Einzelpreis 70 Seller. ( Einschließlich 5 Heller Porto)

ozialdemokrat

Zentralorgan d. Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei i.d.Tschechoslowakischen Republik.

12. Jahrgang.

Filipo Turati

Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh.

Redaktion u. Berwaltung: Prag   II, elásanta 18 Telepb.: 26795, 31469, Nachtredakt.( ab 21 Uhr): 33858 Bonichedamt: 57544

Donnerstag, 31. März 1932

Zusammenstöße im Ostrauer Revier Germinal  

Kampf zwischen Polizei und Demonstranten/ Drei Schwerverletzte

Mährisch Ost rau, 30. März.( Eigen bericht.) Bei Sucha u kam es heute zu einem gefährlichen Zusammenstoß zwischen der Polizei und demonstrierenden Arbeitern. Die De­monstranten versuchten trok dem Verbot jeglichen Aufmarsches gegen den Schacht vorzu­dringen, worauf die Polizei sie zerstreuen wollte. Dabei kam es nun zu einem Kampf zwischen den Demonstranten und der Polizei. Angeblich wurden zunächst von seiten der Demonstran ten drei Schüsse abgegeben, durch die ein Polizist, der Oberwachmann. Pokorny aus Přivoz, schwer verletzt wurde( Lungenschuß). Nun erst soll die Polizei von ihren Dienst­revolvern Gebrauch gemacht und ihrerseits Schüsse abgegeben haben. Es wurden zwei Ar beiter schwer, zwei leicht verlegt. Von den Polizisten erlitten sechs leichte Verlegungen. Den Demonstranten wurden verschiedene waffenähnliche Instrumente, wie Eisenstangen usw. abgenommen. Verhaftet wurde der Kommunist Fierlinger aus Prag  , außerdem soll der kommunistische Senator Mikuliček an der Demonstration be teiligt gewesen sein.

Zur Stunde herrscht Ruhe im Revier, die Polizei hat strenge Bestimmungen erlassen, durch die eine Art Ausnahms zustand hergestellt wird.

Die offizielle Darstellung.

der der Oberwachmann Petorný, nachdem er verwundet worden war, in Notwehr die Schußwaffe gebrauchte, worauf auch Schüsse aus der linken Gruppe der Wache fielen, ohne daß der Befehl zum Schießen gegeben worden wäre. Die Demonstranten wurden bis hinter die Straße gedrängt und erst zerstreut, als Gen­darmerie und Polizeibereitschaft eintraf.

Nr. 77.

Der Kampf der Bergarbeiter

Germinal  " heißt der klassische Berg­arbeiter- Roman des großen Franzosen Emile Zola  ; das Wort wäre etwa mit Gärmond" zu übersetzen. Ein Streik der französischen  Bergarbeiter, der in die Zeit um März und April fiel, der die Revolution seinerzeit den Monatsnamen Germinal   gegeben hatte, gab den Anlaß zu dem Titel, der tatsächlich tiefere Bedeutung hat, der sagen will, daß lang Unterdrücktes mächtig zu gären, lang Gedämpftes sich zu regen be ginnt; Aufstand und Aufbruch, Kampf und Gefahr liegen in dem Wort.

Aus Paris   kommt die erschütternde Kunde, daß Filipo Turati, der greise Führer nicht nur der Italienischen   Sozialisten, sondern der demokrati schen Emigration Italiens   überhaupt, in der Ver­bannung gestorben ist. Was uns am Tode des 75jährigen so sehr ergreift, ist sein Sterben vor dem Ziel. Millionen freilich sind ins Grab ge= stiegen, ohne das Land der Verheißung, den An­bruch einer neuen Zeit erlebt zu haben. Turati aber, wie so vielen italienischen Sozialisten, war es verwehrt, an dem Posten zu stehen, an dent er sein Leben lang für den Sozialismus gekämpft hatte; in der Verbannung, fern von den italieni­schen Arbeitern, die unter der Knute des Fascis­mus seufzen, mußte der alte Mann seinen Lebens­Just um die gleiche Frühjahrszeit, die abend verbringen und sein ganzes Sehnen hat mit dem Monatsnamen der französischen   Re­dem Tag gegolten, da Italien   wieder frei sein würde. Er hat nun den wirtschaftlichen Zusam­volution ,, Germinal  " heißt, find die Kohlen­menbruch Italiens  , die Flammensignale der Prag  , 30. März. Das Tsch. P.-B. meldet: arbeiter von Brüg und Duy aufgestanden zu Bauernunruhen und der kühnen Demonstrationen In dem Birkenwald hinter der polnischen Bür­einem Kampf, den die Unternehmer seit Jah­einzelner noch erlebt, aber er mußte doch von uns gerschule in der Gemeinde Ober- Such au im ren provoziert haben. So gefährlich die Taktik gehen, ehe das fluchwürdige, blutbefleckte System Bezirk Freistadt   versammelten sich heute etwa der streikenden Arbeiter, so gewissenlos die des Fascismus zusammenbrach. Das schmerzt uns 9 Uhr vormittag ungefähr 2000 Personen, um Demagogie der Kommunisten ist, unser erstes zumeist am Tode dieses großen und edlen Man- eine illegale Versammlung abzuhalten, da eine Wort in dieser Sache wird immer wieder eine nes, der einer der besten Köpfe Italiens  , nicht nur Versammlung im Arbeiterhaus verboten worden ein Politiker, sondern auch ein Schriftsteller von war. Die Demonstranten rotteten sich von allen Anklage gegen die Grubenbarone Von den Demonstranten wurden verletzt: großem Wurf war und den der rachsüchtige Feind Seiten in Gruppen von 20 bis 50 Personen zu- Ladislaus& arvinity aus Ober- Suchau bleiben, gegen deren Uebermut und Harthörig­als Siebzigjährigen über die Grenze jagte. jammen. Als sie die uniformierte Sicherheits- Brustschuk: Alois Blutnar aus Ober- Suchau feit sich ja auch der gefühlsmäßige Ausbruch Turati war seit Jahren vielleicht nicht der wache hinausdrängte, warfen die Demonstranten Fußschuß und Kopfverletzung durch Steinwurf; der Bergarbeiter richtet. tatsächliche Gegenspieler Mussolinis das konnte mit Steinen auf die Wache. Junge Demon- Beinrich Muè in a aus Ober- Suchau Verwun- Seit vielen Jahrzehnten, in mancher er bei seinem Alter kaum mehr sein, aber die stranten griffen in Gruppen bis zu 50 Personen bung an der rechten Hand, und Rudolf Mo Beche seit einem Jahrhundert, graben die finnbildliche Gestalt, auf die sich die die Wache mit 3aunlatten an. Die Wache lenda aus Ober- Suchau( Art der Verletzung Brucher und Durer Kumpel Braunkohle und Blicke aller richteten, die Italien   die Erlösung von wandte gegen die Demonstranten den Gummibisher nicht festzustellen). fchaffen damit Mehrwert für den Gruben­der Schmach und der Last des Fascismus wünscht nippel an. Bon der Wache wurden verlegt: der Ober- baron. Gewaltige Vermögen, schwere Haufen fen. Mussolini wird den Tod des gehaßten wachmann Maret- Potorný schwere Schußz­Mannes, dessen Heroismus und sittlichen Triumph verletzung in die Brust, die Lunge getroffen; Re- Goldes find aus den braunen Kohlen entstan über sein elendes Renegatentum er wie einst die vierinspektor Ladislaus Blasa me f Stopfperden, aber sie waren bezahlt mit Schweiß und Existenz Matteottis gefürchtet und gehaßt hat, mif letzung durch Steinwurf: Oberwachmann Josef Blut ganzer Generationen. Um elenden Lohn, dem Gefühl der Erleichterung hinnehmen. Wir Gardelka Verlegung an der linken Hand unter steter Gefahr, des Lebens, für spärliche, aber sind überzeugt, daß Tu ratineue kämp durch einen Lattenhieb: Wachmann Josef So- schandbare Alters- ,, Versorgung", haben die fer nachwachsen werden, daß der Tag font­botit, Verlegung am Kopf durch Steinwurf: Bergarbeiter geschuftet; fein Friedhof von men wird, da die Arbeiter Italiens   die Gebein: Bachmann Karl Koranet Verlegung am Fuß Komotau   bis Aussig  , der nicht reihenweise Filipo Turatis, die sie nun in fremder Erde zur durch einen Lattenhieb: Inspektor Josef Schön- Gräber der Bergleute zählte, die ihr Leben in Ruhe betten müssen, in ein freies Italien   zurüc wald Fußverletzung durch Steinwurf. führen werden!

Londoner   Weekendbelprechung zwedlos?

ander diametral entgegengesetzt.

Vor der Kolonie Grafensiedlung" wurden aus den Reihen der Demonsiranten drei Schüsse gegen die Wache abgefeuert, wo­bei der Oberwachmann Pokorný durch einen Schuß in die Brust schwer ver letzt wurde. Nach diesen Schüssen stürzten sich ungefähr 500 Personen auf die Wache, die in zwei Gruppen vorging. Am meisten war die rechte Gruppe der Wache unter Führung eines Polizeibeamten bedroht, in

*

21.500 Streifende in Nordwest­böhmen.

Die Lage im Ditrauer Rebier. Mähr.- Ostrau, 30. März. Von der Nachmit tagsschicht streiften heute bei der Berg und ütten auf drei Gruben 1268 Bergarbeiter

der Grube lassen mußten, kein Dorf im gan­en Kohlenbecken, dessen Menschen nicht die Spuren jahrzehntelanger Schinderei trügen. Millionen und Abermillionen haben die Gru benherren an den Schächten verdient- fie Sachten nicht daran, die Arbeiter teilhaben lassen an ihren Gewinnen. Und als sich die

Paris  , 30. März.( Eigenbericht.) In diplo matischen Kreisen wird der Zusammenkunft Brüg, 30. März. Der Streit im nordwest von insgesamt 1531, bei der Gesellschaft Or­Tardieus mit Macdonald durchaus nicht die böhmischen Bergbaugebiet nähert sich allmählich lau- Lazy auf drei Gruben von 1430 Berg- Arbeiter nach dem Umsturz höhere Löhne er­Bedeutung beigelegt, die ihr ein Teil der Presse den Grenzen seiner Ausdehnungsmöglichkeit. Die arbeitern 978. Jm ganzen streiften also auf lämpften( die den Unternehmergewinnt noch gibt. Man glaubt nicht, daß die Aussprache ein positives Ergebnis haben wird, da Macdonald, Zahl der Streifenden beträgt heute 21.500, die lechs Gruben von 2961 Bergarbeitern 2246. lange nicht aufwogen), als der zehnprozentige Auf den Larisch Gruben wird nicht gearbei- Gewinnanteil der Revierräte und einige ar­der der Anreger der Viermächte- Konferenz ist, sich Zahl der stillgelegten Schächte rund 80. Im tet.( Feierschicht.) Auf der Wilczek- Grube beitsrechtliche Bestimmungen Gesetz wurden, nicht vor dieser Konferenz gegenüber Tardieu Brüger Revier hat sich der Streit noch auf den Johann- Maria" wurde heute normal gearbei- da ließen die Unternehmer durch einen ihrer binden kann. Auch find die Auffassungen Frank- tleinen Ignis- Schacht in Prohn  ( Brucher tet, auch die Kommunisten und deren Führer frivolften Söldlinge das Schimpfwort von den reichs und Englands in der Frage des Donau­projektes wie auch in der Reparationsfrage ein- Sohlenwerke), im Komotauer Revier auf famen in die Arbeit. Auf der Dreifaltigkeits- Börseanerit der Arbeit" prägen.d den Julius- Schacht der Mannesmannröhren- und Emma- Grube ist Feierschicht. Die Gruben Als aber um 1923 die Dauertrife der übrigen Gesellschaften find vom Streit nicht Werke, auf die Anna- Zeche der Nestomizer Zuf- betroffen. der böhmischen Branntohle ein Der Kreditanstalt- Standal. ferraffinerie in Brunnersdorf, auf die setzte, da wußten die Unternehmer die Last Zeilstreits im Revier von Kladno. der Krise auf die Schultern der Kumpel ab­Wien, 30. März.( Eigenbericht.) In einer Gruben Rafaeli in Sarbiz und Elja in Wählerversammlung beschäftigte sich heute der Deutsch Kralupp ausgedehnt; die bei­Kladno, 30. März. Der Streitagitation uwälzen. Die Löhne sanken und die Feier­Wiener Finanzreferent Genosse Breitner mit den legten Gruben gehören der Poldihütte, deren der Kommunisten gelang es vorläufig, daß die schichten wurden zur dauernden Einrichtung. dem Skandal der Kreditanstalt und stellte fest, Elektrizitätswert sie beliefern. Im Teplitzer Re- Arbeit auf der Schöller" und" Mayrau". Die Spaltung der Arbeiterklasse, daß sofort, nachdem im Mai 1931 bekannt gegevier wurden seit dem letzten Bericht stillgelegt: Grube und bei der Nachmittagsschicht auf der die Zerreißung der gewerkschaftlichen Einheit, ben worden war, daß die Verluste der Krediton­stalt 140 Millionen Schilling betragen, der da- Gabriel in Jüdendorf, Wenzel in Tep übrigen Schächten würde die Arbeit nicht ein- die Offensive zu erleichtern. Seit Jahren Teponn a"-Grübe eingestellt wurde. Auf allen trug das ihre dazu bei, den Unternehmern malige Finanzberater und jeßige Generaldirektor liz( Brüger Kohlenbergbau- Gesellschaft), Bri gestellt. Die öffentliche Versammlung in Libušin, schon, länger als die Arbeiter irgendwelcher der Regierung erklärt habe, daß die Verluste ein tannia in Probst au und Viktoria in Sobor zu der sich etwa 300 Personen eingefunden hat Vielfaches dieses Betrages ausmachen, daßten( Vereinigte Britania- Kohlenwerke A.-G.), ten, wurde aufgelöst. die Regierung dies aber der Oeffentlichkeit ve ra schwiegen habe. Nur dadurch konnte der Na- ferner Phoenig in Schallan( Gewerkschaft tionalrat zur Uebernahme der Bundeshaftung be- Maximilian Augustus), Peter und Paul in stimmt werden. Rech walis( Grohmann), Karl in 3ud- Prag, 30. März. Zu der Nachricht eines Breitner stellte ferner fest, daß die Bilanzen mantel, Albert in Schönfeld( Böhmische Prager   Nachmittagsblattes, daß in Komotau  ebenso der Bodenkreditanstalt wie der Kreditau­ftalt nicht nur falsch sind, sondern mit Be Handelsgesellschaft), Hugo in Settenz( Firma heute der Ausnahmszustand erklärt worden sei, wußtsein nach langen Beratungen Dudek), Einigkeit in 3ud mantel( Glasfabri- wird amtlich erklärt, daß diese Nachricht nicht im fen Fischmann Söhne) und eine Reihe kleinerer geringsten den Tatsachen entspricht. Weder in gefälscht wurden, lont bisher etwa 20 Schächte ſtillgelegt. Schächte. Insgesamt sind im Teplitzer Revier Komotau noch sonstwo wurde der Ausnahmszu­

Reine Kündigung des Handelsvertrages durch Desterreich.

In Desterreich geht es!

Kein Ausnahmszustand.

stand erklärt.

lionen vom Bund vorschußweise gedeckt wurden. Da der Bund in den vorausgegangenen sechs

anderen Branche, stehen die Bergarbeiter in Kurzarbeit. Der Lohn, der auf dem Pa­pier steht, gibt kein Maß für die Einkommen, denn die meisten Bergarbeiter hatten nur vier oder drei Schichten in der Woche. Dabei wuchs das Risiko, unter dem fie arbeiteten. Denn auf den alten Schächten ließen die Un­mehr lohnte, Geld in die Grube zu investieren, ternehmer alles verfallen, weil es sich nicht die modernen Schächte wurden rationalisiert, wobei vor allem die Sicherheitsmaßnahmen in leichtfertiger Weise beschränkt wurden. Die Entlassungen erfolgten in regelmäßigen Ab­ſtänden, mehr und mehr Arbeiter wurden durch die Maschine verdrängt und die Gesamtpro­duktion wurde obendrein eingeschränkt. Hof­fend zuerst, dann in stumpfer Gleichgültigkeit, felnd sahen die Bergarbeiter sich und ihre Familien zugrundegehen, Es wuchs der Haß

Wien  , 30. März. Der hente stattgefundene Ministerrat hat beschlossen, den Handelsvertrag mit Ungarn   zum 1. April zu fündigen. Dagegen hat er sich mit der Frage der Kündigung des Han- Wien, 30. März. Im Jahre 1931 wurden Jahren bereits Vorschüsse von 84.8 Millionen delsvertrages mit der Tschechoslowakei   nicht be- in der Arbeitslosenfürsorge 275.8 Millionen nicht hatte hereinbringen können, ist durch die faßt. Die Frage wurde auf unbestimmte Zeit ver- Schilling aufgewendet, von denen 233.6 Millionen Arbeitslosenfürsorge nun bereits ein Loch von endlich verbittert und verzwei schoben. Ebenso unterblieb die Sündigung der( 1,150,000.000) durch Beiträge der Ar 126.5 Millionen Schilling entstanden. anderen Handelsverträge. nehmer und Arbeitgeber und 42.2 Mil­