Einzelpreis 70 Heller.

Sozialdemokrat

Zentralorgan 6. Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei i.d.Tschechoslowakischen Republik

11. Jahrgang.

Dr. Walther Pfrimer.

Der Mann, der Oesterreich in den Bürgerkrieg treiben wollte und vor dem ersten Schuß davonlief.

mten.

Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh. Redaktion und Verwaltung: Prag   II., Relájanta 18. Telephon: 26795, 31469.( Nachtredaktion): 26797 Bonichedami: 57544

Dienstag, 15. September 1931

Das Ende des österreichischen Fascismus:

Nr. 215.

Ein mißglückter Putsch der Heimwehrbanditen

In der Nacht auf Sonntag haben die obersteirischen Heimwehren einen Putsch versuch unternommen. Sie beschten wichtige Städte, hielten Bahnhöfe, Bezirkshauptmannschaften und staatliche Aemter militärisch offupiert, nahmen sozialdemokratische Funktionäre in Haft und proklamierten die Ueber­nahme der Staatsgewalt durch den Heimwehrführer Dr. Pfriemer. Die Ab­wehrmaßnahmen kamen infolge der zögernden und anscheinend nicht einwand= freien Haltung des christlichsozialen Landeshauptmanns von Steiermark  , Dr. Rintelen, nur langsam in Fluß. Sonntag vormittag wurde aber der Schutz­bund mobilisiert und in Bereitschaft genommen. Die Sozialdemo traten forderten von der Regierung energische und schleunige Abwehr. Daraufhin setzte die Bundesregierung Militär und Gendarmerie gegen Zentren des Putsches in Bewegung. Fast überall räumte Heimwehr   die besetzten Punkte ohne Widerstand. In Kapfenberg   fam es zu einer Schießerei, die Todes: opfer forderte. In den Abendstunden war das Schicksal des Putsches besiegelt. Im Laufe des Montag versicherte sich die legale Macht überall der entscheidenden Punkte und Personen. Es scheint, daß; Pfriemer zu früh losgeschlagen hat und daß auch in anderen Ländern Putsche   geplant waren. Ueber das Spiel hinter den Kulissen wird man erst im weiteren Verlauf der Untersuchungen aufgeklärt werden.

*

*

Was Sonntag in Obersteiermark   gesche­hen ist, wird auch den Betrachter österreichi­scher Dinge in Staunen verseßen, der die Füh rer des Heimwehrfascismus allesamt für so dumm wie verbrecherisch gehalten und ihnen daher den gewissenlosesten Hochverrat ant ihrem Lande nicht minder als die tölpelhafteste Durchführung ihres Vorhabens zugetraut hat. Noch ist es zu früh, um ein abschließendes Urteil über die Beweggründe der Starhem­berg und Pfriemer, vor allem aber ihrer dunklen Hintermänner, der Rinte­len und Seipel, der Apold und Piffl fällen zu können. Man kann zur Stunde nicht mehr als das Faktum besprechen, daß der seit Jahr und Tag ausgehöhlte und zu kläglichem Absterben verurteilte österreichische Fascismus den Putsch, den er duizendemale angefündigt, Wahl der nichtständigen Mitglieder Wien  , 13. September. Heute früh um 2 Uhr der niederösterreichischen Heimwehren nach jahrelang vorbereitet und im entscheidenden des Bölterbundrates. besetzten bewaffnete Heimwehrabteilungen mit Steiermart zu verhindern. Augenblick noch jedesmal abgeblasen hatte, Der Völkerbund   will sparen. Maschinengewehren die Bezirkshauptmannschaft Eine Extraausgabe der Arbeiter- Zeitung  " nunmehr, in einem Augenblick, da er völlig und andere Staatsämter sowie die Gemeinde- veröffentlichte unter dem Titel Heimwehrputsch" aussichtslos scheinen mußte, unternommen hat Genf  , 14. September. Die Völkerbundver- ämter in Brud a. M., in Kapfenberg  , einen sozialdemokratischen Aufruf des Partei- und daß dieser Putsch wie vorauszusehen in sammlung hat heute nachmittags die Wahl der Judenburg  , Zeltweg  , Schladming   vorstandes, in dem es heißt: jämmerlichster Weise, leider nicht ohne Opfer nichtständigen Ratsmitglieder vorgenom und anderen Orten in Obersteiermark  , ebenso in Gewissenlose Abenteurer haben in der Zeit Nachdem Guatemala   dieser Tage die einigen Kleineren Ortschaften in Oberösterreich   der schwersten Wirtschaftsnot und wichtiger Strean Menschenleben, zusammengebrochen ist. Niederlegung seines Ratsmandates zurückgenom- und in Salzburg  . Die Abteilungen vertrieben die ditverhandlungen einen Tollhausstreich Vor zwei Jahren begann die Heimwehe men hatte, waren nur die drei turnusmäßig aus Beamten und erklärten, daß sie nun die Macht im gegen die Republik   und die Demokratie gewagt. von den bloßen Drohungen und den indivi scheidenden Länder Spanien  , Persien   und Bene- Staate übernehmen. In Judenburg   ver- Der irrjinnige Putsch wird in wenigen Stunden duellen Terroraften zu großen Aktionen über­zuela zu ersetzen. Spanien  , das vor drei jammelten sich die Heimwehrleute bei ihrem bezusammenbrechen. Die Arbeiterschaft und ihre zugehen. Sie veranstaltete am 18. August Jahren für wiederwählbar erklärt worden war, tannten Führer Dr. Pfriemer und gaben eine Schutzbünde sind in Bereitschaft. Sie werden, 1929 in Sanft Lorenzen den Ueberfall crhielt heute 43 von 48 abgegebenen Stimmen. Proklamation heraus, in der sie mitteilten, daß wenn es notwendig ist, die Republik   und die De- auf sozialdemokratische Arbeiter, der das Sig­Ferner wurden gewählt China   mit sämtlichen sie die Macht im Staate übernehmen und alle mokratie zu schüßen wissen. Zunächst hat aber die nal zum latenten Bürgerkrieg wurde. Nach 48 und Panama   mit 45 Stimmen. ihre Mannschaften unter die Waffen rufen, daß Staatsgewalt gegen die frechen Gesetzesbrecher dem die Heimwehrler das Kabinett Stree­Die zersplitterten Stimmen entfielen sie ferner die Staatsbeamten ihres Eides für die einzuschreiten. In das Zuchthaus mit den auf Ungarn  , Merito und Portugal  ( je Republik   entbinden und das Kommando des Putschisten, wohin sie schon lange gehören! Ar- uwih gestürzt hatten, wurde Schober zivei) und Belgien   und Bulgarien  ( je eine Bundesheeres, der Gendarmerie und der Polizei beiter! Eiserne Disziplin, tühle Ruhe sind in zum Kanzler ernannt, den zunächst gleicher­Stimme.) übernehmen, die geltende Verfassung, besonders dieser Stunde das Wichtigste, Keine selbständigen maßen das demokratische Ausland wie die Die Völkerbundversammlung hat außerdem der Stadt und des Landes Wien   aufheben, die Aktionen. Haltet Euch bereit, wenn die Sozial- Heimwehren als ihren Treuhänder" ansahen. auf Grund eines Antrages ihrer Budgetfommis Geschworenengerichte beseitigen und Dr. Pfrie- demokratie Euch ruft! Schober paktierte, wie man heute aus den sion beschlossen, das Arbeitsprogramm des Völker- mer zum Staatsführer" erklären. Die Wiener   Polizei wurde um halb 3 Uhr Enthüllungen seines ehemaligen Freundes bundes für das nächste Jahr zur Erzielung von Von dem Heimwehrputsch wurden folgende früh alarmiert und besetzte sämtliche Bundes- und Gönners, des berüchtigten und übelst be­Ersparnissen zu prüfen und gegebenenfalls Städte Obersteiermarks betroffen: Judenburg  , gebäude. Ebenso wurden die Stadtgrenzen von leumdeten Zeitungsmannes Lippowitz, mit auf das unumgänglich Notwendige einzuschrärfen. wo der ganze Generalstab der steirischen Heim- Polizeiabteilungen besetzt. genügender Bestimmtheit weiß, mit den Heim­An die einzelnen Ausschüsse wurde der Bescheid wehren mit Dr. Pfriemer versammelt war, wei Ultimatum der Sozialdemokraten. wehrführern, ließ den Major Papst in seinen weitergeleitet, sich aller Beschlüsse zu enthalten, ter Brud a. M., Kapfenberg  , Zeltweg  , Schlad­die neue Ausgaben nach sich ziehen. ming, Knittelfeld   und Köflach  . Von hier dehnte Im Laufe des Vormittags erschienen die Bureaux in der Polizeidirektion amtieren und sich der Putsch auf einige Gemeinden Oststeier- sozialdemokratischen Abgeordneten Bürgermeister entwickelte den Fascisten den Plan einer Ber marks, dann auf vereinzelte Gemeinden Ober- Seit, Bauer und Danneberg beim Bun- legung des Parlaments nach Stremsmünster, österreichs, namentlich auf der ch dorf, weiter deskanzler Buresch und überreichten ihm im Na- wo es unter den Druck der Heimwehren ge­auf das Salzkammergut  , hauptsächlich Aussee men der sozialdemokratischen Partei und der Ge- stellt werden und eine neue Berfassung" be­und Umgebung, auf St. Johann im Pongau   und werkschaften eine ultimative Forderung, schließen sollte, während in Wien   gleichzeitig Falkenstein aus. In Kirchdorf   wurde der Be   worin sie u. a. verlangten: ein Staatskommissar an Stelle des sozial­Sofortige Niederwerfung des Putschver­Bürgermeisters Berlin  , 14. September. Aus Berlin   wird zirkshauptmann, in Falkenstein der Bürger­fungieren unts telephoniert: Die Kommunisten hatten die meister von den Heimwehren verhaftet, doch wur- suches, Berhaftung der Rädelsführer und Ge- demokratischen währleistung der Sicherheit durch die Regierung, würde. Die Heimwehren verließen sich auf Sozialdemokraten aufgefordert, öffentlich mit den beide bald von Gendarmerie befreit. Die Heimwehren besetzten auch einige Bahn- weiter, daß zwei von den Heimwehrleuten besette Schober, der sie wie vordem und nachher alic ihnen zu diskutieren. Schon in der vorigen Woche sollte eine solche Versammlung stattfinden. böje, wichtige Straßenkreuzungen und einige Eisenbahnstationen in Steiermart sofort freige- jeine Verhandlungspartner in biederer Schlicht­Die Sozialdemokraten hatten aber die Beteili- Brücken über die Mur   und die Mürz und poftier- geben werden, widrigenfalls die Gewerkschaften heit und Fibelschlauheit über die Löffel haitte und die sozialdemokratische Partei zur Selbsthilfe und an das kreditgebende Ausland verriet. gung daran abgelehnt, da die Kommunisten Ein- ten dort überall Maschinengewehre. schreiten müßten. Bundeskanzler Dr. Buresch Vor allem unter dem Einfluß der englischen  trittsgeld, selbst von Arbeitslosen, verlang­Blutige Zusammenstöße. erklärte, daß es im Laufe des heutigen Tages Diplomatie bequemte er sich zu einem harm­ten und damit ihre Kassen füllen wollten. zweifellos gelingen werde, den Putsch niederzu loseren Programm, führte die antiparlamen­In zwei Orten, in Hönigsberg bei Mürz- fchlagen. Die Regierung habe alle Machtmittel tarische Heimwehr auf das Eis der parlamen­Für heute hat die sozialdemokratische Partei in den Sportpalast, den größten Saal Ber- zuschlag und in Kapfenberg  , lam es zu Schieße des Staates aufgeboten. tarischen Verfassungsrevision und während lins, eine öffentliche Versammlung einberufen, reien. In Hönigsberg machte die Heimwehr  In den ersten Vormittagsstunden sand un- noch die Pfriemer, Steidle und Starhemberg zu welcher die Kommunisten einen Diskus den Versuch, den Ort zu besetzen, wurde aber von fionsredner stellen wollten. Schon vom früden Arbeitern berjagt. Auf dem Rüd- ter Führung des Bundeskanzlers im Bundes- den Marsch auf Wien   vorbereiteten, spielte hen Nachmittag zogen die Berliner   Arbeiter in ug schoß sie aus Maschinengewehren. Sie wur- fanzleramt ein Ministerrat statt, in dem vor sich im Parlament das Hornberger Schießzen den von den Arbeitern verfolgt, wobei diese ihnen allem festgestellt wurde, daß die Organe der um die Verfassung ab, als dessen einziges dichten Scharen zum Sportpalajt. Lange vor Bevier Maschinengewehre und eine Anzahl Gewehre öffentlichen Verwaltung, des Sicherheitsdienstes, positives Ergebnis die berühmte Wahl des ginn der Versammlung war der Saal derart abnehmen konnten. Verletzt wurde niemand. Bier des Bundesheeres und der Bundesbahnen ihren Bundespräsidenten durch das Volk übrigblieb, überfüllt, daß er von der Polizei gesperrt Heimatschüßler, die von einem Dach aus mit Verpflichtungen in jeder Richtung nachgekommen die gegenwärtig oder doch bis zum steirischen werden mußte. Trotzdem versuchten noch Gruppen einem Maschinengewehr feuerten, wobei aber find. Es wurde beschlossen, a II e Macht mit die gegenwärtig oder doch bis zum steirischen von Kommunisten in den Saal einzubringen. Den niemand verlegt wurde, sind verhaftet worden. tel des Staates einzusehen, um die Butsch die größte innerpolitische Verlegenheit Anordnungen der Polizei wurde keine Folge ge- Aerger ging es in Kapfenberg   aus. Dort Ruhe und Ordnung in türzester Zeit noch im Desterreichs darstellte. leistet, und als diese versuchte, die Menge in die versuchte die Heimwehr  , das Arbeiterheim Laufe des Tages wiederherzustellen und gegen die Es dauerte einige Zeit, bis die Heim­Seitengassen abzudrängen, fam. es zu großen Tuzu ist ir men, wobei sie das Arbeiterheim aus Urheber der Bewegung in schärfster Weise nach wehren den Verrat ihres Treuhänders Scho­mt ultent. Schließlich entstand in dem Gedränge Maschinengewehren beschoß. Dabei wurde ein den bestehenden Gesehen vorzugehen. ber tapiert hatten. Dann setzten sie alles zu eine Panit, wobei eine Anzahl von Personen Arbeiter getötet und drei lebensgefährlich ver- Daraufhin wurde das Bundesheer in den seinem Sturz in Bewegung und da auch Sei­verletzt wurde. So wurden 5 schwer und 25 leßt; außerdem wurden ein Arbeiter und ein ersten Vormittagsstunden in verstärkte Bereit- pel die Zeit für gekommen hielt, Schober zu leicht verlegte gemeldet. Die Straße vor dem Heimwehrmann leicht verletzt. schaft verseßt. Ueber Weisung des Bundesmini Sportpalast mußte geräumt werden. sters für Heereswefen Baugoin wurden Trup- erledigen, ließ er vor mun einem Jahr In Wien  . In der Versammlung, in welcher die So­pentontingente aus Wien  , Graz und Kla- September ist anscheinend der Schicksalsmonat der österreichischen Regierungen das Kabi­zialdemokraten weitaus die Mehrzahl haben, sprach Gen. Abg. Künstler, dessen Referat durch den republikanischen Schutzbund alarmiert. Wien   wurde in den frühen Morgenstunden genfurt nach Obersteiermark   beordert. nett Schober fallen und durch das Kabi­mit stürmischem Beifall aufgenommen wurde. In einem Manifest der Bundesregierung nett Vaugoin ersetzen, in dem die Heim Der Semmering   wurde in den Morgenstunden Es ist noch ungewiß, ob die Versammlung, von Angehörigen des republikanischen Schußbun- wurde es als ein Trost in dieser Schicksalsstunde wehren mit den Herren Starhemberg   und die noch andauert, zu einem friedlichen Abschluß des befeßt, um ein eventuelles. Bordringen der erklärt. daß die Machtmittel in der Hand der Re- Hueber vertreten waren. Diese verfassungs­widrige Putschistenregierung, deren Innen­( Fortseßung auf Seite 2.) steirischen Heimwehren nach Niederösterreich   oder| gebracht werden wird.

Sozialdemokratische Maffenlundgebung im Sportpalast. Kommunistische Tumulte.

her