Seite 2. Donnerstag, 8. Oktober 1932 ft. 238 Lebensführung einen Luxus leisten können, de dem Kaufmann früherer Zeiten ganz unfax bar erschienen wäre. Gewiß haben auch manch hart um ihre Existenz zu kämpfe. aber diesen wird es bei der Fortdauer der K.ise nicht bes ser gehen und ihnen wäre, selbst wenn ihnei durch di« 40-Stundenwoche eine< wisse Mehr belastung erwachsen Wine, durch Vermehrung der Käufer noch immer besser und wirkungs voller geholfen, als durch die Konserv'e-ung des heutigen Massenelend», wie es die züuftle rischen Führer des Handels- und©ererbe standes wollen, indem sie stch der zur.!ilde rung der Krise unerläßlich gewordene» Ver­kürzung der Arbeitszeit widersetzen. Nach den Erfahrungen, die man bei frü­heren Gelegenheiten gemacht hat, wird nie­mand das Gejammer« voni sicher drohenden Untergang des Handelsstandes im Fälle der Einführung der 40-Stundenwoche ernst neh­men können. ES ist Heuchelei, wenn die Zünft­ler das Bedürfnis der Kunden vorschützen und eine noch größere, wenn sie selber vorgeben, daß sie, indem sie gegen die Arbeitszeitverkür­zung Stellung nehmen, damit eigentlich das Interesse ihrer Angestellten wahren, von denen bei Einführung der 40-Stundenwoche angeb- sich viele ihre Stellungen verlieren würden eine Sorge, von der sie die Angestellten sicher gerne und freudig entbinden. Schön nur, daß sie wenigstens, wie einer der Oberzünftler, ein Herr StaatSgewerberat, versichert, nicht mehr darauf bestehen, die Läden wie einstmals von 3 Uhr früh bis 10 Uhr abends für den Kun­denverkehr offen zu halten, wozu nur zu sagen ist, daß die Herren Kaufleute sich auch damals bei 16-stündiger Arbeitszeit im Handel sich der Verkürzung der Geschäftszeit ebenso wider­setzen wie heute und ebenso den sicheren Ruin des gesamten Handels voraussagten. Propheten, die sich so ost und so ausgie­big geirrt haben, steht man einigermaßen mit Mißtrauen gegenüber. Im übrigen geht«S um größeres, als um dieBedenken" einsichtloser Menschen, wie die Führer der Organisationen der Kaufleute zu fern den traurigen Ehrgeiz haben, es geht um die Sicherung des nackten Lebens von hunderttausenden, ja Millionen Menschen, um die Abwendung der Gefahr einer Katastrophe, di« bei länger Fortdauer der Wirtschaftskrise unvermeidlich wäre. Es ist sicher ein Symptom für die Sieghaftigkeit des Gedankens der 40-Stundenwoche, daß sogar dir fascistische Regierung Italiens beim Inter­nationalen Arbeitsamt einen Vorstoß für die Verkürzung der Arbeitszeit unternommen hat, sicher nicht aus sozialer Gesinnung, sondern aus der Erkenntnis heraus, daß die rein kapi­talistischen Lösungsversuche uwbrauchbar sind und allein die Anpassung der Arbeitszeit an die Fortschritte der Technik eine Milderung der Krise bringen kann. Vielleicht dämmert es dabei unseren Zünftlern auf, daß das Unaus­weichliche sich vollziehen wird, ganz gleichgül­tig ob nun mit ihrem oder gegen ihren Willen! Ein Vorstoß Mer Völherbundligen. Genf , 5. Oktober. (Eig. Drahtb.) Der Welt­verband der Bölkerbunbsligen hat Dienstag dem Ausschuß der acht sogenanntenPionierstaaten" (Holland , Belgien , Dänemark , Spanien , Schwe­ den , Norwegen , Schweiz und Tschechoslowakei ) eine Entschließung übereicht, deren Anwendung di« Lösung der AorüstungSschwierigkei- t c n erleichtern könnt«. Darin wird als erster Grundsatz ausgestellt, die Gleichheit fürBesiegte" undSieger" in der Abrüstung. ES folgt ein wei­terer scharfer Borstoß gegen den Versailler Vertrag, dessen Einzelbestimntüngen über di« Abrüstung nicht etwa in den allgemeinen Vertrag ausgenommen, sondern in ihrer Gesamtheit um­geschmolzen werden müßten in«in geschlossenes Ganzes, das von allen Böllern vorbehaltlos und verbindlich angenommen werden könne. Um den hochgerüsteten Staaten den Verzicht auf ihre Ueberlegenheit zu erleichtern, wird auf die Bereit­schaft der anderen hingewiesen, sich für ein« Uebergangszeit mit einem Verzicht auf die volle Durchführung der zifternmäßigen Gleichheit ab­zufinden. Auch das unbedingte Verbot der An­griffswaffen könne über di« Zeitdauer des Ver­trages erteilt werden, um die öffentliche Mei­nung der gerüsteten Völker an diese neue Art der vertraglichen Friedenssicherung zu gewöhnen. Jede Abweichung vom Grundsatz der Gleichheit habe die Gefahr einer Aufrüstung der entwaffne­ten Staaten zur Folge. Die Abrüstung werde wesentlich erleichtert durch die Kräftigung der internationalen Friedensorganisation, wobei den LU ergreifenden neuen Maßnahmen nicht vvrge- griffen werden solle. Indessen seien die Verträge über die Schiedsgerichtsbarkeit, finanzielle Hilfe­leistung, Stärkung der Kriegsverhütungsmittel noch gar nicht von allen Staaten ratifiziert. Die Entschließung endet mit der Ueberzeugung, daß diese Grundsätze sehr wesentlich zur Förderung her augenblicklichen Arbeiten beitragen könnten. Cin Brief an den Ministerpräsidenten Kinder geyen zugrunde. Für die zurückgetretenen sozialdemokratischen Gemeindevertreter Rothau » hat Genosse Baum­gart! ein Schreiben an den Ministerpräsiden­ten gerichtet. Er schildert in der Eingabe die Lage der Gemeinde und der Ortsbewohner, spricht von den Bemühungen der Sozialdemo­kraten, Hilfe zu bringen und stellt dann fest: Die Unterernährung der Bevölke­rung von Rothau nimmt beängstigende Dimen­sionen an, besonders bei den Kindern ist di« Wi­derstandskraft gegen die nun häufig auftretenden Krankheiten gebrochen... Tie Gemeinde ist nicht mehr in der Lage, für ihre drei Schulen das Heizmaterial für de« kommende« Winter z« be­schaffen, da der Gemeinde kein Kredit mehr ge­währt wird. Wir waren schon im Vorjahre Augenzeugen dessen, in welchem Zustande die Kinder zur Schule gekommen sind. Im Elternhaus« keine warme Stube und kein warmes Essen, so sind di« Kinder früh stierend und hungernd in die Schul« gekommen. Noch nie war den Kindern der Aufenthalt in der Schule so angenehm, wie in dieser so harten, so traurigen Zeit. In der Schul« hatten sie ein warmes Klassenzimmer und er­hielten wenigstens«in« warme Mahlzeit täglich, wir können es aber nicht auf uns nehmen, die schwer leidenden Kinder in ungeheizten Schullo­kalen hungernd sitzen zu lassen, wie sich ja auch die Kinder in schlechtem Ernährungszustände außerstande fühlen, dem Unterricht« zu folgen. Es wird dann der Ministerpräsident noch­mals gebeten, seine Aufmerksamkeit Rothau zu- zuwenven und die übermittelten Denkschriften der Gemeindevertretung zu würdigen. Der Brief des Genossen Baumgart! ist ein erschütternder Aufschrei. Und wir Haben viele Rothaus im sudetendeutschen Gebiet! Ein Rothau liegt neben dem andern im Erzgebirge , Elbesandsteingebirge, Jsergebirge, Adlergebirge . Alle sudetendeutschen Arbeiter leiden die Not der Rothauer mit, leiden das gleiche wie die Opfer der Rothauer Katastrophe. Wie lange vermögen 'sie dies furchtbare Los noch zu ertragen? Nationaldemokratisdie Demagogie mit den Statsangestelltengehälter«. a 5. Oktober. Heute haben nun auch die mokraten und Bolksparteiler zur Frage der Staatsbeamten gehälter, die in der morgiaen Konferenz der Koalitionsführer bei UdrLäl endgültig bereinigt werden soll, Stellung genommen. Im Zentralvollzugsausschuß der National­demokraten referierten Petrovieky über die Wohnungsvorlage und Minister Dr. Matoutek über die politische Situation. Dann wurde eine Resolution genehmigt, in der die Partei zunächst in rührenden Tönen Klage darüber führt, daß ihre warnende Stimme, die zur Regelung der Staats­finanzen aufrief, nie beachtet worden sei. Schon zwei Jahre rufe sie nach der Errichtung einer parlamentarischen Sparkommission, die' eine radi­kale Herabsetzung des Budgets durchführen soll, und nach der Reorganisation der öffentlichen Verwal­tung und der staatlichen Unternehmungen. Auch einen WirtschaftSplan hätten sie schon immer gefordert, der die passiven staatlichen Betriebe auf eine gesunde Grundlage stellen und durch eiäe ziel­bewußte Reorganisierung der össentlichen Verwal­tung die Staatswirtschaft der heutigen schweren Zeit anpassen soll. Dir Partei könne unter diesen Umständen nicht mit den Anträgen auf Herabsetzung der Staats- beamtengehälter übereinstimmen. Sie erblicke in den Anträgen des Finanzministers eine schwere soziale Einbuße für die Staatsangestellten und zu­gleich eine Schädigung der ProduktionS- und Han­delszweige im Gefolge der Schwächung der Kaus­und Konsumfähigkeit der breiten Schichten ter Staatsangestellten. Daher lege das Plenum des Vollzugsausschusses den parlamentarischen Ver­tretern der Partei auf, sich gegen die beantragte Herabsetzung der Staatsangestelltengehälter aus­zusprechen. Dieses Kommunique läßt trotz aller schein­baren Schärfe doch noch so ziemlich alle Wege offen, denn daßdie beantragte Herab­setzung" durchgeführt werden könnte, das dürfte auch der Finanzminister selbst in seinen kühnsten Träumen kaum annehmen. Direkt demago­gisch ist das Kommunique jedoch, wo es von der rührenden Fürsorge der Partei um die Re­gelung der Staatsfinanzen spricht. Daß die Kassenlage des Staates so bedrohlich ist, daS haben in erster Linie die R a t i o n^a l d e mo­kraten auf dem Gewissen, die alle vorgeschla­genen Steuererhöhungen für die besitzenden Klas­sen mit größter Energie bekämpft und zumindest monatelang hinausgeschoben und schließlich ver­wässert haben, und die namentlich den N o t- fonds, den Genosse Dr. Czech in einer Zeit vorgeschlagen hat>^ da den Herren Industriellen wirklich noch genügend Geld zur Linderung der Not der Krisenopfer hätte abgeknöpft werden können, hintertrieben und nicht einmal die, rund 100 Millionen, die der Finanzminister schließlich vor den Ferien von den Arbeitgebern als Krisenbeitrag haben wollte, zugelassen haben. Hunderte von Millionen hätten den besitzen­den Klassen ohne große Folgen zu einer Zeit weg­gesteuert werden können, wo noch Geld genug da war. Diese Beträge fehlen jetzt in der Staats­kasse und machen die Situation kritisch! Den Gipfelpunkt der Verlogenheit stellt wohl der Ruf nach der Sparkommission dar. Ein« solche Kommission hat doch schon bald nach dem Krieg existiert; ihre gesetzliche Basis war nicht viel verschieden von dem neuen Enttvurf, der heuer vor den Ferien vorgelegt, aber noch nicht verabschiedet wurde. Vorsitzender dieser Kommission war aber Herr Dr. Karel Kra- mak in höchsteigener Person! Daß diese Kom­mission bald nach ihrer Geburt wieder selig im Herrn entschlafen ist, das ist zum großen Teil die persönliche Schuld der Herrn Dr. K r a m a r, der als Vorsitzender eben die nötige Energie hätte entwickeln müssen, um die Wider­stände, die sich der Kommission wohl entgegenge­stellt haben, zu überwinden. Jetzt auf einmal ist das Fehlen der Sparkommission an allem schuld; aber als sie bestand, do Haber die Herrschaften nichts getan, um sie zu erhalten und tatsächlich zu einem strengen Kontrollorgan der gesamten Staatswirtschaft auszubauen! Und ob Wohl die nationaldemokratischen Fabrikanten sich wegen der Schwächung der Kaufkraft je Gedanken gemacht haben, wenn sie ihren eigenen Beamten und Angestell­ten die Bezüge auf di« Hälfte oder noch mehr kürzen, ja die Leute zu Hunderten und Tausen­den überhaupt auf die Straße werfen und da­mit aus dem Konsum praktisch überhaupt auS- schalten? Volkspartei gegen Beamten­kabinett. Das Kommunique« der tschechischen Volks­partei stellt fest, daß ihr Parlamentsklub nach den Richtlinien des Vollzugsausschusses über die Erzielung weiterer Sparmaßnahmen in der staatlichen Finanzverwaltung, die so­fort wirksam wurden, verhandelt hat. Der Klub billigt« das Verhalten der beiden Minister in der Regierung und ermächtigte sie zu weiteren Verhandlungen nach den vom Klub beschlossenen(aber nicht näher ausge- führtcn!) Richtlinien. Mit aller Entschiedenheit sprach sich die Beratung gegen jede nichtparla- mentarische Regierung und für den Fortbestand der jetzigen Koalition in ihrer bisherigen Zu­sammensetzung auS. SuuerpoliMe Diskussionen. Klerikale gegen Rationaldemokraten. Die tschechische Presse aller Lager beschäftigt sich mit den innerpolttischen Vorgängen sehr aus­führlich. Bemerkenswert ist die Entschiedenheit, mit der die Klerikalen gegen das Projekt einer Beamtenregierung austreten. Die Angriffe der klerikalen Presse richten sich vor allem gegen dieNatiottaldemokraten, von denen, wie wir bereits gestern geschrieben haben, die Idee einer Beamtenregierung ausgeht. ,Hidove L.", daS Organ der tschechischen Volkspartei, stellen zunächst mit Empörung fest, daß sich die- rodnl Lisch" auf ein ungewöhnlich niedriges Niveau begeben, wenn sie schreiben, die Minister jener Parteien, welche gegen die Beamtenregie­rung austreten, fürchten um ihre Ministersessel. Wenn daS tatsächlich der Fall wäre, dann könnte man wahrhaftig zusammenpacken und von allem davon laufen. Es sei sehr verwunderlich, daß gerade Dr. Kramak, der im Jahre 1907 im Wiener Reichsrat so entschieden für daS allgemeine gleiche Wahlrecht eingetreten ist, nun für den Sturz der parlamentarischen Regierung und die Einsetzung eines Beamtenkabinetts sei. Bon den Regierungs­parteien seien die Tschechischklerikalen, die beiden sozialdemokratischen Parteien, die tschechischen Na­tionalsozialisten und die deutschen Agrarier gegen ein« Beamtenregierung, in der tschechischen Agrar­partei sei nur StanSk dafür. Di« Nationaldemokra­tie darf sich also nicht einbilden, daß sie das Schick- sal der Regierung in den Händen habe. StanSk Mr den Bürgerblock. Gewisse Hintergründe des Kampfes gegen die gegenwärtige Regierung decktNärodnl O s v o b o z e n l" auf: Die Gehaltsvorlage ist einfach zum Borwand und zur Gelegenheit der Eröffnung einer neuen Phase deS alten politischen Kampfes um die Macht, um Personen und um die Austragung alter Rech­nungen geworden. Es ist sicher kein Zufall, daß zu­gleich der Stanökflügel in der Agrarpartei von neuem sein« Aktivität erhöht und daß man von neuem für einen großen Bürgerblock zu agitieren beginnt, in dem die Agrarpartei, befreit von denDienern der Burg", die Nationaldemokra- ten, Gewerbetreibenden, Slowakischklerikalen und auch Tschechischklerikalen in einernationalen" Front vereinigen würde, welche mit der Burg und den Sozialisten abrechnen würde. Ma« will die deutsche Sozialdemokratie hinausdrangen. Ueber die Absichten der bürgerlichen Par­teien schreibt der Chefredakteur desPrLdo Lidu" S t i v l n in dem genannten Blatt: Für den Hinauswurf der sozialistischen Parteien auS der Regierung gibt es mehrere Rezepte. Da» «ine ist die Hoffnung nach Erneuerung der Herren-Koalition, was aber auf da« Hin­dernis der Zahlen stößt, durch welche die Kraft der einzelnen Abgeordnetenklubs ausgedrückt wird. Es ist bei der heutigen Zusammensetzung der National­versammlung sehr schwer, eine tragfähige Regie­rungsmajorität o h n e die sozialistischen Parteien zu- sammeuzurechnen. Deswegen werden wenigstens Versuche gemacht, die Stellung der sozialistischen Parteien innerhalb der Regierung zu schwächen. Das geschieht durch ein« wilde Hetze gegen di« deutsche Sozialdemokratie und ihren Vertreter in der Regierung. Die Id« dieser Hetz« ist di« Hoffnung, daß den deutschen Sozialdemokraten einmal die Geduld aus­geht und daß dem Dr. Czech die Nerven den Dienst versagen werden, daß die deutsche Sozialdemokratie aus dem Regierungsschiff hinausspringt und das Berhältnis zwischen dem sozialistischen und dem Bürgerblock in der Regierung sich zugunsten der Bourgeoisie verschiebt. Ein anderes Rezept besteht in der Auflösung der Nationalver­sammlung und in der Ausschreibung von Neuwahlen in der Hoffnung, daß Fascisten, Hakenkreuzler und Kommunisten hier und dort etwas von den Positionen der sozialistischen Parteien ab­tragen und daß dann erst die bürgerliche Majorität möglich sein wirb. Schließlich gibt es das Rezept für die Bildung einer Beamtenregierung über den Widerstand der sozialistischen Parteien hinweg, welche eine Regierung der Bürokraten nach den traurigen Erfahrungen ftüherer Zeiten nicht nur im Interesse des Volkes, sondern auch im In­teresse des Staates grundsätzlich ablehnen. Eine Be­amtenregierung würde zwar schwer eine Dtehrheit zusammenbringen darüber ist man in bürger­lichen Kreisen gut unterrichtet aber man rechnet anscheinend damit, daß man für sie unter irgend einem Borwand irgend«in weiter Ermäch­tigungsgesetz erzielen könnte und daß dann die Bramtenregierung ohne Parlament regieren könnt«. Wer die Zeitungsstimmen aus den letzten Tagen verfolgt, weiß, wie lebhaft die Frage einer Beamtenregierung erörtert wird. Wenn di« Partei­vertretung der tschechoslowakischen Sozialdemokratie es als notwendig erachtet hat, in ihrer samstägigen Entschließung den Gedanken einer Beamtenregierung sehr scharf zurückzuweisen, so geschah das sicher nicht ohne Grund. Vradao beharrt aut feinem . M mmalprogramm. Prag , 5. Oktober. Im Schlüßwort zur De­batte im landwirtschaftlichen Ausschuß erklärte gestern abends Minister BradaL, er sei stch dessen bewußt, daß sein vorgetragenes Programm nichts Großzügiges sei, aber er habe sich mit Rücksicht auf die Tragfähigkeit der Staatskasse von vornherein starke(?) Beschränkungen auf- erlegt. Großen Wert lege er nach wie vor auf die Kreditvorlage. Er stellte Deutschland alb Muster für die großzügige Lösung landwirtschaft­licher Fragen hin und erklärte, von den bescheidenen Forderungen, di« er vorgelegt habe, könne er nichts mehr nachlassen. TaS sei unmöglich; die Leute müßten einmal auch Erfolge sehen. Er deutete auch an, daß es vielleicht notwendig sein werde, Handelsverträge aufzukündigen,>md verwies auf Frankreich , das alle seine Verträge ge­löst habe. Was den landwirtschaftlichen Kredit betrefft, so sei höchstens ein Zinsfuß von 5 Prozent er­träglich, und das sei vielleicht schon zu viel. Weiter verwies der Minister auf die hohe Spannung zwi­schen den Vieh- und Fieischpreisen und urgierte die Bildung eines Molkereijonds. DaS Budget seines Ministeriums sei um 9.5 Millionen herabgesetzt worden; er wisse nicht, ob man damit ausreichen werde. Hinsichtlich der Landeskulturräte gab BradaL die nichtssagende Antwort, daß diese Kor­porationen den Landwirten gehören. Es lägen da gewisse Fehler und gewisse Traditionen vor; er sei überzeugt, daß man auf gewisse Wünsche werde Rücksicht nehmen und sie in den ganzen Organismus werde einfügen müssen. Das Getreidefyndtkat sei verspätet ge­kommen. Es sei möglich, daß kein anderer Weg alS daS Monopol übrig bleiben werde. Gegen­über dem ablehnenden Standpunkt' einiger Parteien gegen«in Biehshndikat erklärt« der Minister, daß auch ein schlechter und unzureichende» Syndikat doch eine Bast» sei und ein gewisser Plus bedeut«. War das verlangte Kartellgesetz betreffe, so habe er mit dem Justizminister Dr. Meißner die Vereinbarung getroffen, daß da» Justizministerium diese Vorlage ausarbeiten werde. Auf die Einfuhrscheine könne er nicht verzich­ten, außer es werde eine andere Form gefunden. Auf den Vorschlag, die hiefür bestimmten Gelder für eine Hilfsaktion zu verwenden, sei das Finanz­ministerium bisher nicht eingegangen. Abschließend appellierte der Minister an den Ausschuß, die landwirtschaftlichen Forderungen ob­jektiv zu beurteilen und das vorgeschlagene Pro­gramm zu verwirklichen. Tie Verhandlungen über die Landwlrlscha?tskredite abgebrochen. Prag , 8. Oktober. Die heutig« Sitzung deS Koalitionsausschusses zur Beratung der Land­wirtschaftskredite erwies sich als beschluß­unfähig, da der Vertreter der tschechischen Sozialdemokraten, aber auch der deutsche Landbündler nicht erschienen waren und später auch der Vertreter der tschechischen dlatio- nalsozialisten die Sitzung verließ. Der Vorsitzende Marcha zeigte zunächst Lust, di« Beratungen trotz­dem fortzusetzen, gab jedoch diese Absicht schließ­lich auf. Genosse I a k s ch vertrat die Ansicht, daß die Verhandlungen zu keinem Ziele führen konnten, solange nicht ein umfassendes Ar­beitsprogramm der Regierung vor- ltege. In diesem Sinne wird auch der Ausschuß­varsitzende beim Ministerpräsidenten interve­nieren.