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Sonntag, 25. Dezember 1932

Versinkende Welt.

Von Emil Franzel ,

klein­

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Ar. 304

ftung. Ihre Wirtschaft muß sich erschöpfen. jent und fertig von der Maschine zu beziehen, ivas Der empfangende Staat aber wird mit Tribut­wir ehedent in seinem Werdegang beobachteteit waren überschwemmt und diese Flut erdrückt und umsorgien. Ohne Andacht essen wir heute unseren Weihnachtsfisch, ohne ihn vorher im Bot­seine eigene Erzeugung. Er versucht nun durch Zollmauern die Leistungen, die er selber poli­tich bestaunt zu haben, gewissermaßen als einen tisch erzwing, doch wieder wirtschaftlich abzu­Als die Regierung der deutschen Kontrerevo-] heute zwischen dem Proletariat und seinen ein Biscis ex machina" und der letzte Nachfahre des wehren. Das Kriegsschulden- und Tribut- lution der Welt einen Beweis ihrer konservativen bürgerlichen Randschichten besteht, für die geistige sterlamms, welches mit den Jüngern zu essen es problem aber ist seinem Ursprung nach ein Gesinnung geben und den Untertanen die Rück- Zerrissenheit, die mitten durch die Arbeiterklasse den Herrn gelüftete, wird zum Nahrungsmittel, fehr zum wahren Christentum verdeutlichen geht, gibt die so verschiedene Wertung des alten das man wie eine Liebig- Konserve nach Kalorien politisches und kein wirtschaftliches Problem. wollte, führte sie den ominösen Zwickel ein und und des neuen Lebens, je nach dem Punkt, von mißt. All das gesehen vom Kleinbürger, wie er Es zu lösen erfordert eine höhere Gewalt, die verbot das Nacktbaden. Es war ein Beweis mehr dem aus man es sieht, zwar nicht die restlose Er- auch in manchem von uns lebendig ist; wie anders über den Staaten steht, oder eine rückhalt- für die Hoffnungslosigkeit des Beginnens, in die- flärung, wehl aber zeigt sie einen Weg in die steht es der Prolet, für den die mechanische Maß­senspeisung, die auch dem armen Teufel etwas zu Lose Zusammenarbeit aller Staaten. Wie weit jer Zeit noch einen tonservativen Lebensstil zu psychologischen Probleme unserer Zeit. sind wir von einem solchen Ziele entfernt! bieten hat, die Demokratisierung des Essens und diftieren. Ein Regime, das sich der Gefühls- Welcher Abgrund zwischen den Welten öffnet Die politische Staatenordnung der Welt verte, von denen es lebte und die es zu verlieren sich dem Betrachter, der in die Tiefe der Erschei- ein Stück ſagen wir immerhin Zivilisation, Erschei- wenn schon nicht Scultur bedeutet! Nun ist so zum entscheidenden Hemmnis für ihre hatte, bewußt gewesen wäre, hätte früher und bei nungen zu blicken und sie an den kleinen Symp vollends in dieser Kerise, die den Kleinbürger zumi wirtschaftliche Gesundung geworden. Die Auto- ganz anderen Problemen als dem der Nadtfultur tomen zu messen versteht! Einst( und es ist noch Pauper macht und den Proleten zum Bettler, matik des Kapitalismus könnte nur dann und der Negertänze, der Bubiköpfe und des Jazz nicht so lange her) strömten zur Weihnachtszeit versinkt für beide das Joyll von einſt und sie bersinkt für beide das Joyll von einſt und sie wirksam werden, wenn die Weltpolitik die bands mit dem Diktat eingesetzt. Es hätte bei die Freunde von fern und nah dem natürlichen stehen vor, den Riesenfenstern der Zugushotels Stahlstifte, die sie in das Uhrwerk getrieben Technik das Mittelalter nicht schlechthin ver- große Vergatterung der Versprengten, und der Wohlstand nachtrauernd, der andere auf Vergel­spielsweise, Jahre vor dem Krieg schon, als die Mittelpunkt des Familienkreises zu; es war die und der Millionärsvillen, der eine vergangenem hat, selbst wieder zu entfernen die Kraft be- drängte, sondern zu erobern und sich als Orna- Christbaum schien der Mast des Seglers, auf dem fäke. Nirgends in der heutigen kapitalistischen ment einzugliedern begann, dies drakonisch ver- ein Geschlecht die Strudel und Wogen des Lebens- tung jinnend. Welt, nirgends in der Bourgeoisie der Groß- bieten müssen. Als man die Kirchen elektrisch zu meeres durchsteuerte. Stand er noch irgendwo, sinkt die alte Zeit des holden Weihnachtszaubers, Mit der Geschwindigkeit des Meteors ver­mächte sehen wir diese Kraft und so bleibt beleuchten und die Orgeln elektrisch zu blasen an- mochte er auch noch so klein und mochten die vier die uns eine Welt äußeren und inneren Gleich­denn nur ein Ausweg und eine Hoffnung: fing damals hätten die gekrönten und gefalb- Wände um ihn so eng und ärmlich wie sie woll- die uns eine Welt äußeren und inneren Gleich­gewichts vortäuschte. Die Zahl der Hungernden Die gesammelte Kraft der Arbeiten Hüter der Tradition zugreifen müssen. Vor ten sein, dann gab es die Familie noch und gal- und Obdachlosen ist Legion, groß fällt der Schat­terklasse der Welt muß das poli- allem aber hätte ihnen ein Licht aufgehen können, ten noch die Gesetze, nach denen man lebte, arbeiten des armen Mannes auf der Straße in die tische Welt system brechen, um auch als der Fortschritt es in form elektrischer Glühtete, wuchs und verging. Seute tragen die Extra- letzten Zufluchtsstätten fleinbürgerlichen Sami­Weltsystem chbirnen birnen statt der altüberkommenen Wachs- oder züge und Autobusse zur Weihnachtszeit die Ment- lienglücks, würgend fist dent bescheidenen Zecher die Weltwirtschaft neu zuordnen. Talgkerzen auf die Christbäume jette. Das war schen in die Berne , die Familien streben ausein an der Christnachtstafel die Angst vor dem Wor ausein- englücks, Es ist kein Ausweg als der Sozialismus gege- ber Stoß ins Herz altbürgerlichen, fonservativ- ander, die Masten der Christbäume ragen einsam gen in der Kehle, wissende Kinder ertvarten keine ben. Nirgends ist die lebendige Kraft auffindbehäbigen und befchaulichen Lebensstils. und zwecklos wie im Hafen die fahlen Mastbäume himmlischen Wunder mehr, sondern fordern von

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bar, die das internationale Chaos bezwingen In den Bilderbüchern, die auf den Weih der letzten Segel. Die Kinder aber fahren der Weihnachtsgabe, daß sie den neuesten Anfor­fönnte, wenn es nicht die Macht des geeinten nachtstischen meiner frühen Kindheit lagen, gab in winterlager und freuen sich auf die Massen derungen der Technik entspreche, und fänden es Weltproletariats ist. Und nirgends ist eine es noch Christbäume mit feinem anderen Schmud und Klafferung, die ihnen uniforme unmodern, wenn nicht alles aus der Maschine organisatorische Idee erkennbar, die als den vergoldeten Aepseln und Nüssen, den Gaben bringt und der Illusion des Christkinds täme: Baum und Puppe, Christkind und Bau­die Dinge meistern könnte, außer die Idee des hausbackenen Lebkuchen und Brekeln und dem entraten kann. Ein unerhörter Fortschritt für fasten. Der Schnee ist nicht mehr da, den Engeln Sozialismus. Wie lange, meint man, werden Stern von Bethlehem über den wächsernen er den Arbeiter und vor allem für das Arbeiterkind, bie Bahn zu ebnen, sondern dient zum Stifah­Ker­die Massen vor den überfüllten Gütermagazi- zen. In der Wirklichkeit habe ich nur Chriſt das chedem so oft statt vor dem erleuchteten ren, er wird in Zentimetern gemessen und seine nen hungern? Wie lange die dreißig Millio- bäume, mit allem Firle fans industrieller Ramich Christbaum vor dem falten Ofen jah, bungernd Tiefe von der Tabelle abgelejen. Lauschten pir ware behangen, und später dann besagte elektrisch und frierend, nicht in Dankbarkeit gegen den als Kinder andächtig dem Klang der Gloden, der nen Arbeitslosen der Welt vor den stillstehen- beleuchtete Romantik ohne Zauber gesehen. Die Weihnachtsmann, sondern zitternd vor dem be- über verschneiten Wald aus der Mitternachts­den Maschinen batenlos feiern? Wie lange Produkte der Glas, Papier- und Metallindustrie trunkenen Vater, der Fuselgeruch und Brügel mette herüberwehte, so läuten uns jetzt im Rund­sollen die darbenden Völker mitansehen, wie mochten noch hingehen, als die Glühlämpchen heimbrachte, ein wirklicher Fortschritt zu lichteren funt gleich die Glocken von drei Dutzend deut­man sie, die füreinander zu arbeiten und mit famen und Edison das Weihnachtswunder voll eiten, wenn das Kind des Proleten heute die schen Domen und wir empfinden es als technische einander zu genießen bereit sind, durch Zoll- brachte, war es mit der alten Zeit vorbei. Weihnacht in der solidarischen Gemeinde seiner Sensation. Wenn wir Glück haben, sagt uns und Verbotsmauern voneinander trennt, wie Das kann freilich nur empfinden, wer in Spielgefährten verbringt, fern vom erbrückend man die Völker gleichsam bei lebendigem Leibe einer Falte seines Herzens noch einen Rest der Dumpfen und sorgenbeschwerten Elternhaus, einer zwischendurch der Sprecher, ein verkörperter und allgegenwärtiger Geist der Zeit, wie die Bilanz einmauert wie die sündigen Nonnen des Mit Kleinbürgerseele trägt, nicht ihrer schäbigen und frohen Zukunft Sinnbild vor Augen. Für die des Weihnachtsgeschäftes war und welche Aktien telalters? Die Mißstände unserer Zeit sind so betulichen, spießerlichen und beschränkten Larve, versinkende Welt des Kleinbürgers aber ist es un- steigen werden. Die Wochenschau, die wir am fondern ihrer ehrlichen Bravheit, die mit dem vorstellbar, daß dem Kinde anderswo als im nächsten Tag besichtigen, zeigt uns, wie sie in himmelschreiend, daß ihre Beseitigung unver- Leben hart fämpfte, aber Schwung genug hatte, Heim der Eltern Freude werde, daß es unter Hollywood Weihnacht feiern: in Badekostümen, meidlich und unaufschiebbar geworden ist. Und im engen Streis den Blick ins Freiland der Phan fremdem Dach die stille, die heilige Nacht ver- unter Balmen, zwischen die ein braver alter nor offensichtlich ist, daß sie beseitigt werden kön- taste zu behalten. Das Proletariat in seiner bringe, ohne sich in Leid und Sehnsucht zu verdischer Christbaum wie ein Hanswurst gestellt und nen mur durch Sozialismus und Internatio abitalen Erscheinungsform bedeutete schon die zehren. dem öffentlichen Spott ausgesetzt wird. nalismus, nur unter der Parole, die Karl faktische Auflösung des Lebensstils und des Welt- Jenseits von Glauben und Kirchendisziplin Sehr fachmännisch beurteilen die Kinder ihre Mary uns schon im Jahre 1847 gegeben hat: bildes dieser Kleinbürger, deren es unter dem bestand für den Bürger der alten Zeit am Weih- Geschenke; es sind nicht mehr bunte Reiter und Proletarier aller Länder veransässigen, an der Scholle und dem sozusagen an- nachtstag das ungeschriebene Gesetz mannigfacher scheckige Pferde, sondern Tanks, Flugzeuge und einigt euch! Diese Parole ist in der wirt- gestammten Betrieb haftenden Arbeitern noch Bräuche, mannigfach gestuft und verwandelt nach Automobile. Sie wissen um die technischen schaftlichen Adventzeit, die wir durchleben, biele gab. Wen das Schicksal alle zwei Jahre in Land und Volk. Es war vielleicht der einzige Kniffe und tun sehr altflug, wenn sie ihre An­das wirkliche Sonnenwendzeichen und der beste ein anderes Revier und viermal im Jahr in ein Tag im Jahre, da auch der Deutsche wie sonst sichten über Automarken austauschen, die unser­anderes Quartier warf, wer in den Steinmassen nur der Westeuropäer oder in unseren Bereichen einer faum vom Hörensagen kennt. Bald wird Weihnachtsgruß. Wenn alle Ideen der alten der Metropolen und in den Mietsgefängnissen höchstens der Angehörige der sozialen Oberschicht man ihnen die Vorlesungen von Sigmund Freud Welt hingewelft sind, der Sozialismus ist das ihrer grauenhaften Vorstädte begraben war, so eine Mahlzeit der feierlichen Liturgie unterwarf, unter den Weihnachtstisch legen und die Begab immergrüne Reis, das unsere Hoffnung auf daß ihm an der Wiege ein Orchestrion fang und die den Speisezettel und die Reihenfolge der testen werden psychoanalytische Stubien über Rot­recht erhält, das unverlöschbare Licht, das uns ein Sterben vom Lärm der Wirtshaus- Schläge Gänge vorschrieb, dabei nicht vergaß, zwischen die tänvchen und Schneewittchen anstellen, denn zu in diesen Tagen leuchtet. reien und Polizei- Razzien umtobt war, ber sieht opulenten Gerichte jüngeren Datums die aus was anderem find die Märchen längst nicht mehr von der neuen Zeit nur das Schöne und hat die alter und ärmerer Zeit überkommenen Speisen muß, das haben die Alten inzwischen heraus­alte bis zum Eifel überdrüssig. Oft tragen wir wie Pilze oder Hirsebrei einzuschieben. Mit wel- theoretisiert. Es ist für jeden, dessen Herz an Ihr müsset un beide Seelen in der Brust, die Sehnsucht des cher Weihe wurde diese Mahlzeit überdies die dem Tand von gestern hängt, der in einen Slang ausgesetzt( Kleinbürgers nach dem veriunfenen Zauber einer einzige, die der Kleinbürger erst als Diner" nach aus einer Zeit vernarrt, in ihr Bild verliebt und Die Verbreitung unserer Zeitung agitieren. Vergangenheit, die den Glanz vergrabener und französischer Sitte am Abend einnahm, wäh- der Erinnerung verfallen ist, eine wahrhaft gott­Geht euch überall für unsere Parteipresse ein wenig verstaubter, aber unwiederbringlich rend sonst in Mitteleuropa das französische Früh verlassene Zeit, die man nicht rasch genug durch­ein. In das Heim des Arbeiters gehört die herrlicher Schäße trug, und den Ekel des Proleten stück das Déjeuner ", den Vorzug genießt bor leben kann. Gibt es noch Menschen, die an lan­vor der Verlogenheit eines Jdylls, das nur mög bereitet, mit welcher Andacht serviert und nach gen Abenden vor den heiligen zwölf Nächten in Genollen u. Genollinen Ogitiert pen behindert waren, das Chaos dicht neben ihnen lientradition serviert! Was soll das in einer Zeit, zu sehen. Für die politische Zerrissenheit, die da wir längst gelernt haben, automatisch zu spei

Genossen!

Arbeiterpresse. Darum,

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Die Kellnerin Molly.

Roman von Hans Otto Henel . Copyright by Fackelreiter- Verlag. Berlin . Nachdruck verboten.

Er schwankte, ob er das Schicksal oder die Bosheit der Menschen verantwortlich machen solle, aber schließlich entschied er sich dafür, seine Wirkungsbereiche um einen neuen zu vermehren. Er nannte ihn: Justiz- Wirkungsbereich".

Frau Brodecker, sonst eine nüchterne und weltfundige Frau, erging es wie vielen, die sich und ihre Nächsten nur im Zustand der Schuld­Tosigkeit kennen. Sie glaubte, wo Anklage set, müsse auch Schuld sein. Sie mußte sich zwingen, um nicht an der Unschuld des geliebten Gatten zu zweifeln, und bangte davor, daß man ihn tetten beladen in das Gefängnis oder ins Zuchthaus, vielleicht sogar auf das Schaffott führen werde.

Aber Brodeckers warteten lange und warte­ten vergebens. Es kam keine Vorladung zur Vernehmung über die beschlagnahmten Papiere und Photographien. Brodecker dachte auch nicht daran, einen Rechtsanwalt zu Hilfe zu nehmen Da er weltfremd war, hätte er es vielleicht selbst dann nicht getan, wenn er die Schwierigkeiten des Staatsanwalts geahnt hätte.

war, weil seine Nutznießer durch Scheuflap- den sonst unbekannten Gefeßen englischer Famibie alte Welt untertauchen, die noch Deuße haben,

ließ einen öffentlichen Aufruf, daß solche sich melben möchten. Es kam niemand.

Vielleicht hatte Frau Stadtrat Butterlerch, bei der Herr Staatsanwalt Dr. Schneise gegen Monatsende gern zu Abend, den naheliegen­den Gedanken geboren, daß eine direkte Befra­gung der photographierten Reformdamen den Strick liefern, fönne, an welchem Brodecker aufzu hängen sei. Jedenfalls bekam die Polizei nach dem Abend, an dem der Staatsanwalt delikates Rebhuhn bei Butterlerchs gespeist hatte, einen Wink, die abgebildeten Damen zu einer Aussage zu veranlassen. Es fanden sich ja an die hundert Photographien von Frauen und Mädchen Schnei­dewalds in ihren Händen.

In einer Stadt von 23.000 Einwohnern gibt es zwar nicht viel Menschen, die der ört­lichen Bolizei unbekannt sind. Aber hier wurde das Erkennen durch die fehlende Bekleidung erschwert. Selbst der scharfsinnigste Polizist vera sagt leicht, wenn er den Personenstand nur auf Grund von Merkmalen feststellen soll, die für gewöhnlich unter der Kleidung liegen.

Die Polizei erkannte auf den ihr vorliegen den Bildern nur eine einzige Frau, und das war für die Polizei keine Frau, sondern eine Dame, nämlich die Gattin des Zweiten Bürgermeisters. Sie zuerst und allein vorzuladen, verboten Auto ritätsgründe. In dieser Not stellte sich der Baterländische Frauenverein" selbstlos in den Dienst der Polizei, eingedenk seiner hohen Pflicht, über deutsche Sittlichkeit zu wachen. Eine schwere Arbeit für die Damen, aber mit freudiger Sin­gabe geleistet. Bald standen denn auch die Namen der nackten Frauen und Fräuleins aus­nahmslos fest. Nur die Bilder zweier findlicher Mädchen blieben unbeachtet.

ihnen die gewünschten Bäder verabreicht, hatte sie massiert, ihnen körperliche Uebungen gelehrt und Nahrungsvorschriften gemacht. An fleisch liche Anfechtungen hat kein Mensch gedacht," er­flärte die Gattin des Zweiten Bürgermeisters bestimmt.

Und die Nacktphotographien? Keine fand sich darunter, die etwas anderes war als Fest­haltung eines Körperzustandes oder einer Belve­gung, bedeutsam für Brodeckers Buch der Frauen­reformation. Der Untersuchungsrichter gab das zu, wies jedoch auf die Gefährlichkeit der Situa tion hin, wenn eine nackte Frau sich von einem Manne photographieren lassen müßte.

Mußte? Die Damen protestierten. Brodecker habe stets nur im Einverständnis mit den Photo graphierten gehandelt und nie ohne Hinzuziehung einer dritten Person. Entweder waren seine Frau oder die Badegehilfin, Fräulein Marsdorf, zugegen gewesen.

Keller und Storm zu lesen die gruselig heimlichen Geschichten der Lagerlöf und die Buddenbrooks",

gramm, in welchem die Damen gelobten, bis zum letzten Atemzuge für die deutsche Treue deutscher Frauen zu kämpfen.

Bon etlichen Sachverständigen für das Kindergemüt.

Auch der Staatsanwalt Dr. Schneise fürch­tete, an der fehlenden Möglichkeit eines Anklage­grundes seine Absicht scheitern zu sehen, die sitt­liche Atmosphäre Schneidewalds zu reinigen. Seine Konferenzen mit dem Untersuchungsrichter schlossen mit dem Ergebnis, daß man den photo­graphierten Frauen glauben müsse, wenn sie er­klärten, sich durch das Photographieren nicht unfittlich belästigt gefühlt zu haben. Zumindest konnte man ihnen nicht das Gegenteil nachweisen. Schneise spielte schon mit dem schwer erträglichete Gedanken, das Verfahren einzustellen. Da kamen ihm noch einmal die bisher unbeachteten Bilder der beiden Kinder in die Hände.

Diese zweifellos stichhältigen Aussagen ent­lasteten den Badeanstaltsbesizer, statt zu seiner Sie zogen ihn jetzt an, und er erteilte sich Verurteilung zu führen, wie man es gern gesehen sofort selbst eine Rüge, weil er diese Kinderbilder hätte. Die Erwägung, ob das Photographieren unbegreiflicherweise bisher als unerheblich be­nackter Personen weiblichen Geschlechtes schon an handelt hatte. Ein Staatsanwalt darf doch nicht sich als unfittlich zu gelten hätte, gab der Unter achtlos an scheinbaren Kleinigkeiten vorüber­fuchungsrichter wieder auf. In der städtischen gehen. Hatte er hier nicht, was er brauchte? Das Hauptkirche bing ein altes Bild, auf dem eine Zeugnis volljähriger Frauen mußte das Gericht Muttergottes mit sichtlich unbekleideten Brüsten hinnehmen, wenn nicht das Gegenteil bewiesen Der gehörte zur älteren Schule und neigte ein ebenso unbekleidetes Jefutind säugte. Diese werden kann. Aber das minderjährige Kind ist zu der mancherorts noch geltenden Ansicht, wo Darstellung hatte der Gymnasialrektor Säuber unfrei in seinem Willen. Wenn es photographiert nach zur Verurteilung em emigermaßen stichhal­lich im Scheidewalder Tageblatt" ausdrücklich wird, unterliegt es wohl einem fremden Willens­tiges Anklagematerial erforderlich ist. Das aber als Kunst bezeichnet, Wie, wenn sich nun ein zivange, einer Vergewaltigung seines noch un­ließ sich im Falle Brodecker nicht leicht beschaffen. Sachverständiger fand, der zwischen dem Kirchen entwickelten Willens, die möglicherweise eine Ein Die Beschlagnahme war zwar auf Herrn Ballerts bild und Brodeckers Photographien keinen Unter- heit mit der Vergewaltigung des Körpers bilden fürsorgliche Anzeige erfolgt, aber mit den vorge­schied in der Absicht feststellen wollte? tann. Wozu überhaupt anders als zu Unzuchts­fundenen Bildern und gleich gar nicht mit den Jm ,, Vaterländischen Frauenverein" begann zweden sollte ein findliches Mädchen nact photo­pedantisch geschriebenen Kapiteln der Frauen- Die hundert Frauen und Fräuleins, vor den die Hoffnung, Brodecker für lebenslänglich im graphiert werden? So dachte Dr. Schneife. fultur" ließ sich eine Auflage nicht begründen. Untersuchungsrichter gefordert, jagten überein- Zuchthaus zu wissen, zu schwinden. Doch sandte Es fehlten Zeugen, die durch Brodeckers Reform stimmend aus, daß sie Brodecker nichts Sitten man immerhin an die von der Republik vertrie versuche sich geschädigt fühlten. Die Polizei er- widriges nachsagen tönnten. Der alte Herr habe bene ehemalige Saiferin in Holland ein Tele­

"

( Forthegung folgt.)