Einzelpreis 70 Heller. Einschließlich 5 Heller Porto)
Bialdemokrat
Zentralorgan d. Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei i.d.Tschechoslowakischen Republik.
13. Jahrgang.
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Auf der Tagung des Pommerschen Landbundes hielt Goering eine Rede, welche er mit den üblichen Schimpforgien auf die Sozialdemokraten begann. Als er aber zu sagen hatte, was die Bauern in Wirklichkeit von der Hitlerregierung zu erwarten haben, wurde er kleinlaut. Alles, was er da zu sagen wußte, war folgendes:
Ich weiß, wie sehr immer darüber geklagt worden ist, man müßte Kontingente haben, das Ausland dürfe nicht dieses oder jenes einführen. Man müßte die ein hei= mische Produktion schüßen und ähnliche Forderungen mehr. Gewiß, Volksgenossen, eine verantwortungsbewußte Regierung wird unter allen Umständen durch gefeßliche Maßnahmen auf diesem Gebiete tun, was sie tun kann. Aber das, was eine Regierung tut, das, was ein Staat tut, durch soziale Verordnungen, wird immer, und sei es die beste Regierung, nur ein ganz geringer Teil sein können von dem, was not tut. Die gewaltige Rettungsaktion muß aus dem Volfe selber fommen, aus dem Volle geboren werden.
Gut deutsch heißt das: Jetzt habt ihr uns die Macht gegeben, jetzt seht zu, wie ihr euch selbst helfen fönnt! So haben sich die Bauern das Dritte Reich gewiß nicht vorgestellt!
18.000 schwerbewaffnete SA in Franken !
Nürnberg , 17. März. Die planmäßige Bewaffnung der fränkischen SA mit Gewehren und Maschinengewehren( Bestände, die zum Teil aus den Zeiten der sogenannten„ Einwohner wehr" stammen, zum Teil neueren und neuesten Datums find) ist nunmehr durchgeführt; insgesamt sind bisher rund 18.000 Mann ansgerüstet worden. Die militärische Ausbildung dieser Leute im Schießdienst und Geländedienst ist in vollem Gange; in Bayreuth und Koburg ist je cin Ausbildungslager errichtet worden. Als Instrulleure dienen in der Hauptsache frühere Offiziere der wilhelminischen Armee. Die Art dieser Ausbildung fäßt erkennen, daß die Hitlerlente nicht nur zum Kampf gegen den ,, inneren" Feind bewaffnet wurden und gedrillt werden. Auf dem Flugplak Fürth ( bei Nürnberg ) werden auf Veranlassung des Reichsfommissärs für Bayern , General von Epp, eine Anzahl S- Leute im Flugdienst ausgebildet; diese Ausbildung dient, wie behauptet wird, den Zwecken der Polizei(?).
Ein zweites Attentat auf den Pfarrer Ulitzka.
Breslau , 17. März. Auf den katholischen Pfarrer Ulikka( früheren Reichstagsabgeordneten) wurde ein zweites Attentat versucht; Üligfa blieb
Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh.
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Gamstag, 18. März 1933
Der ,, Sozialdemokrat" in Deutschland verboten.
Die Redaktion erhielt die Verständigung, daß der Sozialdemokrat" auf Verordnung des Reichspräsidenten in Deutschland bis zum 6. September, das heißt also für die Dauer von sechs Monaten, verboten wurde.
Das Verbot ist für unser Blatt eine Ehre. Eine Ueberraschung bedeutet es nicht, denn nach der Unterdrückung der reichsdeutschen sozialdemokratischen Presse war es zu erwarten, daß die Regierung der Hakenkreuzmörder versuchen wird, auch uns daran zu hindern, die Wahrheit über Deutschland zu verbreiten.
Das Verbot wird ohne Wirkung bleiben. Der ,, Sozialdemokrat" wird nach Deutschland kommen und er wird in Deutschland gelesen werden!
wegen den Einbruches von Hakenkreuzlern auf tschechoslowakisches Gebiet.
Prag , 17. März. Wie wir erfahren, hat die Tschechoslowakei den gestrigen Grenzzwischenfall bei Katharinaberg, wo bewaffnete Hakenkreuzler auf tschechoslowakisches Gebiet vordrangen und unseren Genossen Albin Schmider durch zwei Revolverschüsse lebensgefährlich verlegten, zum Gegenstand eines diplomatischen Einschreitens bei der deutschen Regierung gemacht.
Der Geschäftsträger unserer Gesandtschaft in Berlin hat heute bereits Schritte im Außenministerium in der Wilhelmstraße unternommen.
Der tschechoslowakische Gesandte in Berlin Dr. Ma st n y, der dieser Tage in Prag weilte, hat heute die Rückreise nach Berlin angetreten und bereits für morgen beim deut schen Außenminister von Neurath um eine Unterredung angesucht, in der er offiziell einen Protest der tschechoslowakischen Regierung wegen dieses Zwischenfalls überreichen wird.
Auf Einschreiten der sozialdemokratischen Parteien erschien heute Innenminister Černy in einer Sigung von Vertretern der foalierten Senatsparteien und erstattete dort einen Bericht über die leßten Grenzzwischenfälle sowie über die Maßnahmen, die getroffen wurden, um derartigen Zwischenfällen fünftig vorzubengen.
Interpellation unserer Senatsfraktion.
Die Genossen Dr. Heller, Palme und Nießner haben heute im Senat eine auch von den tschechischen Genossen unterfertigte Interpellation an die Regierung
,, betreffend den Einfall bewaffneter Hafenfreuzlerbanden aus Sachsen in Nordböhmen und den Mordversuch an Arbeitern" gerichtet, in der zunächst der Tatbestand folgend geschildert wird:
Mittwoch, den 15. März 1933, abends, überschritt eine Bande reichsdeutscher SA - Leute bei Katharinaberg die Grenze und unternahm einen Sechs Streifzug auf tschechoslowakisches Gebiet. bewaffnete Männer kamen zu dem Gasthof Adier in Katharinaberg mit der Absicht, die dort untergebrachten politischen Flüchtlinge aus Sachsen zu überfallen und über die Grenze zu schaffen. Als nach 10 1hr abends zwei Arbeiter aus Katharinaberg, der 22jährige Albin Schmider und der 19jährige F. Vogel am Gasthaus Adler vorüberfamen, wurden sie von den A- Leuten angehalten und mit vorgehaltenen Revolvern aufgefordert, die Hände zu heben. Als Schmider sich durch die Drohung nicht abschrecken ließ, wurde er durch
zwei Schüsse, von welchem einer die Zunge trat, schwer verletzt. Nach der Tat flüchteten oie
Banditen.
Nr. 66.
Die ,, verbotene Versammlung" eines Parlaments.
Das österreichische Abgeordnetenhaus war von seinem Präsidenten, dem Großdeutschen Dr. Straffner, für den 15. März, 3 Uhr nachmittags, zu einer Sitzung einberufen worden. Jedoch schon um halb zwei Uhr zogen eiwa 200 Kriminalbeamte ins Parlamentsgebäude ein, um im Auftrage der Regierung Dollfus die Tagung durch Besetzung des Verhand lungssaales zu verhindern. Kaum war dies bekannt geworden, strömten schon die opposi tionellen Abgeordneten, Sozialdemokraten und Großdeutsche, aus ihren Klubräumen in den Verhandlungssaal und als die Kriminalbeamten an der Tüve erschienen, um den Eintritt unmöglich zu machen, da blieb ihnen faum mehr etwas zu tun übrig. Nur mehr sechs Abgeordnete fehlten. Sie fonnten allerdings den Saal nicht mehr betreten. Aber die Sitzung war dennoch beschlußfähig. Sie wurde vom Präsidenten nach einer furzen Rede wieder geschlossen. Der Zweck der Tagung war erreicht, denn der Präsident hatte damit vor aller Deffentlichkeit demonstriert, daß das Parlament organisatorisch nicht lahmgelegt sei, sondern auch jetzt noch einen Präsidenten an der Spitze habe. Durch die Tagung war aber überdies zum Ausdruck gebracht worden, daß die Handlungen der Regierung nadien Verfassungsbruch bedeuteten, soweit sie die Auffassung zur Voraussetzung haben, das Parlament jei durch die Präsidentenfrise rechtlich handlungsunfähig geworden.
Jedoch der Regierung des ChristlichsoziaDie Interpellanten stellen weiter fest: len Dollfuß fommen auch weiterhin keine Der Mordversuch war planmäßig borbe. juridischen Bedenken. Für sie gilt die Auffas= reitet, denn die bewaffnete Truppe wurde bis sung nicht, hinter der heute zwei Drittel der zur Grenze auf Lastautos der SA gebracht und österreichischen Bevölkerung stehen. Für sie ist an der Grenze von einem größeren SA- Auf die Tagung vom 15. März keine gesetzmäßige gebot erwartet. Alle Umstände deuten darauf
hin, daß derartige organisierte Mordüberfälle Funktion des Parlaments, sondern, wie sie auf tschechoslowakischem Gebiet von reichs- anttlich verächtlich zu erklären wagt, nichts deutschen Hakenkreuzlern auch in Zukunft weiter als eine„, verbotene Versammlung". unternommen werden könnten, wenn nicht Aber es ist ein Verbot, vor dem die verbiesofort schärfste Gegenmaßnahmen getroffen tende Regierung mehr Angst zu haben scheint werden sollten. als die Verbotenen". Denn, um sich vor unDie Unterzeichneten fragen daher die angenehmen Folgen, die das Verbot nach sich Regierung: 1. Sind der Regierung die Vorfälle, sichen könnte, zu schützen, zog die Regierung welche fich am 15. März in Katharinaberg beträchtliche Truppenförper aus der Provin; nach Wien . Ueber die Ringstraße rasten am abgespielt haben, bekannt?
2. Welche Maßnahmen haben die zustän- 15. März Autos, beladen mit feldmäßig ausdigen Behörden getroffen, damit. Ueberfälle gerüsteten Soldaten, Große Massen berittener reichsdeutscher Hakenkreuzbanden auf tschecho- Bolizei waren in der Nähe des Parlaments slowakischem Gebiet in Zukunft unmöglich in Bereitschaft. Ja, selbst die Heimwehr hatte gemacht werden? etwa 2000 Bewaffnete zusammengetrommelt, die sich im ehemaligen Gebäude des Ministe riums des Innern einquartierten. Am 15. März hat Dollfuß bewiesen, daß er an die
Die Terror- Aktionen gehen verschärft weiter!
wie durch ein Wunder underlegt. Bei mbrohung Sieben Tote aus einer Berliner Gewalt der Waffen appellieren will, menn
fofortiger Schußhaft wurde ihm verboten, irgend etwas über den Vorfall in die Oeffentlichkeit zu bringen.
Die Tochter Kurt Eisners verschleppt.
Berlin , 17. März. Die Tochter des im Feber 1919 von dem Grafen Arco ermordeten bayrischen Ministerpräsidenten Eisner, Ruth Eisner, wurde, wie erst jest bekannt wird, am 3. März von bewaffneten SA- Lenten aus ihrer Wohnung in Berlin- Moabit verschleppt. Ueber ihr Schicksal fehlt jeder Anhalt. Ruth Eisner, die fich politisch niemals betätigt hat und die zur Zeit der Ministerpräsidentschaft ihres Vaters noch ein Kind war, ist Studentin der Mediz zin an der Berliner Universität.
General Schönaich verhaftet.
Generalmajor a. D. Freiherr Paul von Schönaich , der durch seine pazifistische Tätigkeit bekannt geworden ist, ist laut einer Meldung der Franks. 3tg.", in der Nacht auf seinem Befigtum in Rheinfeld bei Bad Oldesloe durch ein größeres Aufgebot preußischer Polizei in Schußhaft genommen worden. In der Woh= nung des Festgenommenen wurden größere Briefund Altenbestände beschlagnahmt.
Nazi- Kaserne abtransportiert.
Zerstörung eines katholischen Jugendheims.
Berlin , 17. März. Die Terror- Altionen gegen die Gegner der Hitlerleute gehen planmäßig und unter den Augen der Polizei des Herrn Goering weiter. Die verschiedenen Ausrufe Hitlers und Fricks zur Legalität werden allgemein lediglich als Geste an die Adresse des Auslandes gewertet. In der Nacht zum 16. März wurden aus einer SA- Kaserne in der Friedrichstraße 243 zu Berlin fieben Tote abtransportiert; über die Persönlichkeiten der Ermordeten wird seitens der Polizei jede Auskunft verweigert.
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Im übrigen werden von den Gewalttaten der Hakenkreuzler nicht nur linksgerichtete Personen betroffen; in fast dem gleichen Umfange geht man nunmehr auch gegen Angehörige des Bürgertums und vor allem der katholischen Bewegung vor. So wurde in den Abendstunden des 15. März ein latholisches Jugendheim in der Wilhelmstraße zu Berlin von bewaffneten A- Leuten überfallen und völlig zerstört; ihre besondere Wut ließen die Hakenkrenzler an Madonnenbildern, ruzifigen und sonstigen Gegenständen des fatholischen Kults aus. Während dieser Aktion war das Gebäude in weitem Umkreis durch Hilfspolizei abgeriegelt. Dem Verwalter des Jugendheims wurde untersagt, die Presse zu informieren; da er ablehnte, sich zum Stillschweigen zu verpflichten, wurde er von den A- Leuten für berhaftet erklärt und verschleppt. Sein Schidjal ijt unbestimmt; auch die Polizei gibt an, von nichts zu wiffen.
das Parlament nicht gesonnen ist, auf wesentliche seiner Rechte zu verzichten und den Weg zu gehen, der sehr leicht in ein Schattendasein der Demokratie führen kann. Der 15. März hat bewiesen, daß die Regierung gerne bei dem diktatorischen Kurs, den sie seit dem Umschwung in Deutschland eingeschlagen hat, beharren will. Tiefeinschneidende Verfajjunas änderungen, insbesondere eine umfangreiche Erweiterung der Befugnisse des Bundespräsi denten und die Umwandlung der bisher ziemlich einflußlosen ersten Kammer des Bundesrates in eine Ständevertretung, sollen mächtige Brejchen in das Gefüge der österreichischen Demokratie legen.
Die Sozialdemokratie, der kräftigste and gefährlichste Gegner der Regierung, gibt sich feiner Täuschung über die Gefahren hin. Thr ganzer Organisationsapparat ist in Funftion gesetzt, um die Massen auf schwere Kämpfe vorzubereiten. Sie scheut nicht vor der KonLeute eine systematische Jagd nach politischen fistation ihrer Zeitungen zurück, die jetzt beiGegnern veranstaltet. Hierbei wurden rund 50 nahe täglich erfolgt. Wenn die Abhaltung von Personen verschleppt und drei Personen erschossen. zu großen Volksversammlungen verboten wird, Bei einem der Toten handelt es sich um einen dann wird der Strom der Masse in vierbun Ausländer, dessen Name und Nationalität dert Sektionsversammlungen gelenkt. Die von der Polizei verheimlicht wird. Funktionäre der meisten Gewerkschaften sind