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Sozialdemokrat

Jentralorgan d. Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei i.d.Tschechoslowakischen Republik

12 Jahrgang.

Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh.

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Sonntag, 29 mai 1932

Nr. 127.

Den Kommun ten ist nicht Der Bauarbeiterkampf erfolgreich beendet.

zu helfen!

Aber die Arbeiterklasse büßt es.

Wer etwa glaubte, die Ereignisse im preu Bischen Landtag und die Entwicklung der politi­schen Verhältnisse in Deutschland   würden den Kommunisten eine Lehre sein, hat sich wieder ein­mal gründlich geirrt. Die bisherige Taktik der KPD   hat, das ist auch dem politisch nicht Ge­schulten klar, dazu beigetragen, daß der Hitler­fascismus prächtig gedieh. Jahrelang haben die Bolschewiken gepredigt, Braun und Severing seien gleich Hitler  . Nun, da es an der Zeit wäre, die alten Fehler zu erkennen und gemeinsam mit den Sozialdemokraten, den nach der Macht greifenden Fascismus zurückzuschlagen, nun zeigt es sich, daß den kommunistischen   Führern nicht zu helfen ist, daß sie nichts gelernt und nichts vergessen haben.

Die gestrigen kommunistischen   Blätter der Tschechoslowakei   schreiben:

Die Ereignisse im preußischen Landtag haben besser als tausend Agitationsreden die vollkom mene Richtigkeit der Taktik der KPD   bewiesen. Der Schwerpunkt des Kampfes gegen den Hitler­fascismus und die fascistische Diftatur liegt in der außenparlamentarischen Mobilisierung der werf­tätigen Massen. Nur die außenparlamentarische revolutionäre Kampfaktion der roten Einheits­front, zu der die KPD   die sozialdemokratischen Arbeiter dringlicher als je zuvor aufruft, kann die Machtergreifung durch den Hitlerfascismus, dem das Zentrum bereits mit Haut und Haaren ver fallen ist, und dessen Aufstieg die verräterische Politik der SPD   ermöglicht hat, verhindern.

-

Arbeitsaufnahme am 30. Mai. Große Vertrauens­kundgebungen für den Bauarbeiter- Verband.

Der seit drei Wochen in Nordwestböhmen andauernde Vauarbeiterkampf um die Aner­kennung der Schiedsspruchlöhne ist beendet. Die Verhandlungen, die am 26. und 27. Mai unter Vorsiz des Gewerbeinspektors Pšenička in Reichenberg, in den Räumen des Arbeitgeber­bundes in Reichenberg stattfanden, haben zum Abschluß eines neuen Vertrages geführt. Für den Uebergang wurden die Schiedsspruchlöhne für das Streikgebiet anerkannt. Am 4. Juli tritt der neue Vertrag in Kraft.

Der neue Vertrag hat, falls er am 1. Dezem ber 1932 nicht gekündigt wird, auch für das Jahr 1933 Gültigkeit, und zwar für 35 Gerichts­bezirke in Nordböhmen  . Er bringt wohl einen ge= ringen Lohnabbau für die Facharbeiter von 10 bis 15 Heller pro Stunde, jedoch einen Aus­gleich für die Hilfsarbeiter, wo die Löhne bis 15 Heller erhöht werden. Die Rahmenbestim mungen bleiben bestehen.

tragen:

Maurer   und Zimmerer  

3. Gehilfenjahr

Die Stundenlöhne ab 1. Juli 1932 be Lohnklasse: I. II. III. IV. 5.30 5 4.75 4.40 4.75 4.50 4.30 3.95 4.50 4.25 4.05 3.70 Eisenbieger u. Verschal.. 4.75 4.50 4.30 3.95 Hilfsarbeiter über 18 Jahre 3.60 3.40 3.20 2.95 big bis bis bis 3.80 3.60 3.30 3.05

2.

"

1.

"

4

4

Für den Bezirk Grulich wurden folgende Löhne festgesetzt: pro Stunde Maurer u. Zimmerer im 3. Gehilfenjahr 3.60 Maurer u. Zimmerer   im 2. Gehilfenjahr 3.25 Maurer u. Zimmerer   im 1. Gehilfenjahr 2.75 Eisenbieger und Verschaler. Hilfsarbeiter über 18 Jahre alt Jugendliche und Arbeiterinnen

3.25 2.35 1.75

Adolf Hitlers  blutige Spur

Bürgerkrieg vom Brenner bis zum Belt

Die österreichische Bourgeoisie hat endlich ein Gebiet gefunden, auf dem der Anschluß an Deutschland   ohne alle Formalitäten mög­lich ist. Wenige Tage nach der großen Schlacht im Preußischen Landtag, in dem sich die 162­Lümmel- Fraktion der Nazi mit einer Prügelei eingeführt hat, die ihresgleichen in der Ge­schichte der Kaschemmen wie der Parlamente Damit ist ein Kampf beendet, der mit beson- suchen dürfte, kommt aus Desterreich die derer Schärfe geführt wurde, weil es sich um eine Nachricht ,, daß an einem Abend die Nazi in Vergewaltigung der Bauarbeiterschaft handelte. Linz   und in Innsbruck  ( Hötting  ) ihre Die großen Massenversammlungen in Teplit, politischen Gegner überfallen und blutige Bodenbach und Aufsig haben die Abmachungen Schlägereien größten Ausmaßes provoziert einstimmig angenommen und dem Verbandsvorhaben. Beide Versammlungen waren von den stande sowie der Verhandlungskommission das

*

Bertrauen für die Führung des Kampfes ausge- Nationalsozialisten einberufen worden, zu bei­sprochen. Wie uns mitgeteilt wurde, haben sich die den hatten die Nazi ihre Gegner eingeladen, in Komiker, die Nazi und die Klosačlente, also die beiden hatten sie gleich zu Beginn der Ver­richtige Einheitsfront, die wie die Fauft auf das sammlung statt aller sozusagen geistigen Ar­Auge paht trotzdem sie ständig über Berrat gumente zum Schlagring und zum Messer ge­und Streifbruch wetterten, diesen Abmachungen griffen. Die beteiligten Behörden und bewaff neten Organe der Behörde scheinen sich, wie das unter dem Hahnenschwanz- Regime Oester­

Auch diese geschichtliche Stunde, da die Jugendliche u. Arbeiterinnen 2.50 2.35 2.25 2.05 angeschlossen. Zusammenfassung aller antifascistischen Kräfte bringendste Notwendigkeit geworden ist, findet die fommunistischen Führer als kleinliche und un fähige Schimpfer, die zu nichts anderem imstande find als zur Verfertigung eines Aufrufs, der die sozialdemokratischen Arbeiter zur Errichtung der

Vor der Entscheidung in Frankreich  .

Man nimmt an, daß der Präsident der Re- reichs nicht anders möglich ist, als Bundes­publik Herriot am 3. oder 4. Juni mit der Ka- genossen der krawallierenden Nazi benommen binettsbildung betrauen wird. Längstens bis zu haben.

Sonntag, den 5. Juni, dürfte das Kabinett ge- Neben diesen Meldungen laufen natür­

ist nicht die Einheitsfront zum Rampfe gegen den Der sozialistische Parteifongreß tagt bildet sein und könnte sich am Dienstag dem Par- lich die üblichen Nachrichten aus

Fascismus, die doch nur möglich ist mit der Ge= samtheit der Sozialdemokraten, sondern der Ruf nach jener Einbeitsfront", die die kommu­nistische Agitation erleichtern soll.

Der Fascismus vor den Toren aber die fommunistischen Führer können von ihren alten dummen Phrasen nicht los und helfen so, den Sieg Hitlers   vorzubereiten!

Hausluchungen bei den Bardubiger Ja ciften.

Gajda zum Verhör vorgeladen. Pardubiz, 28. Mai. Samstag, den 28. Mai, führte der Prager   Polizeirat Dr. Preinin ger gegen 18 Uhr eine plötzliche Durchsuchung in den Wohnungen der Pardubizer Angehörigen der fascistischen Organisation durch. Bei den Durch suchungen wurde sehr viel belastendes Material gefunden und beschlagnahmt. Eine Reihe fasci stischer Führer wurde vocgeführt und wird

berhört werden.

lamente vorstellen.

Deutschland   ein, wo es tagtäglich ein Paris  , 28. Mai. Morgen tritt der Kongreß gutes Dutzend Ueberfälle, Attentate, Prüge­der sozialistischen Partei zu einer viertägigen Dollfuß in der Klemme. leien gibt, von denen man ja kaum mehr Notiz Session zusammen. Das Programm enthält nimmt. Es hieß die Sachlage beschönigen, außer laufenden Fragen hauptsächlich die Frage Seine Einstimmenmehrheit gefährdet. wollte man diesen Zustand anders als Bür der Taktik der Partei in außenpolitischer Junsbrud, 28. Mai. Abgeordneter Mar und innenpolitischer Hinsicht. Der heutige Kon­gerkrieg nennen. Tag für Tag, Nacht für greß erhält dadurch eine außerordentliche Bedeu- Werner hat sein Verhältnis zum Heimatblock Nacht steht in Deutschland   und nun auch wie­tung, daß nach dem Wahlsiege der Radikalen im Einvernehmen mit den Vertrauensmännern Nacht steht in Deutschland   und nun auch wie­und der sozialistischen   Partei neuerlich die Frage seines Wahlkreises vollständig gelöst. Damit ist der in Desterreich Staatsbürger gegen Staats­der Teilnahme der Sozialisten an der Regierung neuerdings die Majorität der Regierung Dollfuß, bürger, der bezahlte Söldner des Kapitals oder der Rowdy aus Beruf und Neigung gegen aufgerollt wird. Von den Beschlüssen des Kon- die bekanntlich eine Stimme beträgt, gefährdet. gresses wird die Orientierung nicht nur der fünftigen Regierung, sondern man kann sagen der ganzen französischen   Politik abhängen.

Dollfuß   versucht die Situation durch Ver- den klassenbewußten Arbeiter. Es ist wie in handlungen mit den Groß deutschen   zu ret- Italien   am Vorabend des Marsche 3 ten, die er zu einem Eintritt in die Regierungs  - nach Rom  , nur daß die deutschen   und öfter­Der Kongreß der sozialistischen   Partei wird, mehrheit oder wenigstens zur Beibehaltung der reichischen Arbeiter denn doch besser vorberei­wahrscheinlich schon am Sonntag, neuerlich seine Neutralität bei der am Dienstag zu erwartenden tet sind als seinerzeit das überrumpelte italie­Minimalforderungen festlegen und der Exekutiv  - Kampfabstimmung über den sozialdemokratischen nische Proletariat und daß es nördlich des ausschuß der radikalen Partei, der am Dienstag Mißtrauensantrag gegen die Regierung sowie Brenner nicht ohne harten Kampf abgeht. zusammentritt sowie die gemeinsame Sibung der über den weiteren Antrag auf Einsetzung eines Aber es kann kein Zweifel mehr darüber herr­radikalen Fraktionen im Parlament und Senat parlamentarischen Untersuchungsausschusses gegen schen, daß wir im ersten Stadium eines mittel­werden hiezu Stellung nehmen. Der linke Flügel den neuen Handelsminister Jaton cig zu be hat gestern abends beschlossen, daß den So- wegen sucht. Die Großdeutschen zeigen jedoch bis- europäischen Bürgerkrieges stehen, in dem zialisten der Eintritt in die Regieber feine große Geneigtheit, der Regierung Doll- alles zur Entscheidung drängt. rung angeboten werden solle. fuß aus der Verlegenheit herauszuhelfen.

Bei der provisorischen Prüfung des bei den Hausdurchsuchungen beschlagnahmten Materials ordnete Polizeirat Dr. Preininger die Vor­führung des ehemaligen Abgeordneten Rudola Gajda, von dem bekannt war, daß er Sams­tag nach Pardubiß gekommen war, zum Ver­Die blutigen Vorfälle von Hötting. hör an. Gajda wurde im Dorfe Kunetik bei dem Pfarrer Stefan gefunden, von welchem be­Wien, 28. Mai.( Eigenbericht.) Ueber die| fannt ist, daß er mit den Angehörigen der fasci­stischen Organisationen Beziehungen unterhält. Ereignisse in Hötting  , einem Arbeitervorort Das auf dem Bezirksamt stattfindende Verhör der von Innsbruck  , veröffentlicht die bürgerliche Fasciftenführer wird wahrscheinlich bis tief in Presse alle möglichen Tatarennachrichten. Tat­die Nacht hinein fortgesetzt werden. Radola sache ist, daß die Vorfälle auf Provoka­Gajda wurde für 23 Uhr zum Verhör vor- ionen der Hakenkreuzler zurückzu­führen sind. Sie hatten nach dem durchaus geladen.

Die abgewehrte Hakenkreuzprovokation.

Heimwehrminister- Defraudant?

Der Versuch, eine geordnete Staatsgewalt aufzurichten, die etwas anderes und mehr als nur das Exekutivorgan der reaktionären Ban­den, die Schiedsrichter und Wahrer einer längst lächerlich gewordenen Staatsautorität und Sinnbild eines gebildeten ,, Rechtsstaates" wäre, ist in Deutschland   gescheitert, in Dester­Arbeitern wurden auch 19 Hakenkreuzler schwer reich niemals unternommen worden. Herr verlegt, von denen einer noch gestern gestorben Dr. Brüning, dem wir an dieser Stelle ist, während ein zweiter mit dem Tode ringt. vor Monaten das Horoskop gestellt haben, das Leichter verlegt wurden etwa 15 Personen. sich nun als richtig erweist, ist trotz bestem Die Krawalle sezten sich auch auf der Straße Bemühen auf der schiefen Ebene immer tiefer fort, da so ziemlich die ganze Bevölkerung auf gerutscht. Er hat im Herbst sein ,, halbrechts" die Kunde von der Schlacht herbeigeeilt war. orientiertes Kabinett gebildet und er muß sich Schließlich tam

Der

einberufen und dazu die Arbeiter zum dem Kommando des Bezirkshauptmanns, der ein letzt aus diesem Kabinett Mann um Mann Erscheinen aufgefordert. Abends kamen bekannter Heimwehrmann ist, und ging sofort streichen lassen von den Herren, die hinter den Der Wiener   Korrespondent des Sozialdemo- etwa 80 bis 100 Sakenkreuzler in Uniform aus gegen die Arbeiter los. Die Nazi, die ursprüng- Kulissen Deutschlands   Politik machen. kratischen Pressedienstes meldet, daß sich die Be- Innsbruck anmarschiert, trawallierten in den lich sehr frech waren, verkrochen sich jetzt und Minister Groener, der es gewagt hat, die schuldigungen, die Otto Bauer   gegen den Heim Straßen und zogen dann in das Versammlungs trauten sich nicht auf die Straße. Erst als dann SA zu verbieten, aber dem Wink, nun auch wehrminister Jatoncig erhob, darauf beziehe, daß lokal, das zur Hälfte von Arbeitern gefüllt war. spät nachts aus Innsbrud zwei Kompagnien das Reichsbanner aufzulösen, nicht Ordre zu Jakoncig eine Konkursmasse, zu deren Verwal- Als die Heil Hitler- Rufe von den Arbeitern Militär herankamen, wagten es die Nazi, inter parieren, wird abgesägt, die Diktatur der tung er eingelegt war, verunirent habe. Hakenkreuzler auf die Arbeiter, die sich natürlich militärischer Eskorte wieder nach Generale tritt aus dem Dunkel der Hin­tertreppe in sichtbaren Umrissen hervor. Längst zur Wehr sehten. Es kam nun im Saal zu einer förmlichen Die Meldungen, daß die Arbeiter auch die sind die Bürgerparteien auf der Rechten in Schlacht, wobei mit mit Sesseln und anderen Sanitätsmannschaften mit Steinen beworfen Fetzen gegangen, hat sich alles, was monarchi­Dingen herumgeworfen wurde. Außer 16 hätten etc., sind alles ügen. stisches, konservatives, liberales, demokratisches

Diese Meldung ergänzt das Bild, das man ich schon aus den bisherigen Mitteilungen über den Regierungsfascisten Jakoncig machen konnte, in trefflicher Weise. Eine feine Regierung, die folch einen Mann in ihrer Mitte duldet!

Innsbruck   zurückmarschieren.