«r. 83 Mittwoch, 18. März 1883 Seite 8 -cs 4>tn^e j y ar ift/öafe sie auf Grund ihrer besseren Rasse s l ! und wir werde» nie damit rechnen können, die Arbeiter in erheblichem Maße zu gewinnen. Wir j wollen eine Auswahl der neuen Herrenschicht, > die nicht wie Sie von irgendeiner Mitleids- j moral getrieben wird, sondern di« sich darüber das Recht hat, zu herrschen und die diese Herr­schaft über di« breite Masse rücksichtslos auf­rechterhält und sichert." (Adolf Hitler zu Dr. Otto Straßer , 21. Mai 1930: NachMinistersessel oder Revolution") Ein Gewinnen des bürgerlichen W a hlstimmviehs aber darf niemals das Der Prozeß Bindernagel. . Zeugen sagen gegen Hintze ans. Berlin , 14. März. Am zweiten Tage Prozesses gegen den Bankier Wilhelm wurde die Beweisaufnahme mit der Zeugenver­nehmung unter unvermindert starkem Andrang des Publikums fortgesetzt. Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Bahn, beantragte zuL nächst die Ladung weiterer 18 Zeugen, durch die bewiesen werden soll, daß Hintze in glück- l ich er Ehe mit Gertrud Bindernagel gelebt habe, und daß durch ihn Frau Binder-! nagel berühmt wurde, sowie daß er ferner zuweilen an geistigen Störungen gelitten habe. Als erste Zeugin wird die Gardero­biere Nietgen vernommen, die aussagt, daß Frau Bindernagel sie am Vortage der Tat ge­beten habe, ihren Mann nicht einzulassen: Sie habe ihr auch gesagt, sie wolle sich scheiden lassen, denn dürch ihren Mann habe sie s o viele Schulde«, daß sie vor einem Nichts stände. Als nächste Zeugin wird dann die Schwester der Kammersängerin, Therese Binder­nagel, vernommen. Die Zeugin schilderte die e r st e Ehe der Frau Bindernagels als sehr l u ck l i ch, bis Hintze in das Leben ihrer Schwe­rer getreten sei. Auf sie, die Zeugin, habe Hintze gleich bei der ersten Begegnung einen ganz abstoßenden Eindruck gemacht. Ob es sich um eine Liebesehe bei Gertrud gehandelt habe, konnte die Zeugin nicht sagen, da ihre Schwester sehr zurückhaltend war. Dagegen hielt sie es für ausgeschloffen, daß Hintze ihre Schwester auf­richtig gesiebt habe, denn sonst hätte er sich nicht so viel um andere Frauen bemühen können. Sie schilderte die verschiedenen Differenzen, die es zwischen ihr und ihrer Mutter und dem Ange­klagten in den früheren Jahren schon gegeben hatte. Bei dieser Vernehmung kam es zu einem Zusammenstoß zwischen dem Verteidi­ger Rechtsanwalt Bahn und dem Vor­sitzenden. Ungedanken zur Zeit von Adolf Hitler . Die Majorität wird in jeder Form un­unter allen Voraussetzungen di« Repräsen­tantin der Dummheit und der Feig­heit sein."(Mein Kampf ", Seite 577.) * Die Repräsentanten der Mehrheit Haffen nicht­inständiger als den überlegene« Kopf."(Seite 88.) * Man. wird hoffentlich nicht meinen, daß aus den'Stimmzetteln einer alles eher als gei st reichen"Wählerschaft die Staats­männer gleich zu Hunderten herauswachsen." (Seite 96.) -» Tas gesprochen« Wort ist wirksamer als das geschriebene... weil die Masse a»sich faul ist."(Das heißt, zu faul zum Lesen und zum Nachdenken.)(Seite 525.) '* Die Erkenntnis einer Ide« in ihrer pas­siven Form entspricht der Majorität der Menschheit, die träge und feige ist." (Seite 652.) Die Majorität ist nicht nur immer«in« Ver­treterin der Dummheit, sondern auch der Feigheit." (Seite 89.) * Seherr Sie, di« große Mass« der Arbeiter will nichts anderes als Brot und Spiele, die hat kein Verständnis für irgendwelche Ideale, Ziel dieser Bewegung sein. Sie würde sich in einem solchen Fall« mit einer Masse belasten, die ihrer ganzen Wesensart nach die Werbekraft den breiten Schichten gegenüber znm Erlahmen brächte." (Mein Kampf ", Ausgabe 1930, S. 375.) Wer in jener Zeit die marxistischen Gewerkschaften wirklich zertrümmert hatte, um an Stelle dieser Institution des vernichtenden Klassenkampfes der' nationalsozialistischen Ge­werkschaftsidee zum Sieg« zu verhelfen, der gehört mit zu den ganz großen Män­nern unseres Volkes, und seine Büste hätte dereinst in der Walhalla zu Regensburg der Nachwelt gewidmet werden müssen." (Mein Kampf", 2. Band, 1927, S. 257.) Gleich einer drohenden Gewitterwolke hing schon damals di«freie Gewerkschaft" über dem politischen Horizont und üb«r dem Da­sein des einzelnen. Sie war eine der fürchter­lichsten Terrorinstrumente, gegen die Sicherheit und Unabhängigkeit der nationalen Wirtschaft,! die Festigkeit des Staates und di« Freiheit der Person." (Mein Kampf ", Ansg. 1930, S. 53.) Was hat man gegen Italien ? Südtirol ? Damit beginnen sofort all« Spießer lebendig zu werden." (Hitler in einer Rede am 23. März 1927.) jawohl Südtirol . Wem von unseren Spieß­bürgern brennt dabei nicht di« Flamme der hellen Empörung aus dem geistreichen Gesicht!" (Mein Kampf", 2. Bd., München 1927, S. 283.) Es geschieht nichts in der Bewegung, diese tröstliche Zuversicht kann ich den Herr­schaften geben, ohne daß ich es weiß und ohne daß ich es billige. Ja, noch mehr,«S geschieht nichts, ohne daß ich es wünsche..." (Adolf Hitler in einer Rede anläßlich des 11. Jahrestages der NSDAP. , München , zit'ert nachVölkischer Beobachter", Nr. 57, Jahrg. 1931.) Vdlkswirtechaft und Sozialpolitik Probleme der Genoffeuschastsbewequng in der Krise. Einbringung der noch außenstehenden Geschäfts­anteile. Erhöhte Liquidität der Finanzen. In derKonsumgenossenschaft" lesen wir^ Der Kreisverbandstag Westböhmcns beschloß mit Stimmeneinhelligbeit einen Antrag der genossenschaftlichen Frauenkonferenz, di« Einbrin- gung der noch außenstehenden Geschäftsanteile zu organisieren. Es wär« Wünschenswert, wenn auch auf den übrigen Kreisverbandstagen das Problem der Organisierung der noch ausstehen­den Geschäftsanteil« unter den vielen anderen Dingen, die zur Beratung stehen, ebenfalls beraten würde. Wir muffen, durch di« Umstände der Zeit gedrängt, unS wieder der alten, bewährten Me­thoden erinnern. Wie war es denn, als unsere Konsurngenoffenschaften gegründet wurden? Wie war es denn, wenn in der Vorkriegszeit«in« Berteilungsstelle neu errichtet wurde? Di« Haupt­aufgabe. der sich di« Vertrauensleute unserer Bewegung unterziehen mußten, war, zugleich mit der Werbung von Mitgliedern auch die finan­ziellen Grundlagen durch eine systematische, regelmäßig« Einkassierung der Ge­schäft s a n t e i l e s i ch« r z n st«l le n. Jedem Genossenschafter aus der Vorkriegszeit sind noch die mit beispielgebender Beharrlichkeit und Arbeitsfreude durchgeführten Einkassierungen in Erinnerung. Ein« zweit« notwendige Maßnahme, di« uns di« verschärften Krisenumstände auferlegen, ist, für eine erhöhte Liquidität der Fi­nanzen Sorge zu tragen. Die Konsum- und Spargenoffenschaften haben seit jeher einen be­deutet höheren Teil ihrer anvertrauten Gelder flüssig gehalten als das vielfach bei privatkapitali­stischen Unternehmungen der Fall ist. Diese M- sunde Grundlage bildet auch die Veranlaflung dafür, daß die. proletarische» Verbraucher ihre Ersparnisse'bei ihren Genossenschaften anlegen, heut« kommt es nun darauf an, in der Ver­folgung einer gesunden Anlage der anvertrauten Mittel fortzufahren, bzw. eine Verstärkung der liquiden Mittel anzustreben. Unsere Konsum- und Spargenoffenschaften haben in ihrer Gesamt­heit stets ihren Stolz darein gesetzt, bester fundiert zu fein als so manches privatkapitalistische Unter­nehmen, das zwar nach außen mit hohen Zinsen­leistungen brilliert, besten inneres Gefüge jedoch morsch ist. Unsere Genossenschaften haben hin­sichtlich der Zinsenpolitik immer Wert darauf gelegt, nicht durch Scheinleistungen glänzen zu wollen, sondern vielmehr eine vorsichtige Bewirt­schaftung der anvertrauten Mittel zu gewähr­leisten. Die Praxis wird crtveisen, wer di« Jntereffen der proletarischen Sparer beffer ge­wahrt hat: die Privaten Institut«, di« vielfach mit einem überhöhten Zinsfuß Über ihr« wirk­liche Lage hinwegtäuschen wollen, oder unser« Konsum- und Spargenoffenschaften, deren ZinS- Politik sich immer in vernünftigen Grenzen gehalten hat. Der«etvstmörver. Bon Balenti« Katajeff. Es war in jeder Hinsicht eine Gemeinheit von dem Bürger. Doch wie dem auch sei, er hatte nun einmal den Entschluß gefaßt, um so mehr, als der Selbstmord nicht durch das Strafgesetz­buch beanstandet wurde. Kurz und gut, ein ge­wisser Bürger hatte, enttäuscht von den Sowjet­zuständen beschlossen, feinem Leben ein Ende zu machen. In aller Eile ließ er sich einen UrldubS- zuschuß und eine Entschädigung für einen unge­nützten Urlaub auszahlen, setzt« s«inen letzten Willen für das Lokalkommissariat auf, erstand im Konsum«inen hübschen großen Mauerhaken, ein Stück Toilettenseif«, drei Meter Leine, ging heim, stellte einen Stuhl an die Wand und kletterte hinauf. Krach!... Zum Teufel(.Netter StnlKsitz, der nicht ein­mal das Gewicht eines in-tellrtzenten jungen Selbstmörders aushält! Und das nennt sich Qualitätsware!" Doch unser Bürger war nicht gewillt, sich so leichthin dem Schicksal zu ergeben, das in seinen Augen nichts andres darstellte als eine Theorie der Möglichkeiten. Mit einiger Mühe erklomm er das Fensterbrett, stemmt« den Nagel gegen die Wand und hämmerte mit dem Briefbeschwerer auf den Ragelkops loS. Krra-ch! Ein'Skandal mit dem Nagel! Einfach zer­splittert! Auch Qualitätsware! Na, ich dcm^! So wird einem anständigen Menschen jede Möglich­keit genommen, sich anfzuhängcn. Es bleibt nichts andres übrig, als den Strick am Haken der .Hängelampe zu befestigen. Der stammt noch vom alten Regime; der laßt einen nicht im Stich." Der Bürger befestigt den Strick am Lampen­haken, zog eine woylgeformke Schlinge und be­gann, sie einzuseifen.Die Seife hier stt auch was Rechtes. Einmal seift sie schlecht und dann riecht sie nach Maiglöckchen und bitt« um Entschuldigung nach Bockgestank. Es ist ein­fach widerlich, sich mit sowas zu erhängen." Aber der Bürger schluckte seinen Wiederwillen hin­unter, steckte den Kopf in di« Schlinge und sprarck ins Bodenlose. K r r a ch! ,Q, dreimal verflucht! Geriffen! Der ver­wünschte Strick! Wozu sich das Überhaupt Strick nennt. Im«ntscherdenben Augenblick...., da kann man wohl sehen, was das für eine Ware ist! Zum Teufä noch einmal, ich muß was Leich- teres ersinnen. Ha! Ein Tischmeffer! Werd' ich zu Boden sinken wie es beim Dichter heißt, vom Todespfeil getroffen, oder fliegt diesmal er vorbei?" K r r a ch! Wahrhaftig, der Pfeil flog vorbei.. Der Griff nach einer Seite, die Schneide nach der entgegengesetzten. Der Bürger brach in wildes Lachen aus.Da habt Ihrs, hahaha, di« Qualitätsware. Soll mau also sich etwa nicht das Leben nehmen! Sterben heißt eben sterben. Das Messer mag zum Kuckuck gehen, dieses Ueberbieibsel einer mittelalterlichen Romantik! Erfahren« Selbstmörder empfehlen Schwefclhölzer als ausgezeichnetes Mittel zum Selbstmord. Man braucht nur an die 60 Schtve- fefföpfchen im Mörser zu zerstoßen, und es ist erreicht! Fein ersonnen! Daß ich erst setzt dar­auf komme!' Bei dieser Aussicht wurde der Bürger ganz munter. Er öffnete eine frisch« Schachtel Schwefelhölzer und begann wohlgemut die Schwefelköpfe abznbrechen. Eins, zwei, drei, zehn, zwanzig... hm... das Schächtelchen enthält ja nur 28 Stück, während ganze sechzig nötig sind. Dumpfes Weinen erschütterte den Bürger.O, Ihr lieben Bürger! Brüderchen! Was soll das nun wieder heißen! Und der Qualität foHfcn das geht noch, ober ist es auszudenken, daß«in redlicher Bürger so diel leiden muß wegen der Quantität! Hol' der Teufel die Schwefelhölzer! Ich renne eben gehörig mir dem Kopf gegen die Wand an, und fertig rst di« Laube." Der Bürger kniff dir Augen«in, nahm einen Anlauf und... K r r a ch! Die poröse Wand der neu errichteten Wohnlaube barst krachend auseinander, und der Bürger flog im Bogen auf die Straße hinaus. ,-So was, na, ich danke! Es lebe die Qualität, di« gleich Quantität ist! Hurrah! Hahaha!" Doch unser Bürger wurde nicht wahnsinnig, wurde auch nicht imS Krankenhaus gesteckt.. * Der Bürger stand, da, betrachtete die Flasch« und sagt« mit einem Seufzer der Erleichterung: Endlich habe ich das Richtige gefunden. Essig- estcnz ist ein untrügliches Mittel. Ich bitte, nie­mandem die Schuld an meinem Tode bcizumeffen ... Gierig setzte er den Mund an die Flasche und s^ürfle.den Trank hjS zur Neige.Hm, wirklich ein angenehmes TrankcheN; schmeckt wie Rebensaft, nur milder! Ob ich noch eine Flasche leere?" Und er leerte«in zweites Fläschchen und ließ seine Finger in der Suft spielen.Dazu zwei Würstchen iväre allerhand! Und gar Kaviar... Und da trug ich Narr mich mit Selbstmordab­sichten! Wo das Leben doch so schön fft! Dies ist wirklich Qualitätsware! Marja, mein Täub­chen, hol' mir zwei Spitzgläschen Essigessenz und ein Paar Würstchen dazu! Ich spüre einen ver­teufelten Appetit... Na ja, nach solchem Imbiß läßt sich's schon von den Herrlichkeiten des Lebens phantasieren ... Doch Pfui, was rumort da so sonderbar in meinem Magen... ach, mir wird ganz dunkel vor den Augen. Di« Wurst ist«S, die Wurst! Jetzt, Genossen, gehe ich wirklich an der Quali­tätsware zugrunde...., und das Leben ist doch so Herr..." Mitten im Worte kippt der Bürger um, siel auf den Rücken und starb. Was ja auch ursprünglich seine Absicht ge­wesen war! Solidarität. Flucht aus Deutschland . Kriminalpolizei !" Rohe Fäuste hämmern an der Tür. Zwei schwere Körper wuchten gegen die Füllung. Ge­stern brannte der Reichstag . Fünf Stunden spä­ter setzen Verhaftungen ein Alles, was links steht, alles, was freiheitlich denkt, wird verfolgt. Ins Zimmer stürzen zwei Zivilbeamte und vier Uniformierte, die entsicherten Revolver in den Hättden: Wo ist der rote Hund?" Ein schlafender Untermieter wird an den Füßen aus dem Bett gezogen. Er kann sich aits- weiien. Den sie suchen, finden sie nicht. Die Betten werden herausaerissen, der Wäscheschrank geleert, die Kleidungsstücke auf den Boden ge­worfen. auf dem die Füße der Eindringlinge schmutzige Schneespuren hinterlassen haben. Je­der Privatbricf wird durchstöbert, jede Mappe mit Schriftstücken geprüft, jeder Zeitungsaus­schnitt als staalsgefahrlich konfisziert. Ein Ma­nuskript, die Arbeit von Monaten, wird beichlag- nahmt. Ich kann mich noch herausreden, brauche den Weg zum Polizeipräsidium nicht anzutreten. Aber ich weiß, daß sie wobrmachen werden, was sie mir zum Abschied in die Ohren schreien:Wir kommen wieder!" Am. Abend wohne ich bei Genossen. Am Morgen hört man, daß SA.-Hilfspolzzei erneut eingedrungen ist, jedes Behältnis gewaltsam ge­öffnet hat. alles Geschirr zerschlug, die Betten beschmutzte. Bilder von den Wänden hernnter- r«ß. die ihnen unverständlichen Bucher vernich- tcre. Träaer emer nmen..teutichen Kultur", He­roen im Kampf gegen denKulturbolsche­ wismus ". Noch Tage hält man sich in der Riesenstadt| Berlin , ördnet manches, das wenige Stunden I später sinnlos wird. Und während der Fascis -! mus sich zum SiegeSfest am Tage vor der Wahl rüstet, verlasse ich auf Umwegen die Stadt. Die Bahnhöfe sind besetzt. Nur in Etappen kommt man vorwärts. Bis zur Grenze. Dort hat man die Adreffe eines Genoffen bekommen. Es stellt sich heraus, daß es ein Kommunist ist, aber es ist ein Ar­beiter, ein Klaffengcnosfe. Er ist nicht im Hause. Seine Frau schickt weiter zu einem Reichsbanner­kameraden.Einheitsfront?" Jawohl! Man fragt nicht nach dem Parteibuch, man fragt nach der Notwendigkeit. Alles ist selbstverständlich, alles geschieht aus der gemeinsamen Zugehörig­keit zur selben Weltanschauung, die heute im Dritten Reich ein Verbrechen ist. Bei einbrechender Dunkelheit ziehen wir los: der Führer, ein zweiter Flüchtling und ich. Ein> Ortskundiger geht bis zum Kamm des Gebirges I voraus. Kniehoch liegt der Tauschnee auf dem Ab­hang. Langsam kommen wir mit unseren Halb­schuhen vorwärts. Die Lungen keuchen, der Schweiß perlt die Haut hinunter, in den Schuhen schmilzt der Schnee. Nebclschwaden hängen in den Bäumen. Am I Himmel steht der Mond wie eine große gelbe Fratze. Der Führer sichert. Längst haben wir den vierten Mann hinter uns gelassen. Fünfzig Me­ter vor uns blitzt ein Streichholz, auf. Wir kön-- nen weiter. Dann dasselbe Spiel: wieder geht der Führer vor, wieder kommt das Zeichen. Bis wir an die Straße kommen, die wir schneiden müffen. Bor uns kreuzen Fußstapfen den Weg: die Spuren anderer Flüchtling«. Wir schaufeln mit den Händen Schnee auf unsere Spur, laufen über die Straße und springen über den vom Schneepflug aufgekämmten Rand. Dies­mal bleibt der Führer zurück, nm die Zeichen unserer Flucht zu verwischen. Dann liegen wir hundert Meter vor dem Grenzweg. Boni Abhang schauen wir ins Tal. Bis zu den Knöcheln stehen wir im Schlamm, gegen Sicht von unten gedeckt. Der Grenzweg in der Sohle des Tales zeichnet sich weiß ad. Dort haben die warmen Sonnenstrahlen der letzten zwei Tage noch nicht den Schnee verdrängen können^ Vor uns liegt die Freiheit: hundert Me­ter noch und ein Sprung über den Grenzbach. Hinter uns steht das Konzentrationslager, die Schutzhaft, das Zuchthaus. Die hundertiährigen Baumstämme werden zu Fenstergittern, das leise Rauschen des Baches ipiegelt die Monotonie kal­ter Gefängnismauern vor das Auge. Eine Viertelstunde stehen wir. Oder ist es eine Stunde? Die Minuten werden zur Ewig­keit. Aber es ist doch alles ruhig? Nur das lesie Plätschern der Tauwäffer stört die Einsamkeit. Da bricht ein Wild durch die Zweige. Ganz fern ist es. aber der Nachtwind trägt uns den Schall zu. Die Füße werden in dem eiskalten Schneewasser starr und verlieren jedes Gefühl. Langsam steigt die Kälte nach oben. Wir stehen hinter einem mächtigen Stamm, bis wir Tritte hören. Bier Schatten ziehen über den Grenzweg: zwei Grenzbeamte und zwei Hilfspolizisten müssen es sein. Unendlich lang­sinn schleichen sie uns vorwärts. Wir wagen kaum zu atmen. Dre Hand krampft sich um den Ast, der uns als Bergstock dient. In hastender Kette ziehen Bilder durch das Hirn, sinnlos und' doch überscharf gezeichnet. Wie lange haben wir am Baum gestanden? Die Leuchtuhr zeigt um 20 Minuten mehr an. Uns schienen es Stunden zu sein. Jetzt muß es gewagt werden. Die Patrouille ist durch. Bis die nächste kommt, müffen wir das letzte Stück des Weges hinter uns haben. Langsam geht es den Hang hinunter. In den Schuhen quatscht das Wasser. Die klammen Hände stützen sich auf den Ast. Der waffergesättigte Boden macht das Gehen schwer. Dann stehen wir hinter dem Unterholz, das den Grenzweg vom Hochwald trennt. Der Führer sichert, lauscht noch einmal in die Nacht hinaus. Noch wenige Meter. Hastig I überqueren wir den schmalen Steig, springen über den Bach und keuchen den jenseitigen Ab­hang hinauf. Tschechisches Gebiet! In einem Dorfgasthaus, wenige Kilometer hinter der Grenze, machen wir Halt. Der warme Kaffee rinnt wie Feuer durch den Leib. Die Nervenanspannung der letzten Tage und Stun­den löst sich zur physischen Erschöpfung. Wie Tote fallen wir in die Betten. In den ersten Morgensttrnden brechen mir auf. Unser Führer geht den Weg zurück. Ein Händedruck, ein Frciheitsruf. Wir gehen nach der anderen Seite. Durch-die Dunkelheit bahnen wir uns den Weg. Bor uns die kleinen Lichter der laternentragenden Butterfrauen, die uns mitnehmen zum nächsten Städtchen. Dort er­warten uns Genoffen, die uns Frühstück geben, wo wir uns rasieren und waschen können, wo wir unsere Kleider vom gröbsten Schmutz rei­nigen. Ein kommunistischer Genoffe bringt uns zur Bahnstation. Unser Gruß wird mitVor­wärts" erwidert. Im Kampfe gegen den Fascis- mns siegt die Solidarität der Ausgebeuteten, die Solidarität der Klaffe. h. w.