Ginzelpreis 70 Heller. Einschließlich 5 Heller Borto
Sozialdemokrat
Zentralorgan d. Deutschen ſozialdemokratischen Arbeiterpartei i.d.Tschechoslowakischen Republik.
13. Jahrgang.
Göring , der besessene Tyrann.
Die gemeinste Minister- Rede aller Zeiten.
Essen, 10. März. In den Ausstellungshallen veranstaltete heute abends die NSDAP . eine große Rundgebung, auf der Reichsminister Goering über die Bedeutung der bevorstehenden Rommunal und Provinzial- Landtagswahlen sprach. Goering führte dabei u. a. aus: Wenn die Wahl eine Bedeutung hatte, dann war es die, daß es gelungen ist, das Zentrum aus dem Zentrum der deutschen Stellung hinauszujagen. Wenn sie jest glauben, ihre Niederlage mit Anmazung verbrämen zu können, dann haben sie fich getäuscht. Wenn auch der Marrismus der Todfeind des deutschen Volles war und die Sozialdemokratie Deutschland verraten hat, so dürfen wir nicht vergessen; überall dort, wo diese roten Gauner deutsches Gut gestohIen haben, hat der schwarze Schmieregestanden. Der Hehler ist nicht viel besser als der Stehler. Einst waren die deutschen Städte Stätten deutscher Kultur. Sind es einst die Häuser der Zünfte und des Rates gewesen, die von dieser Kultur zengten, so sind es jeßt die Krantentasjenpaläfte und Warenhäuser, die Ge werkschaftshäuser, die Bauwerke der vergangenen Systems. Ich habe heute im Staatsministerium eine Verordnung eingebracht, die ich Antiforruptions- Verordnung genannt habe und die bezweckt, daß der verfluchten Vettern= und Bonzenwirtchaft, der Pfründen wirtschaft ein Ende gemacht wird. In Zukunft wird es für manche Oberbürgermeister und Magistratsbeamte etwas schwer sein; fie müssen eine andere Tätigkeit für ihre nähere Verwandtschaft aussuchen, weil es in Zukunft nicht mehr mög lich sein wird, die Pfründe an eigene Bonzen bis ins letzte Glied zu verteilen. Wenn heute diese Bonzen glauben, sie hätten wohlerworbene Rechte und bestenfalls fönnten sie mit vollem Gehalt beurlaubt werden: Nein! Wir werden dem Reichstag ein Gefek vorlegen, daß nicht nur ohne Bension verabsiedet werden lann, daß darüber hinaus gewisse Herren verpflichtet werden können, auch zurückzuzahlen, was sie zu Unrecht empfangen haben. Die Gemeinden müssen wieder gefund werken und ich werde das Meinige tun, um mit eiser= nem Besen auch dort zu fehren.
Ich danke meinem Schöpfer, daß ich nicht mei, was objektiv ist. Ich bin subjektiv! Wenn sie sagen, die Beröfferung sei in furchtbarer Erregung, weil jüdische Warenhäus fer vorübergehend geschloffen waren, ist es nicht natürlich, menn wir Deutsche endlich erklären: Souft nicht beim Juden, sondern beim Deut schen ! Ich werde Polizei rüdsichtslos einfeßen, mo man das deutsche Volk zu schö digen weiß, aber ich lehne es ab, dak die Nolizei eine Schußtruppe jüdischer Warenhäuser ist.
Wenn sie sagen, da und dort sei einer abge. holt und mishandelt worden, so kann man nur erwitern: Wogehobelt wird, fallen Späne! Ruft nicht soviel von Gerechtigkeit, es fönte fonit eine Gerechtigkeit geben, die in den Sternen steht und nicht in euren Paragraphen und wenn diese Gerechtigkeit lenchtet, ift euer Ende gekommen. Man flagt über die Unterdrückung der Zeitungen. Wundert euch das? Mich wundert nur, daß sie noch eri itieren. Lieber schicke ich ein paar mal zu furz und zu weit, aber ich schieße wenigstens! Solange im Sinne der vielgerühmten internationalen Solidarität die
Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früb.
Redaktion u. Berwaltung: Prag II, elásanta 18+ Telepb.: 26795, 31469, Nachtrebatt.( ab 21 tt): 33858 Bonichedami: 57544
Gamstag, 11. März 1933
Nr 60.
-
Wien , 10. März.( Eigenbericht.) Die Lage in Oesterreich hat sich im Laufe der letzten vierundzwanzig Stunden weiter verschärft. Die Regierung zieht immer mehr Trup pen nm Wien zusammen. Auch die Bewaffnung der Heimwehren macht immer weitere Fortschritte. Wie verlautet, find 15,000 Gewehre aus dem Bestande der Hirten berger Waffen, die noch keineswegs vollends nach Italien zurückgebracht wurden, an die Heimwehrleute ausgegeben worden. Auch Armbinden, welche die Heimwehrleute als Noipolizei kenntlich machen sollen, sind bereits bei den Gendarmeriekommanden.
Der Plan der Regierung besteht anf Betreiben der Heimwehren offenbar darin, Wien mit Waffengewalt niederzuwerfen und dann an die Eroberung der Provinz zu schreiten. das legte Ziel soll, wie unser Berichterstatter aus sehr verläßlicher Quelle zu melden weiß, darin bestehen, gemeinsam mit Ungarn an die Restauration der Habsburger Monarchie zu schreiten.
%
Auch rein parlamentarisch hat sich die Lage anßerordentlich verschärft. Die Regierung hat neuerlich erklärt, daß sie die Einberufung des Nationalrats als Kriegsfall betrachte. Daraufhin hat der großdeutsche Präsident, der den Nationalrat einberufen hat, einen außerordentlich energischen Brief an den Bun deskanzler gerichtet, in dem er auf den 76 des österreichischen Strafgesezes hinweist, der die Störung einer Tagung einer parlamentarischen Körperschaft als Verbrechen qualifi ziert und mit zehn Jahren schweren Kerkers bedroht. Dieser Hinweis bezieht sich offenbar darauf, daß die Regierung andeutet, sie werde gegebenenfalls die Tagung des Parla ments mit Gewalt verhindern! Straffer erklärt in seinem Schreiben, daß er sich an den Staatsanwalt wenden werde.
Arbeiterschaft kampientschlossen.
Hente nachmittags fand in Wien eine große fozialdemokratische Bers frauensmännerversammlung statt. an der mehr als 3000 Wiener Bertrauensmänner teilnahmen. Otto Bauer hielt eine Rede, in der er auf den außerordentlichen Ernst der Lage aufmerksam machte und den Vertrauensmännern mitteilte, die Sozialde mofratie werde, so lange es möglich wäre, versuchen, den Bürgerfrieden zu erhal ten. Wenn aber der Augenblid tomme, in dem es nicht mehr möglich sein werde, Parolen zur Massenaktion herauszugeben, dann werden die Arbeiter auf eigene Faust und mit allen Mitteln ihre Freiheit und die Republik verteidigen müssen. Man fönne darauf gefaßt sein, daß in allernächster Zeit in Oesterreich sich außerordentliche Ereignisse vollziehen werden!
-
Die Stadt von SA besetzt. Arbeiter verhaftet, mißhandelt und ermordet. Treibjagd auf Sozialdemokraten und Kommunisten.
=
Johann Georgenstadt , 10. März.( Eigenbericht.) Donnerstag vormittag in der neunten Morgenstunde rasten sechs Lastautos schwer bewaff= nete-Leute des Limbacher Mordsturms und Schupos aus Schwarzenberg in Johann- Georgenstadt ein, besetzten das Rathaus, enthoben den bisherigen Bürgermeister Dr. Popping und den Polizeikommandanten Böttcher ihres Amtes und hißten die Hafenkreuzfahne. An der Hand von Liften wurde dann auf Sozialdemokraten und Kommunisten Jagd gemacht. Die Amtsgeschäfte des Bürgermeisters wur den von dem Schneidermeister Olbrich überder von Kommunalverwaltung feine Ahnung hat. Zum Polizeifommissär wurde der Sturmführer der SA in Johann Georgenstadt , namens Roch, ein übel beleumdetes Individuum, eingesetzt.
nommen,
sic schen zu...
Gewalt, viehische Gewalt, schreitet durch Deutschland und entstellt das Antlitz der Nation zu einer Fraße, die Vorstellungen an die Zeit des Dreißigjährigen Krieges hervorruft.
Vor aller Welt im Staube, vandalisch mißhandelt, blutig getreten, verfolgt und massafriert, zertrümmert und hingeschlachtet liegt das Ansehen des Volkes, dem die Welt einen Kant und einen Fichte, einen Hegel und Marr, Goethe und Schiller , Mozart und Beet hoven verdankt. Mord ist an der Tagesordnung von Hitlers Gnaden endlich völlig baden die braunen Banditen losgelassen
-
-
ihr Wissen um Straffreiheit für alle Schandtaten an flassenbewußten Arbeitern in täglich frischem Blute; schwingen sie ihre Gewehrfofben gegen sozialdemokratische Volkshäuser; schleifen sie zum Ergötzen des Pöbels Bücher und Broschüren auf die Straßen; hissen mit faltem Hohn Hakenkreuz- Schandfahnen auf Häusern eines besseren, freieren Geistes, schmähen sie das Andenfen und das Werf Marrens oder eines Karl Liebknecht durch Horst- Wessel - Farcen, Schlageter- Schlager und polizei ,, wissenschaftliche" Zentralen, die nur dazu da sind, Rechtlosigkeit, Ausbrüche besinnungslosen Haffes und einer zum Himmel stinkenden Tyrannei zu sanktionieren.
Die sozialistische Presse ist mundtot gemacht, der Rundfunk zum Hundfunk Hitlers geworden, der Film gleitet in die seichtesten Niederungen byzantinischen, gewaltanbetenden, dummheiterhaltenden Ungeistes, aus den Theatern werden alle freien Männer abgedrängt und durch widerliche Kreaturen des Regimes ersetzt, die Gerichte stehen unter Ter ror und die hohen Schulen der Wissenschaften, längst schon zu Exerzierfeldern für Stahlhelme ohne Köpfe geworden, werden bald den lekten Gelehrten, der nicht bedingungslos unter der Beitsche der 1933er- Barbaren fuscht, durch die fnüppelstarrende Aula auf die Straße gewor= fen haben
Einer schwachen Revolution folgt eine bon starker Henkerhand vollzogene Konterrevolution; aus den ersten Trümmern des mählich einstürzenden kapitalistischen Bantes ichleichen die Syänen und rasen die Wölfe und aus den Palästen, die noch stehen, schauen die fatten Bürger seclenruhig und vergnügt oder zynisch lächelnd, mit schweigendem Beifall, ut. Damals, 1918 und 1919, da hatte sich die stand, und beim Vorbeifahren der Autos Rot feige Bürgerbestie auf Dachböden und in SelFront" rief, wurde von einem Bewaffneten lerräume verkrochen; damals fühlten sie ihr mit dem Gummifnüppel in unmenschlicher lesies Stündlein näherkommen; damais sitWeise niedergeschlagen, auf ein Auto geworfen terten sie vor dem kriegsrevolutionierten Pround ins Krankenhaus geschafft, wo er seinen leten und damals wußten sie, da der gehaßte, Berlegungen erlegen ist. Auf die in verachtete Arbeiter seine geschichtliche Mission den Wäldern versteckten Kommunisten wurde als fommender Kulturträger der Menschheit in den Abendstunden eine Treibjagd ber mit humaner Umsturzarbeit begann, da anstaltet. Als sie umzingelt waren, soll einer mals wußten sie ein hohes Lied auf den Brus von ihnen geschoffen haben, worauf ein heftiges der Arbeiter zu singen, der sich als Teil des Feuer einfeßte, bei dem der Arbeiter Hans Volkes fühlte und Unrecht in Recht durch den Friedrich durch einen Kopfschuß ge= tötet wurde. Angeblich soll auch ein- Geist der Demokratie zu verwandeln bemüht Mann verlegt sein. war. Damals wußten die Stützen der Gesellschaft dem organisierten Proletariat Dank doAuf dem Rathause und in den übrigen für, daß es den Verjuch nicht unternahm, auf öffentlichen Gebäuden weht die Hakenkreuzfahne, dem Schlachtfeld der Wirtschaft, das der Krieg ebenso auf der Jugendherberge, einem weithin Neben vielen Arbeitern, die meist der SPD sichtbaren Bau. Freitag vormittag wurde der hinterlassen, eine rote Diktatur aufzurichten, angehören, und die führende Funktionen hatten, Mördersturm durch andere Truppen abgelöst. Der die den Sieger ins Land gerufen hätte. Dawurde der Konjumlagerbalter 3immer ver- Amtsrichter Dr. Dennede von Johann- Ge- mals also begannen sie im Arbeiter den Menhaftet, ferner der Fabrikant Lewinsohn, ein orgenstadt wurde zum Oberbürgermeister von Aue schen zu sehen, der ihnen, leider, den Besitz Der Kreishauptmann in Schwarzen nicht wegnahm und den größten Teil der Pressefreiheit im Dritten Reich Bruder des Karlsbaber Bankiers. Dieser hatte ernannt. fich geweigert, einen Beitrag für Winterhilfe zu berg , Dr. Schwarz, der der SPD nahestand, Privilegien beließ. Nun haben sie sich noch Dem„ Tag" zur Lehre. hiddeichnen, weil er der Annahme war, daß die wurde seines Amtes enthoben. Ueber einmal zum letzten Gegenschlag gegen den halDie Thüringer Regierung hat feit Spenden den Nazis zufallen. Der Volksschullehrer all bilden sich Gruppen, die diese Organisationen ben Revolutionär von 1918 zusammengetan; Sem Wahltag alle sozialdemokratischen Behrmann wurde von jungen Burschen, die besprechen. Die Menschen sind verschüchtert und nun haben sie aus dem Sumpf, aus Ungeist Blätter verboten. Am Tag vor der Wahl vor drei Jahren noch seine Schüler waren, aus Fremden gegenüber außerordentlich mißtrauisch. und Unwirtschaft, aus Arbeitslosigkeit, Glend wurden diese Blätter gezwungen, Hitlers Rede der Schule herausgeholt und dem neuen Gewalt Aber auch Bekannten gegenüber sind sie schweig- und Berlotterung eine Armee von Landsknech garden Marxismus im Wortlaut wiederzu- baber übergeben. Auch die Ortskrankenkassa wurde fam, weil sie fürchten, denunziert zu werden, ten zustandegebracht, die Land und Bolk noch Hakenkreuzipizel treiben sich in den ganzen Orten, geben. Der Geschäftsführer der in Altenburg er besetzt. fcheinenden ftthüringer Volkszeitung" wurde jetzt verhaftet und dem Schnellrichter zugeführt, weil das Blatt ohne die Wahlrede erschie
jozialdemokratischen Genossen im Auslande in den sozial. demokratischen Reitungen so hundsgemein über das Deutschland Adolf Hitlers schreiben, fo= lange erscheint in Deutschland eine fozialdemokratische Zeitung.
nen war.
"
SA - Trupps, meist junge Leute, die mit Gummifnüppeln und schweren Armeerevolvern ausgerüstet waren, umstellten die Wohnungen und Fabriken und holten die Verfemten heraus. Mit einem Personenwagen, den der Fabrikant Heinz bereitwillig zur Verfügung gestellt hatte, wurden die Verhafteten dem Amtsgericht eingeliefert.
Die Kommunisten waren beim Eintreffen vor allem in Breitenbach herum, um festzustellen, mals in die alten Ketten schmieden sollen. der SA - Banden geflohen, teils auf böhmisches| wo sich die Flüchtigen aufhalten und was fie Aus ihrem Gelde bezahlen sie die hunderttau Gebiet, teils in die Waldungen der Umgebung. sprechen. Ueber der ganzen Stadt liegt voll- sende Kujone Hitlers und sehen nun eben halb Der Kommunist Braun, der auf der Straße tommene Ungewißheit über die Zukunft.. zufrieden, halb neugierig lächelnd zu, wie der