Nr. 303.Seite 5Donnerstag, 81. Dezember 1831.^efutft Bei 6er„Sufitama".70 Meter unter dem Meeresspiegel.— Ein Stahlrohr frißt sich in den Schiffsleib.—Technik der Tub.— Frank Erilleh und sein Bruder.SPD. N«w-Bork, Mitt« Dezember.(Eig.»Ber.)Amerika ist immer noch in technischer Hinsichtdas Land der unbegrenzten Möglichkeiten. EinIngenieur Simon L a k e, hat jetzt«in großartigesProjekt entworfen, das die bisherige Submarinetechnik von Grund auf revolutionieren wird. Bisherwar man bei Schiffshebungen auf die unvollkommene Arbeit von Tauchern angewiesen. In Zukunftwird man die Taucher größtenteils entbehren kön-nen. Ein riesiges Rohr, sozusagen ein Wurm vonStahl und Eisen, wird in die Ozeanties« vorgestoßen und mit dem Schiffswrack in direkte Verbindung gebracht. Die Mündung des Stahlrohrsfrißt sich förmlich in den Schiffsleib ein. Gegenstände, die man heben will und die eine gewisseGröße nicht überschreiten, werden mittels eines besonderen Instruments im Innern des Stahlrohrs,der„Tub", an di« Meeresoberfläche befördert.Di« Schätz« in d«r Lutin«".Ingenieur Lake beabsichtigt, um die praktisch«Verwertbarkeit seiner Projektes nachzuweisen, demnächst dem Wrack-er„Lusitania" einen Besuch abzustatten. Dieser Schiff, dar im Kriege mit 2500Passagieren von einem deutschen U-Boot versenktwurde, liegt westlich der irischen Küste, 50 bis 70Meter unter dem Meeresspiegel im atlantischenOzean begraben. Noch nie hat«in menschlicherAuge diesen schlummernden Schiffskoloß erschaut.Nun wollen die Amerikaner dar Unglaubliche mög-lich machen.Ingenieur Lake gab bei«inem Presseempfangin New-Park«ine Reihe interessanter Einzelheitenüber sein gigantischer Unternehmen bekannt. DarStahlrohr, dessen technisch« Details ängstlich geheimgehalten werden, wurde von Lake schon vor zwanzigJahren erfunden. Damals, im Jahr« 1911, hatteer den Auftrag erhalten, da- Wrack des holländischenDampfers ,Lutin«" am Ausfluß-e- Zuidersees zuheben. Dieser Dampfer barg unermcßliche Schätze inseinem Innern, so Goldbarren im Wert« von20,000.000 Mark. Simon Lake kam damals auf dieIde«, ein Stahlrohr zu bauen, um bis an dieLagerstelle-es Wracks zu gelangen. Der Au-bruchdes Weltkrieges verhindert« die Verwirklichung dieses PlaneS. Noch heut« ruhen die Riesenschätze der»Lutine" in den niederländischen Gewässern.Wie in«in«» U-Boot——Inzwischen hat Simon Lake sein« Erfindungbedeutend vervollkommnet. DaS Stahlrohr ist fertiggestellt und hat schon mehrere Proben erfolgreichüberstanden. Es reicht bi- zu einer Tief« von hundert Metern. Lake glaubt, innerhalb von zwei ruhigen Wintertagen die Bergung des Kassenschrankesder»Lusitania" vornehmen zu können.i Tas Begleitschiff, ein gechartert«! amerikanischer Dampfer, ermittelt zunächst di« genau« Lagedes Wracks. Dann wird da- Stahlrohr in die Tief«gelassen. Sein« Mündung setzt sich auf den Körperder„Lusitania". Di« Wände-es Stahlrohrs, dasbiegsam ist, sind derart konstruiert, daß sie den höch sten Wasserdruck auszuhaltcn vermögen. Im Innernwird man nichts von diesen submarinen Gefahrenverspüren, sondern-en Eindruck haben, sich in einemUnterseeboot zu befinden.„Zwei-Kammern-System."Auf Leitern und Treppen steigen Arbeiter undIngenieure von Bord des Begleitschiffes aus in dieTiefe des Rohres. Am Ende befinden sich zweiLuftkammern. Tie erste ist das große Hauptquartier der Submarinetechniker. Sie enthält Telefon«,Maschinen, Motore und Periskope. Und von mehreren Glasfenstern aus kann man die Arbeiten, diespäter in der zweiten Kammer vorgenommen werden, genau beobachten und überwachen. Ein besonderes Verfahren sorgt für die Entlüftung.Der wichtigste Bestandteil der„Tub" jedochist di« zweite Kammer. Sie bildet gewissermaßenden Mund des gigantischen Stahlwurms. Zunächstwerden die äußeren Tor« geschlossen, damit keinWasser eindringen kann: Durch«ine kleine Tür gelangen zwei Taucher von der inneren in di« äußereKammer. Durch ein kleineres Rohr läuft nun vonoben Wasser«in, bis di« äußere Kammer vollkommenangefüllt ist. Dann wird„dicht gemacht". Eine elektrische Press« erhöht jetzt den Wasserdruck in demüberschreiten. Den Rückweg treten di« beiden Taucherbefinden, bii darin der gleiche Druck herrscht wie„draußen" in 70 Metern Meerestiefe.Nun öffnen die beiden Taucher den„Mund"des Stahlrohres, verlassen di« Außenkammern undbcginnen ihre Arbeiten an dem Schiff-wrack. Elektrisch betrieben« Bohrer, Krahn« und ander« Hilfsmaschinen stehen zu ihrer Verfügung. Mit diesemtechnischen Komfort" können di« Tiefsee-Technikerganz andere Arbeiten vollbringen, als bisher die gewöhnlichen Taucher. Die Dauer de- Aufenthaltesin 70 Meter Ozeantiefe, soll«ine Stunde nichtübersreiten. Den Rückweg tret«» di« beiden Taucherin der umgekehrten Reihenfolge an.Männer ohne Todesfurcht.Und wer wird nun den Mut finden, sich diesensubmarinen Gefahren auSzusetzen? Ingenieur Lakehat schon seinen Mann gefunden. Es ist der ame-rik^l Nische Meistertaucher FrankCrilley, der mit seinem Bruder die Arbeitenim„Murcke" des Stahlrohrs vornehmen will. Dies«beiden Männer unternahmen kürzlich in einer Tief«von 92 Metern einen«instündigen Versuch, der zurvollständigen Zufriedenheit ausfiel.In diesem Winter noch steht nun die großeSensation bevor. In den nächsten Tagen dampftIngenieur Lake mit seinen Mitarbeitern nachIrland ab. Wird die ,Lusitania" ihr 16 Jahr« ge-hütete- Geheimnis preisgeben? Simon Lake glaubtfest au vollem Erfolge uüd die'amerikanischen Geldleut«, die sein-Unternehmen finanzieren, offenbarebenfalls. Es scheint,'als ob di« submarine Technik"sich wirklich an einer Wende ihrer Methoden befindet. Und dann wird der Ozean kein« Mysterien mehrkennen.Selbstmord eines Zwölfjährig««. Irr Wattenscheid(Wests.) ließ sich ein zwölfjähriger Schülervon einem Personcnzug überfahren Seine Elternhatten ihn wegen eines Tummenjungenstreichs auf. sein Zimmer verwiesen. Tie„Schande" glaubte ernicht überleben zu können...An einer Erdnuß erstickt ist der zweijährige!Knabe des Arbeiters August Bradka in Postelbcrg.Das Kind hatte eine sogenannte Burennuß geschluckt;der Kern blieb ihm im Halse stecken und der Knabeerstickte, bevor noch eine Operation an ihm vorgenommen werden konnte.Großfeuer in Breslau. Im Breslauer AltenSchlachchof, einem mehrere hundert Jahre altenGebäude, das jetzt nur noch als Lagerplatz dient,brach Mittwoch Nachmittag aus noch nicht bekannterUrsache ein Großfeuer aus, das die gesamte Breslauer Feuerwehr auf den Plan rief. Das Feuerfand an den eingrlagrrten Gegenständen, in derHauptsache Lumpen, Knochen und Papier, außerdemaber auch an der starken Holzkonstruktion, die Balkenbis zu 50 Ztm. Stärke aufweist, reiche Nahrung.Beim Erscheinen der Wehren stand bereits die Hälftedes etwa 25 Meter langen Gebäudes in hellenFlammen Gegen halb 6 Uhr war di« Gefahr fürdie alten Häuser der Umgebung— es handelt sichum das älteste.Viertel Breslaus— beseitigt unddas Feuer auf seinen Herd beschränkt. Ter Branddes Alten SchlachthofS war gegen 7 Uhr bis aufkleiner Brandnester gelöscht. Der Schaden ist durchVersicherung völlig gedeckt. Wahrscheinlich ist dasFeuer durch Kürzschluß entstanden.Prnfionistenstrom nach Ungarn. Mit Rücksichtauf die neue ungarische Pensionsverordnung, durchwelche die PenstonSgebührcn insbesondere der imAusland lebenden Pensionisten verkürzt werden, wirdder größere Teil der in Wien lebenden ungarischenmilitärischen und zivilen pensionierten Würdenträger«ach Ungarn zurückkehrrn. Wie die„Stunde" meldet, befindet sich unter ihnen auch GeneraloberstArthur A r z, der letzte österreichische Generalstabschef.!Urbcr die Unfälle der Bataslugzeug« bei ihrenReifen in den Orient erfahren wir folgend« Einzelheiten:- Bi- zu«inem gewissen Grade hat dassprichwörtlich« Schusterpech von Beginn an dieBalaflugzeug-Expedition begleitet. DaS Haupt-Fokkerftugzeug erlitt in der Syrte«inen großenSchaden am rechten Motor und konnte nur infolge des bereitwilligen Zutuns der italirnischenMilitärbehörden weiterfliegen, di« Bata ihren einzigen Reservemotor gleichen Typs verkauften. Dardritte Flugzeug mit dem Ersatzmotor havariert« inden Hohen Tauern und die Flieger gelangten erstnych zweitägigem Nmherirren unter Hunger undKälte nach Twang, woher sie einen Bericht sendenkonnten. Das zweite Flugzeug/ das dem erstennach Nordafrika nachfolgte, wurde ebenfalls voneinem Unfall betroffen, zuerst bei Neapel, wo sichder Pilot Stastny beim Anlassen des. Motors verletzte, und zum zweitenmal vor. der Ueberfliegungder Mittelmeeres, wo daS. FlugzeW. zu einer Notlandung in Trapani bei Taft«! Vetrens auf Siziliengezwungen war, wobei es leicht havarierte. Es istaber zum Weiterflug bis zum Erhalt der Ersatzteil«g«rignet.— Tas Fokkerflugzeug mit Bata an Bordführte Dienstag eine weitere— bisher die beste— Etappe ihres Fluges von Damaskus in dieHauptstadt des Jraj-Bagdad. aus. Mittwoch setztedas Fokkerflugzeug den Weiterflug nach Bush!reund Jask in Persien fort.„3m Gedelkyreis find zwei Mahlzeitensfir Bedürftige inbegriffen."Es gibt immer noch Leute, die etwas habenund etwa--ausgeben können— trotz Massenentlassunyen und Wirtschaftskrach. Sie möchten daS,was st« haben, ausgeb«» und natürlich zu Silvester! Aber der Gedanke, daß sie obeü tanzenund Sekt trinken, während unten das Volk imgrauen Gleich versinkt, wird allmählich etwaspeinlich. Zum Teufel, man hat doch schließlichauch ein Gewissen, zumal das nichts kistet!Dem zarten Gewissen des Besitzes ist die Ber-gnügungSindustrie für den kommenden Silvesterverständnisvoll entgegengckommen. Sie veranstal tet beispielsweise in B e r l r n überall große Sil-vesterfeiern, wobei sich die Preise für das Abendessen zwischen 9 und 25 Mark bewegen. 25 Markfür ein Abendessen, während mancher nicht 20Pfennig hat, um sich eine warme Suppe zu kaufen! Aber wir sind ja so sozial und also liest manin diesem Jahre keine Ankinchigung einer großenVergnügungsstätte für Silvester ohne den Zusatz:„Im Gedeckpreis sind zwei Mablzer-ten für Bedürftige einbegriffen."Wenn also der Herr Generaldirektor»nb FrauGemahlin für 25 Mark pro Person in einem Berliner Luxushotel ihr Silvestersouper zu sich nehmen, kann sich ihr soziales Gewissen bei dem Gedanken beruhigen, daß vier Notleidend.» dadrirchjeder eine 50Hfg.-M«chlzeit erhalten:'.>nd hinterjeder Flasche Sekt steht der tröstliche Gedanke, daerhält wieder ein Arbeitsloser mehr ein GlasWasser zu seiner Winterhilfe-Mahlzeit!ES gibt nichts Erbärmlicheres als diese sozialeBemäntelung der unsozialen Gesinnung als diesGctvissensopium für daS schlechte Gewissen deS Großbesitzes!Rastelli.Bon Rhedo.DaS erste- und letztemal sah ich ihn Heuerim Sommer in Karlsbad. Jung,- elastisch undsichtlich unverbraucht, balancierte er mit unnach-ahmlicher Selbstverständlichkeit und Grazie aufallen möglichen Körperteilen die leichten Bälle,die er nach der Vorstellung als handgreiflichenBeweis seiner Kunst an die anwesenden Kinderverteilte, in seiner Art einen Weltrekord haltend,elegant, ohne zu schwitzen(wenigstevs sah manniemals Schweiß an ihm) und ohne sich sichtlich anzustrenge». Bor einigen Tagen trugen ihnsein« trauernden Landsleute zu Grabe, rn demBewußtsein, erneu Heros verlören zu haben, der,einen Ball im Nacken und einen in der Kniekehle,Herr über das Leblos« war, weil er das Höchste,was er besaß, seinen lebenden Körper, virtuosbeherrschte.Rastelli tvar ein Genie des Fingerspitzengefühls. Es wohnte universal in seinem ganzenKörper, beseelte jeden Nerv, jeden Muskel, jedeSehne und jeden Knochen. Die Bälle gehorchtenihm wie märchenhaft dressierte Vögel, di« willenlos jeder Bewegung des Meisters folgten, seinGeist teilte sich der Materie mit, die er beseel:«und zu einem Teil seines Organismus machte.Er war kein Artist schlechthin, er war«inKünstler und seine Kunst war echt, denn sieschien müheloses Spiel. Wenn er die Bübnebetrat, flogen ihm die Gummibälle und di«Herzen der Zuschauer in gleicher Wesse zu undwährend er die ersteren bändigte wie der Drahtzieher seine Marionetten, zwang er di« letzterendurch di« Negierung der Schwerkraft in seinenBann. Er war ein König des Gleichgewichts,von dem er nie auch nur einen Bruchteil verlor,er zwang der Glätte der Kugel seinen Mllenauf und schuf ihr unsichtbare Ecken und Kanten,an denen sein Wille sie hielt.Semem Nachfolger, und welcher Weltmeister hält« nicht, allen Gesetzen der Wahrscheinlichkeit zum Trotz, einen Nachfolger gefunden, dernoch um ein Gran iveltmersterlicher war, wirdes schwer falleu, an seinem Körper ein« Stellezu sinken wo der zehnte Ball ohne Quecksilberund Sywtheiikon, einzig vom unsichtbaren Spielder Muskeln bezwungen, haften soll. Aber erwird sie dennoch finden.Volkswirtschaft und SozialpolitikSine düstere Prognose.Ueber die Kris« in der Baumwollindustrie berichtet William Gregory(London)in der„Wirtschaft" schreckliche Tatsachen. DerGenannte schreibt u. a.:Die Berichte der verschiedenen Bereinigungen der Spinner auf dem Kontinent sprechenimmer deutlicher von zunehmenden Stillegungender Betriebe und die Gewißheit, daß in absehbarer Zeit in Europa rund 40 Prozent derProduktionskapazitäten der Baumwollindustrievon der Stärke der Ereignisse, stillgelegtsein werden, läßt sich heute nicht mehr ableugnen.Zu diesem furchtbaren Moment kommen abernun noch die schier unübersehbar gewordenenBilanzschfvierigkeiten in dieser Industrie in derganzen, Welt, mit Ausnahme von Japan undEngland., Es sind heute? rund neun Zehntelder. BoumKollindustrien. außerhalb. dies« Länder und einschließlich jener in den BereinigtenStaaten von Nordamerika nicht mehr in derLage, eine Erfolgsrechnung aufzustellen, ohnevöllig.passiv zu,sein."Di« Aussichten der Baumwollindustrieskizziert er wie folgt:„In den mitteleuropäischenLändern wird aller Wahrscheinlichkeit.nach nurein Drittel der Kapazitäten von1926 lebensfähig b l e i b e n. In Englandrechnet man heute mit einer Restquote von 26Millionen Spindeln auf nach dem Kriege vorhandenen 58 Millionen..In. Frankreich wirdmit etwa 60 Prozent bestandfähiger Spindelngerechnet. In Belgien liegen die Pinge fastgleichartig. Ebenso vielleicht auch in Holland.Schlimmer liegen sie aber in Italien, wo dieverschiedensten Cottonifices sehr krank sind, auchwenn die Zeitungen rm Reiche des Duce darüber nichts schreiben dürfen.und am schwerstenist und bleibt die. Problemstellung im mittlerenEuropa von Deutschland bis nach Oesterreich undPolen. Da dürfte aber nach aller, auch noch sowohlwollender Voraussicht,^ vorläufig nichts z«kurieren sein."Siliester bei Steindergerr.Steinbergers hatten vor nicht allzu langerZeit geheiratet. Bereits wenige Tage späterwurden die ersten Besuche gemacht: beim KollegenNapfschleif von der Makulaturabtcilung, beiObersekretär Steguwcit und Lehrer Grünfetzen.Die Gegenbesuche wurden nun am Silvesterabendbei Stembergers erwartet. Frau Steinberger—übrigen- hieß sie Bärbel, und da mir der Namegefallt, will ich jetzt auch immer.? r. also FrauBärbel hatte schon leise bereut, die Sache mitden Bekanntschaften angezettelt zu haben» dennbei NapfschleifS hatte man drei Stunden langg«äi>nk; Herr Steguwcit zeigte vier Postkartenalben und erklärte nahezu jedes Bild, und LehrerGrünfctzen spielte auf einer Hausorgcl, bei derdie Bälge quietschen, ein ganzes ChoräÄuchdurch.... damit nicht so viel gegessen würde,wie Herr, Steinberger behauptete.Als Frau- Bärbel ihren Mann beauftragte,für den Silvesterabend Steinberger— Napfschleif— Steguwcit— Grünsetzen eine Bowlezu brauen, verschwieg er seine völlige Unkenntnisauf dem Gebiete des Brauens im allgemeinenund des Bowlenbrauens im speziellen, denn einBürgersmann, der keine Bowle brauen kann,wird' nicht für voll angesehen, solange andereMänner dieses Problem lösen. Also erklärteHerr Steinberger, eine Bowle zu bereiten, vonder seine Gäste noch lange nach dem letztenSchluck erzählen würden. Frau Bärbel verrietbeim Fleischer' an Frau Steauwrit das Geheimnis von der wunderbaren Silvesterbowle, dieder ehreiuverte» Gäste harrte.Steinberger verbrachte eine schlaflose Nacht.Fragen mochte er nicht; irgendwie erfährt es eineFrau doch wieder. In der zweiten Nacht kamer auf einen glülichen Gedanken: das Kochbuch.Frau Bärbel pflegte eS in der Küche just überdem Behälter„Zwiebeln" auf dem Sims aufzubewahren. Steinberger schlich sich in die Küche— zur Geisterstunde— eine Hundekälte übrigens.Er stieß mit den Zehen zweimal an je eineSchwelle und fluchte zischend. Durch diese Zwischenfälle zerbrach seine Aufmerksamkeit und dadurch auch ein Glas, das er in der Dunkelheitumstieß.Frau Bärbel erwachte... erschien ebenfallsin der Küche. Er log: es sei ihm nicht Wohl—und trank unter Frau Bärbels mitleidigenBlicken zwei Gläser eiskalten Leitungswassers.Ten Rest der Nacht hustete er sich, so gut es ging,durch, um am nächsten Mittag vier Liter„Krätzeberger Rachenputzer", letzter Jahrgang, mitzubringen. Dann schnitt er Aepfel in den Wein,weil Apfelsinen zur Zeit noch zu sauer erschienen.Er kostete: Apfelbowle... mal was anderes.'Daer vergessen hatte, die Kerne herauszuschlälen,fischte er die Apfelstückchen wieder heraus undentdeckte, daß auch die Schalen noch anhafleten.Das brachte ihn auf den Gedanken, es mit gedörrten Aprikosen zu versuchen. Diese edlenFrüchte lagen dann zwei Stunden im„Krätzeberger Rachenputzer", ohne daß sie weich wurden.Fran Bärbel wurde mißtrauisch: ob er denn wasdavon verstünde; es käme ihr fast so vor, wiewenn... doch ihr Gatte lächelte nur überlegen.Eine Stunde später lagen in der Bowlenterrine außer den bereits erwähnten Gewächsen:Zitronenschalen, AnanaSstücke und Apselsinen-i scheiben. Steinberger erklärte, eS handle sich imvorliegenden Falle um eine sogenannte Fünf-s frucht-Bowl«, die besonders zu Silvesterfeiern inseiner Heimat bevorzugt Würde. Frau Bärbelkostete. Eine Minute später bekam sie Sodbrennen, Herr Steinberger warf, um die Gästevor ähnlichen Unannehmlichkeiten zu schützen,einen Eßlöffel doppelkohlensaures Natron in dasGebräu, rührte kräftig um und gab ein weniggeriebene Muskatnuß nach. Er kostete wiederund meinte, dieses Rezept bekäme so leicht keinerheraus. Chemiker hätten sich darum bemüht,doch vergebens. Es sei Geheimnis einiger alteingesessener Leute in seiner Heimat. Darauchinkostete Frau Bärbel wieder und— spie(in Worten: spie) die seltsame Flüssigkeit sofort aus.„WaS hast du denn? An den Geschmack mußman sich erst gewöhnen," flötete er. Das Flörenwar falsch; hatte er gelacht, so wäre ihm vielleicht geglaubt worden. So aber spürte FrauBärbet mit- jähem Instinkt die abgrundtiefeLüge.„Adolf, das ist gemein, solche Schwindelei! Du kannst überhaupt keine... deineBowle ist Dreck(sie sagt« tassächlich Dreck, aberda- hörte sich gar nicht so häßlich an, denn schonbei„keine..." kamen ihr die Tränen und daklang eS dann viel weichex).Adolf wollte etwas entgegnen, aber FrauBärbel rechnete bereits: ,„... vier Flaschen„Krätzeberger", die Apfelsinen, Zitronen, Aprikosen, AnanaS..."Es läutete. Die Gäste erschienen. Adolfmuhte öffnen, denn Frau Bärbels Tränen.,.na, ja; jedenfalls erschien sie erst später.Herrn Steinberger kam plötzlich der rettendeGedanke: Zucker fehlste der Bowle; das war alles!Er trällerte und sprang durch die Küche, erwischteauch die Büchse mit den rettenden Weißen Körnchen und schüttete, eifrig rührend, die Hälfte desInhalts hinein. Einige fielen daneben. Ertupfte sie mit nassem Zeigefmger auf, übernahmsie mit naschender Zunge und.. spuckte, wievor einigen Minuten es seine Frau getan hatte.Dann drehte er die Büchse um und las in schönerRustika-Schrift:„Soda."Im gleichen Augenblick bat Frau Bärbelaus dem anderen Zimmer:„Adolf, bring doch dieBowle!"Und nun freuen Sie sich schon, verehrterMitbürger, auf das, was jetzt die Gäste... undso weiter.Falsch gedacht! Sie haben das Schicksalnicht mit hineinaezogen in ihr Exempel. Wennnämlich daS Schicksal jemanden ein« satanisch«Bowle brauen läßt, so ist es gütig genug, eS nichtzuzulassen, daß sie getrunken wird. So auch hier.Wie Sie sich erinnern,.hatte Frau Bärbelbei der Kostprobe den Schluck Bowle anderswountcrgebracht als jenseits der Zunge. Bei diesemVorgang war ein Stück Zitronenschale auf dieTürschwclle gehopst, über die jetzt— sehen Sieihn?!— Herr Aoolf Steinberger leichenblaß mitder todbringenden Bowlenterrine schreitet,...schwankt... fällt.— Die Terrine löst« sich inihre Urbestandteile auf.Die Gäste jedoch verstanden eS nicht, wiesoHerr und Frau Steinberger über das stimmungsraubende Unglück sich noch freuen konnten. Ineiner jungen Ehe ist eben alles möglich, meintensie und grnge« frühzeitig nach Hause.Seit dieser Zeit hat Herr Steinberger dasWort„Bowle" nicht mehr ausgesprochen. UndFrau Bärbel hat sich nie wieder nach gesellschaftlichem Verkehr gesehnt. O. F. Heinrich.