Mzelprelr 70 Heller. (Einschließlich S Heller Porto) 12 Jahrgang. Mittwoch, 12 Oktober 1932 Rr 241. »er Kongreß der Jugendinternationale beendet. Die Köngreßverhandlungcn werden Dienstag früh fortgesetzt. 'Den Bericht der Mandatsprüfungskommission erstattet Gen. K l u p p(Oesterreich  ). Am Kon­greß nehmen 77 Delegierte von 20 Verbänden aus 15 Ländern teil, außerdem 27 Gastdelegierte, Der Antrag der Mandatsprüfungskommission auf Anerkennung sämtlicher Mandate wird einstim­mig angenommen. Hierauf setzt der Kongreß die Aussprache über di« Referate:Kampf umden Frieden", fort. Als erster Redner spricht Gen. Pans Hansen (Dänemark  ), der davor warnt, die Macht der Inter, nationale zu überschätzen, damit bei der Arbeiter­jugend keine' falschen Illusionen erweckt werden. Die Jugend soll eine nüchtern«, konkrete Vorstel­lung von dem Kampf der Internationale gegen den Militarismus erhalten. Er spricht weitet über die Abrüstungspolitik der dänischen Sozialdemokraten. O h l i g(Deutschland  ) spricht über den Kampf gegen den Nationalismus in Deutschland  . Barsch»ko ff(Bulgarien  ): Jetzt noch leiden die Balkanvölker und mit ihnen die Jugend unter den Folgen der Kriege, die von 19(2 bis 1918 die Balkanländer hcimsnchte. Immer noch-estehen neue Kriegsgefahren. Unterdrückte Minderheiten und hungrige Flüchtlinge bjlheu die Voraussetzung ssir die Entwicklung nationalistischer V.cstredungen. Ter bulgarisch« Genosse fordert, daß sich die S. I. I. entschieden für den Schutz der durch die Friedens­verträge geschädigten Minderheiten«insetzt. S z a k a s i tz(Ungarn  ): Es gilt auch geistig abzurüsten und die Friedensliebe den jungen Men­schen von Kind auf anzuerziehen. Die ungarische Arbeiterjugend erblickt in-den internationalen sozial­demokratischen Organisationen den stärksten Faktor im Kriege gegen den Krieg. Berger(für die internationale Arbeits­gemeinschaft jüdischer, sozialistischer Jugend­organisationen) bespricht Minderheitenfragen, di««ft Kriegsgefahren in sich schließen. F a v i e r(Frankreich  ) spricht über die geheime Waffenerzeugung und über die Verständigung zwi­schen den Rüstungsindustrien aller Länder. Auch funktionierende Demokratien(Frankreich  ) sind nicht imstande, den Willen des Volkes, der bei Wahlen zum Ausdruck kommt, zu verwirklichen. Nur die einheitliche Arbeiterklasse kann den Kampf gegen den Militarismus führen. * Die Diskussion über die antimilitaristischen Referate ist mit der Rede des französischen   Ge­nosten beendet, der Kongreß kommt zum nächsten Punkt seiner Tagesordnung: Arbeiterjugend und Wlrtsduiltshrlse zu welchem Thema Genosse Anton Kimml, Wien  , spricht. Emen Auszug aus seinem instruk­tiven Referat werden wir morgen veröffentlichen. Dienstag nachmittags setzte die Jugend­schutzdebatte. im Anschluß an das Referat des Gen. Anton K i m m l. ES sprachen S z a k a s i s(Ungarn  ): B e r- ger(Internationale Arbeitsgemeinschaft jüdi? scher sozialistischer. Jugendorganisationen);. Ba­tt e u k e m(Belgien  ); Raus(tschechische sozial­demokratische Jug«nd);- E b e r l i n g(Deütsch- laud); J un g«l. s o n(Lettland  ), und Toorn- st r a(Holland  ), In dieser Debatte sprach auch der Sekretär unseres Verbandes, Gen. Rudolf Geißlsr, der ausführte: , Trotz der aufopstrndey Tätigkeit des jozjqtdemo- kratischen Fursorgeministers Gen. Dr. Ezech leider die deutsche und tschechische Arbeiterjugend noch schwer unter den Ausryirkungen der Krise, besonders die im Industriegebiete wohnende deutsche Jugend. Di«, sozialistischen Jugendorganisationen dieses Staates erheben, nach wie vor wichtige wirt­schaftliche Forderungen für dir arbei» t« nd e I u g« n d. Noch mehr Fürsorge für di« arbeitend« Jugend, Aushau der Heimstätten, Einführung der Arbeits­losenversicherung. All dies« Forderungen fährt Geißler fort, beinhalten gegenwärtig« H lfs- m atz nahmen für di« arbeit« ude Jugend. Unser Hauptkampf geht nm di« Umgestaltung der Wirt- schaftsordnung überhaupt, um den Sozialismus. Das neue DUro setzt sich aus folgenden Mitgliedern zusammen: 1. Vorsitzender: Koos Vorink(Holland  ). 2. Vorsitzender: Walentheim(Schweden  ). 3. Vor­sitzender: Aubry(Belgien  ). Beisitzer: Kasäl (LSR., tschechischer Verband), Kanitz(Oester­ reich  ). Es fotzen die Berichte aus den Kommis­sionen über die dem Kongreß vorliegenden Resolutionen. Alle Berichte«nd Resolutionen werden so, wie sie di« Kommissionen Vorschlägen, angenommen. Wir bringen sie Entschließungen des Kongresses morgen. Dann wurden einige Beschlüsse organisatorischer Natur gefaßt. Genosse L i n d st a e d t, Hamburg  , überbringt die Einladung der Hamburger Arbeiterschaft, den nächsten Internationalen Jugendtag in Ham­ burg   abzuhalten. Zu diesem Tagesordnungspunkte erstatteten am Montag die einleitenden Berichte Koos V o r- rink, Amsterdam  , und de Brouckhre, Brüssel  , In einer Rede führte Koos Bo trinkt Amsterdam  , der Vorsitzende des holländischen sozialistischen   Jugendverbandes, u. a. folgen­des aus: In der kriegsmüden Menschheit des Jahres 1918 lebte die Sehnsucht nach Frieden mit nahezu elementarer Kraft. Sie glaubte an die große Verheißung der Sieger: Dies war der letzte Krieg. Auch aus der Not der Generation, die im Hinter­land aufwuchs, wurde die Parole geboren: Nie wieder Krieg! Das wurde auch die Losung jener, die selbst in den Schützengräben erfahren hatten, wie die Hölle des Todes und Verderbens beschaf­fen ist, der sie wie durch ein Wunder entrannen. Ein neues Zeitalter wurde eingeleitet, als der Weltkrieg durch die Erschöpfung der Völker ein rühmloses und dunkles Ende nahm: Das Zeit­alter der V ol ks ver a n t w or tl ich kci:. Und unzweifelhaft steht am Tore zu dem Zeit­alter der Demokratie die große Aufgabe der Er­ziehung zur Demokratie, der Erziehung zum Mute der Verantwortlichkeit. Wenn diese Erziehung gelingt, die den Kern der Tätigkeit der Sozialistisck)«» Jugendinternationale bildet, dann besteht dos erste Ergebnis darin, daß der Krieg für immer und bedingungslos in den Bann getan wird. Der Kampf um die Wirts cha f t l i che B o r m a ch t in der Welt bildet heute noch wie vor 20 Jahren die Triebkraft der Rüstun- g e n. Seit dem Ende des Weltkrieges hat sich ge­zeigt, daß sich der Militarisnius nicht mif einen: Schlage vernichten läßt. Die Sehnsucht noch dem Frieden hat sich nicht als hinreichende erwiesen, dos im Kriege gesäte Mißtrauen auszurotten. Der Nationalismus erhebt wieder drohend sein Haupt, dunkle Persönlichkeiten aus der Vergan­genheit spielen das alt« Spiel. Was haben wir der jungen Generation z« sagen, die dos Entsetzen des Krieges nicht auL eigener Erfahrung kennt? Der internationale Gedanke hat durch die Entwicklung der modernen Gesellschaft gewaltig an Kraft gewonnen. Ja, selbst die ganz, besonders nationalen" Bewegungen, der Fascismus und die Fascisten, entlehnen ihre geistige Ausrüstung aus dem Italien   Mussolinis. Dazu kommt, daß die Entwicklung des Wirtschaftslebens alle Men­schen ohne. Unterschied der Nation und Raste immer stärker zu einer S ch i.cksalsge m e in- schäft zusammeygeschmiedet hat. Diese Schick- salsgcmeinschaft wurde durch die im Gefolge der Wirtschaftskrise getroffenen Autarkie-Maßnahmen der einzelnen Länder empfindlich gestört. Wir müsten der jungen Generation sagen, daß der jetzige Wirtschaftskrieg Gefahren zeigt, die den Ausbruch bewaffneter Hierauf hält der neue Vorsitzende der Sozia­listischen Jugendinternational«, Koos V o r r i n k, Amsterdam  , eine Ansprache. Er dankt zunächst den ausscheidenden Büromitgliedern.. In begeistern­den Worten ruft er zu neuer Arbeit auf. Genosse Heinz dankt« für die auSscheiden- den Genossen in bewegten Worten für di« Aner­kennung. Er dankte der Stadt Prag   für das außerordentliche Entgegenkommen, den Jugend­verbänden der Tschechoslowakei   und seinen .Helfern. Heinz sagte,- die Delegierten der Jugendinternationale ein musterhaftes Beispiel internationaler Zusammenarbeit sahen und. daß die Jugcndknternationale stolz ist auf die Tätig­keit der Jugendverbändc in der Tschechostowakei. Er würdigt sodann die Arbeit des Kongresses und die künftigen Aufgaben der Sozialistischen Ju­gendinternationale. Zuversicht erfüllt«ns: Der Sozialismus wird siegen. Ein dreifachesFrei­heit!" ertönt dann braust dieInternatio­nale" durch den Saal. Der herrliche Kongreß der Jugend ist beendet. Konflikt« zwischen Völkern oder Völker­gruppen zur Folge habe« können. Wir-. müssen uns in erster Linie, gea e n de ü' Na ti. o na liH'm ü s wenden,.sich so gerne mit den, Helden der Vergangenheit recht­fertigt. Die brutalste und geistloseste Form des Nationalismus, der Fascismus, übt auf große Teile der jungen Generation eine starke An­ziehungskraft aus. Es ist der Wunderglaube an Kommunismus und Fascismus, die die radikal­sten Parolen und lautesten Fanfaren haben. Ter Fascismus hat einen Verwiloerungspro- zeß unter der Jugend eingeleitet, wie er ärger nis vorstellbar war. Dagegen müsten wir"den schärfsten Widerstand leisten. Die Errichtung einer mit Autorität und Der- trällen ausgestatteten internationale» Rechtsgcmcinschaft, worin der Krieg als eine menschenunwürdige und nutzlose Barbarei abgeschafft worden ist, das ist die große Auf­gabe der heutigen Generation. Dabei wird die junge Generation gegen diejenigen, die sich immer wieder in platonischen Liebeserklärun­gen für den Frieden erschöpfen, ihre Macht aber zur Stützung d«r friedensfeindlichen Tendenzen benützen, mit aller Kraft wenden müssen. Die Entwicklung der internationalen Zusam­menarbeit ist von der Kraft und dem Einfluß der sozialistischen   Arbeiterbewegung abhängig. Es ist jedoch verhängnisvoll, daß bisher noch niemals sozialistische oder unter sozialistischem Einfluß stehende Regierungen von England, Deutschland  und Frankreich   sich g l e i z e i t i g in Genf   begeg­nen konnten. Die Kritik an dem Völkerbund müs­sen wir Positiv gestalten durch den Einfluß der Arbeiterparteien auf ihre Regierungen. Bei den Aktionen, die der Internationale Ge­werkschaftsbund und die Sozialistische Arbeiter­internationale im Falle des drohenden A u s- bruchs eines Krieges unternehmen müß­ten, müßte die sozial!stische Jugend den Kampf gegen den Krieg in der er st en Reihe nritführen. Die Erziehung zur mternationalen Solidarität muß die Jugend für solche Entschei­dungen reif machen. Die Sozialistisch« Jugendinternationale selbst ist der Ausdruck des festen Glaubens der jungen Generation an den internationalen Sozialismus. Die Jugend Europas   strömt über die Grenzen, strömt in einem großen Becken sozialistischen Wollens und sozialistischen  Glaubens zusammen und ruft der Welt zu: Hier sind wir, die neue Jugend. Wir rufen über di« Erde  : Frieden! Richt«ur, weil wir denKrieg hassen, sondern mehr noch: weil wir an den Frieden glaube«. Aus den Millionen soll sich der starke Wille zum Frieden erheben, der dann einem erfrischenden Windstoß gleich durch die dumpfen Ministerkabinette. Parla­ment« und Konferenzsäle fahren soll, so daß (Schluß aus Seite 2) Mißbrauch eines Wortes. Das Wort Not wird in letzter Zeit in aller Leute Mund geführt, es ist geradezu Mode geworden. Ob man ein« Rede hört oder einen Artikel liest, ganz gleich, ob in einer bürgerlichen oder agrarischen Zeitung, ob man die Auseinandersetzungen in den Aus­schüssen des Parlamentes verfolgt, immer und immer wieder wird auf dieNot" oder Not­lage dieser oder jener Wirtschaftsgrupp« hin­gewiesen und dringend Hilfe für sie verlangt. Die Industrie befindet sichin größter Not", die Landwirteertragen die Notlage nicht länger", das Gewerbegeht in schrecklicher Not zugrunde", kurzum es gibt nur noch Not auf der Welt. Wenn nun so nebenbei noch irgendwo behauptet wird, daß auch die Ar­beiterschaft Not leidet, so ist man auf der anderen Seite geradezu entrüstet, denn die Not ist zum Monopol aller bürgerlichen Schichten geworden, man hört es nicht gern, daß auch ander« dies« Bezeichnung für sich in Anspruch nehmen. Ja, cs ist schon so, daß die BezeichnungNot" im Zusammenhang« Mit den Arbeitslosen jede Wirkung verloren hat, weil sie heute zum Allgemeingut der Menschen, und besonders der Besitzenden ge­worden ist. Not ist heute kein Begriff mehr, der Entsetzen ausdrückt, sondern durch den Wißbrgpch der mit diesem Wort getrieben wird, ist er eine jener oberflächlichsten Aus­drücke geworden, die niemand mehr ernst nimmt. Deshalb mutz einmal nachgewiesen werden,- daß mit der Not des Bquern, des Gewerbetreibenden und der Industrie, keine Einheit mit der Not der Arbeitslosen besteht. Bei der Landwirtschaft, der Industrie, dem Gewerbe ist die BezeichnungNot" im besten Falle der Ausdruck für.schlechte Preise oder schlechten Geschäftsgang, also übersetzt in die Terminologie des Arbeiters: zu geringer Lohn oder Kurzarbeit. Aber auch weniger Einkommen bei den Landwirten, den Ge­werbetreibenden und erst gar bei den Herren von der Industrie, bedeutet noch lange nicht Lebensnot, sondern es kann, wie die Bei­spiele zu hunderten beweisen, auch in dieser Zeit dem Agrarier, dem Fabrikanten und dem Geschäftsmann« oder Handwerker trotz der gegenwärtigen Wirtschaftslage nock) sehr gut gehen, er kann üppig leben und braucht sich noch lange nicht jede Freude und jedes Vergnügen versagen. Ihn bedrückt es, weil der Gewinn, den er aus seinem Betriebe zu ziehen gewohnt war, sich in der Zeit der Krise verringert hat. Sonst aber spiirt er körperlich meist nichts von der Ungunst der Gegenwart. Was aber bedeutet denn für den Arbei­ter, den Angestellten das Wort Not? Hier wird cs zum lebendigen, allerdings auch pei­nigenden Begriff. Der Arbeiter und Ange­stellte, der durch Kurzarbeit oder Lohnkürzung die Krise zu verspüren bekommt, mutz dieses vernrinderte Einkommen durch Ersparungen wettzumachen versuchen. Durch Ersparungen, die sich unmittelbar auf sein und das Loben der Seinen auswirken. Er ist nicht mehr im­stande, Anschaffungen für Haushalt und Kleidung zu machen, mutz also seiner Be­quemlichkeit und seiner Wohn- und Körper­kultur entsagen, vielfach schon körperlich durch diese Entsagung, und damit auch gesundheii- lich Schaden erleiden und wenn die Lage für ihn besonders ungünstig ist in hun­derttausenden Fällen seine Ausgaben für die Ernährung wesentlich herabsetzen, kann also dadurch nicht nur schlechter, sondern»leist auch noch weniger essen, als für seine Gesundheit und für die Gesundheit seiner Frau und Kin­der notwendig wäre. Hier ist die Not zu einer erschütternden Tatsache geworden, erschütternd für jeden, in dem noch nicht alle Gefühl? qb gestunlpft sind. Und erst die Arbeitslosen! Was versteh: man darunter, wenn man hört, daß sich die- j ser oder jener Arbeitslose in großer Not de- ver Kampf um den Frieden. Die Referate der Genosseq Koos vorrlnK und De Droudtäre.