Rr. 1

Sonntag, 1. Jänner 1933

Frondienst am Schreibtisch.

Von Rudolf Richter.

Artur Schopenhauer.

pusat.

Seite 7

Das Märchen vom Schutzzoll

oder

Ueber die sonderbaren Wege wirtschaftlichen Denkens. 2

allen Kräften am Gedeihen seines Unter- p nehmens mitwirken" oder: Es ist ein Sochgefühl, jeinen Platz in der Welt auszufüllen und am Fortschritt des Menschengeschlechts mitzuarbeiten." ,, Dem entsprechend ist die errungene Es wäre verlorene Mühe, besonders ältere Leute Der Ueberzeitpresser kann nicht zwischen mein oon dieser Lebenslüge befreien und ihnen nach freie Muße eines Jeden, indem sie ihm den und dein unterscheiden. Daher beobachtet er selbst weifen zu wollen, daß die alten Fragen nach Es war einmal ein Land mit stark landwirt­freien Genuß seines Bewußtseyns und seiner den gewissenhaftesten Beamten mit scheelen Blik Zweck und Fortschritt der Menschheit doch etwas schaftlicher Bevölkerung, die zu einem guten Teil Individualität giebt, die Frucht und der Erfen, wenn dieser sich pünklich empfiehlt. Es gibt schwieriger find a man gemeinhin glaubt. Ich von der Verarbeitung von Milchprodukten lebte. trag seines gesammten Daseyns, welches im da eine überaus bequeme, aber selten überlegte fenne Menschen, die, nachdem sie den Sonntag Da auch dieser Zweig der Landwirtschaft sehr Uebrigen nur Mühe und Arbeit ist." Redensart: Wie ein Maurer." Aber ein geistiger bormittag ohne eigentlichen Nußen für sich und unter der Kerise litt, entschloß sich die Regierung Arbeiter ist heute weniger als ein Maurer, der zum Schaden der andern dem Gößen Geschäft" des betreffenden Staates, im Interesse der Dieser Satz, der dem Folgenden Sinn und Be- fann. Wenn ich dir, geschäßter Herr, 8 Stunden gleichen nach Hause gehen. Den treffendsten Ausländische Milchprodukte zu erheben und die Er­Dieser Satz, der dem Folgenden Sinn und Be- nach seiner Tagesmüh zu Frau und Kind eilen geopfert haben, mit einem Hochgefühl sonder- heimischen Viehzüchter einen Schutzzoll auf aus­rechtigung verleiht, stammt von einem, den man meines Tags, die besten, für wenig Geld ver- brud für eine solche Regung des Gemüts hat trägnisse dieser Institution der notleidenden den Erleuchtetsten der Erdensöhne beizählt; von einem Denker, dessen Namen manche unsrer Zeit- fauft habe, so sind sie ohne Zweifei dein; aber Sebbel gefunden. Er muß mit solchen Wichten Milchwirtschaft in Form von Subventionen zugute genossen( wie Herman Hesse ) ehrfurchtsvoll in um 6 Uhr beginnt mein Tag. Welch ein Tor auch zusammengeraten sein und nennt ihre Auf- fommen zu laffen. Der Erfolg davon war, daß einem Atem mit Christus und Buddha aus- müßte ich doch sein, wenn ich mich von dir um geblasenheit das Gefühl eines Radnagels, der die Milchwiehzucht unter dem Schuße der Regie sprechen. Unter Berufung auf das Zeugnis eines mein gutes Recht beſtehlen ließe. Stets führst du mit sich selbst zufrieden ist, weil er das Holz mit rung einen solchen Aufschwung nahm und sich so gewichtigen Gewährsmanns können wir un- schrift hängt vielleicht jahraus jahrein vor deiner etwa ein Beethoven von der Wichtigkeit und Ein- Milch- und Butterpreisen bald fein Absatz für das Wort Zeit ist Geld" im Munde, die Auf dem Eisen zusammenhält". Wir begreifen, daß derart verbreitete, daß bei gleichbleibend hohen berzagt den so zeitwichtigen wie zwingenden Schluß ziehen: Wer seinen Untergebenen, mit Nase. Meinst du vielleicht, dieser Spruch gelte nur jigkeit feiner Sendung durchdrungen war. Der Molkereiprodukte mehr vorhanden war und welchen Mitteln immer, des eignen Vorteils wil­große Mengen von Milch an eigens zu diesem len beharrlich zur Ueberstundenarbeit antreibt, ist Zwecke gehaltene Schweine berfüttert werden sin Schuft. mußten. Da die künstlich hochgehaltenen Preise: über dem Weltmarktniveau lagen und der Export folglich sehr erschwert wurde, mußten große Lager aufgestapelt werden, deren Wert, bei der Unbe­ständigkeit der Ware, in dauerndent Schwinden begriffen war.

Sprechen wir dies Wort getrost aus! Es gibt fein milderes für die zu bezeichnende Sache. Leute, die ihre Mitmenschen aus Eigennus unt den Ertrag ihres gesammten Daseyns" bringen, hat man seit jeher so genannt.

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Ueberstundenarbeit ist, auch von einem an­deren Standpunkte aus gesehen, ein Unrecht ge­gen Arbeitslose und Arbeitende; denn diese müs­sen entbehren, damit jene ihr Leben fristen fön nen. Diese böse Frucht einer bösen Tat, wollen wir links liegen lassen, um einer anderen, noch beklagenswerteren, wenn auch weniger erörter ten Seite dieses Uebels nachzusinnen.

Wenn mich ein von der Gewinnsucht beses­fener Unternehmer oder sein streberischer Sold­Enecht zwingt, täglich 10 statt 8 Stunden zu arbeiten, so sind das in 25 Jahren 7000 Stunden Zwangsarbeit. Angenommen nun, dem Kanzlei­menschen verbleiben nach Stillung aller Bedürf­nisse, die er mit dem Tier gemeinsam hat, rund 4 Stunden um Mensch zu sein, so hat mich mein Antreiber 12% Jahre lang meiner Muße beraubt, mich gewaltsam, aus n drigen Beweg­gründen, vielleicht sogar überflüssigerweise, um ein Gut verkürzt, das sich nicht durch Geld und Rang, noch veil weniger aber durch leutseliges Auf die Schulter- klopfen oder Händeschütteln auf­wiegen läßt, um einen Besitz, der mit jedem andern schlechthin unvergleichbar ist: einen Teil meines Lebens.

Nicht alle Menschen fühlen das Zwingende und die Tragweite dieser Ueberlegung mit gleicher Klarheit. Viele tommen zeitlebens über ein halb­unterdrücktes Murren nicht hinaus, wenn der gnädige Herr des Abends mit der Peitsche knallt; und manche, die Aermsten der Armen, haben sich an den Frondienst gewöhnt. Gänzlich offenbar wird das Entwürdigende dieser Knechtung nur einem Menschen, der die widerrechtliche Entzie hung der Freizeit als schmerzhafte Beeinträchti gung seiner Lebenstätigkeit verspürt, indem für ihn die Muße tatsächlich das Beste, den Kern seines Daseins darstellt. Wer seine freie Zeit nur zubringt", also etwa im Raffeehaus versigt oder mit Kartenspielen totschlägt, dem darf man zwar ebensowenig das Recht darauf absprechen; aber nimmermehr fann er das Unrecht in seinem vol­Ten Umfange ermessen, noch auch kann sich seine Erbitterung beim Vorrücken des Uhrzeigers der­maßen steigern, wie bei einem Menschen, der zu Hause musiziert oder Gedichte liest.

مجوس

Sie zwingen ihn nicht!

Infolge der allgemeinen Not und der under­hältnismäßig hohen Preise ging auch der Konsum sinar rahlim eigenen Lande zurück( ganz abgesehen von den Folgen des abnehmenden Fremdenverkehrs), so daß auf den einzelnen Bewohner anstatt wie. früher 7 Deziliter Milch pro Tag, nur mehr ca. slo d5 Deziliter als durchschnittliches Verbrauch quan tum famen und auch an Stelle von Butter viel­fach billigere Pflanzenfette und Dele verwendet wurden.

Was tut nun eine fapitalistische Regierung, um einem derartigen unhaltbaren Weißstande abzuhelfen? Verordnet sie etwa eine Preisreduk­tion? Nein. Sie erhöht die Zölle für Futters mittel, damit durch die mangelnde Rentabilität der Milchviehzucht ein großer Teil der Landwirte ( natürlich handelt es sich hiebei wieder, um die weniger bemittelten) gezwungen werde, sich von diesem Wirtschaftszweige wieder abzuwenden und es so ermögliche, die Preise infolge geringerer Produktion auf annähernd gleicher Höhe zu halten.

Zum Schuße der in diesem Zusammenhange erheblich angewachsenen Schweinezucht wird über dies eine Importgebühr auf Schlachtvieh erhoben. Denn was täte man nicht alles für die notleidende Landwirtschaft!

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Der notleidende Konsument jedoch muß trop verringertem Einkommen weiter hohe Preise für die wichtigsten Lebensmittel zahlen.

So geschehen in der Schweiz im Jahre 1932. V: K.

Der Papst propagiert die christlichsoziale Presse

Wie die christlichen Zeitungen Berichten, war vor kurzem eine Studentendelegation beim Papst, um ihm eine Huldigungsadresse zu, über reichen. Bei dieser Gelegenheit hat sich der Stell­obertreter Christi auf Erden mit der Presse be­faßt und u. a. gesagt:

Probier er's nur und sterb' er einmal! Und wenn davon auf der ganzen Welt Ein Schweinstall nur zusammenfällt, So erklär ich ihn für einen Propheten Will ihn mit all meinem Haus anbeten.

( Goethe.)

Die Zwangsarbeit, der mein Hinweis galt, geht im Grunde auf maßlose Gewinnsucht zu rück. Von dem Ertrag, dem Opfer ausgepreßt,

Für die Förderung der katholischen Inter­essen sind die katholischen Blätter unentbehrlich. Daher ist es in demselben Maße unerläßlich, auf die wirtschaftlichen Bedingungen

des Bestandes der katholischen Presse Bedacht zu haben."

Der Heilige Vater erinnerte daran, daß auch die katholische Presse innerhalb der jittlichen Normen nach wirtschaftlichen Grun d= sätzen, wenn sie gedeihen solle, verwaltet werden

ſabes gehe deshalb nicht an, von ihr on

müsse. Es

erwarten, daß sie ohne entsprechende Einnahinen ihre Aufgaben erfüllen und man von der Presse Verzichte aufBezugsgelder erwarten tönne. Die Gewinnung zahlreicher Abonnenten zur Stär­tung und Ausbreitung der katholischen Presse sei ein bedeutsames Werk ein großes Apo­stol at sei hier zu vollbringen. Der Heilige Vater erinnerte an die mustergültige Tätigkeit der holländischen Katholiken für ihre Presse, und wenn man ihn um seinen Segen für ein fatho­Ifches Blatt bitte, so gelte dieser Segen allen, die zur Förderung dieses Blattes als dessen Bezieher und werktätige Freunde beitragen."

Dem Gesagten zufolge sind auch die Leute, welche die Freizeit der ihnen Ausgelieferten be­fnappen, gewöhnlich, vielleicht ausnahmslos, feine Vollmenschen, sondern rechte Schacherseelen, Wirk­lichkeitsanbeter und im Grunde arme Tröpfe, die nie begreifen werden, daß es für manchen Men­schen jenseits aller Tagesmühe eine bessere Welt, ein Glück im Winkel, gibt. Ich stand neulich vor dem Bücherschrank eines dieser Sklavenhalter; für deine Zeit und mich könntest du um die Durchschnittsmensch aber befreie sich von solchem mit größter Teilnahme und Spannung, denn die meine bestehlen? Nachdem du den Rahm, die Wahn: Büchersammlung eines Menschen ist, nach seinen Morgenstunden, um die man manchmal weinen Tagebüchern, das beredteste Zeugnis seiner Inner- möchte, abgeschöpft hast, willst du jetzt noch den lichkeit. Es war ein Kasten, 2 Meter breit und Rest einsacken, die Abende, womöglich noch den ebenso hoch, mit Metall beschlagen und aus fein- Sonntagvormittag? Was würdest du dazu sagen, stem Holze. Aber ich fand darin kein Buch von wenn ich, im Hinblick darauf, daß ich gestern bleibendem Wert, keines, das vor mehr als 50 abends zwei Stunden länger geradert habe, tags Jahren entstanden, keines, das man nach 50 Jah- darauf um eine halbe Stunde später in die ren noch lefen wird. Kanzlei fäme? Dasselbe, was die Macht von jeher Vor eben diesem Bücherschrank ward mir dem Recht erwidert hat: Ja, Bauer, das ist ganz eine Erkenntnis, die ich fast tragisch nennen was anders." möchte: Zwar leben wir nebeneinander, sagte ich mir, aber ich hätte mich mit manchem Menschen, Der Ueberstundenzwang ist ein heimtückischer fällt ein Tropfen doch dem Büttel, dem Antrei­der vor 2000 Jahren gelebt, besser verstanden Angriff auf eines der ursprünglich sten ber zu, und eine Strone mehr in der eignen Papst weniger der Führer einer Glaubens­als mit dir. Unsere Wertung gewiffer nicht greif wenschenrechte, die Freiheit. Dem Tasche wiegt 10 Stunden Freiheit des Unter- gemeinschaft, denn einer großen politischen Be barer Dinge( ich möchte sie die vorletzten" nen denkenden Beobachter ist daher die Schlappheit gebenen auf. Welt, wie verstrickt bist du in wegung, die nicht um das Reich Gottes, sondern nen) wird ewig verschieden, ja entgegengesetzt sein. Der Gesetzgebung unfaßbar. Warum erlöst man Sansara! Zuerst der Besitz, der Bauch, dann der um die Macht in der Welt kämpft, aber daß er, Du solltest meine Sehnsüchte begreifen und bist nicht durch gehörige Strenge tausend Schmach Mensch! Die Arbeitskraft des Mitmenschen wird in dem doch noch Millionen das oberste Haupt. nicht einmal imstande, den dichterischen Kern des tende aus ihrer Gefangenschaft? Warum bestraft wie ein Stück Zugvich eingehandelt, wie eine der katholischen Kirche sehen, deren Aufgabe in Rannitverstan" zu genießen! Es gibt kein Mittel, man nicht jede behördlich nicht bewilligte und Fuhre Holz erstanden. Auf die Waage werden der Läuterung der Menschen zum Guten besteht, um dir begreiflich zu machen, daß ein unsichtbares, ordentlich entlohnte Ueberstunde mit einer Geld- mir noch Angebot und Nachfrage gelegt, teine soweit geht, um offen vor aller Welt die Presse Iuftiges Gebilde, Lied genannt, manchen tiefer strafe, im Wiederholungsfalle mit dem doppelten Spur von menschlicher Rücksicht. Der alte Irrtum, der Christlichsozialen anzupreisen und ihr auch beglücken kann als ein neuer Kraftwagen oder Betrag, beim dritten Male mit der Entziehung der Stoff habe den Erstrang vor dem Unficht geschäftliche Ratschläge erteilen wer felbst der gelungenste Geschäftsstreich, und hätte der Ehrenrechte?( Die Hälfte der Strafgebühr baren, der Materialismus thront wieder gefchäftliche Ratschläge erteilen werde, er 100 Prozent eingebracht. Wie soll ich dir flar müßte dem Angeber ausgezahlt werden.) inmitten unter uns. Er hat die europäische Hölle hätten wir nicht anzunehmen gewagt. Ja noch Tegen, daß höchstes Glück der Erdentinder die angeheizt. Allein es ist ihm vorausbestimmt, daß mehr, daß er sein Amt mißbraucht, indem er er, auf feiner Bahn blind forteilend, sich selbst die ihm angeblich von Gott übertragene die Freizeit zu beschneiden so viel bedeutet, wie Wie gegen jedes Weh und jeden Mangel aufhebt, sich selbst den Kopf einrennt. Halb hof- Funktion eines obersten Seelenhirten benüßt, umt e nem Vogel die Flügel zu stußen. Bis an dein haben die Menschen zu ihrem Trost auch in die- fend, halb bangend, fühlen wir an dem Schüt- für bestimmte Dienste, die der katholischen Presse Ende wirst du Geistestultur als ein Stedenpferd sem Falle schöne Worte erfunden. Solch plattes tern aller Grundlagen, daß die alte Welt unauf erwiesen werden, den Segen zu erteilen, das stellt ansehen wie Markensammeln oder Taubenzucht. Gerede, an das sich manch abgebrauchter Kanzlei- haltsam, mit stetig wachsender Geschwindigkeit den Gipfel der bisher geübten Profanierung der mensch flammert, lautet etwa: Man muß mit einer Schicksalswende entgegengeht. fatholischen Religion dar.

Persönlichkeit sei und daß manchem von ihnen

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Wir haben nie daran gezweifelt, daß der