Seite z Freitag, 24. Feber 1983 JU. 47 jchlissener. Und politische Geschäfte mit ihm zu| leit heute einbilden! ermuntert ganz öffentlich die braunen Banden zu ihrem Tun, indem er an die preußische Polizei einen Erlaß herausgab, der in der Aufforderung gipfelt, die Bestrebungen und die Propaganda der nationalen Bewegung und ihrer Organisationen, der SA, SS und des Stahlhelm tatkräftig zu unterstützen, da­gegen rücksichlslos gegen die Gegner von der Schußwaffe Gebrauch zu machen. Die Früchte des neuen Regimes zeigen sich täglich, Tot­schlag, Mord, Brandstiftung stehen gegenüber politischen Gegnern der neuen Machthaber an der Tagesordnung. Die Verlogenheit der Nazis angesichts dieser Ereignisse ist ganz unausschöpfbar, sich auf die Demokratie und Freiheit zu berufen und die deutschen Sozialdemokraten desVer­rats" zu bezichügen, weil diese nicht imstande waren, die tschechischen Regierungsparteien von ihrem Vorhaben, die vier Naziabgeord­neten vor Gericht zu stellen, abzubringen. Volksgemeinschaft sagt ihr? Auf die beruft ihr Schwindler euch? Wo ist denn jemals das geringste Gefühl für sie in eurem Verhalten geblieben? Schien euch nicht jedes Mittel, auch das schuftigste und erbärmlichste, gut genug, es gegen die Sozialdemokraten in Anwendung zu bringen? Und wie wärs, wenn ihr, die ihr jetzt über die verletzte Demokratie so jämmer­lich winselt, zur Herrschaft kämet! Jahraus, jahrein haben die Nazrgesellen ganz im Sinne ihres Meisters Hitler die Demokratie, den Parlamentarismus geschmäht, beschmutzt, her­abgewürdigt, bespuckt, jede Gewalttat, jede Berfassungsverlehung, jede Nichtswürdigkeit und Lumperei, die draußen im Reiche unter ihrem Hitler verübt wird, findet ihren Jubel, ihre begeisterte Zustimmung. Und würden sie anders handeln, wenn sie könnten? Da bliebe es nicht bei der Auslieferung einiger Abgeord­neter, die sich im Netze ihrer eigenen Demago­gie verstrickten, da würden sie den Parlamen­tarismus, die Demokratie und die Bolksrechle überhaupt in'Trümmer schlagen. Da würden die Arbeiter erkennen, wie sie, die Herren vom Hakenkreuz, eS selber mit der Freiheit halten. Man braucht nur zu sehen, wie ihnen ietzt, da die braunen Mördergarden in Deutschland wüten, da Recht und Gesetz mit Füßen getre­ten wich, im geistigen Mitgenreßen dieser Schandtaten das Dasier im Munde zusam­menläuft, um den Grad der Legitimation zu ersehen, die ihnen zusteht, von Verrat an der Demokratie zu geifern. In Deutschland wächst von Tag zu Tag die Zahl der Todesopfer der wirklichen Frei­heit. Dort stehen die Gesinnungsgenossen derer, die ein großes Geschrei darüber erheben, weil ihrem vor und nach dem Volkssportprozeß dringend geäußerten Verlangen, vor Gericht ihre Solidarität mit den in Brünn verurteil­ten jungen Leuten zu beweisen, von den tsche­chischen Parteien Rechnung getragen wurde, dort also stehen sie bereit, mit dem Schlächter­messer, mit Knüppel und Revolver jeder Frei­heit ein Ende zu machen. Junge Männer, Greise, Familienväter, Proletarier werden biHgemetzelt, weil sie eine andere Gesinnung als die von den Braunen Häusern gewünschte haben. Der Märtyrerglanz, den sich die Nazi ­gen geplündert und in Brand gesetzt und der' osafs, noch ehe sie verurteilt sind, umzuhän- l machen, das soll und wird ihnen weniger nationalsozialistische Innenminister Göring gen suchen, ist demgegenüber ein recht zer- gelingen, als sie es sich in ihrer Großmäuug- Auslieferung nicht betroffenen Klubmitglieder eine Erklärung ab, daß sie auf Grund genauer Kenntnis der Bewegung feststellen, daß das Brün­ner Urteil auf Irrtümern beruhe. Niemals hätten Bestrebungen festgestellt werden können, wie sie das Urteil als erwiesen annebme. Sie erklärten sich mit der Parteileitung solidarisch und legten Protest ein gegen die Unterschiebung illegaler Ziele. Die Verfolgung werde sie nicht zermürben, sondernstählen. Mit den Ausführungen der erstgenannten drei Hakenkreuzler, die zum Teil auch unsere Partei und unsere Preffe in dreister Weile an­flegelten und verdächtigten, werden wir uns schon noch eingehender befassen. Die Herren sollen ja nicht etwa glauben, daß ihre erbärmlich feige Hal­tung im Laufe der ganzen Geschichte nicht noch gründlich angeprangert werden wird!. Außer drei Kommunisten sprachen von deut­scher Seite noch Dr. Luschka(Christk.-Soz.), Dr. Hasso ld(D.-Nat.s, Stenzl(Gew.-Part.) und Dr. PeterS(AWG). Wer Gelegenheit hatte, in den Wochen vor­her in gelegentlichen Privatgesprächen mit An- Die Auslieferung beschlossen. Mit 120 r 44 Stimmen bei Absenz der deutschen Regierungsparteien. Prag , 23. Feber. Rach fast Ivstündig. De ­batte, i« der noch 12 Redner zumeist auS dem Lager der deutschen Opposition zu Worte kamen, be ­schloß heute um 8 Uhr«wends das Abgeordneten ­haus bei Absenz der beiden deutschen Regierungs ­parteien mit 12V Stimme« der tschechischen Koalitionsparteien und der tschechischen Gewerbe- parteiler gegen 44 Stimmen der deutsche« Oppo ­sition nnd der Kommunisten, dem Auslieferungs ­begehren gegen die vier nationalsozialistische« Abgeordneten Krebs, Schubert, Jung und Kasper stattzugeben. Das Schlußwort des Referenten JeSek wurde von den deutschen Oppositionsparteien des öfteren durch Krawalle gestört. Diese steigerten sich während der Stimmenzählung zu einem sanften Pultdeckelkonzert, das aber sehr bald abebbte. Die Kommunisten, die noch vorgestern den Abgeordneten Krebs während seiner Rede wieder ­holt empfindlich durch Zwischenrufe gestört hatten, schloffen heute mit den Hakenkreuzler« anschei ­nend einen Burgfrieden. Herr Dr. Stern veraus ­gabte seinen ganzen Vorrat anWitz" anscheinend auf Jahre hinaus durch ein paar ironische Be ­merkungen gegen die abwesenden Sozialdemo ­kraten. DieHauvtattraktion" der Kommunisten bildete eine einen Polizisten darstellende Pupve, die plötzlich von ihnen im Sitzungssaal aufgestellt, sehr bald aber wieder von einem Parlaments ­angestellten entfernt wurde. Auch sonst waren die Fronten heute vielfach auSgewechsÄt. Deutschnationale, deutsche Christ- lich'oziale unter Führung K r u m p e S und ein j paar Ungarn' bildeten mit, den Hakenkreuzler« eine scheinbar felsenfest gefügteEinheitsfront", die sich zwar gelegentlich zu. wogender Empörung der diverse« Heldenbrüste steigerte, andererseits aber nicht einmal so weit reichte, daß die geplante einheitliche Erklärung der gesamten deutschen Opposition zustande gekommen wäre. Herr Dr. H a s s o l d. der die Hakenkreuzler nach ihren LoyalitätSexzesfen im BuSgetauSschuß äufS gröbste wegen ihrer Feigheit angefetzt hatte,«>ar heute mit ihnen ein Herz und eine Seele und be- 0 dafür Dr. P e t e r S von der ArbeitS- und jaftsgemein'chaft, als dieser als der einzige Redner des Tages, der dem ausgerollten Problem von einer ernsteren und sachlichen Seite beizu ­kommen bemüht war, die Schreibweise der nano» nalfoziststchen Preffe in der letzten Zeit scharf verurteilte. Ein Kabinettstück für sich war der tschechische Gewerbeparteiler Pech man, der wie ein Ber ­serker geaen alles Deutsche wütete und selbst noch die gehäffigsten Aeußerungen der Stkibrny-Prefl« auf diesem Gebiet mit etlichen Pferdelängen schlug. Bei seiner Rede gab es auch wieher ziem ­liche Krawalle. Dabei hatte er sich keineswegs ettva auf die Hakenkreuzler beschränkt, sondern«r bedachte auch die deutschen Regierungspartei«« und namentlich unsere Partei ausgiebigst mit seinem Geifer. Die Hakenkreuzler schickten außer den Haupt ­beteiligten Jung, Kasper und Schubert (Krebs hatte schon vorgestern ausführlich genug gesprochen) noch den Abg. K n r r s ch in die Debatte vor. Dieser gab im Namen der von der Einigung ober Zinssenhungsvorlagc . Deute Beratung im Plenum. Prag, 23. Feber. Im Laufe des heutigen TageS kam es innerhalb des Siebenerausschusses der Koalition zu einer endgültigen Einigung über die strittigen Paragraphen der Zinsensen­kungsvorlage. Die wichtigste Aenderung betrifft den 8 15, Absatz 3, in den Herr N o s e k und seine Hintermänner durchaus ein Kuckucksei hin­einlegen wollten, daS di« Banken berechtigt hatte, zur Senkung der Personalregie die durch Kollek- tivverträge verbürgten Gehälter sämtlicher Bank­angestellten ohne ledwede untere Grenze bis zu 25 Prozent abzubauen. Dieser Anschlag auf die Kollektivverlräg« wurde von den sozialistischen Parteien nach end­losen Verhandlungen abgewehrt. Die Mög. lichkeit eines Gehaltsabbaues wird nur bei bis­her unkündbaren Einzewerträgen zugelassen, die dauernd unangemeffe« hohe Dienstbezüge ver­bürgen. Kommt«S binnen einem Monat nach der Aufkündigung zu keiner Vereinbarung, so entscheidet«in Schiedsgericht analog dem 8 17 b des Bankengesetzes. Der diesbezügliche PaffuS lautet wörtlich: 8 iS,«Ratz 3: Solange die nach 8 1 oder nach den voraus- gegangenen Bestimmungen dieses Paragraphen ge, regelten Zinssätze in Geltung sind, können die ver- au wörtlichen Organe der Geldinstitute und Geld- uniernehmungen sowie auch der anderen Institut« und Unternehmungen, welche Einlagen entgegen- nehmen oder Darlehen gewähren, jene Bestimmun­gen der bisher unkündbaren. Einzel^Dienstverträge, die dauernd unangemeffe« hohe T-ienskbepige garan­tieren, mit eimnonatlicher Frist kündigen und gehörigen der deutschen Opposition daS Thema Nationalsozialistischer Mannesmut" zu erörtern, und dann die heutigen Reden derseloen Partei­vertreter anzuhören verurteilt war, de« mußte heut« ost das Grausen angehen ob der Unaufrich­tigkeit, mit der jetzt plötzlich die Feigling« von gestern zu Heroen von heute gestempelt wurden. U«b«r die wahre Stimmung in weitesten Kreisen jener Parteien, die sich häut« mit wahrer Todesverachtung für die Hakenkreuzler schlugen, dürften Wohl auch die Herren Krebs und Konsor­ten auf Grund eigener Beobachtungen nicht sehr im Zweifel sein! ES war ein sehr unappetitliches Kapitel, zu dem mit der heutigen Abstimmung vorläufig der Schlußstein gesetzt wurde! Di« Nationaldemokraten waren auch heut« den ganzen Tag über auf daS eifrigste bestrebt, wegen der Stimment haltuna der bei^n deutsche» Regierungsparteien Himmel und Hölle in Be­wegung zu setzen. Man war fast versucht, sich zu Wundern, daß der Referent in seinem Schluß­wort doch»och jeder Erwähnung dieser Seite der Angelegenheit, di« ihm doch ganz besonders am Herzen liegt, aus dem SSege ging. Momenta» versprechen sich di« Herren RatronaLemokraten, wie man in den Couloirs ohne weiteres verneh­men konnte, allerhand von einer Sitzung der post- tischen Minister, die für morgen vormittag ein­berufen ist und in der ohne Avrifel noch einmal daS eDrhalten der deutschen Reg,erungsparteien nach der Koalitionsseite hin" besprochen toerdeu soll. * durch Vereinbarung adändern. Di« übrigen Bestim­mungen der Dienstverträge bleiben dabei unberühr«. Absatz 4: Kommt es innerhalb der Kündigungsfrist nicht zu einer Vereinbarung(Ads. 3), so ist die Angelegen­heit vor eia Schiedsgericht zu bringen, über das analog die Bestimmungen des 8 17 d, Absatz 4 bis 1s des Gesetzes Rr. 238/1924(in der Fassung des Artikels XXVH des WsetzeS Nr. 54/1932) gelte«. Weitere Aenderungen, soweit sie nicht reia stilistischer Natur sind, betreffen den 8 15, Ablatz 1, in dem di« Regierung ermächtigt wird, selbst die Zinssätze durch Verordnung fastzusetzen; hier wird neu eingefügt, daß sie diesmit entsprechen­der Unterscheidung zwischen den ver­schiedenen Arten der Einlagen und Kredite" tun soll. Werden nach§ 2 analog auch die Zinssätze zwischen anderen Gläubigern und Schuldnern aerogelt, so ist dabei auch der W i r t« schaftSberrat zu fragen. Präziser gefaßt werden ferner di«§8 14 und 16, Absatz 2, die Verabredungen über Vorteile auS der Verletzung der Geld normen, bzw. über höhere Zinöen als ungültig erklären. Eine neue Straffanktipn wird ferner eingeführt durch einen neue« Absatz 2 im tz 18 für diesen igen Personen, die ohne Konzession zur privaten Ver­mittlung von Krediten(Gesetz 203/1935) sich für die Vermittlung von Krediten ernen Bermögensvortcil fordern, sich versprechen loffe« oder annehmen. Tie?- bezügliche Verabredungen sind ungültig. Nach der Haussitzung wurde die Zinssenkungk- vorlage in dieser geschilderte« Form noch vom Bud­get- und vom Gewerbeausschuß fertiggestelll. Die Vorlage kommt bereits morgen um 10 Uhr vormit­tags im Plenum des Parlaments zur Verhandlung. 51 Die Kellnerin Molly. Roman von Han» Otto Henel. Tovvrtadt bt> Kackelretter -Berlaa. Berlin. Nachdruck verboten. Außer dem jkeller in der Mulackstraße lernte sie schnell mehrere Dutzend andere Absteige- lluartiere kennen. Ob in der Mulackstraße, der Dragonerstraße, im Büschingplatz, sie waren sich immer ungefähr gleich. In kalkweißen Kellern, in Küchen zwischen Kochtöpfen und Bratpfan­nen, zwischen Schüsseln und Taffen, auf Feld­bettstellen mit Strohsack, auf Sofas, denen das Seegras entquoll, zwischen rohen Bretterver­schlägen, die eine getünchte Kammer in drei Liebesnester einteilten, erwarb Male sich das, was auch lebenslustige Dirnenzum Leben" brauchen. Nie fand sie, der ein starkes Sauber­keitsbedürfnis eigen war, für die Reinlichkeit mehr als Wasser, das andere schon gebraucht und Handtücher, die schon Dutzende in Händen oder am Körper gehabt hatten. In einer Absteige am Büschingplatz kam Male in der Reihe einmal hinter einem Weibe zu stehen, das sich mit Stolz brüstete, die älteste Dirne des ganzen Nordens zu sein. Sie zählte neünundsechzia Jahre. Trotzdem sie, wie sie her­vorhob. feit Jahrzehnten fleißig aus den Strich ging, habe si« eS noch nicht so weit gebracht, wie die Kuppelmutter, die das Liebeslager zur Ver­fügung stellte, und die auch eine frühere Dirne wax. Aber die Alte hoffte mit unverwüstlichem Optimismus, daß sie eS in ihrer Laufbahn auch noch einmal zur Kuppelmutter bringen werde. Dabei wies dieser Liebestempel nicht einmal eine Chaiselongue auf. In dem fensterlosen Raume gab es nur«inen Berg von stinkenden Lumpen zur gefälligen Benutzung für di« Liebespaare. Tie Alte,''ehr geschwätzig, machte kein Hehl dar­aus, daß sie dieies für sie immer noch komfortable Haus nur besuche, wen« sich d«rfreier" vorher für die Gebühr von fünfzig Pfennigen verbürg«. Sonst ziehe sie den Schatten der nächsten Haus­tür« vor. Leider sei auch zu diesen letzten Stätten, der Lust der Andrang fetzt ziemlich groß,wer! wenig Geld unter den Leuten ist." Wenn Male gegen Morgen nach Haus« kam, erschien ihr das Haus in der Pallisadenstraße wie ein Palast und ihr Kämmerchen wie eine Putz­stube. Einem aber, der etwa aus einem durch­schnittlichen Hause deS Westens gekommen wäre, hätte daS Haus wie die Hölle anmuten müssen. Wie andere Häuser in der Nachbarschaft gehört« es einem ungarischen Amtsrichter außer Dienst, der in der Inflationszeit längst abbruchreife Berliner Häuier dieser Art für ein paar Mark dutzendweise erworben hatte. Bon den Wänden fiel der.Putz. Seit Jahren eine Lebensgefahr für die Vorübergehenden. DaS Wohnungsamt und' di« Baupolizei hatten di« Häuser wohl besichtigt und als lebensgefährlich bezeichnet, aber kein« Besserung veranlaßt. Die Mieter hatten darauf zur Selbsthilfe gegriffen und den Putz abgestoßen, soweit er noch nicht von selbst abgefallen war, um wenigstens di« Lebensgefahr zu beseitigen. Scharen von Mäusen und Ratten hausten in den alten Buden, von dem ganz selbstverständlichen kleineren Unge­ziefer gar nicht zu reden. ES gab Zimmer in diesem Hause, di« nachts sogar von soviel Schwaben" bedeckt waren, daß man Gefahr lief, auf ihnen auszurutschen. Einmal waren am hellen Tage zwei Säuglinge der Gefahr, durch drei Ratten angefreffen zu werden, nur dadurch entgangen, daß eine wachsam« und unerschrockene Kotze in der Nähe war. Di« Mutt«r fand di« gefährlichen Nager in der Margarinekiste, die dem Kinde als Bett dient«, totgebissen von der Katze. Das Haus stand in direkter Verbindung mit dem Nachbarhaus«. daS o>ich dem Ungarn ge­hörte. In beiden Häusern wohnten zusemimen mehr als siebzig Familien, für di« eS nur d-ei baufällige Holzaborte aus dem Hofe gab. Immer war di« Wasserleitung in irgeiweinem Teil« der Häuser defekt. Die Wände wackelten, wenn«in Lastwagen vorüberfuhr, ja selbst schon, wenn jemand starken Schrittes di« Trepp« hinunter» ging. Di« Wohnungen im vierten Stock waren durchstäßt, weil das Dach jeden Regen durchließ. Immer wieder wandten sich die Bewohner an die Behörden, darauf hinweisend, daß der­artige Verhältnisse ein«r Reichshauptstadt un­würdig seien. Aber ohne Erfolg. Als schwacher Trost blieb ihnen der Hinweis, daß es in der Gegend, wie überhaupt im ganzen Osten und Norden der Stadt,, Häuser gäbe, di« noch schlim­mer daran seien. Ein Kapitel, das nicht im geringsten jene zahl­reichen deutschen Polizeiverordnungen erwähnt, die das Abreißen junger Weidentriebe unter Strafe' stellen . Mit Frau Prager, ihrer Wirtin, kam Mal« gut aus. Die Frau war fleißig und ordentlich und aüch mitfühlend genug, am Vormittag Ruhe zu halten, damit ihre Mieterin von den An­strengungen der Nacht ousschlasen konnte. Sie hatte ein zehnjähriges Kind aus erster Ehe, das zur Schul« ging . Herrn Prager sah Mal« selten, weil er erst nach Haus« fam, wenn Male an ihre Arbeit ging. Sie mochte den Mann nicht leiden. Frau Prager klagte ihr, allerdings nur selten und in ckUgen'cheinlicher.Ängst vor dem Manne, daß er ein Trinker sei und jebet Roheit fähig. Dabei hatte di« arm« Frau noch an den Schulden zu tragen, die ihr Mann aus erster Ebe ihr hinter­lassen hatte. Eines Tages zeigt « Frau Prager Male einen Zettel, gesandt von der Genreindeschul«, in ' die das zehnjährige Mädchen ging. Die Mutter ' sollte um die und die vorgeschriebene Zeit zur Schule komnren. Frau Prager erwartet«, daß man vielleicht über eine Nachlässigkeit ihres Mär­chens oder«in« Dummheit im Betragen klagen würde, obwohl Klärchen ja sonst ein braves Kind sei. Sie ging zur Schule, als si« von ihrer erste« Tagesarbeit, dem Austragen derMorgenpost", sich ein wenig verschnauft hatte. Der Schulleiter bat sie, ein wenig zu war­ten, da er erst den Schularzt herbeirufen müsse, der auch bald zur Stelle war. Beide Herren blickten sehr ernst di« Mutter an. Dem Schul­leiter fiel das Reden sichtlich schwer. Frau Prager, im Einverständnis und auf Anochnung des Herrn Schularztes müssen wir Ihre Tcchter von der Schule fernhalten. Vor­läufig. Wie sich das später regeln wird, bleibt der Entwicklung der Angelegerkheit Vorbehalten." Frau Prager begriff nicht und schaute die Herren verständnislos an. Der Schularzt räu- sperH sich. Tja, Ihr« Tochter wurde gestern beim Turn­unterricht ohnmächtig. Ich untersucht« das Kind und mußte zu meinem nicht geringen Schrecken feststellen, daß es daß es in anderen'N anderen Umständen ist. DaS Kind>st einwand­frei schwanger ." Frau Prager fiel wie ein Sack um, ohnmäch­tig den beiden Herren vor die Füße. Man ieF* sie wieder auf den Stuhl und brachte sie durch einige Tropfen Wasser wieder zu sich. Wieder«ti Besinnung, brüllt« di« Frau, fassungslos., Herr Doktor, Sie sind verrückt! Das Km" ist doch erst zehn Jahre alt! Wie kann man lagev- daß ein zehnjähriges Kind schwanger ist? Ne entschuldigen Sie meine Aufregung. Sie haben üch nur geirrt. Das ist ja unmöglich!" Der Schulleiter ging, um Klärchen rufen zu lassen. Der Arzt sah mit ernstem Mitgefühl auf Frau Prager nieder. Gortfetzung ioigt.j