Folgende Siedenfragen endlich dürfen mit Zustimmung auch vi- sprachen werden: Welche Mittel sind die geeignetsten, das Einfuhren «euer Bauarten in den Kolonien zu begünstigen und ihre Entwicklung zu befördern? Welches sind die besten Mittel, um in den afrilanischen Kolonien die Eingeborenen zu bewegen, fortzufahren, sich mit Acker- bau zu beschäftigen,— ihre Ansiedelungen auszubreiten und zu ver- »eifern— und eventuell Vieh zu züchten, Italien . Bei der Anftheilung deS Reiches der Mitte wird nun auch Italien betheiligt fem. Das Tsung-Ii-Uamen hat sich gefügt und erklärt sich bereit, mit der italienischen Regierung weitere Unter- Handlung zu Pflegen. Die kurze Aufwallung von Zorn über die Zu- muthuug der Fremden ist, nachdem die Engländer etwas nachgedrückt haben, bei den Chinesen bald verraucht. Der Tsung-Ii-Damen hat incht allein die Rücksendung der ursprünglichen Depesche des italieni - schen Gesandten de Martina verlangt, deren Annahme er vorher verweigert hatte, sondern erklärt sich auch bereit, sofort auf dieselbe zu antworten. Der Einfluh Englands, das naturgemäß darauf bedacht rst. dem russischen Einfluß in China möglichst viel Gegengewicht zu schaffen, hat das seine dazu beigetragen, die Chinesen nachgiebig zu machen. Und so werden die Italiener voraussichtlich ohne einen Schwertstreich zu einer„Pachtung" im fernen Osten kommen. Das italienische Volk wird aber darum nicht glücklicher werden, sondern nur mehr Steuern aufzubringen haben für neue Schiffe und Soldaten, um das„Erworbene" zu schützen.— Spanien . Spaniens Ncurlistung. Die Meldung, daß Spanien fammt- uche Schiffe zu verkaufen beabsichtige, ist nach der„Intern. Korresp." dahin zu verstehen, daß die Ueberreste der Kriegsflotte nach Ansicht des neuen KriegSministerS Gomez Jmaz für Spanien augenblicklich werthlos seien. Letzterer will eine neue einheitliche Schlachtflotte schaffen und von jeder Ergänzung des alten Geschwaders absehen, weshalb die noch seefähigen alten Schiffe ver« kauft werden sollen. Hierbei kommen noch diele kleine Holz- schiffe in Betracht, welche sich voraussichtlich nur zu Privatzwecken eignen.— Ruhland. Aus der litthauifche» Arbeiterbewegung. Unter diesem Titel bringt das Züricher.Volksrecht" einen längeren Artikel, dem wir folgendes entnehmen: Man darf eS als eine der wichtigsten Phasen in der Geschichte der litthauischen Arbeiterbewegung bezeichnen, daß das in W i l n a seit 1897 erscheinende lokale Arbeiterblatt:„Echo aus dem Arbeiter- leben"(es wurden bis jetzt 9 hektographirte Nummern herausgegeben), jetzt in eine allgemeine litthauifche Arbeiter» z e i t u n g umgewandelt worden ist und in der litthauischen Sprache erscheint; die Zeitung wird jetzt nicht mehr hekto- graphirt, sondern erscheint im Druck; außerdem wird eine hektographirte polnische Uebersetzung als Beilage erscheinen. Von diesem neuen Organ der litthauischen sozialdemokratischen Partei:..Äiclas Lietuvos Darbininkus Güvenieno" ist bereits im Januar 1899 die erste Nummer erschienen und in Litthauen ver- breitet worden.� Das Blatt hat sich als Ziel gestellt: die obere Leitung der litthauischen Arbeiterbewegung zu übernehmen, und zwar der gewerkschaftlichen und politiichen, sowohl in Litthauen selbst, wie auch in den Nachbardistrikten, wo litthauifche Arbeiter- Massen beschäftigt sind. Bis jetzt wurden sehr viele nützliche Kräfte von der rein nationalen Bewegung absorbirt, andere fielen in das entgegengesetzte Extrem und organisirten Vereine von sozial- demokratischen Doktrinären, welche sich jeder Theilnahme an dem Kampfe gegen die russifizirende Politik der zarischen Regierung enthielten. Jetzt aber hat die litthauifche • sozialdemokratische Partei alle Chaneen, die einzige maßgebende politische Partei in Litthauen zu werden; sie tritt für bestimmte Klasseninteressen ein, besitzt ein bestimmtes Parteiprogramm(welches auf dem Parteikongreffe Anfang 1897 angenommen wurde) und stützt sich in ihrer Thätigkeit auf das klassenbewußte und organisirte Proletariat LitthauenS. Ilm ihre Aufgaben besser erfüllen zu können, mutz die litthauifche sozialdemokratische Partei auch ihre Partei- Organisation zu verbessern suchen. Im Laufe ihrer Entwickelung mußte sie sich verschiedenen Formen der Arbeiterbewegung anpassen, und infolge deffen befinden sich in ihrer gegenwartigen Partei- Organisation vielfache Ueberbleibsel, welche dem jetzigen Stande der Dinge nicht mehr entsprechen. Außer der im Auslande erscheinenden Jahres- Rundschau „Litthauischer Arbeiter", welcher in zwei Sprachen verfaßt ist, litthauisch und polnisch, und als offizielles Organ der litthauischen sozialdemokratischen Partei erscheint(in nächster Zeit wird die dritte Rümmer erscheinen), werden jetzt in den Vereinigten Staaten Nord- amerika's noch eine ganze Anzahl sozialistischer und Arbeiterzeitungen in litthauischer Sprache herausgegeben. Jnsgesammt erscheinen jetzt 17� litthauifche Zeitungen in lateinischer Schrift, meistens Wochen- blätter verschiedener litthauischer Gruppen und Parteien; 15 davon in Amerika , 5 in Europa . Die russische Regierung gestattet nicht die Veröffentlichung irgend welcher litthauischen Werke in litthauischer Schrift, folglich sind diese 17 Zeitungen die einzigen, welche die Litthauer auch in ihrer Heimath lesen können, und sie werden auch massenhaft nach Litthauen eingeschmuggelt. Die litthauifche Preffe und die litthauifche Literatur überhaupt bilden sozusagen ein Unikum in der gesummten Kulturwelt: wir kennen kein anderes Volk auf der Erde, welches des Rechts beraubt wäre, sogar seine Gebetbücher in seiner eigenen Sprache drucken zu dürfen'I Dieser Umstand bewog die im Auslande lebenden Litthauer, eine retrospektive Ausstellung der litthauischen Literatur und Presse auf der Pariser Weltausstellung zu veranstalten. Zu diesem Zwecke haben sich zwei Komitees gebildet, in Amerika und in Zürich ; für eventuelle Anftagen gilt die Adresse: Otto Lang, Hegibachstraße 22, Zürich.— Türkei . Die Mächte auf Kreta . Dem Prinzen Georg scheint die starke militärische Vertretung der Mächte auf Kreta etwas unbequem zu werden. Er wird bei den vier Mächten beantragen, daß eine jede ihre Streitkräfte auf der Insel auf ein Bataillon herabsetze. Dies Bataillon würde auf die bisherigen Kommandobezirke in der Weise vertheilt werden, daß eine gemischte Besatzung gebildet werde. Asien . Eiseubahniau in China . In China.Pachtungen' zu erwerben und Eisenbahnen zu bauen, das ist augenblicklich die Haupt- beschäftigung der europäischen Diplomatie. Interessant ist ein aus Peking , 23. November 1898, datirter Brief Sir Claude Maedonald's an Lord Charles Beresford. Darin ist folgende Zusammenstellung der Anzahl und der Gesammtlänge der bis dahin von den ver- schiedenen Nationen erlangten chinesischen Eisenba hn-Kon- Zessionen enthalten. England steht mit 9 Konzessionen von msgesammt 2800 Meilen an der Spitze; es folgt Rußland mit 3 zu 1530 Meilen; an dritter S t e l l e kommt D e u ts ch l a n d mit 2 Konzessionen von zusammen 720 Meilen, dann eine belgische von 650 Meilen, eine amerikanische von 300 Meilen und endlich 3 fran- zösische von 120 Meilen. Amerika. Daß der AufstandSgcneral Maximo Gomez mit der kuba - Nischen Landesvertretung tn Streitigkeiten gerathen sei, hatten wir gemeldet. Nunmehr wird aus H a v a n a berichtet, daß dort am Montag Kundgebungen zu Gunsten Maximo Gomez stattgefunden haben. Nach einem vergeblichen Versuche der Polizei, dieselben zu verhindern, zerstreuten Truppen die Demonstranten. — Aus allen Theilen deS Landes sind Telegramme eingegangen, in denen Gomez Unterstützung zugesagt und das Vorgehen der kubanischen Militär- Versammlung getadelt wird. Aus N e w- I o r k wird zu der Angelegenheit gemeldet, die Re- giernng habe beschlossen, die kubanische Nationalversammlung zur Auflösung zu zwingen.—_ Die Milizfrage. Im neuesten Heft der„Neuen Zeit' nimmt Schippe! nochmals das Wort zur Milizfrage, um auf Kautsky'S Widerlegung seiner Vertheidigung des stehenden Heeres zu erwidern.„Siehe da: das stehende Milizheer I" so überschreibt er seine Erörterung und kennzeichnet schon damit, waS er dann länger auseinandersetzt: Es sei nur ein Streit um Worte; waS er wolle und stehendes Heer ge- nannt habe, das sei nichts anderes, als was Kautskh ihm unter dem Namen Miliz entgegen gehalten habe. „Also das war der Kern dieses neuesten Milizpudels, der sich erst lang und breit reckte, als ob er mich schier auf einen Happ verschlingen wollte, stehende CadreS, besetzt mit Berufs-Offizieren und-Unteroffizieren, und einjährige Präsenzzeit, das Ganze unter dem Namen Miliz I" Sodann erklärt Schippe!, daß das, was er bisher gegen die Milizforderung vorgebracht, noch lange keine erschöpfende Kritik derselben sei, daß sich seine eigentlichen Einwendungen dagegen auf ganz andere Erwägungen stützten, die er kurz skizzirt wie folgt: „Einmal wird das Schlagwort: Jeder Mann dauernd Besitzer seiner Waffe! technisch immer mehr zur Unmöglichkeit. Man kann nicht jedem ehemaligen Artilleristen eine Kanone ins Bett legen und jedem alten Seebären ein kleines Panzerschiff auf den Brunnentrog oder in die Waschschüssel setzen. Die Artillerie hat sich jedoch zu einer immer entscheidenderen Waffe entwickelt. Und wenn man wirklich hier und da in der Partei der perversen Anschauung huldigen sollte, spätere gesellschaftliche Umwälzungen würben in lauter römischen Bürgerkriegen zum Ausdruck kommen, so müßte neben den konservativen, die Nahrungszufuhr zurückhaltenden Land- bezirken und neben den stehenden Festungen, welche die Eisen« bahn- und FwßtranSporte beherrschen, eine Marine, die auch die See sperrt, ein furchtbarer Gegner für die revolutionären Massen der Handels- und Industriestädte sein. Ferner wird die wirklich bewaffnete LolkSmaffe nicht der Machtfaktor sein, den man in ihm meist erwartet. Man stelle sich nur die thatsächlichen Verhältnisse, wie sie auf absehbare Zeit bleiben werden, selbst unter Verwirklichung der Kautsky'schen Cadremiliz vor. Die Regierung hat. bei einjähriger Dienstzeit, ein großes stehendes Heer — hier kann man schon gar nicht anders sprechen!— von ein paar hunderttausend Soldaten und mehreren Zehn- taufenden von wirklichen Berufssoldaten zur Hand. Sie kann den ganzen Behördenapparat bis in die letzten Winkel deS Reiches hinein jede Minute für sich in Bewegung setzen. Auch die konservative Miliz draußen im Lande kann sie somit immer gewissermaßen organisirt für sich bereit halten, während die oppositionellen Milizen immer hilflos, zersplittert und desorganisirt dastehen werden. Im Nothfall kann ein entschlossenes Regime die Opposition jeden Äugenblick ihrer Führer und vor allem auch ihrer Flinten berauben. Wenn es jedoch eine Negierung mit dem ganzen Apparat von Justiz-, Polizei- und sonstigen Ver- waltungsbehörden, mit stehendem Milizheer und zuverlässigen und zu rechter Zeit vorbereiteten konservativen Reservemilizen nicht mehr kann, dann ist sie heute, auch bei Fortbestanb der alten Wehr- Verfassung, sicherlich ebenfalls verloren. � Mit der revolutionären Kriegswiffenschaft ist es eben in der Praxis immer anders wie in der Theorie. Andernfalls wäre das Dynamit eigentlich noch demo- kratischer und jedenfalls viel billiger: Jeder kann es machen, jeder kann es handhaben, die Gegner sind hier niÄt einmal gleich aus- gerüstet. Blos wenn zwei oder drei„Revolutionäre " die Köpfe zusammenstecken, hat man ihnen auch schon das Dynamit und vielleicht gar die Köpfe abgenommen. Und wenn wir den Glauben an das völkerbefreiende Dynamit aufgegeben oder nie besessen haben, so werden wir uns wohl auch ohne den Glauben an die besondere Wirkung der Milizflinte behelfen können. Zudem bedarf sie der Munition, und schon Engels hat darauf hingewiesen, daß man heute nicht mehr nach Belieben für die Repetir- gewehre auf den Straßen und in den Häusern Blei gießen und Pulver reiben und mischen und körnen kann, sondern daß die nöthige Patrone ein Kunstprodukt der großen Industrie ist, die keine Armee- Verwaltung ausj den Händen geben oder doch unkontrollirt lassen wird. Man kann also die Flinten haben und steht doch nach wie vor mit leeren Händen, so gut wie vollständig entwaffnet, einem Feinde gegenüber, der genau wie heute die organisirte bewaffnete Macht mit voller Verfügung über alle weiteren Hilfsmittel bildet. Zum Schluß sagt Schippe!:„Die Miliz ist nicht sozialistisch. Die Miliz ist. wie man mehr und mehr zugiebt, kaum billiger wie das heutige Heer, so daß die Kulturaufgaben bei der Miliz kaum besser fahren werden, wie heute. Die Miliz hat auch gar nicht die einschüchternden Wirkungen nach oben, die man ihr zutraut. Warum sollen wir also alle die angeschnittenen Fragen nicht in aller Ruhe und ohne jede Auftegung über„Prinzipienverstoß" erörtern— wie Engels 1865 die preußische Militärfrage:„historisch, als ob sie schon vergangen, anatomisch, als ob sie schon Kadaver wäre?" Kautskh erwidert darauf unter der Ueberschrift:„Siegfried der Harn, lose." Er sagt:...... Schippe! läßt mich ein Cadresheer fordern, aber es dürfte ihm schwer fallen, auch nur ein Wort in meinem Artikel zu finden, das in diesem Sinne gedeutet werden könnte..." „Ich habe von KadreS in meinem ganzen Artikel nicht ge- sprachen, aus dem einfachen Grunde, weil ich die Frage vom politischen, nicht vom miiitärtechnischen Standpunkt ans erörterte. Ich finde aber nicht, daß die Kadres mich zu veranlassen hätten, irgend etwas von dem früher Gesagten zurückzunehmen. Kann man bei einjähriger Dienstzit noch von einem stehenden Heere, einem stehenden Kadresheer sprechen? Woraus bestehen die Kadres? Blos anS Offizieren und Unteroffizieren? Offiziere allein bilden keine Armee, auch keine stehende Kadresarmee. Von Kadres kann man erst dort sprechen, wo neben Berufsoffizieren und Unteroffizieren auch gediente Mannschaften vorhanden sind. Das stehende Heer will nicht blos eine Rekrutenschule sein, sondern auch eine stets schlagfertige Armee— in einem stehenden Heere dürfen die Mannschaften nicht aus lauter Rekruten bestehen, diese dürfen im Heere nicht einmal die große Mehrheit bilden, wenn man noch von einem stehenden Heere und von Kadres (Rahmen) für die Reserven sprechen soll. Wie gestaltet sich aber die Sache bei einjähriger Dienstzeit? An einem bestimmten Tage werden die ausgedienten Mannschaften ent- lassen und am nächsten Tage besteht die Mannschaft des„stehenden Heeres" aus lauter Rekruten. Sobald diese ausgebildet sind, an- fangen könnten, als Kadres zu dienen, werden sie wieder entlassen. Die Schlagferttgkeit der Armee beruht da nicht in den dienenden, sondern den ausgedienten Elementen. Aeußerlich erscheint bei einjähriger Dienstzeit das Heer noch als stehendes— es sind immer Soldaten da— aber seinem Wesen nach hat eS bereits aufgehört, ein stehendes zu sein, hat eS angefangen, ein Milizheer zu sein. Bei der weiteren Verkürzung der Dienstpflicht tritt aber der Unterschied zwischen Miliz und stehendem Heere auch äußerlich zu Tage: wo bleibt dieses etwa bei sechsmonatlicher Präsenzzeit? Die „eigene innere Bewegung" zur Verkürzung der Dienstzeit in der Kaserne ist nur beim Milizsystem„an sich ohne Grenzen". Unter dem System des stehenden Heeres findet sie ihre sehr bestimmten Grenzen im einjährigen Kasernendienst. Sie stockt um so mehr, je mehr sie sich diesem nähert. Bereits eine achtzehnmonatliche Dienstpflicht ist nur schwer mit dem Wesen des stehenden Heeres vereinbar, das einen starken Stamm schlagfertiger, gedienter Mann- schaffen verlangt. Zwei Jahre sind die Grenze, über die daS „preußische Heeressystem' freiwillig nicht hinausgehen wird. Wo die Reichsfinanzbedrängniß und andere Umstände eine größere Ver- kürziina der Dienstzeit herbeigeführt haben, galt sie stets nur für einen Theil des Heeres, da man die gedienten Mannschaften nicht entbehren wollte und konnte... Ich selbst habe in Bezug auf die Länge der Ausbildungszeit überhaupt keme bestimmten Forderungen aufgestellt, sondern nur nach dem Vorgang Engels' wiederholt: bei emem Jahre— da fängt das unverfälschte Milizsystem an. Ich schob die Ent- scheidung über die jeweilig nothwendige Dauer der Rekrutenausbildung den Fachleuten-[t Dagegen ist Schippe! gezwungen, sich an die einjährige Präsenz» zeit zu klammern, denn nur ans dieser Linie kann er hoffen. wenigstens nothdürftig seine Liebe zum stehenden Heere mit den Forderungen des Parteiprogramms zu versöhnen. Unter die ein- jährige Dienstzeit kann er nicht herabgehen, ohne dem verhaßten Milizshstem zu verfallen. Aber seit der Vorstoß Isegrims zu Gunsten des heutigenSystems und der z w e i j ä h r i g e n Dienstzeit— unter Berufung auf Engels— so gar keine Gegenliebe gefunden hat, geht es nicht gut an, über die einjährige Präsenzpflicht hinaus- zugehen, und so muß Schippel, der sich sonst so lebhaft dagegen sträubt, sich festzulegen und den Fachleuten vorzugreifen— er muß sich in einer militärtechnischen Frage festnageln auf einen ganz be- stimmten Termin der Dienstpflicht:' zwölf Monate, keinen mehr, keinen weniger. Das Heeresshstem, auf das sich Schippel in seinem Schluß-' wort rückwärts konzentrirt, es steht und fällt mit der einjährigen Dienstpflicht. Wie er daS Heer der einjährigen Dienstzeit dann nennt, ob stehendes Cadresheer ohne Cadres oder stehendes Milizheer, ist mir sehr gleichgiltig. ES ist nicht mein Kind, um dessen Tause es sich da handelt, soudem das seinige. Ich bin nicht auf die einjährige Dienstzeit eingeschworen und habe noch weniger sin Cadresheer verlangt. Aber die Kürze des Dienstes in der Kaserne ist nicht das einzige Merkmal der Miliz. Als zweite? habe ich das„Volksversammlungs- Schlagwort' genannt: Jedem Manne seine Waffe. Schippel be- hauptet jetzt nicht mehr, diese Forderung sei undurchführbar, wohl aber sei sie nutzlos. Schon deswegen, weil man Gewehre ohne Patronen nicht abschießen könne, diese aber sind„ein Kunstprodukt der großen Industrie, die keine Armeeverwaltung aus den Händen geben oder doch unkontrollirt lassen wird". Hätte Schippel sich nicht blos an die Milizliteratur der sechziger Jahre gehalten, über die er uns ja recht lehrreiche Vorträge zu halten weiß, sondem auch an die heute üblichen„Milizvorstellungen" und Milizeinrichtungen, dann müßte er wissen, daß in der Schweiz der Wehrmann zu seinem Gewehr auch dreißig scharfe Patronen nach Hause bekommt.... Neben der Volksbewaffnung und der kurzen Dienstzeit nannte ich als drittes Charakteristikum der Miliz die Aufhebung des ständischen, privilegirten Charakters deS Offiziers. In Schippel's Augen ist dieser Charakter unwesentlich für das stehende Heer. Vom militär- technischen Standpunkt sicher. Aber wir diskutiren doch nicht ols militärische Fachleute, sondem als Polittker, und vom politischen Standpunkt ist die kastenmäßige Privilegimng des Offiziers mit dem heutigen Armeesystem aufs Innigste verknüpft, weil sie denselben politischen Interessen entspringt, denen dieses System zu dienen hat. Sie ist das Gegengewicht gegen die Demokratisimng des Heeres durch Ausdehnung der allgemeinen Wehrpflicht und Zunahme der Zahl der Sozialdemokraten in seinen Reihen. Nach alledem sehe ich nicht den mindesten Gmnd, der unsere Partei veranlassen sollte, ihren Programrnpunlt: Bolkswehr an Stelle der stehenden Heere, auszugeben und den gmnd« sätzlichen Kampf gegen das stehende Heer einzustellen. Wir fordem nach wie vor an dessen Stelle das Milizheer, das heißt Volksbewaffnung, Erziehung zur allgemeinen Wehrhaftigkett, � die Aufhebung der Standesrechte der Offiziere und eine kurze Dienstzeit in der Kaseme, die ein Jahr nicht überschreiten darf und so weit unter dies Maximum herabgedrückt werden soll, als mit der Ausbildung des Wehmranns zur Kriegstüchtigkeit verträglich. Diese Milizvorstellung ist grundsätzlich verschieden nicht nur. von dem heutigen System, sondem auch von dem Jdealheer des Schippel'schen Schlußwortes, jenem zwar denkbaren, aber praktisch nicht in Betracht kommenden idealen Bastard zwischen Miliz und preußischer Arniee; gmndsätzlich verschieden schon deshalb, weil die einjährige Präsenz für die Miliz daS denkbare Maximum, für das Schippel'sche System das denkbare Minimum der Dienstzeit? vorstellt... Wenn Schippel meint, unsere Stellung zum stehenden Heer« sei. keine Prinzipienfrage, denn die Miliz sei keine sozialistische Ein» richtung, so muß ich bemerken, daß wir nicht bloS Sozialisten sind, sondem auch Demokraten, und daß wir Prinzipien nicht blos für den Zukunftsstaat haben,' sondem auch für den Gegenwartsstaat. Und das stehende Heer ist fiir mich nicht ein Kadaver, den man mit aller Gemllthsmhe seziren kann, sondern eine sehr lebendige Institution, mit der die Herrschen- den dem vordrängenden Proletariat immer lebhafter drohen, das bereits in Italien das Blut unserer Brüder vergossen hat— trotz der allgemeinen Wehrpflicht. Ich keime keine Institution, die für das kämpfende Proletariat des europäischen Festlandes gefährlicher wäre, gegen die wir energischer unsere Propaganda zurichten hätten, der wir mehr den Boden im Wollen und Fühlen des Volkes zu untergraben hätten, als den Militarismus. Und wenn in unseren Reihen jemand für diesen kraftvollsten Todtfeind der Sozialdemokratie auftritt, für ihn Stimmung macht, seinen Stutzen preist, seine Ge- fahren verlacht, dann sollen wir diese Frage„historisch erörtern, als wäre sie schon vergangen" l... Mavkei-Msthrithkvn» Polizeiliches, Oerichkliches u. f. w. — Eine ganze Reihe unsauberer Manipulationen bei dem sog. Glückshafen der Münchener Oktoberfeste wurden aufgedeckt in einer Gerichtsverhandlung, die ein Herr Hofftetter, langjähriger Leiter dieses Lotteriespiels, gegen den verantwortlichen Redakteur der„Münch. Post", Gen. Schmio, veranlaßt hatte. Dieser„Glücks- Hafen" wird von der Stadt zum Besten der Armenkasse ver- anstaltet und von dem ArmenpflegschaftSrathe verwaltet. Die„Münch. Post" hatte in vier Artikeln gegen Hofftetter eine Reihe Beschuldigungen erhoben, in denen dieser unredlicher Handlungen verdächttg be- zeichnet wurde. Festgestellt wurde in der Verhandlung, daß viel mehr Nieten verkauft wurden, als wie der ver- öffentlichte Gewinnplan gestattete— wurde viel gekauft, so wurden immer noch Nieten hinzugethan—; daß ferner für die Gewinne weniger aufgewendet wurde als wie vorgeschrieben; daß die Lieferanten des Glückshafens von der Kommission zur Leistung von Trinkgeldern„für die Bediensteten" angehalten wurden, die Be- diensteten aber nur einen geringen Theil des.Geldes bekamen; daß auf diese Weise in einem Jahre mindestens 1500 M. Mehreinnahme entstanden, aber nirgends gebucht worden seien; daß die ganze Glückshafenkommission nichts von der Geschäftsführung wußte und nichts von der Buchführung ver» stand; daß amtliche Stempel an Lieferanten zur Benutzung gegeben wurden. DaS Gericht bezeichnete im Urtheil das Verfahren Hof» stetterS als objektiv rechtswidrig. Der Kläger Hofftetter hatte alle diese„Unregelmäßigkeiten" vor Gericht anfangs positiv in Abrede gestellt, mußte aber schließlich Alles zugeben. Trotz alledem wurde Schmid zu 60 M. Geldstrafe verurtheilt. — Eine besondere Methode gegen sozialdemokratische Ver» sammlungen brachte der Bürgermeister von Ranis bei Erfurt zur Anwendung. AIS dort am Sonntag die Veranstalter der Verfamm» lung im Lokale erschienen, wurde ihnen mitgetheilt, daß der Bürger» meister den Saal verschlossen und die Schlüssel an sich genommen habe. Als die Genossen in ein andere? Zimmer derselben Wirth» schast gingen, wollte der Gendarm dies nicht gestatten. Die Leute ließen sich nicht beirren und fingen an. Da hieß eS, der gegen» wärtige Wirth habe keine Konzession. Man zeigte ihm die Kon» zession des alten WirtheS und die Versammlung begann. Aber bald kam der Gendarm wieder und erklärte, die Konzesston sei am Tage zuvor gerade abgelaufen und löste die Versammlung auf. GemevkM&ftliftzvs« Berlin und Umgegend. Die GewerlschaftS- Kommisston hält ihre Delegirten-Ber» sammlung am Freitag Abend in den Arminhallen« Kommandanten» straße 20. ab.
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