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Freitag, 30. Dezember 1932.
schont werden müsse? Hat die Geschäftsleitung 3wed gehabt, Mißverständnis zwischen die
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Eisenbahner und
die Behauptung, daß die Regierungsparteien, und tung" mißt uns freigiebig das Verdienst" sparen, was nachher die Agrarier und Natio- lich organisierten Postler, dazu gehört die deutsche Sozialdemokratie, in zu ,,, in die Front der Lohn- und Gehalts- naldemokraten selber zugestanden, beim Für öffentlichen Angestellten haben ein weit größeRedensarten ihr Wohlwollen für die Fest- empfänger durch einseitigen Abbau sorge- und Schulministerium weit mehr, als res moralisches Recht zur Kritik auch an den besoldeten des Staates bekundet haben?" von Bezügen eine Bresche" gelegt zu haben. Die ärgsten Reaktionäre später durchsetzten. Handlungen der Sozialdemokratie, weil sie Kurz vorher räumt die Schulzeitung" War es also zur Festigung der Front der In diesem Punkte steht die Politik der diese Parteimacht mit aufbauen und erhalten übrigens ein, daß die Gewährung der Weih- Lohn- und Gehaltsempfänger gedacht, wenn Führung des Lehrerbundes nicht nur im helfen, die sie bei ihren Interessenkämpfen nachtszulage vor zwei Jahren ein Verdienst die„ Exekutive " eine Verdreifachung der Widerspruche zu gewichtigen Volksinteressen, in Anspruch nehmen. Keine freigewerkschaftder Regierungssozialisten war. Wir fragen Fleischsteuer forderte, eine Bier- sondern auch im Gegensatz zu den In- liche Berufsorganisation hat die Schild nur nen: Könnte der ärgste politische Gegner den steuer erhöhung um 20 Heller teressen der Lehrerschaft selbst. bei den Regierungsparteien gesucht, jede hat hier sinngemäß erhobenen Vorwurf ausden- pro Liter, wenn sie eine Sonderbesteue- Die„ Freie Schulzeitung" beklagt es, daß in sich auch mit dem Wirtschaftssystem ken, die Regierungsfozialisten hätten die Weih- rung der Konsumvereine mit 100 den Reihen der Lehrerschaft schon die Arbeits- auseinandergesetzt, welches die Abbaumaßnahnachtszulage zuerst durchgekämpft, um sie nach Millionen jährlich verlangte, um mehr also, losigkeit bemerkbar werde und daß der Berufs- men erzwungen hat. Keine freigewerkschafther mit Redensarten wieder abzubauen und als sämtliche Banken und Aktiengesellschaften organisation daraus Kosten erwachsen. Im liche Organisation hat die Regierungsparteien die Gehälter dazu? Wenn sozialdemokratische an besonderer Erwerbsteuer bezahlen? Durch Zusammenhang damit wäre die Erwägung in Bausch und Bogen verdammt, jede hat klug Abgeordnete gegen den Gehaltsabbau öffent- solche Belastung der seit drei Jahren einseitig anzustellen, um wieviel die Zahl der arbeits- unterschieden zwischen den Parteien, die auch lich Stellung genommen haben, wenn der Abgebauten wäre wohl der Gerechtigkeit Gelosen Lehrer größer wäre, wenn die so hart in der Regierung ihre Sache leidenschaftlich fozialdemokratische Barlamentsklub wahrheits- nüge geschehen? Obwohl die Mitverantwor- angefeindeten Sozialdemokraten die Herabset- führten und jenen Faktoren, die einen linaren gemäß erklärte, daß sich sein bekannter Sand- tung des Lehrerbundes an diesen unsozialen zung der Kinderzahl an den Volks- und Bür- Abbau von 15 bis 20 Prozent anstrebten. Bür- Abbau punkt in den Besoldungsfragen nicht geändert und jeden Solidaritätsgefühlen baren Anträgerſchulen nicht durchgekämpft hätten und Steine freigewerkschaftliche Organisation hat habe- beides allerdings zu einer Zeit, wo gen wohl kaum bestritten werden dürfte, haben wenn beispielsweise in diesem schrecklichen unerwähnt gelassen, daß der gemilderte und die schwindelnde Höhe des Budgetdefizits noch wir dieses Kapitel bisher sehr zurückhaltend Krisenjahre im Lande Böhmen allein nicht gestaffelte Abbau ein Verdienst der sozialdemonicht bekannt war kann man daraus eine behandelt, um nicht noch mehr Verbitterung über zweihundert neue neue deutsche Parallel- fratischen Parteien sei, keine hat sich zu der Verpflichtung ableiten, daß ohne jede Rück in die Bevölkerung hineinzutragen. Die„ Freie klassen errungen worden wären. Schließlich unsinnigen Behauptung verſtiegen, daß die sicht auf die katastrophale Verschlechterung der Schulzeitung" lohnt uns diese Generosität, foffte nicht unbedacht bleiben, wieviel deutsche Pläne des Finanzministers widerspruchslos" Situation eine Schichte der Bevölkerung um indem sie behauptet, der erste Abwehrartikel Lehrer noch ums Brot kommen könnten, wenn gedeckt und durchgeführt wurden. Und schließ= jeden Preis von den Folgen der Krise ver- der sozialdemokratischen Presse hätte nur den der Justamentstandpunkt der Erefutive" lich: Jede freigewerkschaftliche Organisationsdes Lehrerbundes nie davon gehört, daß es in Hand- und Kopfarbeiter zu fragen, den Un- gesiegt hätte und die ganze Wucht des Spar- führung war gewissenhaft genug, ihren betrofder Politik manchmal 3 wangslagen gibt, willen der Arbeiterschaft gegen die angeblich zwanges auf die Fürsorge- und Schulausgaben fenen Mitgliedern die Wahrheit zu sagen, daß abgewälzt worden wäre. Es gibt Hunderte sie durch eine Geldentwertung weit schlimmer wo man einen Teil des Errungenen wieder besser situierte Beamtenschaft zu erregen". Wir von Betrieben im Lande, wo die Arbeiter lie- betroffen würden und daß die Abwehr der Inpreisgeben muß, um nicht mehr zu verlieren? buchen diese Unterstellung als neuen Beweis ber nur drei Tage in der Woche arbeiten, ehe flation ein wenigstens annäherndes GleichgeDaß eine Zwangslage da war und ist, der politischen Unparteilichkeit" der Führung sie ihre Kollegen aufs Pflaster fliegen lassen. wicht im Staatshaushalt zur ersten Vorausmöge eine andere ,, Redensart" bekräftigen, die des Lehrerbundes. jeung hat. unseren Diskussionspartnern vielleicht beweis- Die Freie Schulzeitung" will den Hin- Die Freie Schulzeitung" beruft sich Diese Feststellungen machen wir nicht, um kräftiger klingen wird. Der deutsche National- weis auf das traurige Schicksal der Arbeits- schließlich darauf, daß auch eine ganze Reihe die Geschäftsleitung des deutschen Lehrerbunsozialist Ga yer erklärte kürzlich im Parla- lofen nur bedingt gelten lassen. Soziale freigewerkschaftlicher Organisationen und Fach- des um gut Wetter zu bitten, sondern um die ment, man könne von einem ausgeglichenen Gründe- meint sie wären für den Abbau blätter gegen den Abbau schärfstens Stellung objektiv denkende Lehrerschaft zu überzeugen, Budget nicht sprechen, weil das Volkseintom- nicht angeführt worden. Niemand habe an die genommen haben und fragt, ob dies der sozial- daß es nicht in ihrem Interesse liegt, den men um 40 Prozent gesunken sei, während die Solidarität der Lehrer mit den Arbeitslosen demokratischen Parteipreffe entgangen sei. Bei- Groll über den Abbau an die falsche Adresse Staatsausgaben nur um elf Prozent gekürzt appelliert. Uebrigens habe die Lehrerschaft leibe nicht! Sur liegt ein fundamenta- zu lenken und dadurch gerade jene Partei zu wurden. Ohne auf die gefährlichen Konsequen- durch eine Bundesspende von 60.000 Stronen Ier Unterschied vor, zwischen diesen schwächen, die in der Vergangenheit der beste zen dieser Theorie einzugehen, die der national- für Kinder Arbeitsloser, durch Einzelleistun- Rundgebungen und den Ausfällen der Füh Helfer der Lehrerschaft war und die auch in sozialistische Finanzreferent der Stadt Karls- gen und Mitwirkung an Schulausspeisungen rung des Lehrerbundes. Die freigewerkschaft- Zukunft ihr einziger Freund sein wird. bad ausgiebigst gezogen hat, seien diese Ziffern für die Arbeitslosen das Menschenmöglichste nur vermerkt, um darzutun, daß die Haupt- getan. Wir Sozialdemokraten wissen menschlast der Krise bisher von den in der privat- liche Hilfsbereitschaft wohl zu schäßen und erwirtschaftlichen Zone lebenden Menschen getra- tennen die größte wie die geringste Leistung gen wurde. Die drei Krisenjahre waren aus- für die Arbeitslosen gerne an. Es geht aber waggons zu je zehn Tonnen Stohle für die allDie staatlichen Gruben haben bisher 500 Prag , 29. Dezember. In einer gemeinsamen gefüllt von einer umunterbrochenen Abbau- nicht an, das Arbeitslosenproblem auf das meine Hilfsaktion für die Arbeitslosen gewidmet; Sigung der Präsidien beider Kammern wurde aktion gegen die Arbeiter und Privatangestell Gebiet der persönlichen Wohltätigkeit zu ver- außerdem erhielten die Gemeinden im nordwest- heute über die bisherigen Ergebnisse der vor länten. Daß dieser Abbau bis zu dreißig und schieben. Wollte die Führung des Lehrerbun- böhmischen Kohlenrevier, in denen Angestellte der gerer Zeit in Angriff genommenen Aktion zur fünfzig Prozent des Einkommens, ja bis zur des ernsthaft zu dem Bedeckungsproblem Stel- Staatsgruben wohnen, 100 Waggons Braunkohle Klarstellung der Vereinbarlichkeit des AbgeordMassenvernichtung von Existenzen gegangen lung nehmen, dann müßte sie wohl zugeben, zur Verteilung an die Arbeitslosen. Ueber An- neten oder Senatorenmandates mit Verwalist, braucht man doch hoffentlich nicht mehr daß zu einer Milliarde neuer Steuern wei- regung des Ministers für öffentliche Arbeiten tungsratsstellen in Banken und Versicherungsmit neuen Details zu belegen. Mit dem Argu- tere sechshundert Millionen kaum aufzubrin- verpflichteten sich die größeren Firmen des nord- gesellschaften Bericht erstattet. Es wurden die ment, daß einer weiteren Kaufkraftschwächung gen wären, daß aber auch bei einer weiteren westböhmischen Braunkohlenreviers, für denselben angeforderten Gutachten der kompetenten Instanmed 750 Waggons Kohle zur Verfügung zuzen über den Charakter einzelner Banken und gesteuert werden müsse, haben gerade die sozial- Einsparung dieses Betrages bei den gegebenen stellen; mit ihrer Lieferung wurde bereits be- Bersicherungsgesellschaften zur Verlejung geen über den Charakter einzelner Banken und demokratischen Parteien die öffentlichen Ange- Machtverhältnissen unweigerlich die Leistun- gonnen. bracht; die noch ausständigen Antworten sollen stellten durch drei schwere Jahre vor dem gen des Staates an die Arbeitslosen
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Kohlenattion für die Arbeitslosen.
Die Verwaltungsratstellen der Barlamentar er.
Außerdem widmen die Staatsgruben aus urgiert werden. Krisenschicksal der übrigen Bevölkerungsschich- und Kriegsinvaliden geschmälert würdem Dftrauer Revier 150 Woggons Steinkohle Die Inkompatibilitätsausschüsse beider Häuten mit Erfolg bewahrt. Wenn mun die Füh- den. Daß solche Bestrebungen da waren und und die Firmen des Ostrau- Karviner Reviers ser find schon daran, ihre Arbeiten insoweit rung des Lehrerbundes diese Argumention heute noch vorhanden sind, kann doch nieman- ebenfalls eine größere Zahl von Waggons Kohle abzuschließen, als sie genaue Richtlinien übernimmt und daraus einen Anklagepunkt dem verborgen bleiben, der Zeitungen liest. zur Unterstützung der Arbeitslosen. ausarbeiten und ihre Beschlüsse dann den Präsi gegen die Sozialdemokratie abzuleiten sucht, Daß für die Kürzung des Militarismus um Für diese Kohle wird die Staatskasse die dien der beiden Häuser vorlegen werden. Das müssen wir sie doch einladen, der Oeffentlich 600 Millionen im tschechischen Volke feine Steuern und Abgaben refundieren. Die Auftei- ganze Material wird schon in nächster Zeit verkeit mitzuteilen, auf welche Weise die 600 Mehrheit zu finden ist, dürften ja die Bera- lung auf die einzelnen Bezirke und Gemeinden arbeitet werden, um so die Voraussetzungen für Millionen Gehaltsersparnis hätten aufgebracht tungen in der„ Exekutive " flargestellt haben. besorgt das Ernährungsministerium unter Mit- die Beurteilung dieser Frage und endlich auch werden sollen. Wäre- so fragen wir das Daß den durch sie vertretenen Schichten die wirkung der Ministerien für Inneres und soziale Finanz- und Ersparungsprogramm der soge- erſterwähnte Variante sympathischer erschien, Fürsorge. nannten ,, Exekutive " jener Lösung vorzuziehen beweisen die Ersparungsvorschläge der„ ,, Exegewesen, die zuletzt von den Regierungspar- futive". Beim Handels- und Ackerbauministeteien getroffen wurde? Die Freie Schulzei- rium wollte sie nur einen Bruchteil dessen er
Ausführlichere Daten über diese Hilfsaktion werden später mitgeteilt werden.
für die individuelle Entscheidung der Präfidien der Kammern darüber zu schaffen, ob die Betätigung von Parlamentariern in Verwaltungsraten mit dem Inkompatibilitätsgesetz vereinbar sei, bzw. welche Konsequenzen aus diesen Feststellungen gezogen werden sollen.
7 an der Stelle jenes Burschen sein mögen, der mit deutschen Jugend Gott sei Dank noch nicht ver-| Jünglingen. Das Kreuz des„ Jungdeutschen Die Kellnerin Molly. Bant saß, während der Studienrat ihn mit sein laffen. zusammengepreßten Lippen bleich auf der ersten gessen. Das möge der Landesverräter sich gesagt Ordens", der Stahlhelm des Jung- Stahlhelms", der Totenkopf des Wehrwolfs", das Hakenkreuz flammenden Bliden brandmarkte. Wie ein Die Nachbarn rückten so weit als möglich der„ Bölkischen Jugend" an den Rodaufschlägen Feuerwerk entzischten die Worte dem entrüstung von dem bleichen Slotschewer ab. Der sagte nicht erwiesen ihre Gefühlsausbrüche als ansehnliche bebenden Munde des Lehrers, glitten am ausge- ein Wort, starrte nur hilflos auf den Lehrer, von Früchte einer zwar schwierigen, aber immer streckten Zeigefinger entlang und prasselten auf dem er diese herbe Verurteilung vielleicht nicht noch freudig geleisteten Erziehung zur Vatererwartet hatte. Dem Studienrat gewährte es landsliebe. den Schuldigen bernieder. sichtliche Befriedigung, daß die Klasse sich einmütig seiner Empörung anschloß, und er sang fräftig mit, als sich aus dem allgemeinen Wirr warr schließlich ohne Befehl das Deutschlandlied löste und in lauter Trußigkeit die edelsten Güter des Vaterlandes pries:
Keine Entschuldigung, Herr Kollege, renken Sie die Sache ein. Ich lasse unsere Schule nicht verseuchen. Schmachvoll breitet sich der tüdische Geist der Zweifelsucht und der Internationalität in unserem Vaterlande aus, aber vor unserer Schule möge er Halt machen. Sie steht Gott sei Dank noch unter dem Zeichen der Hohenzollern , und wenn draußen der Pöbel dreist behauptet, daß Deutschland eine Republik ist. Ich dulde keinen Vaterlandsverrat in meiner Schule."
Der Klassenlehrer der Oberprima verließ den Rektor mit rotem Kopfe. Eine Entschuldigung tam ihm gar nicht in den Sinn, denn alles, was der Rektor sagte, war auch seine Ueberzeugung. Unbeareiflicherweise war ihm das dem Schüler gegenüber nicht eingefallen. In heller Wut raste er nach dem Klassenzimmer. Seine Stimme scheuchte wie eine einschlagende Bombe die Klaffe
empor.
Nie hätte ich geglaubt, daß in der Oberprima eines deutschen Gymnasiums solches Lumpentum möglich ist!"
Die Klasse erstarrte in Schrecken. Zumpen? Einige duckten sich in die Bänk:. War der Diebstahl der Prüfungsthemen entdeckt worden? Satte man den Klassenersten beim Bordellbesuch erwischt?
Der Studienrat hieb fast das Katheder entzwei. Muß man ihn dulden, diesen Landesverräter, diesen vaterlandslosen Gesellen?" Die Klasse atmete auf: Es war also nicht so schlimm. Und doch viel böser. Auch nicht der Schüler mit dem unruhigsten Gewissen hätte jetzt
,, Schaut ihn an! So sieht einer aus, der sein Vaterland mit Füßen tritt, der sein eigenes Nest beschmutzt, einer, der vielleicht einmal als bolichewistischer Bombenschmeißer ein unrühmliches Ende findet. Er weigert sich, das behre Vaterlandslied zu singen. Dieser Weichling dünkt sich erhaben über Deutschland über alles". Er weigert sich, den greisen Feldherrn mit dem Liede aller Deutschen zu ehren, Hindenburg. der Deutschland im Weltkriege von Sieg zu Sieg geführt hat, für den Millionen Deutsche freudig ihr Blut veraoffen haben."
Die Stimme des Lehrers schnappte über. Ein entarteter, angefaulter Sproß dieser ehrwürdigen Schule sei das, angekränkelt vom freden Gewalt aciste der Völkerverföhnung und Völkergleichheit. Weniger ein Narr, sondern mehr ein Verbrecher.
,, Ich frage die Oberprima ausdrücklich, ob sie mit den verwerklichen Gedankengängen einer fo beispiellofen Verkommenheit etwas gemein hat
oder haben will."
Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand, blüh im Glanze dieses Glückes, blühe, deutsches Vaterland! Und als ob die Jünglinge hätten beweisen wollen, wie sehr der gute Deutsche seine Leidenschaften ohne weiteres zu bändigen vermag, sobald die Disziplin es verlangt, legte der ärm sich augenblidlich, als der Studienrat von der deutschen Vaterlandsliebe zur altgriechischen Sprachlehre überging.
Als Slotschewer in der großen Frühstückspause auf dem Schulhofe erschien, war sein Ab weichen von den Ueberlieferungen des Hohenzol lern- Gymnasiums schon in allen Schulstuben beEin unbeschreiblicher Tumult tobte auf. Die fannt geworden. Die Klassen der Jüngeren, die Jünglinge überboten ihren Lehrer an Entrü- selbst dem Abtrünnigen gegenüber die Unterordstung, besonders auf den hinteren Bänken. Sieg- nungspflicht nicht vergessen, die sie dem Obermund Rosenblüth, der Klassenleyte, bedauerte primaner schulden, ließen ihn stillschweigend durch unter dem Beifallsgebrüll aller, daß leider die die Gaffe ihrer feindseligen Blicke Spießruten Hochachtung vor der Schuldisziplin verbiete, laufen. der Schuldisziplin verbiete, laufen. Die Aelteren brauchten sich auf diese nach Gebühr auf der Stelle mit dem Landesver- ausschließlich mimische Bestrafung nicht zu beräter abzurechnen. Das Bolenschtrein der An- schränken. gegriffene hieß Slotschewer sei der Schand- Slotschewer lehnte an einem Baume. Die pfahl im Fleische des Hohenzollerngymnasiums Belassenheit, mit der er in sein Frühstücksbrot und verdiene. einen Denkzettel zu erhalten. Die biß, war bestimmt nur vorgetäuscht, denn um Ehrenpflicht zur urdeutschen Feme sei in der ihn herum drängten sich hunderte von deutschen
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,, Schlagt den Kommunistenhund tot!" Steinigt das Schwein!" ,, Rotes Aas!" „ Lump!"
" Theresites!"
Die abseits in einer Gruppe stehenden Lehver bemerkten, daß es nicht beim Schimpfen bleiben würde und wandten den Rücken. Das ungefährliche Kläffen mag der deutsche Junge nicht lange. Er liebt die Taten. Einer begann damit, Slotschewer zu bespucken, andere eiferten ihm nach. Steine fielen, Hände voll Sand, Kotbazen, Dreckstüde. Der Hagere Bursche wehrte sich nicht. Unter den sieben von fünfzig oder mehr Fäusten brach er schließlich zusammen. Als der Schulhof sich beim Klingelzeichen leerte, raffte sich der arg verprügelte auf und wankte beschmußt und zerrissen nach Hause. Sein für einen Oberprimaner nicht sehr vorbildlicher Zustand mag ihn überzeugt haben, daß es sich nicht empfiehlt, die Vaterlandsbegeisterung deut scher Gymnasiasten durch eine abweichende Gefinnung zu verlegen und sie danach noch durch ein anscheinend gleichmütiges Benehmen herauszufordern.
Wider alles Erwarten erschien Slotschewer am anderen Tage in der Schule, verbissen zwar, aber sichtlich ungebrochenen Wutes. Wahrschein lich sagt er sich, daß es nicht vatsam ist, furz vor der Abiturientenprüfung die Schule zu wechseln. Söhne wenig bemittelter Eltern, und ein solcher war Slotschewer, sind ja meistens nicht frei von solchen materiellen Berechnungen ( Fortsetzung folgt.)