Rr. 53 Angriff auf die österreichischen Eisenbahner. Die Regierung Dollfuß, in der sich einige antimarriftische Gernegroße, deren geistiger Horizont ichwerlich über einige Bierbankphrasen hinausreicht, zu„staatsmännischem" Tun zu- ßammengesthlossen haben, die Dollfüßler, die den geistigen Mittelstand und das hausbackene Protzentum provinzieller Wohlhabenheit repräsentieren, sind größenwahnsinnig geworden. Die Schandtaten Hitlers und seiner braunhemdigen Gangsters, die„Erstckge" des Fascismus im Reich lassen den österreichischen Bundeskanzler nicht ruhen. Das Volk der Dichter und Denker feiert die Nächt« der langen Messer, der Marxismus wird ausgerottet, Hitler macht«S seinen Kok- legen Dollfuß vor, wie man mit den Gewerkschaften und den Rechten der Arbeiterschaft fertig wird. Und schon fühlt der Popanz, de« ein blinder Zufall und der Führermangel der Bür gerlichen in den Bundeskanzlersitz gebracht hat, seine Kräfte wachsen, er haut wie ein Elefant im Porzellanladen um sich, er spielt den„stark» Mann", er gebärdet sich wie ein Werkelasfe, der nach der Musik deS FaseiSmus tanzt, er provoziert die Arbeiterschaft. Aber es sind die letzten verzweifelten Regungsversuche einer Regierung, die bereits in Agonie liegt. Die Hirtenberger Affäre hat ein sensa- tionelles Nachspiel gehabt. Immer wenn in Oesterreich ein Korruptionsskanbal auffliegt» so bleibt die Generaldirektion der Bundesbahnen nicht unbeteiligt. Sie ist seit Jabren ein Experimentierfeld, ein Schacherobjekt der antima^i- stischen Körruptionisten geworden, di« Domäne der Strafella und Konsorten. Der Generaldirektor Seefehlner mußte gegangen werden, weil ihm nachaewiesen wurde, daß er im Auftrage und Dienst Ungarns oder Italiens die Hirten berger Waffen trotz aller Bindungen der Regierung(oder hat sie von seinen unsauberen Machinationen gewußt?) nach Ungarn verschieben, die Sendung dann als„Fehltransport" deklarieren und nach Abladung der Waffen die leeren Waggons nach Italien senden wollte. Dieser Ehrenmann w,ollte sich mit einem hohen Geldbetrag (wer hätte den gezahlt?) das Schweigen deSzso- S'ildemokratischen Abgeordneten König erkaufen, iefe Unvorsichtigkeit mußte er mit der Entser^ nung aus dem Dienst bezahlen, aber man kann sicher sein, daß ihn seine Gönner in der Regierung und feine Geldgeber nicht im Stiche lassen werden. Er ist doch zweifelhaft'nur ein Strohmann, hinter dem famosen Streich steht vor allem der Bundesführer der Hcimwehr, der stets gelhbodürftige Fürst Starhemberg . Nachdem nun Seefehlner wegen des Skandales aus den» Amt scheiden mußte— man wird ihm nicht wehe tun— verschreibt M8N sich in'der Person des Generaldirektors Schöpfer einen neuen Mann der starken Faust, einen„Autokraten", der nut den Eisenbahnern und ihrer Gewerkschaft aufräumen soll. Schon vor Jahren versuchten es die Antimarxisten mit der sogenannten„unabhängigen Gewerkschaft", einer Heimwehrstrcik- brechergarde, aber dieser Vortrupp der Geueral- dirrktion blieb zu völliger Einflußlosiakeit verurteilt, die Eisenbahner haben die Funktion die- fer Unternrhmerkreaturen bald erkannt. Nun hat es die Generaldirektion der Bundesbahnen mit Provokationen versucht, sie erklärte sich im Feber außerstande, Gehälter und Pensionen der Eifenbahner wie bisher auf einmal auszuzahlen, sondern dekretierte einfach, ohne Fühlungnahme mit der Personalvertretuug, also argen die in Geltung stehenden Vorschriften, daß sie am 1. März nur einen Prozentsatz, spater wieder einen Teil der Bezüge und den Rest„irgendwann" auszahlen werde. Man hat die Personalvertretung einfach ansgeschaltet und von oben herab in früherer Arroganz dekretiert, daß die Eisenbahner mit dieser Form der Auszahlung zufrieden zu sein hätten. Die wirtschaftliche Lage der österreichischen Bundesbahnen ist wohl eine sehr triste, aber es hätten sich Wege finden lassen, die eine vollkommene Befriedigung der Eisenbahner, die wahrlich Elendsbezüge erhalten, herbeigeführt hätten. Aber weit über diese Frage hinaus, stand für die Eisenbahner ein andere» Problem zur Diskussion: die Regierung Tollfuß, die sich bemüht den Auslandsgläubigern der Kreditanstalt enorme Summen an Volksvermögen in den Rachen zu'werfen, sie will auf Kosten der Eisenbahner sparen» sie will ein seinerzeit zurückgezogenes Bundesbahnbudget-Sa- nierung^esetz neuerlich einbringcn, das neben finanziellen Einbußen auch schwere rechtliche Schäden für die Eisenbahner bringen würde. Neun Monate liegt ein Entwurf, der an Härten nichts zu wünschen übrig läßt, im Parlament, es gelang den Sozialdemokraten bisher, seine Beratung zu verhindern. Um nun dieser bramarbasierenden Regierung zu beweisen, daß die Eisenbahner bereit sind alle Mittel im Kampf um ihre Rechte anzuwenden, wurde für Mittwoch vormittag ein zweistündiger Proteststreik der Eisenbahner beschlossen, an dem außer der sozialdemokratischen Eisenbahnern auch die bürgerlich Organisierten teilnahmen. Nichts charakterisiert nun die Regierung Dollfuß besser, als ihre Zuflucht zu einem schwarz-gelben Erlaß. Die Christlichsozialen haben noch nicht ausgelernt, immer noch orientieren sie sich an der k. u. k. Tradition, die den Eisenbahnern ein Minimum an Rechten zu- billigt, aber ein Maximum an Pflichten auferlegt hat. Dollfuß verschanzt sich hinter eine „kaiserliche" Verordnung vom 25. Juli 19!'. die den Eisenbahnern die Beteiligung am Streik untersagt und diejenigen, die sich gegen diesen Erlaß vergehe« mit Kerterstrafeu bis zu einen» «eit« 4 Freitag, 8. März 188b us dem Hitlerparadies. Bilder aus Oberschlesien . Im südöstlichen Teile Preußens liegt das oberschlesische Gebiet, dessen Reichtum an Industrie und Kohl« einst bekannt war. Seit der neuen Grenzziehung, wobei ein erheblicher und wertvoller Teil Nlederschlesiens an Polen fiel, hat das Gebiet unter der Arbeitslosigkeit sehr schwer zu leiden. In Ratibor , das 5200 Einwohner besitzt, stehen von 24 Fabriken viele zur Gänze still, so z. B. die ehemals 1800 Arbeiter zählende Eisen- bahnwerkstatte. Die übrigen Unternehmungen arbeiten mit stark reduriertcr Belegschaft» so die Hutfabrik Hückl, die Böhlerwerke» die Elfengießerei„DanubiuS" und' die große Maschinenfabrik. Durch den Verlust' des Hinterlandes ist der frühere Absatz größtenteils verloren gegangen. Dies trifft auch bei den vier stillgelegten Tabak- rabriken und den Schokoladenfabriken zu. Außerdem wurden tausende Bergleute, die früher in den nahen, jetzt polnischen Kohlengruben beschäftigt waren, brotlos. In Ratibor selbst ist zirka ein Drittel der Bevölkerung arbeitslos, während in den umliegerchen Dörfern die Zahl der Erwerbslosen noch weit größer ist. Es handelt sich um ein typisches Notstandsgebiet mit ausgeprägt gleichem Einschlag und einer sehr starken Vormachtstellung des Zentrums. Das Gebiet hat noch im Jahre 1931 durch die polnische Aufst^ndsbewegung schwere blutige Kampfe gesehen, speziell bei Kanorzin. In der Geschichte Ratibors ist der blutige Freitag August 1923) hervorstechend, weil an diesem Tage anläßlich einer Hungerdemonstration sieben Arbeiter erschossen und 30 verletzt wurden. Die Arbeiterbewegung ist durch die furchtbare Wirtschaftskrise und unselige Spaltung sehr geschwächt worden. In den letzten Jahren ist die Nazibewe- aung hochgekommen. Sie findet ihren Hellt in den tpirtschaftlich Entwurzelten, in den Mittelschichten und kennzeichnenderweise auch im agrarischen Dorfe. In Deutschland hat es die Revolution verabsäumt, eine durchgreifende Bodenreform vorzunehmen, den Adel abzuschasfen und mit den Vertretern der kapitalistischen Welt und den Schuldigen deS Weltkriegs gründlich ab^«rechnen. Die alten verbissenen Reaktionär«, die Krautjunker und Schlotbarone, sind infolgedessen heute wieder obenauf. Das flache Land beherrscht im Osten Deutschlands der adelige Großgrundbesitz, dem Hitler pflichtgemäß di« größten Konzessionen macht. In und um Ratibor herrschen der Herzog von Ratibor und Fürst LichnowÄY als unumschränkte feudale Herren, als ob es niemals eine Revolution gegeben hat. Nicht wenige von chnen sind heute begeisterte Nazis und mit ihnen viele Bauern und Seren Söhne. Die wirtschaftlich abhängigen Landarbeiter tun pflichtschuldigst mit. Die ganz auf roheste Gewalt aufgebaute Nazibewegung, die den italienischen FasciS- mus Zug um Zug nachahmt, hat schon bei den letzten Wahlen unseren Parteigenossen bei der Agitation die schwersten Hindernisse bereitet. Damals waren die Nazis noch in der Opposition, von der Regierung Brüning und Papen bekämpft, während sie heute die entscheidende Macht darstellen. Umso brutaler und gemeiner ist demgemäß jetzt ihr Vorgehen gegen die verhaßten Roten. DaS Wort Hitlers , daß der Marxismus ausgerottet werden müsse, fassen sie ganz buchstäblich auf. In dem Orte Bauernitz überfielen ftc jüngst nachts die Wohnung eines Parteigenos- en» den sie blutig schlugxn und dessen Einrichtung ie demolierte«. Täglich kamen nun Nachrichten über Schandtaten der Nazibanditen: in Hindenburg das Volkshaus verwüstet, in Beuchen daS dortige VolkshauS von chn«n besetzt, in Neiße einen Reichsbannermann erschossen usw. In Ra tibor sechst suchten uniformierte Nazis im Hotel „Drei Kronen" auf eigene Faust nach Waffen, drangen in einem anderen Lokal in eine geschlossene Gesellschaft und provozierten eine Schlagerei. Der berüchtigte Schießerlaß des NaziministerS Göring und ihre Einfiigung in die staatliche Schutzpolizei(für drei Mark pro Tag und Mann) hat sie noch übermütiger und ruppiger gemacht. Sozialdemokratische Wahlplakate sieht man überhaupt nicht, weil es zwecklos ist, sie anzukleben, denn sie werden sofort abgerissen. Auch dem Zentrum spielt man übel mit, weil es sich samt der Staatspartei entschieden gegen die Hitler - lüge wehrt, daß in den letzten 14 Jahren Deutsch land zugrunde gerichtet wurde.. Bei einem der letzten Wahlkämpfe wurde ein wertvolles Lautsprecherauto des Zentrums total zerstört. Die Schupos(Schutzpolizei ) paßten sich den neuen Machtverhältnissen an, besonders die jüngeren, streberischen Elemente, die weniger durch persönliche Tüchtigkeit als durch ihre Gc- sinnungsbctätigung vorwärts kommen wollen. Beamte, die pflichtgemäß bisher gegen die Nazis vorgehen mußten, werden nun abgebaut und durch Hitlerleute ersetzt. Wie anderswo, demonstrierten auch in Gleiwitz Schupos offen unter der Hakenkrcuzfahne zu Ehren der„Erneuerer Deutschlands ". Wohin man auch blickt, überall herrscht Terror, wird bewußte Einschüchterung der„aufsässigen" Wähler betrieben. Viele Wirte trauen sich nicht mehr, für sozialdemokratische Wahlversammlungen ihren Saal herzugeben oder sie fordern zuinindestens die Zusicherung des vollen Schadenersatzes im Falle eines NazisiurmcS. Die arnie Partei kann icdoch eine Garantie für 1000 Mark oder noch mehr, natürlich nicht übernehmen.» Die Aufforderung Hitlers an seine braunen Jungen, gegnerische VersaukinluNgen nicht zu besuchen, bezog sich nicht auf sozialdemokratische Versammlungen. Bon langer Hand können diese gar nicht vorbereitet weÄen. Wenn das Lokal gesichert ist, belegt ein Trupp Parteigenossen— ausnahmslos Arbeitslose— das Dorf am Tage der Versammlung mit Flugblättern und Einladungszetteln, um den Nazis nicht viel Spielraum zu lassen. Diese erfahren trotzdem ost noch„rechtzeitig", was die Sozi planen, denn die Versammlungen müssen 48 Stunden vorher der Polizeibehörde gemeldet werden; diese benachrichtigt wieder den Ge- meindevorsteher, der in der Regel ein Gegner ist. Und so kommt es nicht selten vor, daß die Nazis aus nah und fern rasch zusammengetrommelt werden und die Versammlung auffliegt. Wenn sie lediglich krawallieren, so ist dies schon erträglich. Es geschieht aber häufig, daß sie die Fenster rinwerfen, den Saal stürmen und die Redner insultieren. Während der letzten Wahl wurden eine Anzahl Ratiborer Genossen in einem Dorfwirtshaus regelrecht belagert und mußten von der telephonisch mit Auws herbeigeeilten Schupoö befreit und abtransportiert werden. DaS war noch in der Zeit, wo man in gewissen Parteikreisen wähnte, man könne sich als Republikaner und Demokrat auf die Treue der Schupos fest verlassen. Heute klingts anders! In jeder Wählerversammlung sind stetS Schupos, bis fünf an der Zahl, um die Ruhe und Ordnung zu wahren, aber auch um die vorher angemeldeten Redner zu kontrollieren. Die Einschiebung eines fremden Redners, besonders eines Ausländers, ist unter solchen Umständen gewöhnlich nicht möglich. Dem Redner wird vom Schupo ans Herz gelegt, keine persönlichen Angriff«(gegen Hitler !) zu machen, am besten keine Namen zu nennen. Als«in Ratiborer Genosse in Abwehr einer gegnerischen Bemerkung, der Sattlergehilfe habe von Politik nichts verstanden, wahrheitsgemäß konstatiert, daß der jetzige Reichskanzler ja auch„nur" gelernter Anstreicher sei, nahmen das die anwesenden Schupos gewaltig krumm. Mehrfach ist es vorgekommen, daß die zuständigen Schupos erklärten, es sei besser, die Sozialdemokraten hielten keine Versammlung ab, damit sie nicht in Verlegenheit kommen, denn den Nazijungen darf ja nichts geschehen! In Ratibor be- gleiteten Schupos die NazrS beim AuStragen der Flugblätter in den Arbeitervierteln. Zwei aus Oppeln abgeschickte sozialdemokratische Flugblätter wurden dahingegen von der Polizei beschlagnahmt. Viele tausende Exemplare fielen ihr in di« Hände. Bei den Kommunisten fanden HauS- durchsuchungen statt.(Mit den Kommuni- st r n, denen jede öffentliche Propaganda verboten ist, kann man endlich in den Versammlungen ein vernünftiges Wort sprechen.) Di« Polizei ist mit technischen Hilfsmittel«' glänzend auSgestattet,«S steht ihr sowohl der eigen« Funkdienst wie daS Ueberfallkommando I« Gleiwitz drang«« SA -Leut« in die Geschäftsstelle d«S sozialdemokratischen „Oberschlesischen BolkSblatt", risse« di« aushängendea Zeitungen herunter und drohte« de« Angestellten mit Schlägen für de« Fall deS WirderauShangS der Zeitungen. Dann zog der Trupp» zum ArbeitSaml und verlangte dort, daß nur«och an Nationalsozialisten Wohlfahrtsgelder ausgezahlt werde« sollen. Mehrer« kommnnistische Arbeiter wurde« vor dem Arbeitsamt niederge- stoche» und schwer verletzt. • Am Mittwoch wurden bei mehreren Führern der Eisernen Front in Breslau sowie im Oelfer VolkshauS wieder Haussuchungen vorgenommen, die sämtlich ergebnislos verliefen. Bon den Führern der Eisernen Front in Breslau wurde auch der technische Leiter des Ortsvereins Breslau des Reichsbanners, Billert, verhaftet. Insgesamt sind in der schlesischen Hauptstadt im Laufe oer letzten beiden Tage 27 führende Funktionäre der Linksparteien fest genommen worden. Bei den Haussuchungen in den Räumen vor Organisationen oer KPD und der SAP beschlagnahmte die Polizei 120 Zentner Druckschriftenmaterial. Das Druckereigebäude deS„Volksblatt für Anhalt" ist am Mittwoch nachmittag von der Dessauer Polizeiverwaltung geschlossen worden. Die Räume wurden versiegelt. - Die sozialdemokratische„Dolkswa cht" in Bernburg und ihr K-" der„BolkSwille" in Cöthen , sind bis eins"> 4. März vom an- haltischen Staatsminist.r.um verboten worden. * Die württembergische Regierung hat auf Ersuchen der Reichsregierung mrt sofortiger Wirkung sämtliche in Württemberg erscheinende kommunistische Zeitungen und Druckschriften sowie alle kommunistischen Versammlungen verboten. Alle kommunistischen zur Verfügung. Bei der zielbewußten Hetze gegen Kommunisten und Sozialdemokraten müssen unsere Genössen auf das Schlimm st e gefaßt sein. Alles wird gegen sie mobilisiert: die Uebermacht der kapitalistischen Presse, die Kinopropaaanda, der Rundfunkdienst, aber auch das— Schulwesen. Wurde doch in den Schulen der Wahlaufruf der Regierung Hitler-Papen- Hugenberg gegen den Marxismus angeschlagen und von Nazilehrern entsprechend„erläutert^. Alles läuft darauf hinaus, die soziali- stischen Parteien zu zerstören. Die wildesten Gerüchte sind im Umlaufe und haben sich zum Teil bereits erfüllt. Nach dem Aus- nahmszustaich und dem zeitweisen Verbot der proletarischen Presse droht die Auflösung des Reichsbanners, wie es der^»Stahl helm " schon verlangt hat, die Auflösung wenigstens der kommuni st l- sch en Partei, die Verhaftung lasse n- der Parteigenossen und am Ende eine Art Bartholomäusnacht, die:„Rächt der langen Messer", wofür die Nazis schon lange schwärmen. In den Nächten nach dem 5. März werden die führenden Genossen gut tun, ihr Heim nicht aufz«suchen. Im Siegesrausch oder auS Wut über eine eventuelle Wahlniederlage sind die braunen Burschen zu allem fähig. Charakterisch' ist die Bemerkung eines nationalsozialistischen Ortsvertrauensmannes auf die Forderung, er solle einen randalierenden Nazi zur Raison bringen, baß er das nicht tue, denn er fürchte, von.seinem Parteifreund— erschossen zu werden. Nachgewiesen ist auch, da^ ein wegen Plünderung avgestrafter ehemaliger polnischer Insurgent heute tatkräftiger Nazis ist. Dre brutalen Gewalttaten der Nazis und ihr widerlicher Terror' stößt viele Bürgerliche ab, doch spenden sie um des lieben Friedens willen fleißig für die diversen Bedürfnisse der Streitkraft« Hillers. Man scheut sich auch nicht, Juden anzuschnorren, etwa für den„Motor S. A. Oberfchlesien". Die Spender erhalten bestätigt, daß sie mit so und soviel Mark„den Entscheidungskampf um Deutschlands Zukunft" unterstützt haben. Armes Deutschland ! Heute herrscht dort die stupide Gewalt des Fascismus, der durchaus kein speziell italienische- Gewächs ist, unter dem verständnisinnigen Beifall des um seine Existenz bangenden Kapi talismus der ganzen Welt. Darüber kann doch keine Täuschung bestehen. Besonders für die europäische Ausbeuterklasse Erscheinen die Naziheroen Hitler , Göring und Frick geradezu als Retter von dem'„Bolschewismus", d. h. dem Sozialismus. Wenn doch auch alle Proletarier diese furchtbaren Zeichen oer Zeit verstünden und sich endlich zu gemeinsamen Handeln, zusammenschlössen! Biel ; sehr viel können die Proletarier aller Länder aus den Vorgängen in Deutschland lernen. Nicht zuletzt, daß man fest z u p a ck e n muß, wenn man die Macht hat, aber auch zupacken, wenn es gilt, die Eroberung der entscheidenden Macht vorzubereiten. I. Sch. Druckschriften einschließlich Plakate und Flugblätter wurden beschlagnahmt. ♦ Die Chemnitzer „Volksstimme" ist am Mittwoch auf Verlangen der Reichsregierung auf vierzehn Tage verboten worden. * In Berlin ist der größte Teil der k o m- munistischen B e r ke h r sl o ka l« geschlossen worden. Bisher wurden allein in der Reichshauptstadt etwa zweihundert kommunistische Funktionäre verhaftet. Ein großer Teil der kommunistischen Führerschaft ist inzwischen ins Ausland geflohen. * Der braunschweigische Innenminister hat auf di« Dauer von zwei Wochen alle im Freistaat Braunschweig erscheinenden kommunistischen und sozialdemokratischen Druckschriften sowie Aufzüge, öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und in geschlossenen Räumen und Mitgliederversammlungen der KPD und der SPD verboten. Das Verbot gilt zugleich für alle der KPD und SPD angeschlossenen Organisationen, wie Reichsbanner und Eiserne Front. * Die sächsische Regierung hat den sozialdemokratischen Polizeipräsidenten von Leipzig Fleißner beurlaubt. Außerdem wurden die Stellvertreter der sozialdemokratischen Amtshauptleute von Zwittau und Chemnitz mit der selbständigen Erledigung der Polizeigeschäft« be- auftragt, mithin den sozialdemokratischen AmtS- hauptleuten diese Befugnis entzog««. * Recklinghausen , 2. März. Auf Grund der umfassenden Aktion gegen die Kommunisten wurden im Rheinlande rund 1200 und in Westfalen rund 850 Personen festgenommen. Schwerin in Mecklenburrg, 2. März. Der Mecklenburg-Schwerinsche Minister des Innern hat heüt« die gesamte sozialdemokratische Presse in Mecklenburg-Schwerin für die Zeit vom 3. bis 9. März verboten. Die Erdrosselung der Freiheit. „Kleine* Meldungen aus dem Reich.
Ausgabe
13 (3.3.1933) 53
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten