2

Einzelpreis 70 Seller. ( Einschließlich 5 Heller Vort

Sozialdemokrat

Jentralorgan d. Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei i.d.Tschechoslowakischen Republik

12 Jahrgang.

Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh.

Redaktion u. Verwaltung: Brag II, Relásanto 18 Teleph.: 26795, 31469. Natredalt.( ab 21 yr): 33858 Boftichedamt: 57544

Freitag, 10 Juni 1932

tr. 137.

Reichsinnenminister gegen Verfassung. Vor Lausanne .

Freiherr von Gayl vor dem Reichsrat. Reaktionäre Taten angekündigt.

-

Monokelrede: Gestützt auf eigenes Können und eigene Kraft.

In der gestrigen Situng des Reichsrates stellte sich der neue Reichsinnen­minister, Freiherr von Gay 1, den Mitgliedern des Reichsrates vor. Er hielt eine Rede, die erkennen läßt, wohin die Regierung Papen- Schleicher das deutsche Staatsschiff lenken will. Der neue Reichsinnenminister hat nicht eininal ein Lippenbetenntnis zur jetzigen Verfassung für notwendig gehalten, sondern im Gegenteil gesagt, er halte sie für reform bedürftig. Es ist in diesem Zusammenhang völlig belanglos, daß er zugleich der Meinung Ausdruck gab, die Klärung der Frage nach der Staatsform sei augenblidlich wenig zweckmäßig. Auf die Staatsform fommt es weniger an als auf den Inhalt der Verfassung. Der Reichsinnenminister hat zwar in Abrede gestellt, daß die geplante Verfassungsänderung die Wiederaufrichtung der Monarchie be­treffe, er dementierte jedoch nicht, daß Verfassungsänderun= gen geplant sind. Dadurch gewinnen die Gerüchte über eine Aenderung des Wahlrechtes neue Bedeutung. Es steht jedenfalls fest, daß das SA­Verbot aufgehoben wird. Gewiffe Wendungen in den Ausführungen des freiherrlichen Reichsinnenministers riechen bedenklich nach Hitlerschen Phrasen, so die Ankündung, daß man im Rundfunk und Lichtbildwesen alle undeutschen fremden Auswüchse ausmerzen müsse, die zeitweilig weite Kreise des deutschen Volkes befremdet hätten. Die machtvolle nationale Bewegung der Gegenwart als eine Staat und Volf erhaltende Kraft" will der Reichsinnenminister, der immer wieder betonte, daß die übrigen Mitglieder des Kabinetts mit ihm einer Meinung sind, werten und benützen." Diese Verbeugung vor der Hitlerei läßt tiefer blicken als die Versicherung, es seien die Zweifel an der dem jezigen Reichspräsidenten beschworenen Verfassungstreue des Reichsinnenmini­sters unberechtigt. Die Aeußerungen, die der Reichs fanzler ungefähr zur. gleichen Zeit über die Sozialversicherung machte, ergänzen die Rede des republikanischen Kaiserdieners Gayl in würdiger Weise.

In Deutschland hat der Druck der ron servativen Kreise den Reichspräsidenten ver­mocht, seinen Kanzler fallen zu lassen. Eiu Kabinett der Gefolgelosen ist an seine Stelle getreten. Merkwürdiger Weise hat Hinden­politischen Gruppen Freiheit zu lassen, damit burg Leute jener Schicht herangezogen, die in der auf den 31. Juli festgesetzten Wahl der feine einigermaßen bedeutende Parteiorgani­Wille unseres Volkes unzweideutig zum Ausdruck fation hinter sich haben, die aber über fo tommen fann. Ich gebe dabei der bestimmten starke faktische Machtpositionen in der deut­Hoffnung Ausdruck, daß alle Kreise unseres Vol- schen Wirtschaft und in der von dieser getra­fes sich der staatsbürgerlichen Pflicht bewußt sein

werden, iho Tun im Rahmen der Gesetze zu hal- genen tonangebenden Gesellschaft verfügen, sen und Gewalttätigkeiten und rohe Verunglimp- daß sie vorerst einmal für den ersten Blick fungen ihrer anders denkenden Mitbürger zu als die Nutznießer der Rechtsentwicklung der unterlassen. Ich will aber als Innenminister Wählermassen erscheinen und nicht die Pro­feinen Zweifel darüber lassen, daß ich, wenn pagandisten des Dritten Reiches. Aber der diese Erwartung sich nicht erfüllen sollte, die Schein trügt. Man kann schlankweg behaup öffentliche Ruhe und Ordnung mit allen Macht- jten, daß es zum Zwischenspiele Papen nicht mitteln des Staates zu schüßen den Willen gekommen wäre, wenn Lausanne nicht vor und die Nerven babe. der Türe stünde.

,, Pflege des deutschen Geistes".

Wie liegen denn die Dinge gegenwärtig

Wichtig und notwendig scheint mir auf dem für den Nationalsozialismus? Er ist inner­Gebiet des gesamten fulturellen Lebens unseres politisch andauernd siegreich. Er hält die Volkes insbesondere auch im Rundfunf und Stimmenzahlen der Preußenwahlen; die K. Lichtspielwesen die Betonung und Pflege P. D. hat endgültig gegen die Nazis den deutschen Geistes und die Ausmerzung Wettlauf im Radikalismus verloren. Die Zeit aller undeutschen, fremden Ein- ist reif geworden für die Macht teilnahme flüsse, die zeitweilig weite Streise des deutschen Hitlers. Warum also erst ein konservatives Bolles befremdet haben. Jedes Bolt muß Zwischenspiel, wenn Hindenburg sich ent­heute das Streben haben, in Verständigung mit schließt, seinen Knappen Brüning fallen zu ellen Staaten und Bölkern den Fortschritt und Der Reichsinnenminister führte u. a. aus: hindern, unsere Pflicht zu tun. Wir tun sie aber, die Befriedung der gesamten Menschheit zu förlassen? Weil die Drahtzieher im Bureau des Wir werden die Eigenart des Eigenlebens getragen von heißer Liebe zu allen Boltsgenossen, dern. Aber so wie das Leben des deutschen Volkes Reichspräsidenten , voran Herr Staatssekretär der deutschen Länder selbstverständlich nicht an- mögen sie diese Liebe erwidern oder nicht. wurzeln auch die Wetigeltung des deutschen Vol- Meißner, zwar zurzeit keinen Brüning tasten.(!) Für Preußen erwarten wir besonders tes und seine Stellung zu den anderen Völkern mehr, aber auch noch keine Nationalsozialisten das rasche Zustandekommen einer verfassungs­Gleichmäßige Gerechtigkeit gegenüber allen in seinem eigenen, seinem Blut und Geist an brauchen können. Man hätte Brüning die mäßigen Regierung, politischen Strömungen, die sich bei ihrer Betäti- gemessenen Leben. Die Erkenntnis dieser Not- Kastanien in Lausanne aus dem Feuer holen von der wir hoffen, daß sie in den großen Fra gung im Rahmen der Verfassung und der wendigkeit und der Wille zu einem eigenen deut lassen, wenn er sich dazu hergegeben hätte, gen der Nation mit der Reichsregierung über- efete balten, ist unsere vornehme Aufgabe. schen Leben wachsen heute ständig in unserem den Nazi das Bett zu machen. Was man aber einstimmen und in lebendiger Fühlung mit In diesem Sinne wird eine Neuordnung der Volk. in den Kreisen um Herrn Meißner nicht Borschriften über die Aufrechterhaltung der Ruhe Aufgabe der Reichsregierung und in ihr des brauchen kann, das ist die einigermaßen repu und Sicherheit in den nächsten Tagen erfolgen, Innenministers ist es, diesem Willen gerecht zu welche die Bestimmungen über Versammlungen werden und die machtvolle nationale Bewegung blikanische Politik Groeners, das ist die Front­und Aufzüge, die Presse und die militärähnlichen der Gegenwart als eine Staat und Bolt erhal- richtung gegen rechts, das ist die Verbindung Organisationen unter Wilderung des bestehenden tende Kraft zu werten und zu benüßen. Jede Brünings mit allem, was den ,, Ludergeruch" Zustandes regelt. Das Kabinett geht dabei von Mitarbeit, insbesondere der deutschen Jugend ist der Sozialdemokratie an sich hat. Warum aber der Absicht aus, den Wahlvorbereitungen der uns dabei willkommen.

ung arbeiten wird.

Gendarmen gegen Streikende.

Neue Schießerei in der Slowakei. - Ein Toter.

Aus dieser Ueberzeugung heraus werde ich die Aufgabe der Reichsreform anfassen. Gegen die We marer Beriaffung! Die Weimarer Verfassung , die Grundlage folgt nicht der Umorientierung Hindenburgs unferes öffentlichen Lebens, deren Hüter ich als ein flares Hitlerkabinett auf dem Fuße? Weil Reichsinnenminister pflichtgemäß bin, ist seit die Groteske, die republikanische Langmut ihrem Bestehen vielfach durch die Gesetzgebung durch Jahre Herrn Hitler ermöglichte, ange­durchlöchert und nach unbestrittener Ansicht sichts den Realitäten von Lausanne und Genf weitester Streise aller politischen Richtungen(!) reformbedürftig. Verfassungen sind nicht starre allzu schnell auffliegen müßte. Weil Herr Hitler unter Umständen doch nicht in den Ideale, sondern lebendige Wesen und der Ent­todlung unterworfen. Wir werden auch au Das Tschechoslowakische Preßbüro meldet: wie die Erfahrung lehrt, eher ein Zufall, wenn wenigen Wochen, die für die Belehrung sei­diese Aufgabe mit Erust und Eifer Bratislava , 9. Juni. Am 7. Juni brach ner Mitläufer genügten, Gelegenheit fände, die Angreifer" heil davonkommen. herangehen. Zweierlei aber muß ich in die Es ist der Verdacht nicht von der Hand zu das Gebäude der deutschen Demokratie in fem Zusammenhang besonders betonen: Das Ge- auf der Eisenbahnstrede Červená Stala Marge­wegen Lohnstreitigkeiten ein weisen, daß die Gendarmerie auch in den beiden Trümmer zu zerschmeißen, um sich keinem rede von einer geplanten Aenderung der Ver- cany fassung in der Richtung der Wiederaufrichtung Streit aus. Die streitende Arbeiterschaft ließ slowakischen Gemeinden, in denen soeben geschof Boltsurteile mehr stellen zu müssen. Darum der Monarchie ist ein törichtes und darum schädlich am 8. Juni abends in der Gemeinde Tel- ien wurde, die Intereffen der Arbeitgeber muß es ein Zwischenspiel der Männer um liches Geschwät. Ich würde mir erbärmlich vorgart im Bezirle Brezno nad Hronem verschie gegen die streikenden Arbeiter verteidigte. Wie Bapen geben. Man wird fragen, wieso denn kommen, wenn ich auf dem Ministersessel ver- dene Ausschreitungen zuschulden kommen. Sie das geschieht, davon hat man vor kurzem in diese Herren sich so bereitwillig zur Abnüt suchen würde, meine persönliche, nicht nur ange fiel auch die diensttuende Gendarmeriepatrouille Tepliß- Schönau geichen. zung herzugeben denken? Nun, das Kabinett Uns dünft, daß die wahrheitsgetreue Dar Papen hat keine Fühlung mit den Massen, borene und anerzogene, sondern in langen Jahan und bewarf sie mit Steinen, wobei fünf ren auch selbsterworbene Ueberzeugung zu ver- Gendarmen verwundet wurden. Die Patrouille stellung der Schießereien von Holič und Telgart ihm gehören nicht die heißspornigen Demago­leugnen, daß ich die Monarchie für die griff in der Abwehr zur Schuß waffe, wobei von den amtlichen Meldungen sehr wesentlich ab­angemessenste Staatsform für ein durch einen unglücklichen Zufall der 28jährige weichen wird. Um das feststellen zu können, wird gen der Straße an. Von ihnen verlangt man Bolf, inmitten des Herzens von Europa , balte Arbeiter Johann Chlabobicans et allerdings eine andere Untersuchung als die an­und dak ich, geschichtlich gesehen, mir der Verany durch einen Schuß tödlich verwungekündigte amtliche notwendig sein. dienste des bisherigen Rönigsund det wurde: das Projektil hatte die Wand des Kaiserhauses um das deutsche Volk Hauses durchschlagen, in welchem sich Chlabovie Stets dankbar bewußt bin. Ich bin aber der gerade aufhielt. Die Untersuchung wurde einge­Ueberzeugung, daß in diesen Reiten des Kampfes leitet, um Sein oder Nichtsein die Frage der Staats­form, Republik oder Monarchie, keine Frage ist, die unsere Zeit, geschweige denn die gegenwärtige Reichsregierung, zu lösen baben.

Wir sind keine Vertreter einseitiger Stau des oder Berufsinteressen, sondern Reichsmini fter, deren Sorge und Liebe jedem einzelnen Volksgenoljen gehört, erwachsen aus der Liebe zu

unferem Bolk und unserem Vaterlande.

Schöne Reden arten, aber unpopuläre Maßnahmen".

Man wird gut daran tun, diese amtliche Meldung mit großer Vorsicht aufzunehmen, denn es ist bekannt, daß die Darstellungen des Preßbüros immer entsprechend frisiert sind.

*

Das eben ist der Fluch der bösen Tat...

keine Einlösung der unzähligen Glücksverhei

ßungen der Faschisten. Sie werden, wie immer Lausanne ausfallen möge, für die Massen ge­nau so uninteressant sein wie vorher. Aber es ist ein frevles Spiel, das man mit Deutsch­ land treibt. Der umgelernte Herr Staatssekre­tär Meißner, einst in besseren Tagen eine Kreatur Eberts, scheint so stark dem Dritten Das Tschechoslowakische Preßbüro meldet: Reich verschrieben zu sein, daß er seine Prota­den drei gestern verhaftete Teilnehmer an den schädlichen Lufthauche schützen will. Und der Bratislava , 9. Juni. Heute vormittags wur- gonisten jetzt, knapp vor, dem Start, vor jeden Demonstrationen in Telgart von der Gendar­

Neue Gendarmen- Schießerei.

Erst gestern wurde gemeldet, daß in der merie in die Saft des Kreisgerichtes in Brezno droht ernstlich von Lausanne her! Beim prominenten Gegenspieler, in weftslowakischen Gemeinde Solie die Gendar nad Hronem esfortiert. Einige Streifende hiel men auf Streikende geschossen haben und auch ten den Zug, in dem die Gendarmen mit den Frankreich , ist die Idee des Linkskabinettes zu aus der heutigen Meldung des Preßbüros ist zu Verhafteten fuhren, vor der Station Pohorela an Grabe getragen worden. Weil die französische erkennen, daß die Gendarmen gegen Strei und begannen das Wagenabteil, in dem sich die Sozialistenpartei auf konkreten Zusagen wegen kende eingesetzt wurden. Selbstverständlich ist Eskorte befand, mit Steinen zu bewerfen. Sie der Abrüstung bestand; vor allem deshalb in den amtlichen Darstellungen immer davon die versuchten auch die Verhafteten zu befreien. Ein Sat nicht erst neulich der erbärmlichste Wich: Rede, doß die Gendarmen in Notwehr gehan- Gendarm gab gegen die Angreifer zwei

Wir wissen, daß wir unser Bolf nur erhal ten fönnen, wenn wir in warmer Liebe uns ein delt hätten. Jedenfalls wurde geschossen und Schüsse ab, wobei der Arbeiter Datko, der sich unter den Nazischreibern des Landes sich er feßen für das richtig verstandene Wohl der brei - die Ausrede auf den unglücklichen Zufall" klingt unter den Angreifern befand, Teicht am Ellen- frecht, zu fragen, wann denn der Genosse" ten, arbeitenden Maffen.(!) Wir müssen dobei in sehr merkwürdig: die Folgen eines Kommandos bogen verletzt wurde. Sierauf ergriffen die De- Blum jemals die Abrüstung vertreten habe den Kauf nehmen, daß manche Maßnahme zuzum Schießen müssen doch den Verantwortlichen monstranten die Flucht. Die Untersuchung ist ein Sier, Sie Wicht, der Sie es gut aufgenom nächst wenig voltstümlich sein und mizlar sein und wenn die Kugeln der Gendarme geleitet. Die Behörden trafen die entsprechenden men haben, das macchiavellische Wort Adolfs verstanden werden wird. Das kann uns nicht rie den Lauf der Gewehre verlassen haben, ist es, Sicherheitsvorkehrungen. des Charlatans, daß in der Größe der Lüge