Industrieländern, reichisch ungarischen Sandelsvertrage zugeficherte die fich im fommenden Winter in einer nom minderung der Rüstungen auf einen Minimal gegenseitige Verkehrsfreiheit durch die nicht absehbaren Weise steigern wird. Ein stand auferlegt. Die Verpflichtung ist seit lan­ungarische Devisenbewirtschaftung aufgehobeer bon restlos Verzweifelten, die roditelen gem ausgeführt. ben wurde, deren Handhabung Desterreich die und revolutionären Einflüssen nur zu leicht u Möglichkeit gibt, den Vertrag zu fiftieren. Man gänglich sind! Niemand darf sich darüber tu wird zwar vorerst nicht so weit gehen wollen, fchen, daß die Erde bebt, auf der der Bau aber es sei darauf verwiesen, daß rechtliche unseres heutigen Wirtschafts- und Währungs­Gründe Desterreich unter den vorliegenden Im systems fowle unserer Kultur errichtet ist. Es ist ein geschichtliches Verdienst des Herrn ständen nicht hindern, bis zur Wiederherstellung des normalen Verkehres die Bestimmung des in Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika dem Zusatzprotokoll zunt Handelsvertrag enthal- daß er in flarer Erkenntnis der Gefahr eine ein tenen, die Kontingente behandelnden Regimes iährige Pause für die Zahlungen der poli­aufzuheben. Ungarn würde dadurch daran er- tischen Schulden vorgeschlagen und erreicht hat. innert werden, daß die jetzige Art des Verkeh- Aber reg den ganzen österreichisch- ungarischen San­delsvertrag hinfällig mache.

Buresch nach Geni.

Schober in der Versenkung.

das Feierjahr schafft nur eine vorüber­gehende Atempause.

eine bloße Limitierung der Rüstungen auf den jetzigen Stand eine Anerkennung dieser Rüstungsunterschiede

Nun erst, da die großen bürgerlichen Parteien selbst vom Leder ziehen und ihren Wählern die Parolen für den Kampf geben, erfahren wir die wahren Absichten der besitzenden Klasse. Dieser Tage erst hat das Organ der tschechischen Agrarier die Karten aufgedeckt und rundweg erklärt: wir haben nichts gegen die Deutschen in der Regierung, aber der Czech muß weg! Wir haben nichts gegen die jetzige Koalition, aber die Tätigkeit des sozialdemokratischen Fürsorge­ministers ist uns unerträglich. Und dieje Parole wird nun fast tagtäglich in der Prosse der Agrarier proklamiert: Ziel des Wahl­kampfes ist der Bruch mit den deutschen Tv­Den Verpflichtungen, die Deutschland zialdemokraten, der Sturz des Ministers im Jahre 1919 übernahm, steht das bindende Dr. Czech! Als wir vor kurzem dem Hauptleitariif Bersprechen der anderen Staaten gegenüber, daß die Entwaffnung Deutschlands ler aller bürgerlichen Meinungsplantagen, dazu dienen soll, die allgemeine Abrüstung der dem National- ,, sozialisten" Karg erklärten, anderen Staaten einzuleiten; die deutsche Ab- daß er Czech und Spina nicht in einem Atent rüstung solle der erste Schritt für eine allge- nennen dürfe, weil die Regierungsbeteiligung meine Abrüstung sein.

der Agrarier und die der Sozialdemokraten zweierlei und Czech und Spina Exponenten entgegengesetzter Interessen seien, glaubte er mit dem Vorwurf des nationalen Berrats

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Zwölf Jahre sind seither verstrichen, und seit fünf Jahren gehört Deutschland dem Völkerbund an, ohne daß diese Versprechun= gen eingelöst worden sind. Wenn jetzt endlich die Abrüstungskonferenz zu- parieren und sich im übrigen harthörig stellen Von verschiedenen Vorrednern ist mit aller Deut fammentritt, so lann vom deutschen Volte nicht zu fönnen. Wir empfehlen ihm und seines­lichkeit die Notwendigkeit betont worden, daß verlangt werden, daß es sich mit einer Legalis gleichen, die Presse der tschechischen Agrarier das Problem der internationalen politischen sierung der gegenwärtigen Rüstungsverhältnisse aufmerksam zu lesen. Dort wird er bestätigt Zahlungen im Allgemeininteresse eine Gesamt- abfindet. Eine starke, wirksame Verminderung finden, was wir ihm gesagt haben. Es geht Lösung erfordere, die der Krise wirklich ein der Rüstungen der starkgerüsteten Staaten ist nicht die Regierungsteil Wien , 12. September. Wie die ,, Reichspost" Ende mache. Das ist die große Aufgabe, vor die daher für Deutschland die unerläßliche Vorbe- nahme der Deutschen " schlechtweg, es erfährt, wird sich Bundeskanzler Dr. Buresch die Welt sich gestellt sieht. Aber alle internatio- bingung für das Gelingen der Kon- geht ausschließlich um die Regierungs­in den allernächsten Tagen nach Genf bege- nalen Bemühungen auf dem gesamten Wirt- ferenz. teilnahme der deutschen Sozialdemo ben, um dort im Zusammenhang mit schweben- schafts- und Finanzgebiete hängen von einer Wenn die Abrüstungskonferenz zu einem traten. Die tschechische Agrarpartei und den kreditpolitischen Verhandlungen elementaren Voraussetzung ab; das ist die volitich erträglichen Ergebnis führen soll. muß die Krafeeler der Národni Politika" zählen mit den maßgebenden Faktoren Fühlung zu sie überdies dafür sorgen, daß fünftig auf dem nehmen. Gebiete der Rüstungsbeschränkung nicht inter- ja nur soweit, als sie die Absichten dieser Bar­tei ausführen hat nichts dagegen, daß nationale Rechtsfäße zweierlei Cha= rafters nebeneinander bestehen bleiben, je deutsche Parteien der Regierungskoalition an­nachdem es sich um im Weltkriege unterlegene gehören; sie würden sich drei Spinas und zehn oder um andere Staaten handelt. Der Aus Mayr- Harting ins Kabinett setzen und es nicht gangspunkt muß die Gleichberechtigung aller als Belastung des nationalen Prestiges Staaten sein, so daß innerhalb der Völlergemein- empfinden. Im Wege sind ihnen die deutschen schaft nicht mehr mit zweierlei Maß gemessen Sozialdemokraten. Und sie sagen es auch rund­wird. Es muß

Merito Mitglied des Bölferbundes. Genj, 12. September. Merito ist heute durch einstimmigen Beschluß der Bundesversammlung in den Völkerbund aufgenommen worden. Es hat seinen Beitritt ohne Vorbehalt vollzogen.

Das Stillhalteablommen. London , 12. September. Die Unterzeichnung des Stillhalteabkommens durch die englischen Banken wird am Montag erfolgen.

Wiederherstellung des gegenseitigen Ver­trauens in den internationalen Beziehungen. Wir müssen ganz offen davon sprechen, daß in vielen Ländern ein weitgehender Steptizismus gegenüber den Genser Infti­futionen und eine wachsende Gleichgültigkeit su beobachten ist. Gerade da, wo starke Hoff nung auf den Völkerbund gesetzt wurde, wächst die Enttäuschung. Gewig Wunder zu erwarten, päre Torheit. Aber auch die Einsichtigen wollen Maßnahmen sehen, die in die Wirklichkeit eingreifen und sie bessern.

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für alle die gleiche Methode bei der Herabseßung und Liquidierung der ein­Ich komme zu dem großen Problem des zelnen Rüstungsfaktoren gelten. Wäre dies nicht Völkerbundes, der Abrüstungsfrage. Für ( Fortseßung auf Seite 2.)

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heraus, warum sie mit uns nicht zusammen arbeiten wollen; wir sind das stärkste Hinder­nis auf dem Wege zur Reaktion, wir zwingen sie zu Kompromissen, wir stören ihre frivolen Pläne, auf Kosten der arbeitenden Bevölfe­