Sitte 4 Samstag, 30. Jänner 1932. Ar. 26. Die ArbeitslMkeit in der TeMindnftne der Tschechoffowalei in den Fahren 19211931. T agesneuigkeiten Heil Metznerr Im Reichenberger Stadttheater rief man ge­stern stürmisch:HeitMetzner." Nicht dein großen Bildhauer und nicht Karl Metzner  , dem unermüdlichen, opferbereiten Schul­mann in Leitmeritz  , der es sich in den Kopf ge­setzt hat, eine Mittelschule zu schaffen, die die jungen Menschen ohne Terror und Nervener­schütterung erzieht- sondern ganz im Gegenteil, Adolf Me-feiter, dein.Führer der national­sozialistischen Studentenschaft in Prag.  - Und dies nicht etwa darum, weil er ein Mo­nument geschaffen oder einen neuen Schultypus -erfunden hätte, sondern einfach^darum, weil er während des dritten Aktes laut ausrief:Schwei­nerei!" Man gah denArzt am Scheidewege" von Bernhard Shaw und es spielte Moissi  mit. Adolf hatte- cs also beträchtlich leichter als die beiden anderen. Nun ist meiner Meinung nach allerdings mit Moisir nicht viel los. Ich will mich mit niemand in Erörterungen entlassen. Mir ist er der Mann der Mätzchen. Also etwa: der Göbbels der dramatischen Kunst. Aber nicht darum wurde er angeblasen, sondern weil sein Name Moissin an Möyses erinnert, und man daraus auf seine Fremoblütigkeit höchst bedenk­liche Schlüsse ziehen kann. Mir würde die Klangverwandschaft der bei­den Worte zmso bedeutungsvollen Schlüssen nicht genügen. Ich würde nie von Metzner aufMetzeles schließen> aber der Reichenberger völkischen Ju­gend genügte das vollständig zu einem wüsten Krawall im Tempel der Musen. Also: Adolf Metzner   schrie in den vollen Saal: Schweinerei!" und die Gefolgschaft schrie: Heil Metzner!" Ich wäre für die umgekehrte Zeitfolge: Heil Metzner?"Schweinerei!" MitHeil Metzner" ließe ich meine Ge- dankcngänge nur dann schließen, wenn ich mich Karl Metzners erinnerte, der durch seine Schul­reform gesunde, vernünftige, sachliche, duldsame Menschen heränbildcn will, die sich vorteilhaft untersichcden von den dummen, plumpen, gewalt­tätigen Rüpeln, welche heutigentags die Mittel­schule der Hochschule weitergibt. ' Alfa. Mordversuch und Selbstmord in Gablonz  . Reichenberg» 29..Jänner. Im Hause Maler­gasse 9 in Gablonz   wurde heute ein Mordversuch und ein Selbstmord verübt. Vor acht Wochen zogen in ein Zimmer dieses Hauses die vierund­zwanzigjährige Irma Havranek, Hilfsarbei- terin bei der Firma Jakoby, und der dreiund­zwanzigjährige Felix Schweitzer, ein jetzt be­schäftigungsloser Hilfsarbeiter. Die beiden woll­ten in vier Wochen heiraten. In den letzten Ta­gen kam es zwischen ihnen zu heftigen Ausein­andersetzungen. Gestern mußte die Havranek Polizei zur Hilfe rufen. Sie erklärte den Schweit­zer nun nicht zu heiraten. Die Nacht von gestern auf heute brachte sie in der Wohnung ihrer Eltern zu. Um halb 12 Uhr vormittag horte man im Zimmer der Beiden heftiges Streiten. Eine Nachbarin rief der Havranek durch die ver­schlossene Tür zu, sie möge in ihre Wohnung kommen, Schweitzer folgte der Havranek mit einem Revolver in der Hand und bedrohte auch die Nachbarin. Diese eilte aus ihrer Wohnung, kurz darauf fielen zwei Schüsse, man fand die Havranek mit einem Schuß in der rechten Schläfe auf dein Boden kauernd und Schweitzer lag tot im Zimmer., Tie schwerverletzte. Havranek wurde in das Bezirkskrankenhaus überführt.- Man hofft, sic am Leben erhalten zu können. Die Beweggründe der Tat dürften Eifersucht sein. Die Skoda-Gelder für Hiller. Ter französische sozialistische Abgeordnete Paul Faure sprach in Dresden   in einer öffentlichen Versammlung. Er erzählte unter anderm: Das PariserJournal" hatte unter den Geld­gebern der deutschen   Nazis auch die tsche­chischen Skoda-Werke, genannt, deren Aktienmehr­heit dem französischen   Munitionsfabrikanten Schneider-Creuzot gehört. Auf eine Anfrage in der Oeffentlichkeit hat nun Faure   den Bestich eines Direktors von Schneider bekommen, der er­klärt habe, nicht die Skoda  -Werke selbst, sondern die deutschen' D i r e k.t o r e n der Skoda  -Werke seien als Geldgeber des' deutschen F a sc i s m u s bekannt. Faure   fügte hinzu, wenn Schneiders Angestellte deutschen Kriegshetzern Geld gäben, sp wüßten sic genau, daß ihr Chef nichts dagegen habe. Prozeß gegen Katzenellenbogen  . Das ganze Generaldirektorium auf der Anklagebank. Berlin  , 29. Jänner. Unter starkem Andrang von Schaulustigen begann heute in Moabit   der Prozeß gegen die Schultheiß-Direktoren Lud­wig K a tz c n e l l e n b o g e n, Erich Penzlin, Dr. Walter Sobernheim, Ernst Kulmay und Rudolf Funke vor der Großen Strafkammer. Der. Pro­zeß ist kriminalgcschjchtlich ein Novum, denn es ist noch nie dagewesen, daß das gesamte Generaldirektorium eines großen wirt­schaftlichen Konzerns unter Anklage gestellt worden ist.- Die Anklage lautet gegen sämtliche Angeklagten auf Bllanzverschleierung, ferner gegen Katzenellenbogen und Penzlin   auf Prospekt­betrug und schließlich gegen Katzenellenbogen allein auf handelsrechtliche Untreue. M 2" aufgegeben. London  , 29. Jänner.  (Reuter.) Die Admira­lität erklärte, cs bestehe jetzt keine Hoff­nung mehr, die in dem gesunkenen Untersee­bootLl 2" eingeschloffene Mannschaft lebend zu bergen. Tödlicher Anfall In Gablonz  . Auf dem Gablonzer Hauptbahnhofe ereig­nete sich am 28. Jänner abends beim Verschie­ben ein schwerer Unfall. Der Verschieber, Ru­ dolf Heß   geriet unter den letzten Zug, der uin halb zehn Uhr aus Tannwald in Gablonz   ein­traf. Die Räder gingen ihm über den Unter­leib. Ter Schwerverletzte starb auf dem Wege ins Krankenhaus. Balas englische Fabrik. London  , 29. Jänner.  (Reuter.) Es wird ge­meldet, daß der tschechoslowakische Großindustrielle B a k a defiitiv den Ankauf von 600 Acres Boden in T i l b u r y abgeschloffen hat, wo er umfang­reiche Schuhfabriken errichten wird. Mit dem Ban derselben wird Ende März begonnen werden.'' Die blutige Grenze. Bukarest  , L9 Jänner. In der Nacht auf heute überraschtedie Grenzwache unweit der Stadt Tighina   vier Individuen, die den Fluß Dnjester   zu durchschwimmen versuchten, um nach Sowjetrußland zu gelangen. Nach dem vorschriftsmäßigen Anruf ergaben sich drei Män­ner, während der vierte die Flucht ergreifen wollte. Er wurde auf der Stelle erschossen. Es handelt sich uni sowjetrussische Emissäre(?). Graf-elldorf verhaftet. Berlin  , 29. Jänner. Graf Helldorf  , gegen den, in der gestrigen Verhandlung des Knr- fürstendamm-Prozeffes Haftbefehl erlassen wurde, ist im Laufe des gestrigen Abends in Nürnberg  fcstgenommen worden. Er wurde heute nach Berlin   gebracht, sofort in das Unter­suchungsgefängnis eingcliefert und um 9 Uhr in den Bcrhandlungssaal geführt. Frauen und Abrüstung. Die zur Abrüstungs­konferenz nach Genf   gesandte Petition des eng­lischen Zweiges der Internationalen Frauen­liga für Frieden und Freiheit enthält über zwei Millionen Unterschriften. Ellen Snowden hat sie die Stimme d»r einfachen Leute Englands"(the simple- soll of the country) genannt. In Ame­ rika   sind unter der Petition weit über vier Millionen Unterschriften gesammelt worden. Selbst im rüstungsfreundlichen Frankreich  hat eine Million Frauen unterschrieben. Prozen­tual am stärksten ist die Beteiligung in der Schweiz  . Tort schätzt man die Unterzeichner der Petition auf ein Drittel der Gcsamtbe- völkerung. Mussolini   als Modediktator. Ministerpräsi- dent Mussolini hielt in der Versammlung ita­lienischer Aerzte eine Rede, in der er sie auffor- derte, sich endlich energisch gegen die unver­nünftige Schlankheitsmode der Frauen zu stellen. Mussolini   erklärte, daß diese Exzesse die Raffe schwächen und auch andere un­günstige wirtschaftliche Folgen zeitigen. Dampferzusammensiotz. Aus Hamburg   wird gemeldet: Auf der Unterelbe bei Schulau   stießen heute früh das deutsche   MotorschiffPresi- dcnte Gomez" und der norwegische Passagier­dampferLeda" zusammen. Beide Schiffe wurden schwer beschädigt. Mit Schlepper­hilfe kehrtePresident«: Gomez" nach Hamburg  zurück und ging sofort inS Dock. ,»Lcda" konnte die Reise nach Hamburg   mit eigener Kraft fort­setzen. Ein Straßenbahner aus Rache gelyncht. Einem furchtbaren Racheakt ist der Straßenbahn­schaffner Ruffo in R o m zum Opfer gefallen. Er hatte einen Fahrgast namens Mazzuchelli gerügt, weil dieser die Füße auf die Sitzplätze aufgestützt hatte. Als dcr Straßcnbahnzug die Endstation erreicht hatte, eilte Mazzuchelli in die nahege­legene Wohnung, ergriff einen derben Stock und eilte niit einer Anzahl seine Familienangehörigen zur Straßenbahn zurück, wo die ganze Sippe über den Schaffner herficl und diesen mit wuch­tigen Hieben zu Boden schlug. Ter Schaffner ! wurde sterbend ins Krankenhaus transportiert. I Mazzuchelli und einige seiner Angehörigen, die ! an der Bluttat beteiligt waren, wurden in Haft f genommen. Einzahmes Leopard zerfleischt ein Kind. I Ein entsetzlicher Unglücksfall, dein ein zweijähri­ges Mädchen zum Opfer fiel, ereignete sich in dcr Wohnung des Kunstmalers von Othegraven in ! Berlin-Wilmersdorf  . Othegraven hielt dort einen völlig gezähmten, ausgewachsenen Leoparden, den er angeblich für Filmvorstellungen abrichten wollte. Als Freitag mittags die in dem gleichen Hause wohnende Frau des Tankstcllcnoesitzers Charys mit ihrem zweijährigen Töchterchen Erika das Zimmer betrat, riß sich der Leopard plötzlich von der Kette, los und stürzte sich auf das Kind. Die Mutter wurde zur Seite geschleudert. Bevor noch der Besitzer des Tieres zu Hilfe eilen konnte, hatte die Bestie dem Kinde derartige Biß- und Kratzwunden beigebracht, daß eS kurzer Zeit spä­ter seinen Verletzungen erlag. Aussichten.Was soll man nur seinen Jungen studieren lassen heute? Schwierige Frage!"Tie ganz« Welt ist jetzt ein RarrenbauS. laß ihn dach Psychiater werben." Hausse. Ein Börscnmann liegt im hohen Fieber. Ei srag: die Krankenschwester, wie hoch die Tem­peratur gegenwärtig sei.41 Grad", antwortete di« Vom Rundhink Empfehlenswertes aus Sen Programmen. Samstag: Prag  : 11.00 Schallplatten. 15.30 Heitere Lieder. 1825 Deutsche Sendung: Emil Kläger  : Aus eigenen Werken. Brünn: 16.10 Orchesterkonzert. 18.25 Deutsche Sendung: Biolirssonaten. M8hr.-Lftrau: 15.30 Biblische Lieber. 18.25 Slowakisches Volkslied. Königsberg  : 16.15 Blasmusik. 18.45 Haydns Kla­viersonaten.' Königswusterhouscn: 20.00 Blas- orchesterkonzert. Leipzig: 19.80 Leichte Musik.   München  : 18.30 Volk in Not. Wie«: 17.00 AuS alten Operetten. 20.00 Sinfonie aus Oesterreich  . 22.20 Konzert. Schwester.Gut", sagt der Kranke,bei 42 ver­kaufen Sie!" Arzt: ,Trinken Sie denn Karlsbader Wasser eine Stunde vor dem Esten?" ,Ha, Herr Doktor, ich habe es versucht, aber länger als eine Biertel- stnnde halt« ich das Wassertrircken nicht aus." Graukopf. Bon Rhedo. Graukopf fror. Er kauerte dicht am Rande eines fingeren Abgrundes, der in einen unge­heuren Steinhaufen führte. Der Steinhaufen war er« Haus und der finstere Schacht ein Schornstein. Am Rande des Schlotes hatte Graukopf die Nacht verbracht. Die entsetzliche, grauenhafte, endlose Nacht bei 20 Grad Kälte. Der messerscharfe Frost griff ihm unter« die Federn, packte die Haut, zog sie zusammen, löste sie von den Knochen, daß es den Vogel schüttelte wie ein Fieber. Graukopf war ganz nahe an den Rand des Schornsteins geklettert, so nahe, daß er jeden Augenblick hinabfallen konnte. Er wußte, daß die Menschen, die da unten wohnten, die Gabe besaßen, Wärme zu erzeugen, wohlige, kosende Wärme, die aus dem tiefen Schlund herauskam, mild wie Sonne, aber so schwarz und beißend, daß man sie nur mit zusammen­gepreßtem Schnabel ertragen konnte. Sonst platzten die Lungen. Graukopf hatte sich aufgeblasen, daß er aussah wie ein großer, schwarzer Ball. So Ivar ihm wärmer. Die Menschen, die den Ofen, der zu dem Schlote gehörte, heizten, hatten keine Kohle, daher strömte keine Wärme gegen das Dach und Graukopf sah vergebens sehnsüchtig in die schwarze Tiefe. Das letztemal hatte der Ofen am vorhergehenden Tage gebrannt. Beißender, ätzender Rauch war emporgestiegen und hatte die Ziegel erwärmt und den Schnee vertrieben und Graukopf hatte die Augen geschlossen und den Atem angehalten und war in dem dicken Qualm geräuchert worden wie ein Schinken. Aber die Wärme war ihm unter die Federn gekrochen und hatte seinen armen, starren Körper aufgetaut, sein Blut lebhafter strömen und sein Herz kräftiger schlagen lasten und etwas wie neuer Lebensmut war tn ihm erwacht. Graukopf fror und träumte von der schwar­zen Wärme, die nicht kam. Er kroch noch mehr tn sich und blies sich noch mehr auf und sah groß und dick aus; obwohl sein magerer Körper |uf die Hälfte seines normalen Umfanges ge­schrumpft war. Es war windstill, in der Ferne erhob sich ein machtloser, glühender Ball, vor dem der Nebel kochte, eine Sonne, die erfroren schien, und die Kälte brannte wie Feuer.i In dem Körper des kleinen Vogels wühlte der Hunger. Packte mit unerbittlichen, gierigen Fingern die leeren Därme und zerrte an ihnen, verklumpte sie zu einem Gewirr züngelnder Schlangen. Graukopf zitterte vor Schmerz. Jede Bewegung ließ ihn Frost und Hunger schärfer empfinden. Er hob die Flügel, sic waren steif wie Holz. Mit Mühe schleppte er sich zunt Rande des Daches. Rund herum war iveiße, eisige Wüste. Graukopf versank bis zur Brust in dem Schnee. Mit Mühe drehte er das Köpfchen nach allen Seiten, me matten Augen suchten qualvoll und sahen nichts als die bizarren Formen starrer, weißer Kristalle. Rings um ihn war Tod und Vernichtung. Aber noch etwas anderes sah Graukopf, etwas, das einen frohen Glanz in seine Auge« treten ließ. Tief unter ihm saßen zwei Amseln auf einem Fensterbrett und bewegten die Köpfe emsig hin und her, wie im Takte. Graukovss Augen wurden groß. So sehr packte ihn di« Gier, daß seine Flügel zitterten, als er sich mit letzter Kraft vom Dach stieß. Er flog, nein, er flatterte, nein, er fiel, fiel, die Augen auf das rettende Brot gerichtet. Matt schlugen die Flügel und versagten den gewohnten Dienst. Und lang­em, taumelnd, schwebte ein schwarzer, kleiner Ball, dicht am Fenster vorbei, in die Tiefe. Tie Amseln flogen erschreckt auf. Tief sank Graukopf in den weichen Schnee. So tief, daß nicht einmal das Köpfchen sichtbar blieb. Die weiße flockige Decke schmiegte sich an de« armen, mageren Körper. Wie eine zarte, weiche Frauenhand faßte ihn der Tod. Graukopf schloß die Augen. Er träumte von dcr Sonne, von Wärme, von Licht. Der Arbeitslose. Bon Robert Oehler. Gran ist wein Morgen. Erwachtsein spricht zu mir von Sorgen und trauert nach dem Traum, der mich geborgen. Die Straße schreit von stete» Schritte«. Bon tausend Interessen. Mitten t» ihnen einsam steht mein Fragen: Wohin soll ich mein Leben tragen?