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Freitag, 24. Juni 1933.

nen. Aus diesem Teil des Programms ergibt sich, daß die Organisationsarbeit auf politi­schem Wege und die Arbeit, Reformen herbei­zuführen, um die Lage dieses Proletariats einigermaßen besser zu gestalten, eine revo­lutionäre Arbeit ist". Ms Viktor Adler , den die Arbeiter liebe­voll derDoktor" nannten, in die Bewegung kam, war es um die Partei, aber auch um das Los der Arbeiterschaft übel bestellt. Ueber- lange Arbeitszeit, keinerlei Arbciterschutzge- setze, kein Koalitionsrecht, keine Freiheit der Meinungsäußerung, kein politisches Recht, das waren die Verhältnisse, unter denen die in der Schlammflut des Elends steckenden Arbeitermassen dahinlebten. Die Arbeiter­bewegung aber befand sich im Zustand völli­gen Zerfalls. Von der Arbeit, die es bewäl­tigen galt, können sich die jüngeren unserer Genossen, welche den Besitz politischer Rechte und die Tatsache eines gewissen Arbeiterschut­zes als selbstverständlich hinnehmen, keine Vorstellung machen. Die Aufweichung unsäg­licher Mühe gehörte dazu, um wenigstens Teile der Masse von dem auf ihr lastenden, Druck der Hoffnungslosigkeit und Ergebenheit zu befreien. Unendliche Mühe, feinster Takt und größte Geschicklichkeit auch, um die Ge­gensätze zwischen den Gemäßigten und Radi­kalen, in welche Gruppe damals die Arbeiter­bewegung zerrissen war, zu überbrücken und die alten Wunden zu schließen. Das große Werk, das die österreichische Sozialdemokratie eigentlich erst begründete, gelang in Hainfeld , wo es Viktor Adler gelungen war, die Strei­tenden zueinander zu bringen und der damit neubegründeten Partei als kostbarsten Schatz die Einigkeit in die Wiege zu legen, ein Gut, das die Arbeiterschaft leider nicht dau­ernd und nicht überall zu schätzen gewußt hat. Der Doktor hat aber nicht nur die einige, geschlossene sozialdemokratische Partei geschaffen, er hat ihr auch die g e i st i g e Ausrüstung gegeben, die sie für ihre Kämpfe im Dienste des Aufftiegs der Arbei­terschaft brauchte. Er hat sie gelehrt, nüchtern zu denken, die Dinge zu sehen, wie sie sind, er hat sie die Anwendung marxistischer Theo­rie auf die Praxis gelehrt und war ihr jahr­zehntelanger Lehrer bei der Durchführung der Aufgabe, jede Position zu benützen, hat, ent­schlossen und zähe um jedes Stück Fortschritt, um jedes Stück Recht zu kämpfen. War er Be­gründer der politischen Organisation, so ver­stand er es nicht minder, auch alle anderen Gebiete proletarischer Wirksamkeit zu betreuen und zu befruchten. Er war das Muster eines sozialistischen Journalisten und hatte für die Erziehungsaufgaben der proletarischen Presse das höchste Verständnis. In einer Zeit größ­ter Entmutigung schuf er dieGleichheit", später dieArbeiter-Zeitung " als Tagblatt, an der er selber bis zu seinem Lebensende eifrigst mitarbeitete. Unmöglich war es, sich der magischen Kraft seiner Rede zu entziehen. Obwohl er mit Sprechfehlern zu kämpfen hatte, zwang er doch seine Hörer durch den geistigen Inhalt, durch die blitzende Ironie und den beißenden Sarkasmus seiner Rede in Bann. Viktor Adler als Lehrmeister der Ar- beiter, als sozialistischer Schriftsteller, als

Versammlungsredner, als Parlamentarier und als Mensch eine Ausschöpfung dieses Lebens würde viele Bände füllen. In der Tat: der Mensch Viktor Adler ! Er erschien allen vorbildlich, die ihn kannten. Seine tiefe, väterliche Güte, seine Liebe, sein Verständnis für die Bedrückten und Unter­drückten, sie bestimmten ihn dazu, alle Kraft daran zu wenden, den Leidenden zu helfen. Einmal'sagte er in einer Versammlung: Wenn ich Ihnen sagen sollte, was der So­zialismus ist, so kann ich es Ihnen schlicht und einfach sagen: Der Sozialismus ist die Erfüllung des Rechtes auf Gesundheit des Volkes." Bis zu sei-> nem Tode war auch seine große Sorge die.

Einigkeit der Bewegung zu bewah­ren. Als auf dem Parteitag 1917, die Mei­nungen heftig aufeinanderplatzten, erklärte er in der Schlußrede, er möchte, da er nicht wisse, wie oft er noch auf einem Parteitag sprechen werde, das sagen, was ihm als das Wichtig st e und Heilig st e er­scheine und was den Inhalt seines Lebens ausmache. Und dieses Heiligste war ein Appel rur Einigkeit:Bleiben wir einig!" Das österreichische Proletariat und mit ihm auch die sudetendeutsche Arbeiterschaft gedenkt am heutigen Tage in Liebe und Ver­ehrung Viktor Adlers, des großen Führers und Erweckers!

währen--er 8 28-em Ministerium die Ermächti­

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verschmin-et. Die Umwandlung privater in gemeinnützige NektrizttStswerte. Prag , 23. Juni. Im Parlament standsätze-er Elektrifizierungsbestrebungen zu verhalten, heute die Novell « zum EkMrifizierungsgesetz zur' Verhandlung, über die wir bereits anläßlich ihrer Verhandlung im Senat ausführlicher berichtet haben.

Es handelt sich um die Umwandlung privater in gemeinnützige Elektrizitätswerk«. Nach den bis­herigen Bestimmungen hätten di« Unternehgzer längstens-innen 20 Jahren nach-er Umwandlung ihre Aktienmehrheit dem Staat, bzw. den beteiligten SelbstvevwältungÄörpern abtreten müssen. Da­hatte zur Folge, daß das Privatkapital sich au der­artigen Unternehmungen nicht beteilige» wollte und die freiwillig« Umwandlung nur in einem einzigen Fall-urchgeführt wurde. Dagegen war durch den 8 28 die VVglichkeit der zwangsweisen Um­wandlung privater Elektrizitätsunternchmungen in gemeinnützige gegeben; sein« Anwendung auf einig« in Betracht kommende deutsch « Werke, vor allem di« Novdhohmischen Elektrizitätswerk«, hätte aber für mehrere Tausend deutsche Arbeiter und Angestellte «in« arge Bedrohung ihrer Existenz bedeutet. Diese heikle Frage wurde nun schließlich durch ein« Vereinbarung zwischen den-«teiligten Werken und de« Arbeitenministerium gelöst, deren Niederschlag di« vorliegend« Novell « darstellt. Dem Privatkapital wird demnach nach der Umwandknng noch auf mindestens 20 und höchstens 30 Jahr« di« Mehrheit des Aktienkapital- gesichert; den beteiligte« öffentliche« Körperschaften müssen sie ein« mindestens Aiprozentig« Beteiligung einränme«; erst nach Ablauf dieser Frist müssen sie di« Aktienmehr­heit(mindestens 80 Prozent) abtreten, sie können aber auch die Uebernahm« des gesamten Werkes durch den Staat, bzw. di« beteiligten Selbstverwal­tungskörper verlangen, wobei der Wert der Werk« eventuell gerichtlich wie beim Entejgnungsversabren sestgeietzt wird. Zu der Vorlage sprach Genoffe Kaufmann, der sich feit langem im Staatlichen ElektvizitätS- beirvt für eine Lösung dieser Frage eingesetzt hat, die die Interessen der deutschen Arbeiter und Angestellten dieser Werte sicherstellt. Er ührte u. a. aus: Die Elektrifizierungsvorlage vom Jahr« ISIS bat dem Arbeitenministerium ganz bedeutende Voll­machten erteilt, wie wir sie wohl in keinem Gesetz mehr vorfinden. Der 8 27 ermächtigt da- Mini- terium, schlecht geleitet« Betriebe eventuell auch durch Zwangsmaßnahmen, di« bis zur Ent­eignung gehen konnten, zur Einhaltung-er Grund-

gung gab, auch auf dem Wege der Enteignung private Unternehmungen in gemeinnützige umzu­wandeln, wenn dies« Werke di« Voraussetzung und Eignung dazu besitzen. Durch diese fast unbegrenzt« Vollmacht ist nun nicht nur«ine ganz besondere Rechtsunsicherheit eingetreten, sondern«S wurde auch di« Initiative der privaten Werk« ganz bedeutend gehemmt. Im Jahre 1931 wurde vom Ministerium«in« Durchsnhrungsverord- nungzu 828 ausgearbeitet, di« dem Ministerium bis 1950 die Vollmacht geben sollt«, je-erzeit di« ihm geeignet erscheinenden Werke in gemeinnützig« umzuwandeln.' Nach langen Auseinandersetzungen wurde diese Durchführungsverordnung schließlich fallen gelassen. Im Herbst 1981 sind dann zwischen dem Ministerium und einigen der wichtigsten Unternehmungen, darunter den' Nordböhmtsche« Ewktrizitätswerken, neu« Verhandlungen geführt worden, di« schließlich zu einem Vertrag und zu einer ersten Fassung der Novell « führten, di« aber sehr bald umgearbeitet und schließlich überhaupt zurückgezogen wurde, wobei dar Ministerium im Dezember des Vorjahres im letzten Moment den Antrag auf nochmalige Verlängerung der 8 28 stellt«. Seither erfolgte« neu« Verhandlungen zwischen den Werke» und dem Ministerium, die zu der heutigen Novelle führten. Unser Interesse richtet sich bei der Behandlung der Vorlage vor allem dar­auf, für den Arbeitsplatz der Arbeiter und Ange­stellten der für gemeinnützig erklärten Werke«inen gewiffen Schutz zn schaffen. Wir unterbreiten dem Hause eine Resolution, in der dir Regierung auf­gefordert wich» bei der Umwandlung eines Werkes in de« otbzuschloeßendr« Vertrag Bestimmungen aufzunehmen, durch welch« di« in de« Betriebe» beschäftigten Arbeiter und Angestellten geschützt werde«. Dieser Schutz soll sich sowohl auf de« Stand a« Arbeitern und Angestellten, die zur Gänze zu übernehmen find, als ckuch auf dir Uebernothui« und Festsetzung von Loh«- und Kol- lektivvertriigcn beziehe«; insbesondere soll dir Aus­nahme und Entlasiung von Arbeitern und Ange­stellte« im Etuvernehme« m»t dem BetrilebSaus- schuß geschehen. Wir glauben, daß bei der Neber nähme von Elektrizitätswerken jene Experimente sich nicht wiederholen dürfen, di« ftüher bei der Verstaat­lichung, bzw. einer stärkeren Einflußnahme des Staates oder' einzelner Ministerien auf größer«

Werke sich in nattonalpolitifcher Hinsicht ver­hängnisvoll für di« deutschen Bürger dieses Staates ausgewirkt habe«. Hier darf sich Aehnlichrs nicht wiederholen, denn es wäre für di« Wirtschaft lichkeit der Werk« wie für die Stromabnehmer ver­hängnisvoll, wenn im Personal größer« Beränd. rungeu erfolgen würden. Genosse Kaufmann ersucht das Haus, unserer Resolution zuzustimmen, und erklärt schließlich, daß wir für di« Vorlage stimmen werden.(B e i f a l l.) » Zu der Vorlage sprach nur noch Dr. Peters (TAWG.), der sich dagegen wehrte, die Macht der öffentlichen Hand auf«inen weiteren Industriezweig auszudehnen, und der Befürchtung Ausdruck gab, daß dann die bürokratischen Anschauungen das Nebergewicht über die ökonomischen bekommen. Mit der Novell « betrachtet er den Ermächtigungspara­graphen 28 als erloschen. Die Vorlage wurde dann in erster Lesung angenommen, ebenso ohne Debatte die weiteren Senatsbeschlüsse über die Exekutionsfreihcit der Arbeitslosenunterstützung sowie über die Ver­längerung des Gesetzes Nr. 47/1931, durch das öffentliche Aemter, Unternehmungen und Anstal­ten zur ausschließlichen Verwendung gewisser in­ländischer Agrarprodukt« verhalten werden.(Es handelt sich um Getreide, Mahlprodukte, Hülsen­früchte, Kartoffel, Fleisch, Milch, Eier, Grünzeug und Futtermittel.) Die nächste Sitzung wurde mit Rücksicht auf den Feiertag, der in die Mitte der nächsten Woche fällt, erst auf Donnerstag, den 30. Juni, 11 Uhr vormittags anberaumt. Auf der Tages­ordnung stehen bereits die Z u s chlög e zur Einkom men steuer sowie die Hefe­steuer.

Heimarbeiter und Mineralölsteuer. Einschreiten des Gcnosien Roscher für die Glas-Heimarbeiter. Genosse Roscher hat im Namen unseres Abgeordnetenklubs an den Finanzminister eine Interpellation gerichtet, in der die steuerfreie Abgabe gewisier Mineralöle, die die Heim­arbeiter der Glasindustrie zur Erzeugung von Glasperlen und Glasringen benötigen, gefördert wird. Diese Oele, die unter der Bezeichnung Kaiseröl",Jgnol" undPaldus" in den Han del kommen, unterliegen der höheren Mineral- ölsteuer von 75 Kronen pro 100 Kilogramin. Ein Heimarbeiter in der Glasindustrie des Jftr- gedirges verdient heute kaum 30 bis 50 K wöchentlich; für ihn bedeutet die Mineralöl­steuer für die erwähnten Oele von X 1.95, bezw. bei Perlenbläsern von X 4.55 wöchentlich für das verbrauchte Benzin eine schwere Belastung. Zwar ist nach der Verordnung 143-1903 der steuerfreie Bezug von gewiffen Mineralölen geringerer Dichte unter gewiffen Bedingungen zulässig. Doch sind schon die vorgeschriedeneu scharfen Kontrollmaßnahmen für die Glasarbeiter schwer erfüllbar, und schon gar nicht die Vorschrift eines Mindcstbezuges von 100 Kilogramm. Die Heimarbeiter können diese Oele nicht faßweise kaufen, weil sie dazu die Mittel nicht aufbringen. Genosse Roscher ersucht deshalb den Fiuanz- minister, für die erwähnten Heimarbeiter de>l steuerfreien Bezug der nötigen Mineralöle ent­sprechend zu erleichtern, um so nrehr, als diese Oele ja kaum mißbräuchlich zu anderen Zwecken verwendet werden können, weil sie für Leuchtzwecke zu explosiv und zu teuer, für den Betrieb von Motoren aber völlig unbrauchbar sind.

SMHe All WkWWM Sra Christa Anita Brück . Ich drehe mich um und werf« chm einen bitterbösen Blick zu.Lassen Sie doch endlich diese Albernheiten, Herr Murawski. Wie Sie sehen, sind Sie Herrn Gaßner unangenehm." Ob er nun denkt, daß dem- guten Gaßner trotz seines entzündeten Furunkels ebenso be­drängt zumute ist wie ihm und er ihm tatsächlich einen Gefallen erweisen kann: meine Ablehnung erbost ihn maßlos. Horen Sie mal", schreit er, kirschrot im Gesicht.Der Gaßner hier, das ist kein Rotz­junge, mit dem Sie machen können, was Sie wollen. Da können Sie noch froh sein, wenn der Sie überhaupt mitnehmen will, was Gaßner? So fein wie die Hungerleider, mit denen Sie so ins Bett steigen mögen, ist-er schon' lange..." Jh höre untewrücktes Gekicher und kralle mir di« Nagel ins Fleisch. Nur jetzt keine Szene, nur jetzt rein ergötzliches Schauspiel für die schadenfrohen andern, die mir neugierig ins Gesicht spähen. Amerikaner können wir Ihnen natür­lich nicht streichen", sage ich zu Gaßner, wenn­gleich mit flackernder Stimme.Ich werde Ihnen ein paar Akte vorführen laffen. Es sind durchweg gut« Spielfilme. Murawski bückt sich und will Gaßner was ins Ohr flüstern. Der schlägt ärgerlich nach hinten und sagt:Du, ich bin hier, um das Ge­schäft zu regeln. Für ander« Sachen hab« ich keine Zeit." * Nimmt denn dieser schreckliche Tag gar kein Ende? Murawski hat mir sagen lassen, ich solle um acht mit den Phoebusverträgen im Privatkontor warten. Er brauche einen genauen Ueberlick.

Ich weiß, wie aufgereizt er heute ist. Mir graut vor einem neuen Zufammenstoß mit ihm. Es ist auffällig,- er sich jm Büro jetzt nicht sehen läßt. Di« Angestellten entschlüpfen. Wahrscheinlich liegt das in seiner Absicht. Fräulein Gauda hat sich zuerst gedrückt. Frau Suhl hat schon ihren Mantel neben sich liegen. Di« ilieue ist nach ihrem ersten Debüt gar nicht mehr wiedergekommen. Ich setze meine ganze Hoffnung auf Maichke, der immer lange bleibt und hörbar in der Buchhaltung rumort. Leda habe ich fortgehen sehen. Tas kommt selten vor. Die Telephonzelle steht offen wie ein schwarzes Loch. In der Expedition brennt eine vereinzelte Birne. Jm Winkel regen sich leise die Hunde. Bin ich deshalb gekommen, zieht dieses mich her? Ich trete hinzu und beuge mich über das Dunkel voll Regung und Wärme. Fünf kleine Wollknäule drängen sich an die Mutter. Man hört das Schmatzen-er kleinen Mäuler. Eins mieft Plötzlich kläglich. Schon schafft eine Bewegung-er Alten chm sein Plätz- Nun grunzt es befriedigt Ein ganz frecher kleiner Knirps mit dunk­lem Schnäuzchen hot sich sattgetrunken und kriecht tolpatschig über da- Maul der geduldigen Alten. Ich bücke mich und hebe ihn auf meinen Arm. Ich lege ihn behutsam auf den Rücken und vergesse, wo ich weil«. Die blanken schwar­zen Aeugleiv sehen mich neugierig an. Durch das wollige, mollige Pelzchcn fühle ich den klei- uen Pulsschlag gegen mein Handinneres klopfen. ES weint jetzt em bißchen, das Hundekind, und zeigt die winzige, hellrote Zunge. Wie ich zärt­lich mit ihm spielen will, erhascht es meinen Fin­ger und saugt kindlich-gierig. Heiliger Strom der Mutterahnung, wie fern von dir treiben wir alle dahin, wir Mäd­chen im Fron! -Ich träume und wiege das Junge an mei­

ner Brust. Die wirren Fädchen dieses wahn­witzigen Tages, sie glätten sich im Wunder der heiligen Minute. Ich drücke mein Gesicht gegen den kleinen zappelnden Tierleib. Die Hunde­mutter knurrt bedrohlich.Laß es mir doch", flüstere ich, in meinem ganzen Wesen aufge­rührt.Es bleibt ja deins, ich will es nur borgen." In dieser Stund« grenzenloser Berlaffenheit in dem finsteren Büro, in der Ahnung kommen­der neuer Schreckniffe, überwältigt mich die Er­kenntnis. daß wir alle irren, wir Frauen, die außerhalb des MuttertumS stehen, und daß die Ausgeschlossenheit von unserer natürlichen Be­stimmung weher brennt als alles, was wir leiden können unter einem Dudenmeyer oder Lichte oder Murawski. Ich setzte den kleinen Wurschtel zu Boden mit der Behutsamkeit zärtlicher Wehmut. Er wedelt mit dem drolligen Schwänzchen, kriecht auf dem Bauche, weil die Beinchen noch nicht recht tragen, zur Mutter hin, bohrt sich mit seiner kleinen Schnauze durch das Gewühl der Ge­schwister,'ucht, findet und trinkt mit wohligem Knurren. Ich spteche leise und zärtlich auf ihn ein. Da entsteht hinter mir die Ahnung einer Bewegung. Ich schnelle herum. Es steht jemand in einiger Entfernung hinter mir. Ich erkenne den Hellen Mantel und den ungewissen Schim­mer des Gesichtes: Murawski. Er ist geschlichen gekommen. Er hat mich belauscht. Ich habe es nicht gehört. Meine Knie werden so schwach vor Entsetzen, daß ich hinter mich nach einer Stütze greifen muß. Ich weiß, daß ich ganz allein mit ihm bin. Gehen Sie", flüstert er unheimlich und steht mit zugekniffenen Augen, an den Leib ge­preßten Armen.Gehen Sie schnell, schnell!" DK Augen aufgerissen. die Wand als Dek- kung im Rücken behaltend, taste ich mich bis zur Tür. Jm Flur ist es stockdunkel. Sogar die

Treppenbeleuchtung, die hereinscheincn müßte, ist ausgeschaltet. Die Türen sichen offen. Schwärze gähnt aus den leeren Zimmern. Kein Mensch weit ulch breit. So hat er es gewiült. Nur ein Wunder läßt mich entkommen. Vielleicht war der schützende Wille meiner seligen Mutter in dem Hundekind und berührt« das Herz des Entarteten, dos es jene Grenze streifte, jene ferne, unirdische Grenze, da der Glorien­schein alles Werdens die zerstörenden Brände un­reiner Sinnlichkeit überstrahlt. Sinnlos vor Angst finde ich di« Disposition, erraffe meine Handtasche mit den Schlüsseln, muß noch einmal zurück in die Näh« der Gefahr, um Hut und Mantel vom Nagel zu reißen, sehe mit innerem Gesicht, wie er dort steht und kämpft und ringt mit dem, was aus ihm herauAubrechen droht. Nicht laufen! Um Gottes willen nicht lauft» jetzt! Irgendwo habe ich einmal gelesen, daß man nicht fortlauftn darf vor gefährlichen Men­schen, daß das Fortlauftn das zurückgehaltene Böse jählings aufreißen kann. Ich gehe also durch diese entsetzliche, zum Zerspringen mit Angst und Grauen geladene Finsternis so ruhig es eben geht zur Korridortür. Schon fasse ich die Klinke, schon will sich die irrsinnige Spannung entladen in wilder Flucht. Da gibt die Tür nicht noch, ist verschlossen. Ich Höre7 denke, fühle, weiß nichts weiter als den tobenden Schlag mei­nes Herzens.' Dann knacken Dielen. Dann be wegt sich Dunkles, Plumpes auf mich zu. Eii ätzender Schtoeißgeruch schlägt mir entgegei Eng an die Wand gepreßt erwarte ich Furcht barstes. Murawski steht ganz in meiner Näh< Sehen können wir uns nicht! Ich fühl« ftinei rasenden Kampf gegen den Dämon. Mein Gott wenn ich jetzt nicht gehen kann. Ich spüre mein Bein« nicht mehr. Wenn ich jetzt umsinke, wem ich die Spanne nicht ausnützen kann, di« kurze die er vielleicht nur noch hat. Er stößt gemalt sam den Schlüssel ins Loch. An) Luftzug weiß ich, daß die Tür nachgcgeben hat. Kraft, Kraft. (Fortsetzung solgr.)