Nr. 54 SamStag, 4. Mikrz 1883 ^eite 5 D^s Band Hart schritt» Signal ins Morgengrauen: Fangt an ihr Männer, los ihr Frauen! Di« HänL« an di« Griff«. Ein Hebel fällt und am Kontakt springt Funlenftrom im Katarakt bis dir Motor« brüllen. Dan» läuft das Band dru Tag entlang. Es rollt und rollt, und hält nicht an, zweihundert Hände tanzen. Da kommt eS an schon ist es fort. Das Baud läuft schnell, eS laust Rekord, Zwei Meter dir Minute. Sir greifen au und lasse» frei. Es gleitet au und ist vorbei. Zweihundert Hände zitter». Wer nicht mehr kann beim Faugrspiel, dort vor dem Tor da warten viel. Das Band liebt junge Opfer. Es macht nicht satt es Produziert Es gibt, mit eurem Blut geschmiert, Gewinn und Dividende. Kurt Doderer. ZelfgesMte In WWMrn. Berühmte Plakatsammlungen. Tie Plakat­sprache der Völker. Ein Spiegel der Zeit. Di« Hochschule für Politik in Beüin besitzt «ine Sammlung von Wahlplakaten, di« in ihrer Art einen liefen und bedeutungsvollen Einblick i» di« Psyche der verschiedenen Völker gewährt. Am interessantesten und aufschlußreichsten ist dielleicht ein Vergleich zwischen deutschen   und fvanzösischen Wahllokalen. Während die deutschen  Wahlaufrufe ernst und schwer sind, meist viel Text enthalten und sichtbar auf aufmerksame Betrach, tung und Lektüre zugeschnitten sind, sind die fran- zösischen Plakate auf schnellen und flüchtigen Eindruck berechnet. Der Vorübergehende soll so­zusagen nur einen Mick darauf werfen, st« sind ganz Anschaulichkeit und enthalten'meist nur körnige Wort« witzigen, scharfgewürzten Text«-, di« sich rasch ins Gedächtnis einprägen. Auch österreichische Wahlplakat« sind auf­schlußreich für die Verschiedenheiten iyr Volks­charakter deS deutschen   Südens und Norden-, Sehr wirkungsvoll sind Wahlplakat« au- den österreichischen Alpenländern. Erwähnt sei hier auch eine kleine Blüten­les« deutscher   Wohlplakate, die der Oessentlichkeir unbekannt blieben, weil ihre Verbreitung polizei­lich verboten worden war. Ein« überaus reiche Plakatensammlung be­sitzt auch di« Berliner   städtische Dibliohetk. Es sollen dem Vernehmen nach mehr als 100.000 Exemplar« sein und di« Sammlung soll so ziem­lich jedes politisches Plakat enthalten, da- seit 20 Jahren das Berliner   Stadtbild schmückte. Die großartigste Plakatsammstmg besitzt die Pariser Nationalbibliothek. Mehrere Säle sind mit den Er<«ugnssen dieses politischen Plakat- kämpfe- geschmückt, der in Frankreich  «rm ersten­mal« in den Revolutionsjahren mit Macht ein­setzt«. Auf di« Plakat« der Girondisten und Die tröffe illustrierte WecftenscAri/l ftllAntwf leden formtaü tifteroll crfteWNiA I Jakobiner folgen die Manifeste der napoleonischen i Zeit u»rd dann das gan^, in Frankreich   so unge­heuer bewegte politische 19. Jahrhundert. Zeitgeschichte in Wahl Plakaten? Warum nicht? Mehr und mehr gehen auch illustrierte Geschichts­werke dazu über, Nachbildungen solcher politi­scher Plakate zu bringen. Das hat'seine tief« Be­rechtigung. Denn dies« Plakate sind ein getreuer Zeitspiegel. Auch wenn sie alt und vergiwt sind, scheint sich etwas von dem Fieber einer Epoche darin gefangen zu haben. Ein alter Skandinavier erzählt von der Zeit, als er Ende der neunziger Jahre sich nach Alaska  begab und dort die Tage des großenGold- rausches" miterlebte. Im März 1897 fuhren vierhundert abenteuer- und unternehmungslustige Männer mit dem alten DampferMexiko  " von der Stadt Seattle   aus nach der Küste von Alaska  , um von dort über den Chilcootpaß in das Innere des Landes einzudringen und sich nach den neu- entd:ckten Goldlagern von Klondyke zu begeben. Diese ganze Reil« war damals noch so umständ­lich. daß drei Monate verstrichen, ehe die Gold­gräber in der kleinen Grubenstadt an der Mün­dung d«S KlondvkeflusieS in den Bukon anlang­ten. Sie führten Schlitten, Werkzeuge, Zelte und Kochapparate mit, da man damals lwrt über­haupt nichts kaufen konnte. Da di« Reise im ganzen sehr kostspielig war, setzte sich die Goldgräberaesellschaft in Klondyke im allgemeinen aus Männern zusammen, die immerhin einige Hilfsmittel zur Verfügung hatten. Da- Klima im Innern von Alaska   ist. wenn rnan die nördliche Lage in Betracht zieht, sehr gut. Im Sommer steigt die Temperatur sogar bisweilen auf 30 Grad im Schatten. Im Winter war es allerdinas sehr kalt, durch die trockene Luft wurde die Kälte aber ziemlich leicht ertragen. An manchen Orten sank das Thermometer auf minus 57 Grad Celsius. Oirecksilberthermometer waren in dieser Temperatur nicht verwendbar. In dem ersten Winter wohnten di«.neu» emgetroffenen Goldgräber in einem kleine«, mangelhaft gebauten Blockhause, das nur einen fleinen Ofen hatte, der nicht nur für di« Er» Wärmung sorgte, sondern auch zum Kochen benutzt wurde. Da aber der Proviant sehr knapp war, gab es nicht viel zu kochen. Infolgedessen kamen häufig Fälle von Skorbut   vor. An Brennmaterial war kein Mangel. Die Leute brauchte« nur hinaus,zuqehen und Bäume zu fällen. Dennoch blieb die Temperatur in der Hütte weit unter Null, und di« Innenwände Ware« weiß bereift. Wasser konnten die Männer in einem Sack holen. Die Säcke waren nämlich so steif gefroren, daß sie keinen Tropfen durch­ließen. Aller Wasser im Freien war natürlich völlig gefroren, und die Männer mußten, wenn sie Wasser haben wollte«, das Eis aufhacken und «S im Oken schmelzen. Man mußte daher mit dem Wasser sehr sparsam umgehen und konnte es nicht etwa zum Waschen benutzend Um die Kleidungsstück« zu reinigen, tauchte man sie einen Augenblick in Wasser und hängte sie dann vor- HanS. Im Handumdrehen waren sie steif wie ein Brett. Auf diese Weise gelang eS ganz leicht, da» Ungeziefer zu töten. In Klondyke wurde alles mit Goldstaub bezahlt, und jeder hatte ein Ledersäckchen mit Goldstaub bei sich. Inzwischen bedecken neue Wahlplakat« di« Plakatensäulen Deutschlands  , sie mehren sich von Tag zu Tag, beim Herannahen des Wahltermins Äeibt kaum mehr Platz für ander« Anschläge. Jede Partei verwertet Dutzende von wirkungs­vollen Entwürfen, insgesamt werden an die tausend der verschiedensten Plakate Verwendung finden. Bis dann der Wahlgschermittwoch kommt, die Kehrbesen und di« Säulenkratzer ihre^Arbeit verrichten und die Fieberkurve etwas zurückgeht. K. Zurland. Das Gold im Bezirk Klondyke lag drei bis fünf Meter unter der Oberfläche. So große Goldklumpen, wie in Australien   gefunden wur­den, fand man in Alaska   nicht, sondern die Ausbeute bestand meistens in Goldstaub und ganz kleinen Klumpen. Das Auswaschen des Goldes ging damals auf die Weise vor sich, daß der goldhaltige Kies in Kisten getan wurde, durch die ein starker Wafferstrom geleitet wurde. Das war natürlich eine sehr primitive Methode, durch dje keineswegs alles Gold ausgewaschen wurde. Man hat deshalb später, als man bessere Methoden fand, die bereits ausgewaschenen KieS- haufen nochmals durchgewaschen und dabei einen sehr guten Erfolg gehabt. Im Winter mußten die Goldsucher sehr vorsichtig sein, damit die Gliedmaßen nicht erfroren.'S» erzählen von einer Wanderung, di« sie bei strenger Kälte unternahmen, um Gold zu suchen. Sie mußten dabei eine Strecke über den Pukon gehen, wo zwischen Schnee und EiS Wasser war," wie immer, wenn es sehr kalt ist. Dadurch wurden di« Füße naß, und ehe sie eS sich versahen, waren die Beine steif gefroren. Glücklicherweise kamen sie unterwegs an ein Zelt, in dem das Feuer im Ofen brannte, als wären sie erwartet worden. Sie schnitten die Stiefel von den Füßen und rieben die Füße kräftig mit Schnee. So wurden die Männer vor dem sicheren Tode gerettet, denn bei einer noch längeren Wanderung durch die Kälte hätte sich der kalte Brand eingestellt. Es war auch nur ein Zufall, daß sie ein geheiztes Zelt fanden, denn die Be­sitzer dieses ZclteS waren abwesend und hatten bei ihrem Fortgang nur vergessen, das Ofen­feuer auszumachen. Im Sommer war die Moskitovlaae entsetz­lich. Menschen und Tiere können diese Plage fast nicht ertragen, denn die Moskitos treten in gewaltigen Schwärmen auf. Wenn man nicht ein Netz um den Kopf trägt, um die bösartigen Insekten abzuwehven, ist man überhaupt ver­loren. An Tieren waren hauptsächlich Elche, Daren und eine Art Hirsche vertreten, und zwar kamen diese Hirsche, Karibus genannt, in Herden von mehreren Tausend vor. Manche von den Goldsuchern hatten das Glück, in verhältnismäßig kurzer Zeit ein Ver­mögen zu verdienen. Viele aber litten bittere Not, weil sie ihre Vorbereitungen unzureichend oder unpraktisch getroffen hatte«. So merkwürdig es klingt, sst eS doch Tat­sache, daß auch jetzt noch in Alaska   viele Menschen leben, die nirgends sonst wohnen möchten. Wenn sie wirklich einmal wieder in die Zivilisation zurückkehren, gehen sie doch meist nach kurzer Zeit schon nach Alaska   zurück, das sie festgehalten hat, obwohl sie eS anfangs nur aufsuchten, um rasch reich zu werden und dann in die Heimat zurückzukehren. H. Lauterbach. Arbeiter, kümmert euch um eure Jugend! Unterstützt die Kinderfreundebewegung und dl« Jugendorganisation. Der Sozialismus beginnt nicht in der Versammlung, sondern in der Familie! immer nodi Krieg im firan Chaco. lieber den kriegerischen Verwicklungen im j Fernen Osten  , die. augenblicklich das Interesse der ganzen Welt beanspruchen, vergißt man allzu leicht^ daß an einer anderen Stelle dieser unru­higen Erde immer noch Krieg geführt wird und zwar im Gran Chaco  , wo sich Bolivien   und Paraguay   auf das Erbittertste bekämpfen. Wir haben in Europa   im allgemeinen keine rechte Vorstellung von dieser Art Krieg und glauben immer noch, daß es sich bei diesen Soldaten, die dort gegeneinander ziehen, um ungeordnete, un­disziplinierte Heerhaufen handelt, um ein buntes Gemisch von Abenteurern und Eingeborenen, denen es um Deute und Staatspfründe geht. Es handelt sich aber um wohl disziplinierte, leidlich gut ausgerüstete Heere. In Bolivien   ist das Heer mach preußischem Vorbild erzogen, so­gar di« Uniformierung ist preußischen Vorbil­dern nachgrbikdet. Das bolivianische Heer ist gut ausgerüstet und verfügt über alle modernen Waffen. Die allgemeine Wehrpflicht wird streng durchgeführt, die Korruption im Offizierskorps ist ganz auSgemerzt word«n. Auch Paraguay   hat die allgemeine Wehr­pflicht. Die Ausbildung seiner Armee ist vorwie- aend nach englischen Gesichtspunkten erfolgt. Die Armee ist natürlich bedeutend kleiner als die Boliviens   mit feiner höheren Einwohnertiffer, aber sie ist gut ausgerüstet und bis auf Flug­zeuge mit modernen Waffe« wohl versehen. Die Umstände, unter denen im Gebiet d«S Gran Chaco gekämpft wird, sind grauenerregend. Zur größeren HAft« ist dieses Flußdreieck sumpfi­ger, völlig unwegsames Urwaldgelände, von Fie­ber und allen teuflischen Tropenkrankhetten ver- feucht, mit Giftschlangen ohne Zahl. Di« paraguayischen FortS, di« bisher von bolivianischen Truppen genommen wurden, lie­gen fast mitten im Urwald und find zu norma­len Zeiten meist der Aufenthalt von Straflom« pagnien. Das hat sich gerächt, denn sie konnten ziemlich leicht erobert werden. Bei den Kämpfen in diesen Gegenden sind aber die modernen Waffen soweit sie überhaupt zur Anwendung gelangen können, bei weitem nicht daS Gefährlichste. Auf einen Verwundeten oder Gefallenen darf man das Dreifache an Kranken rechnen. Siegen wird bestimmt nicht der, der über die besseren Waffm verfügt, sondern der, dessen Soldaten das Klima gewohnt sind. Unter diesen Umständen kann da» kleinere und schwächere Paraguay   sehr wohl Sieger bleiben, denn di« bolivianischen Soldaten stammen meist au» höher gelegenen Gebieten und werden un­säglich unter d«m ungewohnten, fiebrigen Milieu leiden. Dieser Krieg im Urwald darf überhaupt nicht mit europäischen   Maßen gemessen werden. SolchesKampfgeländ«" gibt es bei un» nicht. Di«s«r Krieg im Urwald erfordert eine ganz be­sondere Strategie und dasMaterial" wiegt gering gegenüber der Widerstandskraft de» Men­schen. deS Soldaten. Der Urwald ist es auch, der mehr als der Hälfte aller südamerikanischen Kriege bisher een natürliches Ende gesetzt hat. Der nach westlichen Grundsätzen gedrillte Soldat findet hier die Mauer, über di« er nicht hinweg kann. A. Gressung. iNiminnniiiiiiiii(uvnniiiitiii{!iiii!iiiiiiiiii!iiiniiKiiitiiMm)inmuuHHiniimiHiHnnimiiHiiniiiiniiiiiiniiiniiiiinimimiimiinminHmiiiiiiiiiiimnHmHmiHuinuuuiiuHmi!iiinniiiinimiiniRnimB GMdfuGer Menv in Alaska  . I Wie es vor 40 Jahren in Klondyke war. Der Kampf mit Kalte und Moskitos. Goldftaubwährnng. Weibliche Angestellte. In einer Folge sozialpolitischer Schriften gibt Josef W i 11 ch eine Broschüre heraus, die die konkrete Lage der als Angestellte tätigen Frauen zeigt,- wie sie sich in der schönen Literatur, also im Roman, in der Reportage, und im aut» biographischen Roman widerspiegelt. Daß di« Werktätigkeit der Frau heute mehr und mehr ZUm Gegenstände ver Literatur wird, rührt ge­wiß tu erster Linie von den Wandlungen in den ökonomischen Verhältnissen her, die di« Lage der Angestellten grundlegend verändert und die bis­her recht wenig beachtete Schicht immer mebr in den Mittelpunkt der sozialen Betrachtung gerückt haben. Daß das. Angestelltenproblem überdies weitgehend als Problem der Frau und ihrer Berufsarbeit anzusehen ist, geht Aon daraus hervor, daß es zum größten Teil Frauen sind, die hinter Schreibmaschinen, Kon­torpulten und Ladentischen ihr Brot verdienen. - Wa» die Umfrage des Zentralverbandes der Angestellten und andre gewerkschaftlich« Unter­suchungen mit Hilf» der summierenden Statist'k sestst«llen, sucht die Literatur am Einzclschick'al deutlich zu mach««. Wenn auch dir Heldin oft individuelle Züge aufweist, die bei ihren Kolle­ginnen nicht zu finden sind, so läßt sich das, was gesagt wird, im großen und ganzen doch verall­gemeinern. Es sind charakteristi'che Züge da, die das Einzelschicksal symptomatisch für eine ganz« Klaffe weichen lassen. An Hand der aktuellsten und bekanntesten literarischen Schöpfungen erörtert Witsch diese brennenden. Fragen. Er berücksichtigt u. a. die Romane von Anrra Drück, Paula Scher, Irm­ gard Keun  , Rudolf Braune  , Maria Leitner  , ft» «er die Schrillen von Sinclair Lewis  , Edna Fer­ ber   und Wilhelm Speyer  . In diesen Romanen werden der sozialen Herkunst nach m der Haupt- Lache drei Typen von weiblichen Angestellten unterschieden: Erstens drängen Frauen und Mädchen aus Arbeiterkreisen in die Angestellten­beruf«, weil sie darin ein« Möglichkeit zu sozialem Aufstieg sehen. Di« wirtschaftlichen Folgen von Krieg und Inflation treiben ferner viel« Frauen der verarmtrn Mittelstandes in die Angestellten­beruf«. Daneben gibt es noch ein« Grupp« von Frauen, deren soziale Herkunft nicht eindeutig zu umreißen ist. Das Kennzeichen dieser Frauen ist in erster Linie, daß nicht wirtschaftlich« Not sie zur ErwerbStätigkebt führt, sondern der Wunsch nach einem Beruf und imch persönlicher Unabhängigkeit von der Familie oder vom Man«. Zu dieser Gruppe taun man auch die Frauen und Mädchen rechnen, denen es lcd'glich um das Äe» dienst eines Taschengeldes geht; denn das selbst­verdient« Geld erlaubt eine gewisse Unabhängig­keit vom Elternhaus.- Das Lebensalter, besonders die schwierige Lage der älteren Angestellten wird in den einzel­nen Werken ausführlich behandelt. DaS Aelter- werden ist für die meisten älteren Angestellten verhängnisvoll. Jüngere Kräfte sind billiger und da man bei der immer größer werdenden Mechanisierung der Arbeit nicht mehr auf ein- gearbeiteteS Personal angewiesen Ist, stellt man lieber jüngere. Kolleginnen ein. Neben dem Alter ist auch die äußer« Erscheinung sehr ausschlag­gebend flir dos Fortkommen. Jung«, hübsche, gut angezogene Bewerberinnen werden ost ihren die t Vorteile nicht aufweisenden Berufskolleginnen vorge-ogen. Auch sexuelle Ausbeutung weiblicher Angestellter, di« in der Literatur immer wieder gegeißelt wird, mag häufig genug Vorkommen: Aber man darf nun doch noch lange nicht folgern, daß solch« Zustänhe überall da existieren, wo Männer und Frauen zusammen arbeiten. Aller­dings gibt es häufig für die weiblichen Angestell­ten keine Möglichkeit, gegen derartig« Anstände anzugeben, ohne sich selbst zu ichäd'gen. Ost sind sie auch gezwungen, sich auf diesem Wege di« Mittel für notwendige Zuwendungen zu verschaf­fen, für die ihr bescheidenes Gehalt nicht aus­reicht, zumal da von ihnen verlangt wird, daß sie gut angezoaen sind. In allen vorliegenden Werken wird überein­stimmend di« unzureichende Entlohnung der weib­lichen Angestellten hervovgehoben. Die meisten sind gezwungen, noch etwas nebenher zu verdienen. Ost aber ist die Arbeit im Betriebe derartig er­müdend und aufreibend, daß für einen Neberive» dienst weder Zeit noch Kräfte übrig bleiben. In­folge unzureichender Entlohnung, Ueberanstren- gung und Eintönigkeit der Arbeit werden viele Kräfte frühzeitig verbraucht. Sie werden dann einfach abgebaut, da es nicht schwer ist, Ersatz zu finden: jüngere und billiger« Kräfte gib* es ge­nug. Aufstiegsmöglichkeiten im Beruf albt cs aus diesen Gründen für die weiblichen Angestellten nur wenig. Biele Angestellte betrachten daher ihren Beruf nur als Uebergangsstadium, als notwendi­ges Nebel vor der Ehe. Ein« wichtige Frage, die auch in der Litera­tur immer wieder behandelt wird, ist die Kolle- galität. Während ein grrtes Verhältnis zum Chef oder Vorgesetzten Bedingung ist, ist nicht selten von einem güten Auskommen dcr Angestellten untereinander wenig zu bemerken. Ost ist im Betriebe die. Rivalität größer als die Kollegiali­tät. Das^ist die natürliche Folge des ganzen Ar- beitsbetriebes. Besonders kraß tritt dies im Warenhausbetrieb in Erscheinung, da dort die Leistung nach dem Umsatz bewertet wird; dadurch wird hier die Kolleg alität sozusagen absichtlich untergraben: die Verkäuferinnen kämpfen gleich­sam miteinander um di« Kunden. Man sieht also, daß der Beruf vieles Uner- steuliche für die, Angestellten mit sich bringt^ Ein befriedigendes außerberufliches Leben könnt« mancher erleichtern. ES wird jedoch in der Lite­ratur immer wieder gezeigt, daß diese» in den meisten Fällen nicht wogl'ch ist. Das Angestellten­gehalt erlaubt nicht die Unterhaltung einer eige­nen Wohnung. Das möblierte Zimmer ist in den seltensten Fällen ein idealer Aufenthalt, und di« Enge des proletarischen Familienhaushaltes ist meistens auch kein Gegengewicht gegen die Un­annehmlichkeit«» des Berufes. Die Analogie zur Fabrikarbeiterin liegt hier sehr nahe. Daher klingi uns aus allen Darstellungen ein Unterton von Resignation entgegen, da die heutige Organisa­tion der Frauenarbeit bestimmte Bedürfnisse der Frau einfach unbefriedigt läßt. Berufsmäßigkeit und Angst vor dem Schicksal der älteren Arbeite­rin zwingen dann häufig zu einer Che, die sich auch als falsche Lösung herausstcllt, weil sie unter unrichtigen Voraussetzungen geschloffen wurde. Mehr und mehr schrettet di« Proletarisierung der Angestellten fort, besonders heute, wo die Kris« eine groß« Zahl von Angestellten brotlos macht. Trotzdem läßt die Solidarität der Ange­stellten mtt den Arbeitern noch manches zu wün­schen übrig. Das fleinst« Büromädel dünkt sich heute manchmal mehr als die Arbeiterin. Hiev liegt gewiß noch ein großes Arbeitsfeld für die Gewerkschaften, deren Existenz noch fast nie in der Literatur erwähnt, wird. Die Frage nach der ge» roerkschaftlichen Organisation der Frau ist noch nicht beantwortet.r?lus allem aber ergibt sich der Schluß, daß die berufliche Organisation der ertverbAätigen Frau Lücken aufweist. Die Lage der»veiblichen Angestellten charaktevisicrt Kra- caiier wohl am besten mit den Worten: i,Di« Masse der Angestellten unterscheidet sich vom Proletariat darin, daß sie geistig obdachlos ist. Zu den, Genossen kann sie nicht hinfinden, und das Haus der bürgerlichen Begriff« und Gefiihl«, daS sie bewohnt hat, ist«ingestürzt, weil ihm durch die wirtschaftliche Entwicklung di« Fundamente entzoaen worden sind. Sie lebt gegenwärtig ohne ein« Lehre, zu der sie aufblicken, ohne ein Ziel, das sie erfragen könnte. Also lebt sie in Furcht davor, aufzublicken und sich bis ,u End« durch­zufragen." Meta Helen Jacobs.