Jh a Freitag, 24. Fetzer 1938 Seite 5 bet alten Anlässen der Arbeiter für sorge! Mehr als fünfzig Prozent der Arbeitslosen in USA endgültig auS dem Produktionsprozeß ansgeschaltet. In einem in International Labor News Service" veröffentlichten Artikel befaßt sich William Green, der Vorsitzende des Ameri­kanischen Gewerkschaftsbundes, mit der Frage der technologischen Arbeitslosigkeit. Green sagt in diesem Zusammenhang u. a.:Der technische Fortschritt hat ein solches Tempo angenommen, daß eine Unmenge von Arbeitsstellen nicht mehr besetzt werden kann. Ein« Gruppe von technischen Experten ist der Ansicht, daß 55 Prozent der Arbeitslosen auch dann nicht an ihre Arbeits­stellen zurückkehren können, wenn eine neue Periode der Prosperität eintritt. Wenn wir nicht erreichen, daß all« Arbeitsfähigen wieder in Arbeit kommen, so werden wir zu einem Punkt gelangen, wo die beschäftigten Arbeiter die Ar­beitslosen aushalten müssen. Ein sicherer Weg zu gesellschaftlichem Zerfall!" GEDENKET! Volkswirtschaft und Sozialpolitik Ein kubanischer Journalist als revolutio­närer Organisator. Bon-er Polizei in Ha- Ivanna wurde-er kubanische Journalist Car­los Martinez verhaftet, bei welchem Doku- I mente gefunden wurden, denen zufolge er an eine Gruppe von Revolutionären Revolver ver­teilt hat, wie aus einer Mitteilung-es kuba­nischen Außenministers Ferrara hervorgeht. Die­ser teilt« auch mit,- bei Martinez«in Ver­zeichnis und Lagepläne von militärischer Abtei­lungen und Radiostationen gefunden wurden. Erst die Nasenspitze, dann der Tod. Am Dienstag erschoß in Gladbach-Rheydt der 28jährige Arbeiter Emil Jenssen seine 22 Jahre alte Braut in der Wohnung ihrer Eltern. Bor zwei Monaten hatte Jenssen dem Mädchen die Nasenspitze abgebissen. Sie wollte deshalb nichts mehr von ihm wissen. Der Mör­der konnte bald nach der Tat festgenommen wer­den. Ein Selbstmordversuch mißglückte. Rentable Kapitalsflucht. Die 86jährige Elsa Gall, Inhaberin des bekannten Kupstgeschäftes Halm ch Goldmann, wurde von der Wiener Polizei zu 15.000 Schilling Strafe verurteilt, weil festgestellt wurde,- Frau Gall 100.006 französische Franken nach der Schweiz paschte und in einer dortigen Bank anlogt«. Jcliditff um Hitler . '?'»Der Tag" vom 22. Feber ist^var hinsicht­lich der Auslieferung schon etwas zahmer gewor­den die Dressur mitb von uns fortgesetzt, «Bei er häts mit Rußland . Im Untertitel eines Zweispalters verkündet er:In Rußland friert das Volk in Deutschland reißt man das Maul auf". So gewaltig sind die Schnauzen der Primadonnen, daß die Zugluft, die ihr Aufreißen hervorruft, bis in di« sibirisch« ' Stopp« weht. In Frankfurt a. O. sprach vor kurzem der General Litzmann, den man seinerzeit als Alters­präsidenten gegen di« Wurde des deutschen Reichstags losgelassen hat. Man wisse, so führt« er aus, daß Hitler von Gott auserwählt sei, Deutschland zu retten und daß eS prachtvoll gehen werde. Man habe den Frühlingswind, des­sen Wehen zu erkennen ist. in den prachtvollen Reden des Führers.. Dieser Fruhlingswind trägt Leichengeruch übers Land; Generale freuen sich darüber immer, nicht nur wenn sie, wie Litz- Wann, schon alt und kindisch sind.'Es wird pvachwoll gehen? Es geht schon: bergab. * In dem WälzerMein Kampf " schreibt di« Primadonna auf dem Kanzlerstuhl«. a.: »Ueberhaupt kann man dem Unsinn gar nicht scharf genug entgegentreten, daß aus allgemei­nen Wahlen Genies geboren wurden. Zum er­sten gibt es in einer Nation nur alle heiligen Zeiten einmal einen wirklichen Staatsmann und nicht gleich an di« hundert und mehr auf ein- nrol; und zum zweiten ist die Abnei­gung der Masse gegen jedes über­ragend« Genie ein« geradezu in­stinktive". Da hat man nun aus dem Munde dessen, der Bismarcks Nachfolger wurde, di« Erllärung für seinen Erfolg bei de« Massen! Analog der Erziehung d«S Knaben kann der völkische Staat auch di« Erziehung des Mäd­chens von den gleichen Gesichtspunkten aus lei­ten. Auch dort ist das Hauptgewicht vor allem «Vf di« körperliche Ausbildung zu legen, erst dann auf die Förderung der seelischen und zu­letzt der geistigen Werte." Also schrieb der Mann, der jetzt den Kanjlerstuhl. ziert, an einer. anderen Stelle, seines Walzers. Und map kann sagen, daß«r: feinen. Mordbuben und Ehren- lungfcrn mit gutem Beispiel vorangegangen ist. Di« Defraudation «« tu der Weiperrrr Stadt­sparkasse. Anfangs August des vergangenen Jah­res war der Angestellte A. Salzer der städti­schen Sparkasse in W«i P« r t"mit seiner Gelieb­ten, einer Bardame, plötzlich aus Weipert ver­schwunden. Eine sofort durchgeführt« Ueberprü- sung der Kassenbücher ergab, daß der Beamte sich seit längerer Zeit hatte Unterschlagungen zuschul­den komme« lassen^ die er durch geschickte Bu­chungen iu raffinierter Weise zu verdecken ver­standen hatte. Es kamen insgesamt etwa 80.000 Kronen zum Fehlen, die Salzer in leichtsinniger Gesellschaft verausgabt hatte. Nach Abschluß der Erhebungen wurde gegen ihn ein Steckbrief er­fassen, der zur Festnahm« des Defraudanten mit seiner Freundin iu Schlettau in Sachsen führt«, trohi« dir beiden sich ohne Paß begeben hatten. Di« wurden dem Amtsgericht in Nnnaberg ein­geliefert und dort wegen Paßvergehens abgestraft, worauf Salzer im AuSliestrungSverfahren bei' IDeip-rt über die Grenze gebracht und von da aüS ins Brüxer Kreisgericht eingeliefert wurde Bei der nach"Abschluß der Vorerhebungen gegen ihn «urchgeführten Verhandlung wurde er des Ver­aschens der Unterschlagung für schuldig befun- und zu einer Kerkerstrafe in der Dauer von l0 Monaten, bedingt auf 5 Jahre, verurteilt. Hegen die bedingt« Verurteilung legt« der'Stoats- 1 an walt Berufung ein. in deren Stottgebung jetzt ® erstrichterliche Urteil aufgehoben und die\ Unbedingte Verurteilung bei gleichzeitiger Er­höhung des Strafausmaßes auf 15 Monat« aus­gesprochen wurde. Di« Dauer der Untersuchungs­haft wird vom Strafausmaß in Abzug gebracht. Eine kommunistisch« Geheimdruckerei wurde w Duisburg von der Polizei ausgehoben. Der Inhaber-er Druckerei, seine Ehefrau sowie' *iit Angestellter wurden verhaftet. 236.000 SchUling für.^oskontrolle". Der 1 «8jährige ehemalige Bauangestellt« B e r n e tz- *i> e r hatte seit einigen Jahren in Salzburg sine Loskontrollstelle betrieben. Nunmehr stellte sich heraus, daß Bernetzoder das Vertrauen seiner. Klienten mißbraucht und Betrügereien ausge- fährt hat,-i« in-i« Hunderttausende von Schil-, singen gehen. Er hat seinen Kunden, meist säuerlichen Kreisen angehören-en Personen, von 1928 bis 1932 allein an Kontrollgebühren Uber 230.000 Schilling abgenommen. Bern «tze-«r, ist an einem Lungenleiden erkrankt und ist in-- folgedessen nicht haftfähig. Mord tm Schnellzug. In der Nähe des 1 Pohnhofs von Nauen (Mark) fanden Eisenbahn-' beamte den Leichnam eines 20 Jahre alten Uhr-! wachers aus Rydultau (Oberschlesien ). Der Tot « sst allem Anschein nach im Berlin Hamburger Schnellzug überfallen, niedergeschossen und auS 1 bem Zuge geworfen worden. Kisdiineff. Von ungern» Balkankorrespondenten. blik, mit Kisch mess als Hauptstadt. Am 27. März 1918 aber, als bolschewistische Banden einbrachen, sprach sich der sogenannte Bolksrat für den An­schluß an Rumänien aus, dessen Truppen bereits vor den Toren standen. Kifchineff mit seinen 120.000 Einwohnern ist heute diezweitgrößt« Stadt Rumäniens . Seine Bevölkerung setzt sich aus Juden(über 50 Pro­zent), Russen, Rumänen, Griechen, Armeniern, Deutschen und Bulgaren zusammen. Die russi­sche Sprache und das.^Jiddisch" sind weitaus vorherrschend; rumänisch hört man nur ielten. Die Träger der deutschen Sprach«, die man öfters vernimmt, sind fast durchweg aus der Provinz zugezogene deutsche Kolonisten, deren Vorfahren vor ungefähr 100 Jahren nach Bessarabien aus­gewandert waren. Uebrigens tragt"eine der Haupsstraßen Kischineffs, di« nach dem letzten russischen Bürgermeister benannt worden ist, den doch wirklich echt deutschen Namen Schmidt. Noch heut« ist der Name Schmidt in aller Mund«, und als dieser Mann vor vier Jähren starb, dräng­ten sich hinter seinem Sarge Leut« aus allen Be­völkerungsschichten der Stadt. Schmidt, der Gründer des modernen Kifchineff, soll dies« Ehr« wirklich verdient haben. Di« Rumänen, die eS sich nicht haben nehmen lassen, di« messen Stra­ßennamen abzuändern, machten mit der Strada Schmidt esm lobende Ausnahme. Weniger auf­merksam aber benahmen sie. sich gegenüber den Denkmälern verschiedener Zaren, di« gekippt" wurden, und deren zertrümmert« Ueberr«st« sich heut« in den Parkecken herumtreiben... Sic trgnsit gloria mundi!... Damit jedoch die Plätze nicht kahl sieben, pflanzten die Rumänen die Statuen ureigenerGrößen auf. Als Ersatz für das gestürzte Alexander-Denkmal an der schön gelegenen Esplanada wurde ein« kolossal« Erzfigur Stefans des Großen oder, genauer übersetzt, dasGrößten" aufgerichtet. Dieser größte Stefan, der«in gar wildes Gesicht zeigt, schaut dräuend gen Osten, in der Rechten ein mordÄangeS Schwert und in der erhobenen Lin­ken ein Kreuz.Er bannt den gottlosen Bolsche­wismus", fagep di« Rumänen...Aber nein", raunen die Russen,er segnet unser Mütterchen Rußland , damit eS ihm bald wieder besser gehe" ... Andre Spötter wieder tischen die Anekdote auf, die man sich auch vom KopernikuS-Denkmal in Warschau erzählt:Dieser brave Mann da oben ist der einzige im Land«, der kein Be­stechungsgeld nimmt"... Auf bepflanzten Hügeln gelegen, erstreckt sich Kifchineff Überaus weitläufig. Nicht nur das Zentrum,, sondern auch di« Vorstädte weifen eine geradezu geometrische Gleichförmigkeit auf. Ker- ze»gerade Straßen, wi« mit dem Lineal gezogen, schneiden sich Peinlich genau im rechten Winkel. Die anliegenden Häuser unterscheiden sich in nichts von den zierlichen Stadtbauten, die man wäh­rend dcS Krieges so oft in Rußland gesehen hat. Meistens steinern, mit s«hr vielen Fenstern, rot oder grün gestrichenem Blechdach und schweren Türen. Sie geben dem Gesamtbild eine beson­ders sympathische und anheimelnde Note. Sen­sationen hat Kifchineff nicht. Die läßt es dem großspurigen Bukarest , das ja auch im Gegensätze zu ihm zu denNeureiches gehört. Als Sehens­würdigkeit wäre noch das Ghetto, das- Judenvier­tel, zu erwähnen, dieses orientalische Durchein­ander von feilschenden Menschen, Läden, Kauf­buden, Stellagen und Tieren. Doch ein«Riech"- Würdigkeit ist es bestimm! nicht. Die. überall aus den offenen Garküchen strömenden bessarabi- 'chen, lei-er nicht arabischen Gerüche von schmo­rendem Hammelfett sind nichts für eine west­europäische Nas«... Es geht den Kischineffern schlecht, sehr schlecht. Die würgend« Agrarkril« die wenig vorbildliche rumänisch« Verwaltung, die Näh« der lowjetrufsischen Grenze, der Ausnahmezustand in der Grenzzone all« diese Faktoren, unter denen ganz Bessarabien leidet, haben Handel und Wan- ,del di«s«r Stadt gelähmt. Die Bevölkerung ist verzweifelt, da sie keinen Ausweg aus ihrer Not sieht. Hinzu kommt noch der politische Alpdruck der bessarabischen Frage, die im letzten halben Jahre wieder auf die Tagesordnung gesetzt wor­den rst. Die allgemein bedrückte Atmosphäre teilt sich auch dem fremden Besucher mit, der fast auf- itmet, wenn er diese in Not, in Sorge und Fürcht um di« Zukunft lebende Stadt wieder verläßt. Wie unter den Menschen gibt eS auch unter den StädtenEmporkömmlinge" undVer­armte". Kifchineff, di« Metropole Bes­ sarabiens , gehört zu den verarmten Städten. Durchwandert man ihr« breiten, endlos langen Straßen, dann trifft man allenthalben die äuße­ren Wahrzeichen ehemaliger Wohlhabenheit un­besserer Zeiten, denen aber heut« Armseligkeit und vorgeschrittener Verfall anhaften. Die Füll« der meistens in russo-byzantinischem Stil gehaltenen Prachtbauten der öffentlichem Verwaltungen und der Kirchen, die hübschen Geschäfts- und Wohn­häuser, die schönen breit angelegten Alleen und Parks, di« wie freundliche Dörfer amnutend«n Vorstädte: alles trägt den deutlichen Stempel der Not und des Rückganges. ES fehlt di« pflegende Hand, weil die Bevölkerung verarmt und die Stadtkasse leer ist. Kifchineff ist arm wie eine Kirchenmaus. Auf Schritt und Tritt fühlt man den zentnerschweren wirtschaftlichen und politi­schen Druck, der auf dieser Hauptstadt eines schwergeprüften Grenz, und Durchgangslandes lastet. Das Antlitz Kischin«ffS,. das ich doch zum erstenmale schau«, kommt mir merkwürdig be­kannt vor. Wo habe ich eigentlich solch einen eigenartigen Bahnhof, solche breiten und langen Straßen mit ihren hübschen Zieranlagen, solche Architektur, solche grünen und vergoldeten Kir- chentuppeln und diesen Menschentypus schon ge­sehen? Richtig! ES war während des Krie­ges in Riga , in Wilna , i» Baranowitfchi, in PinSk und am Kriegsende in Odessa . Lauter vertraut« Namen, di« den Daheimgebliebenen durch denHcldentenor" der Heer«S- und SiegeS- bericht«, denen da draußen aber durch rollenden .Kanonendonner, knatternden Maschinengewehr­feuer und die Todesschrei« Gefallener eingehäm­mert worden sind. Doch wir sind nicht in Rußland . Seit 1918 weht die blau-gelb-rote Flagge Rmuäniens über Bessarabien und seiner Hauptstadt. Ein« ander« Erscheinung aber zeigt noch an, daß hier annek­tiertes Gebiet ist: das unzählige. Militär, das die Straßen Kischineffs bevölkert. O ja, di« Rumä­nen lieben es Mit aller Deutlichkeit zu demon- trieren, daß sie beute di« Herren und Eroberer dieses Landes sind. Selbstbewußt schreiten di« Offiziere, geschniegelt und gebügelt einher. Scheu und gedrückt machen di« Zivilisten einen großen Bogen um sie. Eine sonderbar« Luft weht in dieser Stadt; man spürt sie immer wieder. Da marschiert ein großer Trupp eingezogener Rekru­ten, bepackt mit Bündeln und Körben, darin viel Mutterliebe, lärmend durch die Straßen. ES sin- jung« Beßarabier. die irgendwohin nach dem alten Reiche, nach Siebenbürgen oder dem Banat zur Ableistung ihrer Militärpflicht geschickt wer­den. Hier in Bessarabien , in bedenklicher Näh« der bolschewistischen Grenz«, stehenzuverlässig?' Truppenteile aus der Moldau, Walachei und Siebenbürgen . Für all« Fäll«! lind nach alter Methode, denn auch das kaiserliche Deutschland packte wohlweislich Elsaß -Lochringen mit Preu- und Thüringern voll....> Mit diesem Vergleich soll beileibe nicht be­hauptet werden, daß Bessarabien ein Elsaß- Lothringen für Rumänien sei. Hier sei nur fest­gestellt: Bessarabien ist seit Jahrtausenden ein heftig ümstritteneS Grenzland, das immer wie­der den Herrn wechseln mußte und nie zur Ruh« gekommen ist. Ströme von Älut haben diesen Boden getränkt. Hier hausten die Tataren, die Oströmer, wälachische und Moldauer Fürsten , die Türken, die Russen. Di« russische Herrschaft dauerte von 1812 bis 1918, und die Objektivität verlangt eS, anzuerkennen, daß di« russisch « Ber , waltung alles auiaeboten hat, in diese von den Türken bis zum Weißbluten ausgepowert« Pro­vinz Handel und Wand«! zu bringen. Dabei war natürlich eine große Portion Eigennutz ausichlag- acbend. denn die Petersburger Gebieter wußten ehr wohl, daß Bessarabien ein« wichtige Brück« lut Balkanhalbinsel für sie darstellte, wo man Ich ein« wohlgesinnte Bevölkerung schaffen mußte. Kischineff. in der Türkenzeit ei« trost­loses Nest, verwandelt« sich während deS russi­schen Regimes in eine blühe,ch« Stadt, in der auch di« werktätige Bevölkerung«in guteS AuS- kommen hatte. Mit dem Verfall des Zarenrei­ches wurde Bessarabien eine demokratische R«pu- Krisenpudding. Von Hans Honheiser. S«it längerer Zeit hat mein« Frau den Speisezettel für di« Mittagsküch« folgendermaßen gedeichselt: Montag: Geröstete Erdäpfel. Dienstag: Eingebrannte Erdäpfelsuppe mit Brot. Mttwoch: Erdäpfel mit Margarine und Topfen. Donnerstag: Erdäpfclplätze.(Wenn ihr das übrigens mein Leibgericht nicht kennen solltet: Das sst auSgewalkter und auf der Herdplatte gebackener Erdäpfel­teig.) Freitag: Knobkauchsuppe und Erdäpfel. SamStag: Erdäpfelschmorren. Sonntag: Pellkartofsekn mit Hering. Mein Junge ist von der mütterlichen Koch­kunst nicht sehr erbaut, waS meiner Emil,« manche Träne kostet. Insbesondere will ihm der Freitag, der mit der Knoblauchsuppe, und der lamstägige Erdäpfelschmarren nicht recht kriechen. Aber was will man machen? Di« Zeiten sind eben einmal so, daß di« Erdäpfelkist« zum belieb­testen Möbel im Proletärierhaushalt« wird. Jetzt sind wir schon glücklich durch dreiviertek der Woche gerutscht. Nur der Freitag und der Samstag warten noch unser. Unter mancherlei schönen Reden macht auch di«. KnoblauchsuPPe ihren Weg in unseren Derdauungsschlauch eS droht nur noch der Erdäpfelschmarren. Sieben Tage in der Woche Erdäpfel Erd­äpfel und immer Erdäpfel! Ich bi» schon satt, wenn ich dich nur frag, was wir.wieder zu Mit­tag haben", tagt der Junge zur Mutter. Am Vorabend zum Samstag hat di« Frau aber das sonnige Lächeln aufgesteckt, das ich nur noch auS guten Zeiten her an ihr kenne: Freu dich, Alter; morgen gibts was ande­res zu Mittag. Ich werde einmal einen Pud­ding machen.'^ Pudding, Pudding? Das Ding kenn« ich nur aus den Rezeptzetteln, mit deiien Emilie immer die Krodenzschublade verunreinigt.Wie­so das neumodische Zeug?" frage ich.Und dann: Woher?" Ich mutz auf die Mehldose, die Zuckerdose und ringsum im Speisefchrank zeige». Wpher? Leer >? Emilie lacht wieder ihr herzerfrischendes Lochen: Närrchen. Ich mach doch meinen Pudding aus der Erdäpfelkiste. Aber es wird diesmal doch eine Neuigkeit geben. Laß dich nur überraschen." Ich wollte mir immer schon das Rauchen abgewöhnen. Zum Ersten, weil es mir und mei­nem Kehlkopf nicht und dann zum Zweiten, weil es auch meiner Geldbörse nicht gut bekommt. Aber ich Habs bis jetzt noch mcht fertig gebracht. Ich rauche jetzt aber jetzt wirds mit dem Abge­wöhnen aber ernstKrisenmemphis mit Stern". Wenn ihr diese Sorte von Sargnägeln, die man im gewöhnlichen Leben auch als Schmalspurige" bezeichnet, noch nicht kennen solltet, fragt doch unter euren Freunden einmal nach. Also:Kriienmemphis" rauche ich jetzt um mir das Rauchen abzugewöhnen. Aber ab­gewohnt hab ich mirs leider noch nicht. Nicht, weil ich d«m Rauchteufel nicht meinen Mann stellen könnte", wi« meine Frau immer sagt, son­dern, weil mir die verflucht« Arbeitslosigkeit so viel freie Zeit läßt, die ich so nicht los werden kann, wenn ich sie nicht tüchtig ausräuchere. Mit dem Duft«inerKrjsemnemphis" hab« ich mich auch gegen di« frei« Zeit vor dem Mittag­essen getvappnet und gewehrt. Jetzt trägt mein« Emilie denPuddings auf. Mein Junge springt jubelnd um di« Mutter: Heut kommt der Pudding, hoh, hob! Ich freu' mich, schon so!" Dann gruppieren wir unS, wie wir daS ge­wohnt sind, um den Tisch. Alle, alle hoben wir unsere Augen an dem Pudding hängen. Emilie nicht mehr ganz so zuversichtlich, wie gestern, nrem Junge mit gierigen Augen, di« so auSsehen, gestielt und groß, wie die Wagenräder, als sollten wir nie mehr Lössel oder Gabeln zum Essen brauchen. Und ich zweiflerisch, wie ich von Natur aus bin, sche erst genauer hin. Gelb geröstete Zwir­bel alS Aufputz und APPetttMacher obenauf- Pudding das? Ich nehm« den Löffel und schiebe die Zwie- belschnitzel ein wenig zur Seite; stochere dann ^ighaft in derPuddingmasse" und nehme dann ein« Kostprobe aus den tieferen Lagen. Illein großer, verstehender Blick taucht in dir Augen der Hausmutter: Erdäpfclschniarren mit gerösteter Zwiebel. Dann setze ich mich wortloS zurecht und fange an zu essen, lind auch ms>n Stammhalter versucht es. Aber nur einmal ver- >enkt er den Löffel in die Schüssel. Dann sagt er resigniert: Krssenpudding! Vater, ganz gewöhn' ich mir ihn ab." Dann legt er.den Löffel hin. Mutter, das nächstemal mußt du nicht vergessen, den Krisenstern hineinzumachen. Dann wirst du 'ehen, Vater, daß ich zum Abgewöhnen nicht so vial Zeit brauch, wie du."