Bunte Woche Rund dreitausend Mitglieder von Cli­quen stehlen gelegentlich und schrecken, wenn es darauf ankommt, auch vor einem Raub nicht zurück. Aber diese Taten sind nicht Aveck ihrer Cliquen, sie werden nur bei Ainstiger Gelegenheit begangen. Anders der R?st der jungen Menschen, von denen etwa zwei Drittel 16 bis 20, ein Drittel 14 bis 16 Jahre alt sind. Sie stehlen, rauben, plündern planmäßig. Sie sind zur Verzweiflung geboren. Die Welt zeigt sich ihnen mit prunkenden Schaufenstern, mit der Talmitzracht von Tanzlokalen, den Perlogenhelten süßer Filme. Alle diese Schätze sind für sie unerreichbar. Denn für sie gibt es keine Arbeit. Sie kommen hoff­nungslos ins Leben, hoffnungslos aus der Schule. Wenn sie aus ihren stinkenden Wohnungen einmal in-en prunkenden Westen Berlins   wandern, ist alles eitel Pracht und Herrlichkeit, Autos, seidene Frauen'Schätze hinter Spiegelscheiben aber nicht für sie. Auch die Wurste sind nicht für sie, die bei ihnen draußen bergeweiS zur SchPl gestellt find mit Speckseiten, Käse­laiben und geräucherten Fischen. Alles nicht für sie. Sie wollen aber etwas davon haben. Deshalb bilden sie Cliquen. Es gibt in Berlin   allein etwa sechs­hundert Cliquen aller drei Arten, manche hat sechs Mitglieder, manche zwanzig. Täg­lich lösen sich Cliquen auf, täglich entstehen neue. Sie haben phantastische Namen, ihre Obleute heißen Cliquenbullen, ihre Mitglieder Cliquenburschen und Cliquenkühe. Die Cliquen bilden Ringe, di« mit den Ningvereinen, den Zu­sammenschlüssen der Berliner   Ganoven in Verbindung stehen. Den Zusammenhang halten die Cliquenbullen aufrecht, die inner­halb ihres Ringes eine Art Klub bilden, dessen' Vorsitzender der Ringbulle ist. Mit den Ningvereinen haben sie die mörderische Sehnsucht gemeinsam,vornehm" zu sein, und deshalb tagen die Klubs der Cliquen-, bullen in Frack und Zylinder, genau so wie die Diebe, Einbrecher, Zuhälter und Räuber der Berliner   Ringvererne ängstlich darauf sehen, daß jedes ihrer Mitglieder Smoking, Gehrock und Zylinder besitzt, Affen der bür­gerlichen Welt, die sie hervorgebracht hat, nach der sie sich sehnen und die sie mit der Wut bekämpft, mit der ein Kleingeistiger gegen sein treffendes Zerrbild rast. Und noch ein« Sehnsucht ist den Ring- Vereinen der Erwachsenen und den Cliquen der Jungen gemeinsam: die Fahnel Sowie sie können, schaffe« sie eine an, prachtvoll gestickt, mit Bändern und Quasten. ,,Jn,hiesxr Welt war Widukind ein Häupt­ling- Unter seiner Führung lernte ich einige ihrer.Movinzen kennen. Bei denDollen Hunden" In Berlin   gibt e8 sonderbare Gegenden: Da ist rund um die Gedächtniski.rche ein Stern aus Licht und Farben. Die Tauent- zienstraße mit ihren teuren Läden und ihren Kaufhäusern mündet dort, der Kurfürsten­ damm   mit seinen Nobelwohnungen. Kaba­retts, Bars, KinoS, Dielen und Bsrgnü- gungslokalen geht von hort ab, andere Strablen des Sternes sinh die Budapester- und die Ha'rdenbergstraße, von Läden ge­bildet, in deren Auslagen kostbare Por­zellane, antike Möbel. Klaviere und Auto­mobile zur Schau gestellt sind Zwischen den Läden aber, ragen die riesigen Lichtspiel­theater zum Himmel, stehen ungeheure Ber- gnügungsetqblissements, eines davon ganx aus Marmor und Glqs, Tanzkaffee durch vier Stockwerke und auf dem Dach, Restau­rant mit weißem Steinboden, durch den sich ein Bach schlängelt, an dessen Ufern fremde Bäume wachsen und weißgedeckte Tische stehen. Und all das lockt mit Licht und wiederum mit Licht in allen Farben, ein Geschrei von Millionen Lampen wölbt sich wie eine Hall? über-em nicht abreißen­den Strom von Menschen und AutoS. über einen Schwibbogen donnern die Fernzüge in den Bahnhof Zoo  , sausen die elektrischen Wagen der Hochbahn. In den eleganten Straßen ChqrlottenburgS, das sich anschjicßt, gibt eS zwischen den prunkenden Häusern Flecken voll Schrebergärten und Lauben, umplankte Werkplätze, umfriedete ödflächen, und in Halensee  , am Ende des Kurfürsten­dammes bergen sich vornehme Villen in weiten Gärten die plötzlich an wüste Stellen grenzen, an Baracken, die auf struppigen Krumen hocken, an narbige Sandplätze, auf denen Gerümpel herumliegt. Das ist«in Teil der Kulissen, zwischen denen Cliquen ihr Spiel treiben. In den Seitenstraßen des Kurfürstendammes parken Nacht für Nacht hunderte AutoS, immer von Cliquenburschen umschnüffelt. Sie wollen die Wagen nicht stehlen, das besorgt eine andere Gilde. Sie wollen fahren. Sie wollen vornehm sein wie ihre bewunderten Vorbilder in den Bars Können sie einen Wagen schnappen, dann los, solange das Benzin vorhält. Hat der Vergaser den letzten Tropfen zerstäubt, dann lassen sie den Wagen stehen, wo er eben ist, aber wenn es geht, nehmen sie die Reservereifen mit und all das von den Bestandteilen, was sich ver­werten läßt Sie haben ihre Hehler, es gibt genug Mechaniker und Werkstättenbesitzer die Aittoteile zum Tarnen gestohlener Wagen brauchen. Bei einem solchen sind wir. Wir find über einen großen Materialplatz gestolpert, Schuppen und Werkstätten stehen auf ihm und hinter der einen ist ein Anbau, in dem di«Dollen Hunde" hausen. Raum mit einem Fenster, einer Glühlampe, ein paar leeren Kisten, zwei Stühlen, einem Tisch und einer Liegestatt, demStoßsofa", das zu jeder Ctiquenbude gehört. DieDollen Hunde" find etwas Beson­deres. Nur ganz wenige Cliquen bestehen aus Homosexuellen, wohl weil die Eifersucht unter ihnen heftiger wütet als zwischen Burschen und Mädeln. Begreiflich: Mädels gibt eS übergenug,Schwule" aber bedeu­tend weniger. Einen haben wir vom Kur­ fürstendamm   mitgenommen, wo er auf den Strich ging, einen anderenDollen Hund", einen jungen Franzosen übrigens, holten wir aus einem lener kleinen Lokale an der Martin-Luther-Straße, wo Männerfreunde sicher sind, immer unter sich zu sein. Er hat eine Flasche teuren LikörS mit, daS Geschenk einerTante", eines Rechtsanwaltes aus der Provinz, der regelmäßig nach Berlin  kommt, um dort wenigstens eme Nacht lang auf seine Art glücklich sein zu können. In der Höhle derDollen Hunde" sind noch zwei, Berliner   Jungs, einer in Steirer­hosen, einer in einem Matrosengwandl, Trachten, die erfahrungsgemäß bei ihrem Geseift am meisten ziehen. Sie haben ihre Arbeit für heute hinier sich, fie haben Geld und jetzt sitzen fie da mit ihren gebrannten Haaren, ihren geschminkten Lippen und Wangen, und haben nur auf Widukind ge­wartet. Drei fehlen noch, dann wären die Dollen Hunde" komplett bis auf Anatol. der hat heute seinen stinkfeinen Tag, bei nem jewesenen General, im Grünewald." Sie wollen ihn gegen Morgen holen. Natürlich mit einem Auto-. Warum sie eine Clique gebildet Hütten? Die Antwort ist zerfleischend einstimmig, im Chor:Wifien Se ne andere Arbeet for uns?" Sie wissen genau, mit welchem Auto sie fahren werden. Es steht Nacht für Nacht tausend Schritte von hier. Ein Türschloß kann man mit Zündhölzern aufdrücken und die Starterschlussel ähneln einander viel mehr, als Autobesitzer ahnen. Da muß ich nicht dabei sein. Was soll ich denn sonst tun? Viel später traf ich Widukind noch einmal. Ich hatte gerade eine lächerliche Auseinander­setzung mit einem Kellner auf der Terrasse des Kaffeehauses Ecke Kunst-Lei und San- Jakobs-Markt in Antwerpen  . Ich hatte mit­tag einen Fisch gegessen, der scheinbar nicht ganz tot war. Denn ich fühlte, wie er in mir berumschwamm und mit der Schwanzflosse gegen meine Magenwände schlug und wollte infolgedessen einen Bittern trinken. Aber der Kellner war sehr entrüstet und erklärte mir, Belgien   wäre trocken und Likör gäbe es nur in Delikatessenhandlungen, und auch dort nur in Flaschen. Ob er ein Bier bringen dürfe? Und das ist alkoholfrei?" Wieso denn? Nein, richtiges Bier, flämisches, Stella." Sie sagten doch, Belgien   sei trocken?" Bier ist doch kein Schnaps. Wir sind nur auf Schnaps in Gläsern trocken." ES. war, wie gesagt, eine lächerliche Aut» einandersetzung. Da stand plötzlich Widukind vor mir. Tach l Wat sajen Se? Nobel, wat?" Er war wirklich nobel: trug einen hoch­eleganten Anzug, Seidenwäsche, Seiden­strümpfe, hellgraue Wildlederschuhe mit Lackeinsatz. Mensch, Widukind, wie kommst denn d« hieher?" Er hatte in irgendeinem Saftlochen deS Berliner   Westens einen- Griechen kennen­gelernt, einen Grohkaüfmann, der nahm ihn nach Angora mit.Und die Türken, isie fliesen doch ans blond, wissen Se? Dort kann ich mein Glück machen. Knorke, direkt Edelknorke, nicht?" Er las offenbar auf meinem Gesicht, daß ich nicht seiner Meinung wär, und sagte: Na ja, was soll ich denn sonst tun?" Ich sah die breite Straße San-JakobS- Markt hinunter: an ihrem Ende sind zwei­undzwanzig Stockwerke^zu einem Hochhaus getürmt. Es. ist klein gegen das Filigran­wunder des Turmes der Kathedrale. Dessen Schatten fällt auf di« Börse. Sein Glocken­spiel ist bis zum Hafen zu Horen  , die Si­renen der großen. Dampfer antworten ihm. Der Lärm der Straße klang wie das Sausen der Treibriemen und der Stahltakt der Ma­schinen, der die Frage der Kinder von dreißig Millionen Menschen überbrüllt, die sie in allen Zungen der Erde erheben:Was soll ich denn sonst tun?" Ich sah wieder auf Widukind. Er war weg. Schad' um den Buben. Die Insel der 555 geheimnisvollen Götter Ungelöste Rätsel um Rapanui  , das Felseneiland der Südsee Von Professor WALTER SNIDEN Einsam im Stillen Ozean   liegt eine kleine Insel, auf der sieh ein Vierteltausend geheimnisvoller Statuen erhebt, Zeugen einer längst verschwundenen Kultur sind, einer. Kultur, die uns völlig unbekannt ist, daß wir nicht einmal irgendwelche Vermutungen über sie an­stellen können. Alle Versuche, die bisher unternommen worden sind, die Herkunft dieser Statuen zu erklären, sind fehlgeschlagen. Das. sind die Daten dieser-;geh-imniS- Strafkolonie benützt wurde, Dir militärische vollen Insel Rapanui  : 27 Grad zehn Besatzung ist den Einwohnern noch schlechter Minuten Micher Breite, 109 Grad bekommen, als den Zuchthäuslern, zu Hun- 26 Minuten westliche. Länge von Greenwich  , derfen starben sie unter den rohen Mihhqnd- 3500 Kilometer von der Westküste' Süd-.ün^en der weißen Mannschaften, wo immer amnikas entfernt,' hundertachtzehn Ouadrap es oen KoloNiatsolbaten paßte, würden die Winzig klein wirkt neben den gewaltigen Götterbildern der Reiter kilometer groß. Der Entdecker der Insel war der Flibustier Davis(1687) von Roggeveen  , der sie am Ostersonntag. 6. April 1722, zu Gesicht bekam, und fie deshalb OsttrInsel nannte. Sklavenhändler und schwane Blattern Die Bewohner der Osterinsel   find Poly­ nesier  . Ihr Schicksal zeigt diese kleine Statistik:» 18. Jahrhundert,... 1800 Einwohner 1888... 980 I87V 600 1980,........j 228 Jetzt find sie schon fast auSgestorben. Hinter diesen Zahlen steckt die Tätigkeit peruanischer Sklavenhändler, die dort regel­recht«» Menschenraub betrieben. Hinter dieser Zahl stecken die Pocken, die verschleppte Einwohner nach ihrer Rückkehr mitbrachten. Hinter dieser Zahl stecken die Syphilis und das Feuerwasser. Hinter dieser Zahl steckt endlich die Tatsache, daß die Insel von der chilenischen Regierung eine Zeitl nq als Eingeborenen verjagt, ihre lustigen Hütten bedenkenlos niedergebrannt. 228 Einwohner statt 1600, das war das Ergebnis der Zivilisation..." Diese Eingebornen haben immer ein sehr primitives Leben geführt. Die Nahrung be­stand aus Zuckerrohr und Bananen, aus Hühnern, Ziege», Fischen. Ratten und, wenn es sein mußte, auch aus Ungeziefer. Wasser ist das einzige Getränk gewesen, Meerwasser ersetzte das Sah Frauenhaar, SeegraS, Bogelfederu waren der Rohstoff für die Kleidung. Die Häuser find lange, niedrige Hütten, di« umgekehrten Booten ähnlich sehen, zwei Reihen von Pfosten, auf einem Fundament aus vulkanischem Gestein aufge­richtet, überdacht mit Zuckerrohrblättern. Boote wurden aus Treibholz gebaut. Als Dünger für die Pflanzungen diente Gras. Die Menschen waren harmlos und voller Verttauen. Aber Überfälle, Verschleppungen durch die Sklavenhändler machten sie tückisch". Eine Zeitlang bemühten sich Missionäre um ihre Seelen. Aber die Be­wohner hatten von dem Christentum der weißen Menschenverschlepper bald genug. Die Missionäre mutzten samt ihren Bekehrten fliehen... 555 geheimnisvolle Riesenstatuen Auf dieser Insel, mit ihren primitiven, rasch aussterbenden Bewohnern findet man ge­heimnisvolle Statuen. Von diesen Figuren ist nur Kopf und Hals und ein kleines Stück Brust ausgearbeitet. Wie ungeheure Riesen sehen" sie aus,' die man bis fast an den Hals in die Erde gegraben hat. Schultern und Arme fehlen. Überall findet man fie an der Küste.' Maü hat'fie gewählt. Es sind ihrer fünshundettsünfundfünfzig. In einem Stein- bruch liegt eine unvollendete Statue. Eine hat man nach London  , ins British Museum  , geschafft. Mit ernsten Steingesichtern sehen sie aufs Meer hinaus, sonderbare Mützen auf den niedrigen Stirnen. Die größten ÄNd 28 Meter: hoch Das entspricht einem fünf­stöckigen Haus. Wer hst sie errichtet? Niemand weiß es. Man hat die'Eingebornen darüber befragt. Die Vorfahren", haben die einen geant­wortet.Die Götter", haben die anderen ge­sagt. Die eine Antwort ist so unbefriedigend wie die andere. Wi^ wurden viele tausend Kilogramm schwere Statuen transportiert? Wie wurden sie aufgestellt? Das erfordert, schon eine sehr hohe Technik, die Anwendung komplizierter Maschinen, die man weder den primitiven Einwohnern der Osterinsel  , noch ihren Vorfahren zutrauen kann. Man hat mächtige,'halb in die Erde hiueingcbaute Steinhäuser auf der Osterinsel   gefunden,' die zur Zeit der Entdeckung durch die Euroimer schon leer und verlassen waren. Haben die Errichter dieser Staiucü' in jenen Häusern gewohnt? War das vor hunderten oder vor tausenden Jahren? Sind diese Statuen Götterbildnisse, sind es die Monumente für Menschen oder sind fie geheimnisvolle Symbole, die uns völlig unerklärlich sind? Konnte die Osterinsel  , dieses kleine, arme Eiland, je eine solche Menschenmasse ernähren, die zu der Errichtung vieler hundert dieser gewaltigen Statuen notwendig war? Oder verteilt sich die Erzeugung dieser Statuen auf viele Jahrtausende? Alle diese Fragen sind unbeantwortet geblieben bis aus den heutigen Tag. Und wahrscheinlich werden sie auch immer unbeantwortet bleiben. Man weiß, daß diese Figuren in dem Strinbruch hergestcllt wurden, der sich aus der Insel befindet. Man weiß aber auch, daß der r o t e Tuffstein, aus dem die zylinder­förmigen Kopfbedükungen der Geheimnis­vollen geformt wurden, auf der Osterinsel  nicht vorkommt. Man weiß, daß Reliefs, die auf Ravgnui zu sehen.sind, auf einen längst verschollenen V o g e 11 u 1t deuten, der offenbar dem Fregatr en Vogel   gegolten hat. Und man weißt daß die Bilderschrift der einstigen Bewohner eine ziemlich hohe Kultur verrät. Aber mehr weiß man nicht... In wenigen Jahrzehnten wird der letzte nichteuropäische Bewohner der Osterinsel   für immer die Augen schließen. Aber die geheim­nisvollen Riesenstatuen, fünfhundertfünf- undfünfzig riesige Steingötter, werden noch immer ernst und schweigend auf das Meer hinausblicken. Niemand weiß, von woher sie gekommen find. Wer find die Bildhauer? Polynesier? Menschen aus der Atl-mtis? Ein verschwundenes und vergessnes Volk? Irgendwelche Urbewohner Südamerikas  , Ahnen des Reiches der Inkas? Schweigend blicken die Steinernen hinaus auf das ewige Meer. Und niemals werden sie antworten.