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Sozialdemokrat

Zentralorgan 6. Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei i.d.Tschechoslowakischen Republik

12. Jahrgang.

Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh.

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Gonntag, 8. Mai 1932

359 französische Kammer- Doumer seinen Verletzungen erlegen.

mandate

werden heute vergeben. Paris  , 7. Mai. Der morgige zweite Wahl­gang wird die Entscheidung über 359 Siße der französischen   Kammer bringen. Während bei der ersten Wahl die absolute Mehrheit erforderlich war, entscheidet beim zweiten Wahlgang die relative Mehrheit. Die Parteien, die man im Jahre 1924 das Kartell der Linken nannte, stehen in mehr als der Hälfte der Wahlkreise, die mor­gen eine Entscheidung zu treffen haben, in gün­stiger Position.

Welche Wirkung das Attentat auf den Prä­fidenten der Republik   haben wird, ist noch nicht abzusehen. Es ist zu mindestens sehr bezeichnend, dah Miller and entgegen der amtlichen Auf­faffung erklärt ,,, persönliche Auskünfte, die er er­halten habe, gestatten ihm in der kategorischen Form zu erklären, daß der Mörder Doumers aus revolutionären antibolsche wistisch en Or­ganisationen stamme". Eine derartige Stimme fönnte unter Umständen einen gewissen Einfluß auf das Wahlergebnis ausüben.

Berhandlungen mit Deutschland  vertagt.

Baldige Fortjeßung in Prag  . Berlin  , 7. Mai. Die seit einigen Tagen i Berlin   geführten tichechoslowakisch- deutschen  Wirtschaftsverhandlungen wurden heute vorläufig beendet. Es handelte sich dabei zum Teil um einige handelspolitische Fragen, zum Teil um Devisenfragen. Die beiden Delegationen werden ihren Regierungen Bericht erstatten, die über das weitere Vorgehen Beschluß faffen werden,

Donnerstag Beisetzung im Pantheon.

Paris  , 7. Mai. Heute um 4 Uhr 37 früh ist der Präsident der Republik Baul Donmer den Verlegungen, die ihm bei dem Attentat beigebracht worden sind, erlegen. Am Sterbebette des Präsidenten weilten seine Gattin, seine Tochter und sein Schwiegerjohn, fer­ner Ministerpräsident Tardieu, der Innenminister und andere Mitglieder der Regierung. Um 5 Uhr 15 Minuten wurde die Leiche Doumers nach dem Elysée übergeführt. Den Zug begleiteten Ministerpräsident Tardien und die im Augenblick des Ablebens im Kranken­haus anwesenden Minister.

Um halb sechs Uhr fanden sich im Palais Elysée   sämtliche Mitglieder der Regierung ein. Die Leiche des ermordeten Staatsoberhauptes ist vorläufig in seinem Schlafzimmer auf­gebahrt.

Die Nachricht vom Ableben des Präsidenten Doumer wurde in Paris   durch Extraaus­gaben der Blätter um sieben Uhr früh verbreitet. In den frühen Morgenstunden legte Paris Trauergewand an. Die Staatsflaggen an allen öffentlichen Gebäuden, an den Gesandtschaf­ten usw. wurden auf Halbmast gesenkt und mit schwarzem Flor verhüllt. Auch an vielen Privatgebäuden sind Trauerfahnen angebracht.

Nr. 110.

Der Pariser   Mord.

Der Präsident der französischen   Republik Doumer ist dem Attentat, das auf ihn Freitag verübt wurde, Samstag in den Morgenstun den erlegen. Selten in der modernen Geschichte ist die Sinnlosigkeit eines politischen Mordes so sehr in Erscheinung getreten wie bei dent jüngsten Attentat in Paris  .

Die Sozialdemokratie hat seit den sieb­ziger Jahren, besonders in den Zeiten, da der russische Nihilismus oder der aus den roma­nischen Ländern stammende Anarchismus durch Attentate auf regierende Fürsten   die Aufmerf­samfeit auf sich gelenkt hat, die Sinn- und Zwecklosigkeit politischer Morde immer darge­tan. Selbst die Ermordung eines politisch be­deutsamen Mannes, der der Geschichte seiner Zeit oder seines Landes den Stempel seiner Persönlichkeit aufdrückt, bermag an den Machtverhältnissen, welche die Grundlage gaben die Aerzte endgültig jede Hoffnung auf. ieder Verfassung und jedes politischen Zustan­Der Zustand des Präsidenten verschlimmerte sich des sind, nichts zu ändern. Die Kraft der Der verstorbene Präsident litt insbesondere um 1 Uhr morgens durch den Hinzutritt Klasse, die wir bekämpfen, geht aus den öfp­

Im Palais Elysée   und im Ministerpräsidinm laufen Beileidskundgebungen aus der ganzen Welt ein.

Der Ministerrat hat beschlossen, daß die nationalen Beiseßungsfeierlichkeiten für den verstorbenen Präsidenten Doumer am Donnerstag stattfinden. Die Beiseßungsfeier er­folgt in der Kirche Notre Dame  , die Beisezung im Panthéon.

Die letzten Stunden.

gegen Abend an starken Schmerzen, ertrug sie je einer starken Sirnhautentzündung. Die nomischen Zuständen hervor und kann erst doch mit bewunderungswürdiger Ruhe. Einmal Schwäche nahm rasch zu, und der Buts schwächte gebrochen werden, wenn die Massen des Pro­fagte er: Ich habe ihnen doch nichts angetan!" sich ab. Es wurden rasch alle Mitglieder der Fa letariats ihre Klassenlage und ihre historische Nach Bornahme einer Bluttransfusion und milie des Präsidenten, insofern sie nicht bereits nach Verabfolgung von schmerzlindernden Injet zugegen waren, sowie die Mitglieder der Regie- Funktion erkannt haben und im organisierten tionen trat eine Besserung im Befinden des rung ans Strantenlager berufen. Um halb 3 ühr Stampfe die Bourgeoisie überwinden. So faim Präsidenten ein. Gegen 22 Uhr hofften sogar die morgens verfiel der Präsident in Bewußtlosigkeit, ein Attentat auf eine politisch bedeutsame behandelnden Aerzte, daß es ihnen gelingen aus der er nicht mehr erwachte. Der Puts wurde Persönlichkeit höchstens die Aufmerksamkeit werde, das Leben des Präsidenten zu erhalten. immer schwächer, und um 4 Uhr 37 Min. trat auf unhaltbare politische Zustände lenken und Gegen Mitternacht versagten jedoch die das unakwendbare Ende ein. die Temperatur anzeigen, zu der die Erregung Nerven des Patienten und nach 1 Uhr nachts in einem Lande gegen ein verhaßtes System gestiegen ist.

Dienstag Wahl des Nachfolgers.

Beide Parteien haben die Absicht, die Ver­handlungen recht bald, und zwar in Prag   wieder- Der Ministerrat hat heute vormittags be aufzunehmen. Die Zettelbanken der beiden Staa schlossen, die Nationalversammlung, die die Wahl ten haben einander bei der Beseitigung der fich des neuen Präsidenten der Republik vorzunehmen aus den Devisenvorschriften ergebenden Schwie hat, auf Dienstag nachmittags 14 Uhr nach Ver­rigleiten gegenseitig Beistand zu leisten ver- failles einzuberufen. An der Wahl wird noch die sprochen. bisherige Kammer, also die 1928 gewählten Ab­geordneten, teilnehmen, da die Befugnisse der neuen Stammer erst am 1. Juni beginnen. Bis zur Wahl des neuen Präsidenten ist vorläufiger Bollstreder der höchsten Macht im Staate der Se­natspräsident Albert Lebrun  .

Morgen Reichstag  . Berlin  , 7. Mai. Der Reichstag   tritt Mon tag nach längerer Pause wieder zusammen, um einige Vorlagen finanziellen Charakters zu er ledigen, insbesondere Kreditermächtigun­

Als Nachfolger Doumers werden Senats­

Aber nicht einmal das gilt von dem Doumer ist am 13. Mai 1931 gegen den be­deutenderen und glanzvolleren französischen  Lebrun ist Senator für den Lothringer Kreis Staatsmann Briand gerade deswegen gewählt Poincarés, der ihm bei der letzten Wahl bereits als Präsidenten der Republik empfohlen hatte. Wenn worden, weil er die politisch farblosere Per­auch Lebrun   politisch nicht in den Vordergrund ge- sönlichkeit war. Die letzten Monate der fran­treten ist und eher dem Zentrum angehört, stimmten zösischen Politik haben gezeigt, daß das Steuer für seine Wahl zum Senatspräsidenten auch seine der Regierung immer fest in den Händen des radikalen Kollegen. Falls er von Tardien emp- jeweiligen Kabinettchefs gewesen ist und daß fohlen wird, könnte er die Majorität erhalten. Doumer feinen besonderen Einfluß auf die Der ehemalige Präsident Doum ergue, der Gestaltung der französischen   Politik und da sich ständiger Beliebtheit und Popularität in par- mit auf die Weltpolitik ausgeübt hat. Gerade

gue genannt, obwohl man nicht weiß, ob der Attentat auf den französischen   Präsidenten. letztere die Kandidatur annehmen würde.

gen weds Arbeitsbeschaffung. In präsident Lebrun  , weiters der ehemalige Milamentarischen Kreisen und auch in der breiten deswegen, weil er sich strenge an die Verfas

Deffentlichkeit erfreut, hat, wie bekannt, eben vor

geben.

Verbindung mit diesen Vorlagen wird eine große nisterpräsident Painlevé  , welcher im Jahre einem Jahre am Ende seiner Amtsperiode ge- sung hielt, die dem Präsidenten in Frankreich  politische Debatte erwartet, die am Montag 1924 für die Präsidentschaft kandidierte, und heiratet und soll dem Privatleben den Vorzug eine vor allem repräsentative Rolle ermöglicht, Reichsfinanzminister Dietrich mit einem Beschließlich der ehemalige Präsident Doumer­richt über die Finanzlage des Reiches eröffnen wird. Außerdem werden wahrscheinlich auch Reichsinnenminister Gröner und Reichskanz ler Dr. Brüning das Wort ergreifen.

Buresch nimmt sich bis Montag Bedenkzeit.

,, Der grüne Diktator"

Der Mörder unzurechnungsfähig?

genoß er Beliebtheit weit über die Kreise hin­aus, die ihn seinerzeit gegen den Friedens­Gorqulows Frau, die schweizerischer Ser- freund Briand gewählt haben. Selbst went funft ist, wurde gestern nach 21 Uhr verhaftet. Frankreich   in der letzten Zeit eine sowjet­Sie hatte in Monaco   für die Wintersaison eine freundliche Politik gemacht hätte

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Ueber Gorgulows Aufenthalt in der Tschecho­lowakei meldet das Tschechoslowakische Preß

büro u. a.:

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was nach

Allerdings muß das Attentat von Paris  

Die Notizen, die bei dem Mörder des Billa   gemietet. Der Billeninhaber, ein Russe, der Aussage des Attentäters, der mehr von fchrift tragen:" Erinnerungen des Dr. Gorgun Brag anempfohlen worden. Frau nunft begabt war, der Grund seiner Hand­Präsidenten gefunden wurden und die die Auf- crklärte, Gorgulow sei ihm von einem PrGrößenwahn erfüllt als mit politischer Ver­Low, Führer der russischen Nationalistenpartei, Gorgulow erklärte, ihr sei von dem Attentat, das lungsweise gewesen ist so lag das nicht an der den Präsidenten der französischen Republik Wien  , 7. Mai. Die österreichische Regie ermordete," scheinen dafür zu sprechen, daß es ihr Gatte begangen hatte, nichts bekannt gewesen. dem ermordeten Präsidenten sondern in der Absicht der dem Parlament verantwortlichen rungstrife fand, wie man übrigens schon gestern sich um eine nicht zurechnungsfähige französischen   Regierung. So groß war freilich erwartete, auch heute feine Lösung. Bundesprä Person handelt, wenn nicht vielleicht eine ab­fident Miklas empfing mittags den zurüdgetre fichtliche Täuschung der Psychiater beabsichtigt die Russenfreundschaft dieser Regierung nicht, als daß sie selbst einen Gegner des Sowjet­fenen Bundeskanzler Dr. Buresch und erjuchte war. Gorgulow schreibt in diesen Aufzeichnungen, ihn, abermals die Bildung des neuen Kabinettes Zur Zeit seines Aufenthalts in Prerau er systems hätte aufregen müssen. zu übernehmen. Dr. Buresch erbat sich bis er habe sich an Frankreich   dafür rächen wollen, flärte Gorgulow, er sei der Sohn eines Offiziers Montag Bedenkzeit. Bis dahin will er daß es Rußland   in den Weltkrieg hineinzog. Er der zaristischen Garde; seine wirkliche Mutter sei noch inoffiziell mit den Parteien verhandeln, habe sich auch an Amerika   rächen wollen. Der eine No'n ne aus russischer aristokratischer Fa- auch die Aufmerksamkeit auf die weißgar­worauf er Montag mittags dem Präsidenten der Sohn Lindbergh(!) sei über seine Beran- milie gewesen. Von seinem Vater behauptet Goristischen Kreise lenken, denen der Republit seine Entscheidung mitteilen wird, ob laffung geraubt worden und werde den Eltern qulow selbst, daß er an progressiver Baralyse ge- Attentäter angehört. Nach der Auflösung der Armeen Koltschaks, Denitins und Wrangels er die Aufgabe der Kabinettsbildung übernimmt nicht zurückgestellt werden. Nach Aussagen von Leuten, die mit Gorgulow Wie über die Verhandlungen mit den Anordnung des Untersuchungsrichters, Gorgu verkehrt hatten, litt er unter besonderen geistigen sind vor allem nach Jugoslawien  , in die Tsche­Großdeutschen mitgeteilt wird, wollen lows Geistes zustand durch drei Psychiater unter- Störungen, die sich besonders in den Frühhoslowakei und nach Frankreich   Elemente ge­lings- und Sommermonaten steigerten. Es wurde kommen, welche nur eine Sehnsucht kennen, diese Dr. Buresch nicht als neuen Bundeskanzler suchen zu lassen. afzeptieren. Es ist dies bis zu einem gewissen Gorgulow ließ vor furzem in Paris   eine sogar beantragt, ihn in eine Anstalt für Geiste: nämlich die nach der Wiederherstellung der Zarenmonarchie und für die in verschiedenen Grade die Rache für die Beseitigung Dr. Scho- Broschüre drucken und in Emigrantenkreisen ver- franke in Pflege zu geben. bers aus dem ersten Stabinett Burejch. Außer- breiten, in der er sich als Gründer der antibol­In den Orten seines Wirkens in Mähren   be- Staaten, auch bei uns materiell ausgiebig ge­dem wollen die Großdeutschen Garantine für die schewiſtiſchen Agrar" Partei und Retter feines lästigte Gorgulow des öfteren die dortigen Behörden forgt wurde. Wir sind für das politische Asyl­Wiederaufnahme der Politik des Anschlusses aterlandes bekennt. Die Broschüre ist in einem durch Zuschriften politischen Inhalts, in denen er recht in weitestem Maße, aber man muß doch Leſterreiche au Deutschland  . Ein Hindernis bei sehr leidenschaftlichen Ton geschrieben und gibt den Behörden Ratschläge erteilte, wie das Juden- jagen, daß die Regierungen Europas   einen den Verhandlungen bildet auch, daß die Groß- gleichfalls Zeugnis von der geistigen Abnormität tum, und der Bolschewismus bekämpft werden großen Unterschied machen zwischen der demo­deutschen in zwei Lager gespalten sind. Der eine des Verfassers. Er unterzeichnete die Broschüre: tönnten, denn bloß auf die Art tönne die Welt fratischen und reaktionären Emigranten, etwa Teil würde gern zur Regierungsgewalt zurüder grüne Diktator, Gründer der natio erlöst werden". Während seines Brerauer Aufentwischen denen, die die Gewalt Mussolinis und tehren, der zweite jedoch sympathisiert nalsozialistischen Partei, Dr. Paul Gorgulow." baltes strich er, auch wie er verheiratet war, die

Dies bildete die unmittelbare Ursache für die

storben sei

mit den Nationalsozialisten und pro- Das Abzeichen der Partei sind zwei gekreuzte ganzen Nächte draußen umher, oder er verbrachte Horthys gezwungen hat, ihre Heimat zu ver­pagiert den Zusammenschluß dieser beiden Sicheln, die Spitze einer Tanne und Toten sie in Gärten, wo er Schießübungen mit lassen und den Anhängern eines feudal- mon­Parteien. töpfe. archistischen Regimes. Es wäre also höchste

einem Revolver vornahm.