Nr. 774 Mittwoch. 25. November 1931. Veite 5 Warnung vor Auswanderung nach Kanada  . Di« kanadisch« Regierung hat im Jahre 1936, als di« kanadstcken Farmer durch den Gerstenpreisrück- grng und durch die Absa^stockung in Gerste betrof­fen wurde», di« Auswanderung nach Kanada   emge- schränkt. Zur Farmerkrise gesellt« sich«in« Pro« dukrionS« und Handelskrise, verbunden mit großer Arbeitslosigkeit, unter der insbesondere di« grüß«, ren kanadischen Städte wie Montreal  , Winipeg und Vancouver   leiden. Unter Diesen Verhältnissen habe», weder landwirtschaftliche, noch Industriearbeiter Ar- beitsauSsichten in Kanada  , so daß viel« von ihnen, di««rst vor kurzem nach Kanada   gekommen sind, bereits um kostenlos« Repatriierung ersuchen. Da. her ist es notwendig, all« diesenig«n Personen auf« merksam zu machen, die auf Grund einer älteren Berechtigung vielleicht di« Möglichkeit hätten, nach Kanada   auSzuwandern, daß ihnen die VerhAtn-fle in Kanada   gegenwärtig kein« Aussichten auf Erfolg bieten. Selbst Frauen, die von ihnen Männern nach Kanada   verlangt werden, sollt«» erwägen, ob die Beschäftigung ihrer Männer ein« dauernd« ist und ob si« sich nicht einer ungewissen Zukunft auS- fttzen. Ein« vergrabene Kriegs kaffe   wird gesucht. Flnangorgane und Gendarmerie fahnden ln der iimgedung von llngvar nach einem Kriegsschatz auS dem Jahre 1815. Dieser wurde ana-bliw non einer auS-dem Hinterhalt überfallenen russischen Militärab« teilung vergraben. In der Kasse sollen sich 1,800.000 Rubel in Gold, 40 Kilogramm Silber und der Goldschmuck der beim russischen Armeestab weilen­den russischen Offizter-frauen befunden haben Fünf der Soldaten, die Zeugen dieses Vorganges waren, fielen. Der letzte überlebende Zeuge jenes Bor« falle« kam im Vorjahre aus Rußland   noch Kar- Palhorußland;«r hatte ein« Karte sowie eine Skizze der Stell« bei sich, an der der Schatz vergraben würde. Der Schatz sollt« heimlich.ausgegraben und nach Rußland   geschafft werden. Dor einigen Tagen erfuhren aber dir Staatsorgan« ron der Sa<t" und führten an den in Frag« kommenden Stelle» Unter­suchungen durch, d,e aber bii beut« resultatlos ver» liefen. Volkszählung<n Polen  . Am 9. Dezember findet auf dem ganzen Gebiete Polens   die zweit« allge« .meine DolkHählung statt. Dir«rst« fand im Jahre ISA statt. geräusche auf-tauchen, di««in« Lüngenerkrankung andeuten. Hi«r zeige» sich ganz deutlich di« vibrie- renden Geräusche, di« sich auch im Vibrieren der Kurvenlinien widerspiegeln. Di« normalen auf- und absteigenden Aest« der Kurve sind in viel« eng nebeneinander liegende, manchmal fast senkrecht ver­laufend« Auf- und Abwärtsbewegungen zerlegt. Die verschiedenartigen Krankheitsgeräusche der Lunge werden durch ganz verschiedenartig« Kurven regi­striert. Wenn es also gelungen ist, diesen Apparat nach mehrfachen Versuchen zu einer bewährten Boll- kommenheit und Zuverlässigkeit zu entwickeln, so wird die Medizin hiermit«in s«hr wichtiges neues Instrument zur objektiven Feststellung der Atem­geräusch« erhalten. Dr. W. A. Der Salonwagen. Salonwagen? Das ist ja schon eine Weile her. Man denkt an die Salonwagen Ihrer Majestäten und an die Sondrrzüge Hoher und Höchster Herrschaften mit dem ganzen Reglement für die Behandlung solcher Sonderzüg« durch di« Eisenbahnbeamtenschaft. In den lehren Jahren hört man ja etwa» weni­ger davon. Di« Staatsbesuche find etwa- seltener geworden. Auch die König« und Kaiser   haben in Europa   allmählich«ine Art Seltenheitswert. Da scheint Amerika   einzuspringen. Dort drü­ben, im Land der größten Arbeitslosigkeit werden neuerdings Privatsalonwagen für Millio­näre gebaut. In den letzten 50 Jahren wurden 3ö0 solcher Waggons erbaut, darunter 225 für Einzelpersonen und Unternehmungen, der Rest für Eisewbahngesell- schäften zum Vermieten. 23-avon stehen jetzt im Verkehr. Sie find wie vornehme Haushaltungen vollständig mit Wäsche, Sil­berwaren, Por^llän und Küchengeräten aukgestattet. Ti« tägliche Miete beträgt bei Benutzung für rin bis zwei Tag« 175 Dollar und fällt dann gestaffelt bis zu einem Betrag von. 50 Dollar bei einer Miet« von drei Monaten und darüber. Darin ist der Lohn für einen Koch und zwei Diener mit- inbegriffen; di« Lebensmittel werden mit 25 Pro­zent Aufschlag von der Eisenbahn beschafft und schließlich muß der Mieter unabhängig von der Zahl der Mitreisenden 25 Fahrkarten für di« Strecke lösen. Der Jnnenraum ist zwar auf drei j Meter Breite und fünf Meter Gesamthöhe be­schränkt, bietet aber Möglichkeiten für all« Ideen der Innenarchitektur, die die Räume meist in Maha­goni und N u ß h o l z ausstatten, gelegentlich auch Kamine mit offenem Feuer cinbauen, daneben Schränke mit geheimen Fächern und Telephonliitun- g«n durch alle Räume. Es gibt deren meist vier bis fünf, Gesellschafts-, Speise- und Schlafräume, ferner Küche." Ist das nicht eine Schande, daß man lm reich­sten Land der Welt acht Millionen Arbeitslos« hun­gern läßt und nach wie vor Salonwagen baut! sssinstes Material, daher keine Be­schädigung des Zahnschmelzes; Macht die Zähne blendend weiß und erfrischt den Mund; Wird in chemisch reinen Zinntuben geliefert- die hygienischste, ein­wandfreie Verpackung; Sparsam im Gebrauch- wird nicht hart. Unter der schwarzen Fahne. Der Weberaufstand in Lyon  . 24 Menschen ertrunken. Aus Djambi(Sumatra  ) wird berichtet: Infolge eines Zusammenstoßes-wi­schen einem Personendampfer und einer Dampfsähre sind 24 Personen um- Leben gekommen. Die Lunge wird set-Mmt. Bisher unvollkommene Beobachtung der Lungen- geräusch« Ton kurven der kranken Lung«. Die Beobachtung der Lungengeräusche durch den Arzl   bleibt bei der heutigen Methode der Be­obachtung mit Hilf« der Stetoskops(Höhrrohrs) stets mehr oder minder subjektiv. E- hängt von dem Arzr, von seiner Erfahrung, von seinem Ohr, von seiner Konzentration und Aufmerksamkeit ab, auch von den Umständen, unter den«» die Beobachtung erfolgt, von etwaige» Nebengeräuschen im llnter- fuchungszimmer, welchen Befund der Arzt auf Grund seiner Untersuchung mit dem Sretoskop fest­stellt. Ein solcher Befund ist also immer bis zu einem gewiss«« Grad Beeinflussungen unterworfen, die nicht in allen Beobachtungsfällen gleich find. Da di« medizinische Wissenschaft nach Möglichkeit aber objektiv richtig« Befunde und Feststellungen braucht, so har man von jeher danach gestrebt, di« subjektiv« Beobachtung durch di« objektiv« Feststellung von Tatsachen zu ersetzen. Der Registrierapparat soll in ollen Fällen di« Beobachtung ersetzen. Da«r nun für den Stand unserer heutigen Elektrotechnik kein« Prinzipielle Schwierigkeit mehr bedeutet, Geräusche auf elektrischem Wege auf Filmstreifen sichtbar zu machen, so war es naheliegend, einen Apparat zu konstruieren, der auch di« Lungengeräusch« einwand- frei korrekt aufzeichn«!. Wir wissen Heu!« auf Grund unserer modernen SchwingungSsorschung, daß Tön« Schwingungen sind, di« man bildlich in Form von auf- und absteigenden Kurven barstellen kann. Rein« Töne«rgeben«ine völlig gleichmäßig steigend« und finkend« Kurv«, also ein« Wellenlinie. Ti« Ge­räusche.sind auS einer Anzahl verschiedenartiger Tön« zusammengesetzt und sie ergeben deshalb zwar kein« gleichmäßig« Wellenlinie, wohl aber für i»d«s bestimmte Geräusch absolut charakteristische und stets wieder erkennbare Kurven. Man kann also auch die Lungengeräusche in Form einer solchen Kurv« zur Darstellung bringen. Zu diesem Zweck« hat man das Elektrostetoskop konstruiert. Di« Geräusche werden durch die Membran« deS StetoflopS zu einem elektrischen Verstärker geleitet, brr zunächst den leisen Lungengeräuschen«in« grö­ßere Intensität verleiht.. Nun braucht man nur noch, was für unsere heutig« Technik kein« Kunst mehr ist- di« Geräuschschwingungen in Lichtschwingnngen umzuwandeln und diese Lichtschwingungen dann auf «iuem gewöhnlichen Kinofilm zu photoaraphi«ren. Der Apparat, der von dem Ingenieur Martini konstruiert wurde, ermöglicht außerdem noch durch Einschaltung einer Kopfhörers oder auch einer Laut­sprechers das gleichzeitige Abhören der Lungen- geräusch«. Auch die in Lichtschwingungen umgewan­delten Geräusch« können hei dem Apparat direkt beobachtet werden, da si« zunächst in einen Spiegel geworfen werde» und dort allo genau sichtbar sind/ Auf dies« Weise bat man ck>arakteristi'ck>e Kurven d«r Atemgeräutche hergestellt. Die Kurv« d«1 Atemgeräuschr einer«sunden Lunge zeigt«in ver- hältni-mäßig gleichartige- Auf- und Abichwingen der Kurve, als ob jemand nacheinander. Auf- und Abstriche zieht. Dabei sind di« Abstände der einzel­nen Phasen ziemlich gleichmäßig Es verändert sich lediglich di« Höh« der einzelnen Schwingungen. Ganz anders dagegen sieht dir Kurve«inet Airmgeräuschs aus, in dem di« berühmten Rassel- Die Arbeiter.Bor st adt Croix Rousse oder Rote- Kreuz schwebt immer hoch über dem eigentliche» Lyon  , wie eS sich zwi­schen Rhone   und Saone   zusammenpreßt. Aber an diesem Montag, am 21. November 1831, hängt si« wie eine drohende Lawine über der Stadt, bereit, sich jeden Augenblick zu lösen und vernichtend, zerstörend zu Tal zu rollen. Üu- heimliches liegt in der Luft; es wird nicht gut enden! Dabei war doch weiter nicht- als daß di« armen Teufel, die in den engen, stinkenden Gas­sen mit'den hohen, schwarzen Hausern Vieltau» sendfältig hockten, den Hungergurt um em Paar Löcher hatten enger schnallen müssen. Si« bil­deten die mißachtete breite Basis von Lyons in­dustrieller Blüte, die M.000 bis 40.000 Sei­de n w e b e r, di« für kargen Lohn di« Tage hin­durch und bis weit in die Nächte hinein daheim den Webstuhl schnurren ließen. Die nächste Stufe stellten die 10.000 Zwischenmeister dar, halb bürgerliche, halb proletarische Existen­zen, deren feder-sein« vier bis fünf Webstühle samt dem Rohstoff an die NichtShabigen aus­lieh. Ueber ihnen thronte die dünne Schicht der Warenabnehmer, etwa 800 Fabrikanten oder Unternehmer, in deren Taschen der Haupt­gewinn kleben blieb, falls nicht auch sie den weni­gen Kommissionären verpflichtet waren, vollkommenen Schmarotzertypen, die Geld und Material im großen vorschössen. Unterlagen die Arbeiter, von denen sich di« Zwischenmeister nährten und di« Fabrikanten und Kommissio­näre mästeten, derart einer Ausbeutung im dop- velten und dreifachen Grade- so murrten sie doch so lange nicht, wie die Prosperität der Seiden­industrie sie vor dem nackten Verhungern schützte. Doch nach den unerbittlkchen Gesetzen der kapitalistischen   Gesellschaft traf die auS mannigfachen Ursachen entspringende Krise die Schwächsten am härtesten; der Tagelohn für einen HauSweber sank von 6, von 5, von 4 Franken auf 2, auf 1.75, auf 1.25 Franken; schließlich strich er bei entnervender achtzehn­stündiger Arbeitszeit nicht mehr als 18 Sous ein; das war ein Stu»den lohn von vier Pfennig! Da aber auch so verelendete, verkümmerte, geduckte und gedrückte Menschen, wie es die Lyoner Seidenweber waren, sich gegen den glat­ten Hungertod sträuben, begann es im Herbst 1831 auf Croix Rousie zu gären. Gruppen stan­den herum, krummgezogene, blaffe Männer, hohläugige Weiber, Kinder mit fiebrigen Augen. Obwohl die StaatSgetvalt damals von einer so­zialen Frage, di« die Arbeiter anging, noch nichts wußte und sich nur zurNeutralität", dar hieß: zur Aufrechterhaltung derOrdnung" im In» tereffe der Wohlhäbigen, verpflichtet glaubt«, legte sich der Präfekt deS Rhone  -Departement-, Dumolard, bedenklich geworden, ms Mittel, warb um da- Vertrauen der Arbeiter und bracht« durch seinen Einfluß im Oktober zwi­schen Fabrikanten und Webern   ein U e b e r« i n- kommen mit Mindestlohntarif unter Doch und Fach. Mehr als bescheidene Mindest­löhne- aber auf Croix Roufle tanzt«, man er­leichtert und stellte Abend' als Freudenzeichen armselige Lichtchen an die Fenster der Miets ­kasernen. Di« Unternehmer dagegen, nur dar» auf bedacht, di« Wirkungen der Krise von sich aus di« Aermsten der Armen abzuwälzen, maul­ten über das, was ihnen als unerhörte Durch­brechung deS geheiligten Prinzips der Gewerbe» freiheit erschien, schüchterten den Präfekten  , ein, steckten sich hinter die Stadtverwaltung, gewon­nen den Truppenkommandeur,. General Graf R o g u e t, riete« Verhängung d«S Belagerung-, zustande- an, rechneten stegessicher auf die be­waffnete Machtwenn", höhnte einer der Grohgewinner über di« Ausgepowerten,sie kein Brot im Bauche haben, so werden sie Ba­jonette hineinbekommen!" Da setzt sich, verzweifelt ob der Nichtachtung des Tarifs durch die Fabrikanten, Croix Räufle am 21. November in Bewegung, gliedert sich in Kolonnen zu Viererreihen, marschiert in guter Ordnung zu friedlicher, unbewaffneter Kund» gebung nach der Stadt herunter: d r e Lawine rollt! Die Nationalgarde, di« dem Zug ent­gegentritt, ist an den Grenadier-Bärenmutzen al- Abteilung aus dem Besitzendenviertel kenntlich; also gehen di« Gewehre von selber loS; Tote und Verwundete auf dem Pflaster; wie eine Feuer­zange leckt über Croi^c Roufle der Entsetzens­schrei:Unsere Bruder werden ab ge­schlachtet!" Croix Roufle bewaffnet sich, Croix Roufle bedeckt sich mit Barrikaden, Infan­terie, Kavallerie, Artillerie; Nationalgarde geht zum Volk über; Generalmarsch, Sturmglocken» geläut, Geschützfeuer, und als die Dunkelheit deS 22. November herabsinkt, ist di« zweit» größte Stadt Frankreichs   in den Händen der Proletarier. Mit dem Reste der zusammengeschmolzenen Truppen bahnt sich General R o g u e t in-er Nacht, wäh­rend es Kugeln aus den Fenstern, Ziegel von den Dächern regnet, unter empfindlichen Ver­lusten einen Weg inS Freie. In Parts spricht man von sechstausend Toten auf beiden Seiten; genaues ist nicht festzustellen, da die beiden gro­ßen Ströme viel Leichen wegschwemmen. Al- jedoch di« Weber den Sieg in Händen halten, sehen sie sich erstaunt, fast verlegen an. WaS nun? Hinter ihrer Bewegung stand keine Theorie, keine Doktrin, kein Sozialis­mus, keine Sehnsucht nach einer gerechteren Gesellschaftsordnung, stand nichts als der Hun­ger. Ein« andre Losung, hatten sie nicht als die düstere Inschrift auf der großen schwarzen Fahne, die der ersten Elendskolonne von Croix Roufle voraufweht«: Durch Arbeit leben oder im Kampfe sterben! Etwas wie ein Sinnbild der dumpfen, ahnungslosen, un» aufgeklärten Masse war der Neger Sta- n i s l a S, der, mit seiner Flinte auf der Mo- rand-Brücke aufgevflanzt. unter wilden Grimas­sen und Freudenschrei in die Luft sprang, so oft er einen Kanonier oder Dragoner niedergestreckt batte, aber sicher nicht wußte, weshalb er schoß. Da die Masse auch keine Führer hatte, ihr den Sinn der Erhebung zu deuten, gelang es den Handlangern der Bourgeoisie leicht, die Prole­tarier in den alten Pferch zurückzutreiben: Die hungernden und frierenden Weber hüteten mit dem Fanatismus e^neS Mo-^hunde- das Eigen­tum der Besitzenden. Ende der Woche war jede Spur deS Geschehenen auSgewischt, und kein« Hand rührte sich zum Widerstand, als am 3. De zember der Marschall Soult und der Thron folger mit stattlicher Truppsnmacht einrückten. Was folgte? Das Selbstverständliche: die Ent­waffnung der Arbeiter, die Auflösung der Na­tionalgarde, die Verlegung einer Garnison von 20.000 Mann nach Lyon  , die Abriegelung der Ar­beitervorstadt durch eine Reihe von SperrfortS, und alles, Ausbeutung, Profit und Hunger, konnte weitergehen wie bisher. Aber instinktloser noch als die Proletarier waren ihre Gegner. Di« Machthaber atmeten vielfach erleichtert auf, als sie hörten, daß eS sich nicht um einen politischen Putsch von Republikanern oder Legitimisten, sondern nur" um einen Streit zwischen Fa­brikanten und Arbeitern handle. Ba­gatelle! Zipfelmütze über- Ohr, herumgedreht und weitergeschlafen! Sie sahen nichts von der Flammenschrift an der Wand, mit der sich hier die Frage der Zukunft ankündigte; sie blieven taub für den Marschtritt einer neuen Klaff«, die hier zum erstenmal auf den Schauplatz der Ge­schichte trat; sie rochen nicht im entferntesten den Pulvergeruch vom ersten Vorpostengesechte de- großen sozialen Krieges, unter deflen Schlachten ein Jahrhundert spater, di« Erde   beben-sollte! Hermann Wendel  . Geriditssaal Totschlag au der Peripherie. Jndizienprozeß um«in« Messerstecherei (Schwurgericht.) Prag  , 24. November. In valid«« platz 3 lHr nachts ein Toter,«in Verwunde­ter, damit ist daS Milieu angedeutet, in welchem das Drama spielt. Diese Gegend Prag  - gehört zu den mit Recht verrufenen und wer dort zur Nacht­zeit seine- Weges kommt, kann pch auf allerlei lleberraschungen gefaßt machen. So erging ei auch am 23. August d. I. einer Gesellschaft, bestehend aus den Brüdern Johann und Heinrich Aubrecht und Wenzel Holub, die von einer SamStagS Unterhaltung nach Lieben heimkehrten. In der Gegend deS JnvalidenPlatzeS kam ihnen eine Grupp« von Leuten entgegen, darunter zwei Frauen. Im Vorbeigehen streifte einer der drei an«inen Entgegenkommenden an. Es gab einen Wortwechsel, der immer heftiger wurde und plötzlich bekam Heinrich Aubr«cht einen Hüch mit einem Ochsenziemer zwischen die Schulter­blätter. Sein Bruder Johann, der herzu­sprang, erhielt«inen Stich ln den Ober- schenke! und brach zusammen. Heinrich Aubrecht beugte sich erschrocken über den verletzten Bruder und im gleichen Moment fuhr ihm ein Messer in di.« link« Brustseite. Sein Bruder rafft« sich auf, beide begaben sich aus die Flucht, doch schon nach 30'Schritten sank Heinrich zusammen und verblutete auf dem Transport inS Krankenhaus. Die Polizei forschte bald di« Verdächtigen aus und führte zunächst die Untersuchung gegen all« vier männlichen Mitglieder der Gesellschaft. All­mählich konzentriert« sich der Verdacht auf«inen Einzigen von ihnen, nämlich auf den 29jährigen Milofiav Bolek, gegen den die Staatsanwaltschaft schließlich auch Auflage wegen Totschlages und vorsätzlicher Körperverletzung erhob. Freilich beruht die Anklage lediglich auf den Aus­sagen seiner Kumpane Mar-ale k, Müller und P o s p i 8 i I, die, wenn auch nicht ohne innere Widersprüche ihn einmütig belasten, des- gleichen auch die beiden Frauen. Der Angeklagte wehrt sich mit allen Kräften gegen die belastenden Aussagen. Er habe Pvar gerauft, aber dos Mes­ser schon deshalb nicht verwenden können, weil er eS noch im Gasthaus dem Müller geborgt und nicht zurückerhalten habe. Müller gibt daS auch zu, erklärt aber, der Angeklagte Bolek habe zwei Messer besessen. Weiter behaupten die Gefährten BolekS, dieser habe sie zum Davonlaufen aufgefor­dert. Dabei hätten sie auch daS blutige Messer in seiner Hand gesehen. Der Bruder des Toten sowie sein Freund Holub haben daS Gesicht deS Angreifers nicht zu erkennen vermocht, doch erklären sie, beide Stiche feien von einem und dem­selben Täter geführt worden. Nach der Dar­stellung deS Angeklagten käme als solcher nur noch Maräalek in Betracht, weil sich nur dieser außer ihm an dem Streit beteiligt hatte, während die anderen auS einiger Entfernung zusahen. Tatsächlich sprechen auch einige Indizien für diele Annahme, doch steht dem wieder die einmütige NuSsäg« der anderen gegenüber, die- der Angeklagte aber al- er­kunden bezeichnet. Manche- erklärt sich, wenn man die Persönlich­keiten de» Angeklagten und der Zeugen näher be­trachtet. Es sind vielfach vorbestrafte Leute, fast durchweg- von Zuhälterei, die Frauen von Prostitution lebend: Bolek selbst ist keines­wegs di« unsympathischeste Figur unter ihnen. Bis zum Jahre 1938 lebte er einwandfrei, dann geriet er in diese Gesellschaft, in der er trotz seiner ArbeitStüchtigkeit, die ihm von allen Dienst­gebern nachgerühmt wird, allmählich verkam. Heute ist er in diesem Sumpf zu Hause. DaS Opfer de- Streite- war ei« braver und tüchtiger Arbeiter, der auch seine alte Mutter unterstützte, die heute unter Tränen und Verwünschungen gegen den Täter als Privatbeteiltgte vor Gericht erschien Die Geschworenen bejahten di« Schuldsrag« aus Totschlag nur mit sieb«« Stimmen, also nicht mit der erforderlichen Mehrheit, hie Eventual- frage auf Teilnahme an einer Rauferei mit tlichcm Au-gang dagegen mit elf Stimmen, worauf der Schwurgericht-hof(Bors. OGR. Hellriegel) den Angeklagten zu zwei­einhalb Jahren, schweren Kerkers ver­urteilte.