Sk. 48.
Donnerstag, 28. Feber 1833
Seit« 5
Verteidigung eines barbarischen Sportes. Der Senat des Staates New Jork richtete unter dem Eindruck« dcS Todes des Boxers S h a a f, des Gegner- Prime Carneras, heftig« Angriffe gegen di« daS Boxen betreffend« Gesetzgebung. Wahrend der Senat in Albany einen Gesetzentwurf für«ine Reform der für den Boxsport gültigen Regeln vorbereitet, haben sich die Anhänger dieses Sportes mit dem Bor - sitzenden der Athletik-Kommission des Staates, Farley, der Vorsitzender des demokratischen Nationalkomitees ist, an der Spitze, zur Verteidigung des gegenwärtigen Boxspartgesetzes zusammengeschlossen. Farley deutete an, er und seine Genossen würden einen erbitterten Kampf führen, Ulk die Aufhebung der gegenwärtigen diesbezüglichen Gesetzgebung zu verhindern, denn der beim Match Primo Carnera —Shaaf vorgekommen« ^vereinzelte" UnglückSfoll, wie er sagt«, könne sich bei jedem anderen Sporte auch ereignen. „Ter Sport als Gesundheitserhaltung und Erwerb." Sport kann Erwerb werden, in ernster Form als Trainer, Einpauker, Partner von Großmüttern„beflerer Kreise"— und als Sport- Gigolo überhaupt. Solche Erwägungen leiteten das Sportamt in Frankfurt a. M., als es jetzt Sportkurse errichtete— für Erwerbslose. In Beisatz der Bekanntgabe, daß Sportkleidung Mitzubringen sei, ist genau so stilvoll, wie es das Verlangen eines Prager Vereines war, der behauptet, Kunst und Literatur zu dienen, als er kür den Besuch seiner Veranstaltung Frack, mindestens Smoking verlangt«, Im Frankfurter wie Frager Fall mag krisengemaß der Versatzzettel im Knopfloch genügen.(Gibt es Ausleihämter für solche Krisekriegsorden?) Für das Unnötig« haben di« Kapitalbesitzer immer Geld.
Leide« der jungen Wertder. AuS dem Russischen von M. Soft schenk». Ich fahre auf meinem Rade durch%ie Straßen. Es ist ein recht gutes Rad. Englisches Fabrikat. Ganz moderne Konstruktion. Die Reisen sind zwar nicht einheitlich— der eine ist englisches, der andre deutsches Fabrikat. Und dl« Lenkstange stammt aus der Ukraine . Trotzdem läßt sich's— bei trockenem Wetter— ganz gut damit fahren. Und so sitze ich auf meinem Rade und lenke eS. Ich fahre den Kamenostrowjki- Prospekt entlang, über den Boulevard und biege in ein« Eeitenollce ein. Ich fahr« mit gemächlicher Seelenruhe. Di« Vögeln zwitschern. Eine Krähe pickt den Straßenkot. Bor einem Tor« bellt ein Hündchen. Ich nehme die herbstliche Landschaft in mich auf, und plötzlich wird mir's weich ums Herz. Ich möchte mich aller trüben Gedanken erwehren. Da» Bild eines schöneren Lebens steigt dor mir auf: Gleichheit und Brüderlichkeit, gegenfertige Achrung, gemilderte Sitten, Nächstenliebe. Ich inöchte meine Arm« weit ausbreiten, um die Menschen zu umfangen, möchte ihnen ein gutes Dort sägen, sie in ein« Volksküche mitneymen und si< samt und sonderS satt machen. Ich hätte Geld unter sie verteilen mögen, als Entschädigung.für alles Mißgeschick, für alles Schwere, das sie bisher zu ertragen hatten. Bon fern her ertönt ein Pfiff. Da hat Wohl jemand eine Ueber- tretung begangen, hat nicht ordnungsgemäß den Straßendann überschritten. In Zukunft wird's auch das nicht mehr geben. Dies« markerschütternden Pfiff«, die heut« ganz Rußland durchschrillen, werden dann ein Ende nehmen. Noch einmal läßt sich nun ganz nahe bei mir der aufregend« Pfiff vernehmen. Dazu Geschrei und rohes Geschimpfe. Solches Geschrei wird es dann auch nicht mehr gehen, zum mindesten nicht dieses entwürdigende Geschimpfe und dies« Roheit. Ich höre jemanden hinter mir herlaufen, mit heiserer Stimm« schreien:„Was nimmst du Reißaus, du Hundesohn.' Daß dich... Sofort machst du Halt!" Wem die wohl nachjogen mögen, frag« ich mich, indem ich langsam, aber wohlgemut meinen Weg fort- ntze. „Ljoschka, du Lump," ruft do ein« Stimme, »laus mal links vor! Laß den da nicht aus dem Auge!" Ich sehe einen Burschen link- neben mir her- wufen. Er schwingt einen Stock und droht mit der Faust. Ich wende mich zurück. Ein halb ergrauter Mann von würdigem Aussehen läuft '»mitten des Weges und brüllt aus voller Kraft: »Packt ihn, Brüderchen, packt ihn! Ljoschka, ver- sirr' ihn nicht aus d«n Augen!" Ljoschka zielt nach wir— sein Knüppel trifft dcks Rad. Nun begreife ich, daß eS mir gilt. Ach spring« ab und siehe wartend da. D«r Wart«r kommt heran. Sein« Brust röchelt. Keuchend entwindet sich ihr der Atem.„Packt ihn, ihr da," schreit er. Bereit- willig stürzen sich an di« zehn Mann auf mich, drehen mir fast die Arm« aus und kreuzen sie hinter meinem Rücken. „Seid Ihr von Sinnen, Brüderchen!" Der Wärter entgegnet mir: ,^Ich schlage dir »och die Zähn« ein. Du sollst spüren, ivas daS heißt, einen Beamten während der Ausübung seiner Amtspflicht zu beleidigen. Laßt ihn nicht ws, den Hund!" Ein ganzer Haufe hat sich um uns versam- 'welt.„Was hat er denn verbrochen," fragt«iner. „Er hat mich fast zu Tode gehetzt, mich mit weinen 53 Jahren. Dieser Weg ist für Radfahrer Untersagt. Es steht ja auch ein Schild da. Und Weser Satan wagt eS, trotzdem hier zu radeln. Dem will ich es eintränben. Gut. daß mein Gehilfe darauf kam, ihm eins mit dem Stock zu versehen." . Ljoschka durchbricht die Menge, krallt sich mir Nl die Hand.„Ich hab' nach seiner Hand gezielt.
Ich wollt« si« ihm zerschmettern, damit er nicht weiterfahren könnte." Brüderchen," sage ich,„ich hatte ja keine Ahnung, daß der Weg hier verboten ist. Dachte auch nicht daran, auszukneisien." „Was, du dachtest nicht daran, auszukneifen," brüllt der Wärter außer Atem.„So ein« fr«he Lüge! Zur Polizei mit ihm!" ,Zört doch auf, ihm das Handgelenk auszudrehen," sagt einer. „Brüderchen," sage ich,„ich will gern Straf« zahlen. Hört nur auf, mir das Handgelenk auszudrehen!" „Mag er seine Papiere vorweisen," sagt ein anderer,„und die Strafe bezahlen! Was soll er auf der Polizei?" Unter dem Drucke des übrigen Publikums müssen der Wärter und sein« hilfsbereiten Genossen sich mit der Sttaszohlung zufrieden geben. Schwankend gehe ich neben meinem Rade her. In meinem Kopfe summt und schwirrt es. Punkte und Kreis« tanzen vor meinen Augen. Meine aus der Angel gehobene Seele ergeht sich in wirren Phantasten.„Mein Gott," entringt stch mir ein altgewohnter Ausruf. Ich massiere meine
Hand und sende«in entrüstetes„Pfui" in di« Fern«. Am Kai steige ich wieder aufs Rad.„Laß gut sein," sage ich zu mir selbst,„was bist du schließlich für ein großer Herr, daß sie gerade dich mit Handausdrchen verschonen sollten!" Langsam fahre ich den Kai entlang. Ich vergess« allmählich den groben Zwischenfall. Wieder erstehen vor mir di« tröstlich verheißungsvollen Bilder einer nahen Zukunft. Ich stelle mir vor: ich fahr« auf einem Rade mit gleichwertigen Rädern, biege in_ die fatal« Allee ein, höre Lochen und sehe den Wärter des Weges daherhommen, einen weichen Filzhut auf dem Kopfe, in der Hand eine Blume Es ist ein Vergißmeinnicht oder ein« Tulpe. Er dreht das Blümlein in seiner Hand und sagt:„Dtt hast dich wohl verirrt, Freundchen! Mach nur kehrt, mein Lieber-, sonst muß ich dich bestrafen— du bekommst eben kein Blümchen." Leise lächelnd reicht er mir ein Vergißmeinnicht. Und nachdem wir uns aneinander erbaut haben, trennen wir uns. Diese zart« Illusion mildert meinen Kuni- mer. Munter fahre ich weiter. Ich trete das Rad und sage zu nur:„Tut nichts; meine Seele geht nicht daran zugrunde. Ich bin noch jung genug. Ich kann geduldig warten."
Der Mann mit dem N«w sfsork, Mitte Feber.(Eig. Ber.) In New Pork ist einer der populärsten Männer auf dem Gebiete der Propaganda gestorben: Harry R e i ch e n b e r g. Die enorme Verbreitung der Hollywood -Filme über die ganze Welt ist nicht zuletzt seinen erfinderischen Reklamefeldzügen zu verdanken. Er war ein Selfmademan, hatte von ganz unten angefangen und mit der Zeit es zu einem ansehnlichen Vermögen gebracht. Seine Haupttätigkeit hatte er auf die Filmbranche verlegt, verschmähte es aber nicht, gelegentlich auch anderen Industrien beizuspun- gen. In den letzten Jahren seiner Tätigkeit ließ er stch besser bezahlen als der teuerste Filmstar. Er verdiente mehrere tausend Dollar wöchentlich. Vom Anfang seiner Karriere gibt es eine hübsche Anekdote. Eines Tages empfing Reichenberg den Besuch eines Freundes, des Bc- sttzers eines New Docker Restaurants. Der Freund sprach viel vom schlechten Geschäft. Reichenberg hörte stch die Klage an und dachte eine Weile nach. Dann empfahl er seinem Freund vor dem Eingang in das Restaurant einen kleinen Glaskasten mit Quellwasser und folgender Inschrift darunter aufzustellen:„Das einzig« Exemplar eines unsichtbaren Fisches in den Vereinigten Staaten ." Restaurateur schüttelte verständnislos sein sorgenvolles Haupt, führte aber Harrys Rat aus. Kaum stand der Glaskasten draußen, als sich eine Menschenmenge davor ansammelte und darüber diskutierte. ob eS denn üborhaupt einen unsichtbaren Fisch gäbe und wenn es ihn gäbe, wo er wohl lebte. Aber in der Hitze des wissenschaftliches Gefechts betrat man inzwischen das Lokal, bestellte eine Kleinigkeit und setzte den Disput fort. Bon nun an war die Kneipe mit dem unsichtbaren Fisch ein Geschäft. Der Trick hatte sie und— Harry Reichenberg populär gemacht. Seine Filmkarriere b^ann Reichenbera erst während des Krieges. Er hatte damals in Frankreich einen Film, in dem Sarah Bcrnard nie Hauptrolle spielte,. erworben. In Nord amerika hatte der Film nur einen mäßigen Erfolg. Um ihm für Südamerika einen besseren zu verschaffen, ließ er eines Tages in die gesamte südamerikanische Presse folgendes Telegramm einrücken:„Ankomme Dienstag in Begleitung Sarah Bernards an Bord des Red Star in Buenos Aires . Harry Reichenberg". Am Hafenkai fand sich«ine Riesenmenge ein, um die welt-
,unsichtbaren Fisch. berühmte Schauspielerin zu begrüßen. DaS Schiff ging vor Anker, die Leute jubelten. Würdevoll ging Reichenberg an Land und dankte jovial für die begeisterte Aufnahme. Als aber die Menge die verehrte Schauspielerin zu sehen verlangte, erklärt« der Reklamekönig, es handle sich um ein Mißverständnis. In seinem Telegramm wäre mit dem Worte„Sarah Bcrnard" der gleichnamige Film gemeint gewesen... Erst tobte die Meng«, dann lachte alles mit Harry mit. Dieser seltsame Start brachte dem Film einen guten Erfolg. Man erzählt sich in Amerika ferner eine reizende kleine Anekdote, die zu beweisen scheint, daß Reichenberg auch ein Mensch von gutem Herzen gewesen ist. Eines Tages kam ein armer, begabter, aber bisher nur in kleinen Rollen beschäftigter Schauspieler zu ihm. Er klagte dem Reklamekönig sein Los, unter deffen wirtschaftlichem Druck nicht nur er, sondern auch Frau und Kind leide. Reichenberg nahm ein Säckchen mit Kupfermünzen in die Hand und führte den armen Teufel zum Leiter. eines der größten Filmkonzerne. Unterwegs ließ er wiederholt Kupfermünzen zur Erde fallen. Bald folgten einige Buben dem geldspendenden Zug, schueß- lich /rine; ganz« Schar von Männern und Frauen, die an dem S«en teilhoben wollte». Als Harry mit seinem Schützling'das Büro des Filmgewaltigon betrat, staute sich draußen die Menge und jubelte— in Erwartung weiterer Spenden. Reichenberg führte den Generaldirektor ans Fenster, deutet« auf die Monge und sagte:„Der Jubel des Volkes gilt diesem Manne hier. Schließen Sie mit ihm einen langjährigen Vertrag ab und S/e werden auk Ihre Kosten kommen." Es kam denn auch zum Vertrag; heute ist der kleine unbekannte Schauspieler einer der am besten bezahlten in Hollywood . Und wenn diese Anekdote nur ein Märchen sein sollt«, so ist es jedenfalls doch aut erfunden.... Nicht erfunden ist aber die merkwürdige Geschichte vom Aufstieg des Filmstars Clara Bow. Ter Ruhm der Künstlerin ist das Produkt einer Wette. Als eines Tages ein Amerikaner Rcichenbergs unbegrenztes Erfolgsvermögen«rnzweifelte,/ erklärt« der Geschmähte: er sei bereit, eine sehr hohe Summe zu zahlen, wenn es ihm nicht gelänge, aus einem ittzbe- kannten jungen Mädchen, das er allerdings für begabt halte, binnen kuiHer Frist einen Filmstar zu machen. Harry Reichenberg gewann. A. Nh.
Der Diditer aer„SklavenHeder H. Zum 25. Todestage Svatopluk tedis. Als am 23. Feber 1908 der zweiundsechzig- jährige Dichter Svatopluköech starb, wurde er als nationaler Dichter gefeiert und Liebling der Nation genannt. Svatopluk 6ech ist aber nicht nur ein nationaler Dichter der Tschechen , sondern auch ei» sozialer Poet, dessen vor Jahren in deutscher Uebersetzung im I. H. W. Dietz- Verlag erschienene„Lieder eines Sklaven" zum Gemeingut des internationalen Proletariats geworden sind. Am Abend nach der Tagesarbeit sitzen Sklaven unter Palmen und lasten sich von ihrem sangesfreudigen Kameraden Lieder vorsingen. Er singt von ihrer Fron, von ihren Ketten r<»d von all den Qualen, di« ihnen die Sklavenhalter zufügen. Die Sklaven sind daS modern« Proletariat. Man hört in diesen Sklavenliedern den Groll des Dichters gegen das Kapital. Der Sänger ruft zum Kampfe, zur Revolution auf. Durch die ganze Welt ertönt das Geklirr der Sklavenfesteln. Bis der Zorn von Millionen entbrennen wird, werden aus den Ketten schreckliche Waffen werden. Zum Schluffe hat der Sklavensänger eine Vision: Sturm auf der See, die soziale Revolution. Nach dem Sturme leuchtet die Sonne der Freiheit, die ganze Menschheit verbrüdert sich und es gibt weder Sklaven noch Bettler. Dies«„Lieder eines Sklaven" haben neben vorwiegend sozialen auch national« Motive, da zur Zett, als sie erschienen(1895); das Industrie- unv Finanzkapital in Böhmen und Mähren fast gänzlich von Deutschen repräsentiert war. Von der Beliebtheit der„Lieder eines Sklaven"
zeugt schon der Umstand, daß das Buch bisher in 35 Auflagen gedruckt worden ist. Die österreichischen Behörden hätten gern dies« sozialistischen Gedichte, die für die Revolutionierung der Masten bester als Agitationsbroschüren gewirkt hatten, beschlagnahmt, doch sie haben stch zu spät besonnen, als das Buch bereits in Tausenden von Exemplaren unter der Bevölkerung verbreitet war. Die k. k. Zensur hatte schon früher(1883)«in poetisches Werk von Svatopluk 6«ch,„DerSchmied von Leschetin", verboten, doch diese halb soziale, halb national« Idylle wurde sodann geheim in zahlreichen handschriftlich angelegten Kopien herumgeborgt und gierig gelesen. Es ist ein Epos vom Schmied^m Dorfe Leschetin, der sich weder im Guten noch im Bösen vom deutschen Fabrikanten von seiner Schmiede vertreiben läßt und von Soldaten, die zum Schutze des Kapitalisten kommen, erschaffen wird. Das Werk wurde von der Zensur erst 1899 freigegeben. Svatopluk'6ech, von Beruf Advokaturskonzipient, später Journalist und dann freier Schriftsteller, war ein ruhig«r Bürger, der aber mit der Arbeiterschaft sympathisiert« und Verständnis für ihre sozialen Bestrebungen bekundete. Schon in seinen Erstlingswerken„D i e A d a m r 1 e n", „Europa ",„Slavia" befaßt« er sich mit der sozialen Frage. Im Jahr« 1886 schrieb er für einen Arbeiteralmanach ein längeres Gedicht „A r b e i t", das aber zu zwei Dritteln der Konfiskation zum Opfer fiel. Sodann erschienen von ihm einige prologartige soziale Dichtungen, wie „Die Freiheit",„Die unterirdische Stimme"(d. i. die Stimme der sozialen Revolte, die unter der Erde ertönt) n. a. m. Den Arbeiter nennt er„Held der Zukunft",
Der Bankier der Ganoven- Allerlei Verbrecher-Kuriosa.— Das Kriminalmuseum eines Einbrechers.— Braut« werden nach Wunsch besorgt. Unter dramatischen Umständen wurde unlängst in Berlin ein Einbrecher verhaftet, der sich standhaft weigerte, seinen Namen und seine Adresse anzugeben. Mit Hstfe des Erkennungsdienstes gelang es dann schließlich doch, die Personalien dcS Einbrechers festzustellen, der außerdem schon einige Male vorbestraft war. Die große Ueberraschung kam aber erst, als man der Privatwohnung des Einbrechers einen Besuch abstattete. Die Kriminalbeamten sahen sich zu ihrem maßlosen Staunen in ein'richtiges, mit fachmännischem Raffinement eingerichtetes Kri- ininalmusemn versetzt. Aus seinen zahllosen Einbrüchen hatte der Mann zahlreiche Erinnerungen aufgehoben, die ihm nunmehr wahrscheinlich zum Verhängnis geraten werden. Meist hatte er Stück« bevorzugt, die ihm beim Einbruch zu ichaffen gemacht hatten, also zum Beispiel besonders knifflige Türschlösser,„Probemuster" von modernen Kastaschränken, die er bezwungen, invalide Einbrecherwerkzeuge aller Art, defekte Gummihandschuhe, Gesichtsmasken, kurz alles, was ein„olles biederes Einbrecherhcrz" erfreuen und erquicken kann. Jedes Stück hatte sein sauberes Etikett und die Polizei sucht nur noch den „Generalkatalog", der dann in der Hand deS Staatsanwalts bei diesem Pechvogel von Einbracher recht unmuseale Empfindungen hervor- rufen wird. Durch einen jener Zufälle, wie sie der Polizei immer wieder zu Hilfe kommen, konnte unlängst ein Hehler, und zwar ein Großunternehmer von einem Hehler, gefaßt werden. Dieser Hehler hatte aber einen noch interessanteren Nebenberuf. Er war nämlich Bankier von vielen hundert Dieben, di« bei ihm ihr Bargeld deponierten, wenn sie durch einen„Betriebsunfall" vorzeitig, d. h. bevor sie das Gestohlene in Ruhe hatten verzehren können, ins Kittchen wandern mußten. Der Ganovenbankier zahlte zwar kein« Zinsen, sondern forderte sogar ei.e Provision für die„Depotaufbewahrung", aber sonst handelte er wie ein„Ehrenmann". Wenn der Einleger von 'einer„Reise" znrückkehrt«, konnte«r gewiß sein, fee- Guthaben ungeschmälert vorzufinden. Wenig bekannt ist auch, daß eS in d«r Ber liner Unterwelt regelrechte ,Kassiberberatungs- stellen" gibt. Kassiber nennt nran bekanntlich Be» uachrichtigungen. Briefe, Warnungen uiw.. d:e einem Gefangenen unter Umgehung der Kontrollstelle ins Gefängnis geschmuggelt werden. Auf diesen Beratungsstellen erfährt man gegen ein gewisses Entgelts auf welche Wei sch auf welchen Unrwogen nfw, sylche Kassiber einge'wmug- gelt werden. Es gehören sehr groß« Lokalkennt- niste für solch« Beratungen, denn die Manipulationen sind an den verschiedenen Gefängnissen sehr verschieden, ebenso^ verschieden die Kontrollmaßnahmen, auch individuelle Eigenheiten der Uebevwachungsbeamten wollen berücksichtigt sein. Die Art und Weise, wie Kassiber eingeschmuggelt werden können, ist sehr verschieden, die Möglichkeiten sind tausendfach. Wichtig ist schließlich auch, durch wen ein Kassiber ins Gefängnis gebracht und dem Gefangenen zugesteckt wird. Am besten geschieht dadurch di«„Braut". Wenn ein Häftling in der 'chlimmen Lage ist, kein« solche vertrauenswürdige„Braut" zu besitzen dann sorgen die„Beratungsstellen" der Unterwelt arich für eine Abhilfe auS dieser Verlegenheit. Im Nu ist ein« „Braut" zur Stelle, die den Gefangenen zwar noch nie gesehen zu haben braucht, di« aber auf» Genaueste über alles informiert wird, um den Uebevwachungsbeamten glaubhaft Zu machen, daß sie tatsächlich die„Braut" ist. Sie steckt ihm dann aus geschickt« Art den Kassiber zu. E. W.
der bester ist als all« die gepriesenen Recken und Ritter der Mittelalters. Für einen Arbeiterverein schrieb er ein Gedicht„Die Arbeit hoch!", da- im Prager tschechischen Nationaltheater als Prolog bei der sozialdemokratischen Maivorstel- lnng vorgetragen wurde. In einem lyrisch-epischen Gedichte befaßt« er stch mit der Lage deAland- wirtschaftlichen Arbeiter. Kurz vor seinem Tode bekannte sich Svatopluck 6«ch in einem längeren Gedichte„In die weite Welt" als Internationalist und Sozialist. Er entbietet Brüdern in 'Deutschland , jenseits des Böhmerwaldes und der Schneekoppe und in den österreichischen Alpenländern sowie in der ganzen weiten Welt seine Grüße, denn er weiß, daß überall seine Gestn- nungsgenosten wohnen. Er wünscht, daß alle, die ähnliche MenschheitSträum« wie er hegen, sich zusammenschließen. und ein unbekanntes Friedensheer bilden. Der Führer soll aber der Arbeiter sein, denn ihm gehört die Zukunft. 6ech ruft den Arbeitern zu:„Ihr allein seid das Vaterland; in euch allein hat das Nationalvermögen seinen Ursprung und gehört euch von Rechts wegen!" Di« Poesie Svatopluk Lechs gehört einer vergangenen Epoche an. Die heutige tschechische Dichtung(anch die neue soziale Poesie) wandelt schon andere Wege. Svatopluk Lech gebührt aber daS Verdienst, für die Sache deS Arbeiters in feinen zahlreichen sozialen Gedichten in einer Zeit gewirkt zu habep, alS der Sozialismus noch ver» achtet war. Manche seiner Gedichte, vor allem seine herrlichen„Lieder eines Sklaven", sind heut«, in einer Zeit der neu erwachten Weltreaktion, wieder frisch, lebendig und hochaktuell geworden. Rudolf Jllovy.