Ein Sportplatz wird gestohlen

Kuriose Dinge aus USA .

Von

FRIEDRICH SCHEU

In Amerika gibt man sich nicht mit Kleinigkeiten ab, dort geht alles in großen Stil. Da stellt eine amerikanische Zeitschrift einige in der letzten Zeit in Amerika be­gangene Diebstähle zusammen, die sich schon sehen lassen fönnen.

In Long Island wurde einem reichen Mann ein Golfplatz gestohlen. Der Platz­meister ging eines Morgens aus seinem Häuschen heraus, um die Spielfähigkeit des Blazes zu überprüfen, da sein Herr für den Nachmittag einige vornehme Gäfte zum Spiel eingeladen hatte. Er blieb entsetzt stehen. Wo gestern noch herrlicher, gepflegter Rasen gewesen war, erstreckte sich heute eine Einöde nackter Erde. Der Platzmeister griff sich an den Kopf, glaubte zu träumen. Der Golfplatz war weg.

Vier Tage später fanden zwei Detektive den gestohlenen Plaz. Auf einem Friedhof, einige Fahrtstunden weit weg,

waren

400 Quadratmeter Rasen eingelagert, fein säuberlich aufgeschichtet, ein Rasenstüd über dem anderen. Fremde Leute waren in einent Lastauto vorgefahren und hatten dem Friedhofswächter die Rasenstücke verkauft. Der Friedhofswächter konnte nachweisen, daß er selbst an der Sache ganz unschuldig war. Das Lastauto fam nie wieder und die Diebe wurden nie gefunden. Der Eigen­tümer mußte seinen Rasen zurückaufen, bevor er ihn an seine ursprüngliche Stelle zurückschaffen konnte. Es dürfte dies in der Geschichte des Sports der erste Fall sein, daß jemand einen Sportplak gestohlen hat.

,, Scharfe" Beute

Trauriger ist die Geschichte der halben Million Rasierklingen, die in den Kellern eines Magazins in Boston eingelagert worden waren und spurlos verschwanden. Eine halbe Million Klingen bei so Scharfen Dingen hätte man schon schärfer aufpassen müssen. Die Firma, die die Klingen von Boston nach Europa verschiffen wollte, hatte das Nachsehen. Aber es ist manchem aufgefallen, daß die Mitglieder der Bostoner Unterwelt heuer viel besser rasiert umher­gehen als voriges Jahr.

Eine Million Faß Rohöl wurden in Teras gestohlen. Eine Bande von einem Dutzend Leuten zapfte die Nohrleitung an, die das Öl von fünf großen Ölquellen in Oftteras an die Verarbeitungsstätten führt. Nachdem sie eine Million Faß gezapft hatten, wurden sie hoppgenommen.

Nicht beneidenswert ist der Dieb, der in Kalifornien zwei Millionen Wespen ge­stohlen hat. Allerdings waren es Gallwespen, die zur Erzeugung von Gallsäure gezüchtet werden. Der unbekannte Dieb ist also ber­mutlich nicht zerstochen worden.

Ein Automobil ist schon oft gestohlen worden. Aber eine ganze Geschäftsauslage eines Autogeschäftes, bestehend aus fünfzehn funfelnagelneuen Wagen, wurde in Neumark ausgeräumt, ohne daß man den Verbleib eines einzigen dieser Wagen gefunden hätte.

Das gestohlene Haus

Traurig war auch das Schicksal eines anderen Bürgers von Neumark, des Advo­faten Josef A. Fuerstman. Mister Fuerstman ließ sein zweistödiges hölzernes Landhaus inftand setzen, um es zu ver­mieten, und reiste in die Stadt zurück. Als er einen Monat später zurückkam, um das Haus zu besichtigen, war nur der Keller übrig. Das ganze Haus war von der frierenden Bevölkerung der Umgebung mit genommen worden, um mit dem Holz die Stuben zu heizen. Beim Dach hatte man angefangen und war mit der Zeit bis auf den Erdboden hinuntergelangt. Diese Ge­schichte ist vor allem deswegen traurig, weil sie zeigt, wie schlecht es manchen Leuten auch in Amerika heute geht.

Gut hingegen ging es den Sträflingen im Gefängnis von Freehold. Dort wurde nach der Wahl der republikanische Gefängnisauf seher abgesetzt und ein neuer demokratischer Gefängnisauffeher bestellt. Dieser berichtete an seine vorgesetzte Behörde folgendes: Von 90 Sträflingen haben 35 elektrische Koch­geräte, eigene Pfannen und Kessel, eigenes Besteck in ihren Zellen. Alle Sträflinge emp­fingen Gäste zu allen Tageszeiten und gaben lärmende Gesellschaften bis spät in die Nacht hinein. Fünf Sträflinge waren abwesend und unauffindbar. Einer von ihnen meldete sich später und teilte mit, er wäre fort ge­wesen und hätte nicht gewußt, daß man ihn fuche. Zwei Sträflinge waren anwesend, ohne daß ihre Anwesenheit durch irgend welche Aften, Strafverfügungen oder der gleichen begründet erschien. Die beiden be­haupteten jedoch fest und steif, zum Sträf lingsbestand des Gefängnisses zu gehören, und wurden daher einstweilen vorsichtsweise dort belassen.

Bunte Woche

Lütten- Weihnachten

Von

HANS FALLADA

Tüchtig neblig heute", sagte am 23. De­zember der Bauer Gierte ziellos über den Früh stücstisch hin.

Es war das eigentlich eine ziemlich sinnlose Bemerkung, jeder wußte auch so, daß Nebel war, der Leuchtturm von Arcona heulte schon bie ganze Nacht mit seinem Nebelhorn wie ein Bater die Bemerkung trotzdem machte, so fonnte Gespenst, das das Angsten kriegt. Wenn der sie nur eines bedeuten.

Neblig?"

fragte gedehnt sein dreizehnjähriger Sohn Friedrich. Verlauf dich bloß nicht auf dei Schulweg", sagte Gierke und lachte.

nem

Und nun wuß

te Friedrich ge­nug. Auf seinem Zimmer stedte er schnell die Schul­bücher aus dem Nanzen in die Kommode, lief in den Stellmacher­schuppen und stahl sich eine fleine Art und eine Handsäge. Dabei überlegte er: Den Franz von Gäbels nehm ich nicht mit, der kriegt Angst vor Rotvoß. Aber Schöns Alwert und die Frieda Benthin. Also los!"

Wenn es für die Menschen Weihnachten gibt, so muß es das Fest auch für die Tiere geben.

erst als Heiliger Abend vorbei war, ließ er fie wieder laufen.

Sicher ist, fie gehen zu einem großen Aben­teuer, und daß der Nebel so dick ist, daß man feine drei Meter weit sehen fann, macht alles noch viel geheimnisvoller. Buerft ist es ja ein­fach: die Raine auf der Baumgartener Feld­weigen, und dies ist die Lehmkuhle, aus der mart tennen sie, das ist Nothsprads Winter­Müller Timm sein Vieh sommers tränkt.

Aber sie laufen weiter, immer weiter. Sieben Kilometer find es gut bis an die See, und nun fragt es sich, ob sie sich auch nicht verlaufen im Rebel. Da ist nun dieser Leuchtturm von Arcona, er heult mit seiner Sirene, daß es ein Grausen ist, aber es ist so seltsam, genau triegt man nicht weg, von wo er heult. Manchmal bleiben sie stehen und lauschen, sie beraten lange, und wie sie weiterlaufen, fassen sie sich an den Hän­den, die Frieda in der Mitte. Das Land ist so seltsam still, wenn sie dicht an einer Weide vor beikommen, verliert sie sich nach oben ganz in Rauch, es tropft sachte von ihren Aften, tau­send Tropfen fißen überall. Die See kann man noch nicht hören. Vielleicht ist sie gang glatt, man weiß es nicht, heute ist Windstille.

Plötzlich bellt ein Hund in der Nähe, fie stehen still, und als sie zehn Schritte weiter gehen, stoßen fie an eine Scheunenwand. Wo fie sind, machen sie aus, als sie um die Ecke spähen, das ist Nagels Hof, sie erkennen ihn an den bunten Glaskugeln im Garten. Sie sind zu weit rechts, sie laufen direkt auf den Leucht­turm zu, und dahin dürfen sie nicht, da ist kein Wald, da ist nur die steile, kahle Kreideküste.

Jetzt sind es höchstens nur noch zwanzig Minuten bis zum Wald. Alwert weiß fogar, was sie hier finden: erst einen Streifen hoher

Die Toten halten still

Von

SIEGFRIED VON VEGESACK

Not kennt kein Gebot

und verordnet immer neue Gebote.

Kein Brot.

Aber in Argentinien heizt man mit Weizen die Schlote Wir sind noch nicht tot.

Aber jeden Tag gibt es tausend Selbstmörder- Tote eine große Stillhalte- Aktion.

Aber man hört nicht viel davon:

wie Gott und Hoover will,

die Toten halten still...

Dahingegen jammern Direktoren, Aufsichtsräte und Generäle, wenn sie statt zwanzig nur achtzehn Mille erhalten,

lamentieren Bankiersfrauen, weil es ihnen zur Reise nach St. Moritz fehle weil sie statt drei nur zwei Dienstboten halten...

Die Toten erkalten,

sind höchstens noch Seele.

Besser: es wäre endgültig Schluß,

damit der Alpdruck nicht quäle:

ob man im Himmel auch stempeln muß? Leider können Tote nichts konsumieren. Daher die Not

der Schwerindustrie: Tote sind tot

und kaufen nie.

Man kann sie nur noch sezieren: wie Gott und Hoover will, die Toten halten still...

Dahingegen läßt man Millionen Bushel Wei ganz einfach verheizen,

um keine Preisstürze zu riskieren: Besitz ist Besitz.

-

Und Gott? Und Hoover? Was tut er? Keep smiling, solange der Dollar hält! Die Welt ist ein Witz. Aber kein guter.

Wenn für uns ein Baum brennt, warum nicht für Pferde und Kühe, die das ganze Jahr unsere Gefährten sind? In Baumgarten jeden falls feiern die Kinder vor dem Weihnachtsfest Lütten- Weihnachten für die Tiere, und daß es ein verbotenes Fest ist, von dem der Lehrer Bedmann nichts wissen darf, erhöht seinen Reiz. nun hat Bedmann nicht nur förperlich einen Buckel, er fann sehr bösartig werden, wenn feine Schüler etwas tun, was sie nicht sollen, und darum ist Vaters Wink mit dem nebligen Tag eine Sicherheit, daß das Schulschwänzen heut von ihm jedenfalls nicht allzu schwer genommen werden wird.

Schule muß aber geschwänzt werden, denn wo bekommt man sonst einen Weihnachtsbaum her? Den muß man aus dem Staatsforst an der See oben stehlen, das gehört zu Lütten­Weihnachten. Und weil man beim Stehlen er wischt werden kann, und weil der Förster Rot­voß ein schlimmer Mann ist, darum muß der Tag neblig sein, sonst ist es zu gefährlich.

Wie Notvoß wirklich heißt, das wissen die Kinder nicht, aber er ist der Förster und hat einen fuchsroten Vollbart, darum heißt er Rot­voß. Von ihm reden sie, als sie alle drei etwas aufgeregt über die Feldraine der See entgegen laufen. Schöns Alwert weiß von einem Senecht, den hat Rotvoß an einen Baum gebunden und so lange mit der gestohlenen Fichte geschlagen, bis feine Nadeln mehr dran saßen. Und Frieda weiß bestimmt, daß er gwei Mädchen einen ganzen Tag lang im Holaschauer eingesperrt hat,

Kiefern, dann Fichten, große und feine, eine ganze Wildnis, grad was fie brauchen, und dann kommen die Dünen und dann das Meer. Ja, nun beraten sie, während sie über einen Sturzader wandern; erst der Baum oder erst die See? Klüger ist es, erst ans Meer, denn wenn sie mit dem Baum länger herumlaufen, tann sie Rotvoß doch erwischen. Trotz des Nebels. Sind sie ohne Baum, fann er ihnen nichts sagen, trotzdem er zu fragen fertig bringt, was Friedrich in seinem Ranzen hat. Also erst See, dann Baum.

Plöblich sind sie im Wald. Erst dachten sie, es sei ein Grasstreifen hinter dem Sturzader, und dann waren fie schon zwischen den Bäu­men, und die standen enger und eng. Nichtung? Ja, nun hört man doch das Meer, es donnert nicht grade, aber gestern ist Wind gewesen, es wird eine starke Dünung sein, auf die sie zu­laufen.

Und nun seht, das ist nun doch der richtige Baum, den sie brauchen. Eine Fichte, eben ge= wachsen, unten breit, ein Ast wie der andere, jedes Ende gesund und oben so schlank, eine Spike, ganz hell, in diesem Jahre getrieben. Kein Gedanke, diesen Baum stehen zu lassen, so einen finden fie nie wieder. Ach, fie fägen ihn ruchlos ab, sie bekommen ein schönes Lütten­Weihnachten, das herrlichste im Dorf. Und Bosten stellen sie auch nicht aus, warum soll Rotvoj grade hieher kommen, der Waldstreifen ist zwan­sig Silometer lang. Sie binden die ste schön an den Stamm, und dann essen sie ihr Brot,

und dann laden fie sich den Baum auf und laufen an das Meer.

Ans Meer muß man noch, wenn man ein Küsten­mensch ist, selbst mit solchem Baum. Hier kommen die Wellen weit, weit ber, von Finnland oder von Schweden oder auch von Däne­ mark . Richtige Wel­len...

Also Rie laufen aus dem Wald über bie Dünen.

Und nun stehen

fie still.

Nein, das ist nicht mehr die Brandung allein, das ist ein seltsamer Laut, ein wehtlagendes Schreien, ein endloses Flehen, tausendstimmig. Was ist es? Sie stehen und lauschen.

" Jung, Manning, Mann, das sind Gespen­ ster !"

Das sind die Ertrunkenen, die man nicht begraben hat."

" Lauft schnell nach Hause." Und darüber heult die Nebelsirene.

Seht, es sind kleine Menschentiere, Bauern­finder, voll von Sput und Aberglauben, zu Haus wird noch besprochen, wird gehert und blau gefärbt. Aber sie sind kleine Menschen, sie laden ihren Baum auf, sie waten durch den Dünensand, bis auf die letzte Klippe, und...

Und was sie sehen, ist ein Stüd Strand, ein Stüd Meer. Hier über dem Wasser weht es ein wenig, der Nebel zieht in Feben, schließt sich, öffnet Ausblide. Und sie sehen die Wellen, grüngrau, wie sie umstürzen, weißschäumend, draußen auf der äußersten Sandbant, näher tosend, brausend. Und sie sehen den Strand, mit Blöden besät, und dazwischen lebt es, da­zwischen schreit es, dazwischen watscheit es in Scharen...

" Die Wildgänse", sagen die Kinder. Die Wildgänse!"

Sie haben davon gehört, sie haben es noch nie gesehen, das sind die Gänsescharen, die zum offenen Wasser ziehen, die hier an der Küste Station machen, eine Nacht oder drei, um dann weiter zu ziehen, nach Polen oder wer weiß wohin, Vater weiß es auch nicht. Da sind sie, die großen wilden Vögel, und sie schreien, und das Meer ist da und der Wind und der Nebel, und der Leuchtturm von Arcona heult, und die Kinder stehen da mit ihrem gemausten Tannen­baum und starren und lauschen und trinken es in sich ein...

Und plötzlich sehen sie noch etwas, unb ma­gisch verführt gehen fie dem Wunder näher. Abseits, zwischen den hohen Steinblöden, steht ein Baum, eine Fichte wie die ihre, nur biel, viel höher, und sie ist besteckt mit Lichtern und die Lichter flackern im leichten Windzug... Lütten- Weihnachten", flüstern die Kinder. Bütten Weihnachten für die Wildganse!" Immer näher tommen fie, leise geben Fie, auf den Zehen o dieses Wunder! den Felsblod biegen sie. Da ist der Baum bor ihnen in all seiner Bracht und neben ihm steht ein Mann, die Büchse über die Schuller, ein roter Vollbart...

-

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* Ihr Schweineferis", sagt der Förster, als er die drei mit ihrer Fichte sieht.

Und dann schweigt er. Und auch die Kinder fagen nichts. Sie stehen und starren. Es sind Eleine Bauerngesichter, sommersprossig, selbst jetzt im Winter, mit derben Nasen und einem festen Ninn, es find Augen, die was in sich ' reinsehen.

" Immerhin", denkt der Förster, haben Fie mich auch erwischt beim Lütten- Weihnachten. Und der Pastor sagt, es find Heidentücken. Aber was soll man machen, wenn die Gänse so schreien und der Nebel so dick ist und die Welt so eng und so weit und Weihnachten vor der

Man soll einen Vertrag machen auf ewiges

Tür... Was soll man machen?"

Stillschweigen, und die Kinder wissen ja nun, daß der gefürchtete Rotvoß nicht so schlimm ist, wie die Leute sagen...

Ja, da stehen sie nun: ein Mann, zwei

Jungen, ein Mädel. Die Kerzen fladern am Baum und ab und zu geht eine aus. Die Gänse schreien und das Meer brauft und rauscht. Die Sirene heult. Da stehen sie, es ist Bütten­Weihnachten, eine Art Versöhnungstest, sogar auf die Tiere erstreckt, man fann es feiern, wo man will, am Strande auch, und die Kinder

werden es nachher in Vaters Stall feiern. Unb schließlich fann man hingehen und danach handeln. Die Kinder sind im. stande und bringen es fertig, Tiere nicht unnötig zu quälen und ein bißchen nett zu fein. Zuzutrauen ift ihnen das.

Das Ganze aber heißt Lütten- Weih­nachten und ist ein berbotenes Fest. Leh­rer Bedmann wird

es ihnen morgen schon zeigen!

Zeichnungen von Paul Hampelets