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A.

Einzelpreis 70 Heller. ( Einschließlich 5 Heller Borto

Sozialdemokrat

Jentralorgan d. Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei i.d.Tschechoslowakischen Republik.

13. Jahrgang.

Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh.

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Gonntag, 19. März 1933

Blutiger Zusammenstoß in Eger.

200 Nazi- Ordner überfallen 30 Genossen in einer Wählerversammlung.

Die Nationalsozialisten in Eger Hatten für Freitag abend in das Schützen haus eine Wählerversammlung mit dem Abgeordneten Jung als Redner einbe rufen. Schon vor 6 Uhr abends hatte sich eine große Anzahl sozialdemokratischer Arbeiter und Arbeiterinnen vor dem Schüßenhaus eingefun­den, das jedoch abgesperrt und von national sozialistischen Ordnern besetzt war. Da nur Hakenkreuzler durch die Gaststube und die Küche eingelassen, der Andrang vor den Haupteingängen aber immer größer wurde, begab sich Abgeord neter Genosse Heinrich Müller - Aussig in das Haus, um Einlaß zu verlangen. Er fam bis zum Bierbüfett, wo, noch ehe er ein Wort gesprochen hatte, einige Dußend Naziferle über ihn herfielen. Auf den Lärm hin eilten Vertrauensleute und Jugendliche hinzu, die den Genossen Müller, der froß der Uebermacht nicht weichen wollte, mit Gewalt herausholten.

Die

Um 7 Uhr abends waren bereits nahezu zweitausend Menschen vor dem Schüßen­haus angesammelt. Als um 7 Uhr geöffnet wurde, stand eine Polizeifefte beim Eingang und ließ nur langjam und einzeln Leute ein. nationalsozialistischen Ordner, die in einer Stärfe von ungefähr 200 Mann aus dem ganzen Ge­biete zusammengezogen waren, verübten nun einen hinterhältigen Ueberfall. Als etwa drei Big Genossen und Genoffinnen im Saal waren und sich niedersehen wollten, erscholl plötzlich ein Kommando.

Die Nazibanditen hoben Stühle in die Höhe und schlugen blindlings auf die sozial­demokratischen Versammlungsbesucher ein.

Eine ganze Reihe Genossen und auch Ge noffinnen wurde niedergeschlagen. Die Polizei sperrte sofort den Saaleingang ab, so daß die Masse draußen von den Vorgängen im Saale feine Ahnung hatte. Erft als die blutüberström­ten Genossen aus dem Saale herausgeführt wur den, wurde der feige Ueberfall bekannt. Die Ver­trauensleute hatten zu tun, um die über den hinterhältigen Ueberfall erbitterte Masse nach dem Volkshaus zu dirigieren.

Die überfallenen und schon verletzten Genoj sen wehrten sich so gut fie fonnten. Die Nazi haben wie die witben mit stühlen, Gummi fuüppeln, Schlagringen usw. auf die dreißig Leute ein geschlagen.

Eine greise Genoffin wurde mit ein: m Stuhl zu Boden geschlagen. Der Polizeiinspek­for Wagner, der einem om Boden liegenden Genoffen, auf den die entmenschten Banditen noch immer einschlucen, helfen wollte, wurde von den Nazi ebenfalls verlegt.

Im Voltshausgarten hatten fich nach den Vorfällen etwa dreitausend Men schen versammelt, zu denen die Genossen Abge. ordneter Müller und Stadtrat Miller sprachen. Sie appellierten an die Maffe, die letzten Stun

den vor der Wahl auszuüßen, um den Wöhlern die Wahrheit über den Nationalsozialismus zu fagen.

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Nach einer Meldung des Tsch. P. B. kam es nach Schluß dieser Versammlung noch am selben Abend und während der ganzen Nacht zu zahl­reichen Zusammenstoßen zwischen den politischen Gegnern, in deren Verlaufe meh rere Personen schwerere und leich tere Verlegungen davontrugen. Ein Bau­arbeiter wurde mit zwei Meijersti chen in das Egerer Krankenhaus geschafft.

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reichsdeutsche Nazi kommen herüber und beneh­men sich hier so, als ob sie im Dritten Reiche wären. Am Freitag haben sich wieder vier SA­Leute aus Sachsen auf der Suche nach Flücht lingen in dem einsam im Wald liegenden Restaurant eingefunden. Sie gröhlten dort ihre Hitler- Lieder. Plößlich fielen auf der Straße mehrere Schüsse, die Bevölkerung von Stol­zenhain verständigte sofort die Gendarmerie, die jedo chdienstlich außerhalb des Ortes zu tun hatte, weshalb die tschechoslowakische Grenz= wa che von der Schießerei in Kenntnis gefeßt wurde.

Zwei Grenzwachleute begaben sich sofort

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Nr 67.

zu dem Gasthause, um den Landsknechten die Verschwender" aber der Aufforderung nicht Folge, umringten DP Czech. Dr.

Waffen abzunehmen. Die SA- Leute leisteten

Die Schuldigen kreischen: ,, Haltet den Dieb!"

vielmehr die Grenzwachleute, die in ihrer Be­drängnis von den Waffen keinen Gebrauch machen konnten, und unter dem Kommando ,, Hände hoch" derartig verprügelt wurden, daß einer der Beamten dienstunfähig Dem äußeren Anscheine nach trennen wurde und sich in häusliche Pflege begeben deutsch - und tschechischbürgerliche Parteien tiefe mußte. Dann nahmen die Helden Reizaus. Gegensätze. In einem Bunkte zeigt sich aber Die später hinzugekommene Gendarmerie fonnte nur die Namen der Verbrecher feststel­len; sie heißen: 2ohje, Neubert, Langer und Bruckner.

eine wunderbare Uebereinstimmung zwischen diesen scheinbaren Antipoden. Ist es etwa die Ueberzeugung, daß in dieser Zeit der furcht­Heute ist in Stolzenhain und Böhm.- melschreiendsten baren Wirtschaftskrise den vielen oft im him­Elend dahinvegetierenden Wiesenthal ein großes Gendarmerieaufgebot Opfern dieses Zustandes nach allen zu Gebote eingetroffen. stehenden Kräften geholfen werden muß, um sie vor der Verzweiflung zu schützen? Ist es der Gedanke, der sie eint, daß es einfachste Menschenpflicht bleiben muß, den Vielen, die unfreiwillig ihre Hände feiern lassen müssen und vergeblich an die geschlossenen Tore der Fabriken pochen, sowie ihren Frauen und Kindern die an Unterernährung dahinsiechen, insolange als ihnen die Gesellschaft das Recht auf Arbeit schuldig bleibt, wenigstens das nadt Leben zu ermöglichen?

Die Heimwehr mobilisiert.

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Ende März soll geputscht werden. Sonderzü fe mit Heimwehren nach Wien angemeldet.

Wien , 18. März.( Eigenbericht.) Die Nachrichten über die Vorbereitungen der Heimwehr zu einem Putsch gegen die Republik haben heute die Bestätigung durch eine Anfrage, welche die Sozialdemokraten im Wiener Landtag an den Landeshauptmann richteten, gefunden.

In dieser Anfrage, welche mit genauen An­gaben und zahlreichen Dokumenten über die Putschpläne belegt ist, heißt es: Von Tag zu Tag verstärten sich die Anzeichen, daß die Heimweh ren einen Butsch planen. Von allen Seiten kom men die Meldungen über Heimwehrtrans­porte nach Wien .

Bei den Bundesbahnen liegen bereits Pläne für Maffentransporte von 20.000 Mann vor. Für den 25. und 26. März sind nach Wien nicht weniger als 16 Sonderzüge bestellt. Zehn Sonderzüge sollen 6000 Mann auf den Westbahnhof, sechs Sonderzüge fünftansend Mann auf den Südbahnhof schaffen.

mart abgefahren, heute nachts gehen weitere 170 Güterwagen ab. In den allernächsten Tagen sollen die Heimwehrleute an die zum Ausbruch des Putsches dienlichen Orte ge­bracht werden.

In der Anfrage heißt es weiter:

Wer so naiv von den bürgerlichen Par­teien denken wollte, der fennt das heutige Bürgertum, dessen politische Vertretung diese Parteien bilden, wahrhaftig schlecht. Daß die Staatsfassen zur Sanierung verschiedener durch ihre Luderwirtschaft bankerott geworde­nen Banken herhalten, daß Staatsgelder dazi Die Beunruhigung der Bevölkerung ist um verwendet werden, um gewisse notleidende" so bedenklicher, wenn man weiß, was an den Schichten des Besitzbürgertums zu unterstüßen Grenzen Desterreichs vorgeht. Das ganze Gebiet an der ungarischen Grenze von und daß aus Staatsmitteln gespeiste Fonds der Sorva- Thyarfalch bis Orsovar ist sowohl von Kanal sind, durch den in mißbräuchlicher und irregulären Truppen der ungarischen Levente protektionistischer Weise Gelder in die Taschen wie von regulärem ungarischen Militär besetzt. mancher Gruppen der besitzenden Stände flie­In diesem Teil der ungarischen Grenze liegen zen, das halten sie für eine Selbstverständlich weitausend Mann ungarisches Militär. Starte feit. Nun hat die erschreckend gesteigerte Ar­Gruppen liegen in den Meierhöfen in der Umge- beitslosigkeit es einmal auch notwendig ge­bung. Bei Helyerhalom werfen die Ungarn be- macht, schon deshalb, wie jeder Halbwegs reite regelrechte Schüßengräben auf.

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Wie weit die Vorbereitungen gediehen sind, zeigt ein Dokument, welches den Titel trägt: Beratung Nr. 904, Generaldirektion, 14. III. 1933. An die Direktionen Villach und Wien ." Dieses Dokument ist eine Anweisung der Gene- Die Unruhe der Bevölkerung wegen der Einsichtsvolle zugeben müßte, um die Rnhe raldirektion der Bundesbahnen an die Direktio offen legitimistischen Umtriebe in Ungarn und im Lande zu bewahren den Erwerbsloien nen, in der die Abfahrt und Ankunft der einzel- ihr Uebergreifen auf Desterreich ist ungeheuer. staatliche Hilfsleistung zu gewähren. Doch da nen Züge sowie die Anzahl der Heimwehrleute B.denft man, daß die Heimwehr offen legiti- schreien sie alle, denen der Staat die melkende bereits bis ins Detail festgelegt ist. mistisch ist und daß zwischen führenden Heim- Kuh ist, wütend auf. Und alle, welcher natio­Im Wiener Landtag wurde dieses Dokument im wehrkreisen und ungarischen Legitimisten enge nalen Couleur sie auch sein mögen, begegnen Wortlaut verlesen. Beziehungen bestehen, so ergibt sich, daß Oester sich in einer gemeinsamen Auffassung, die man Schon jetzt werden auf der Bundesbahn reich vor der ungeheuern Gefahr eines legitimi- schon eine Einheitsfront nennen fönnte, in der Maffentransporte durchgeführt. Freitag sind stischen Heimwehrputsches steht und allerschärfste Auffassung, welcher der verflossene deutsche 50 Güterwagen mit Heimwehren aus Steier- Mabnahmen notwendig sind.

Sturmzeichen in ganz Oesterreich .

Kämpfe mit der Heimwehr.- Zusammenstöße mit der Gendarmerie. Wien , 18. März.( Eigenbericht.) Die Unruhe in der Bevölkerung hat heute bereits zu schweren Kämpfen mit der Heimwehr und mit der Staatsexekutive geführt, so in Kapfenberg , Leoben , Korneuburg und in anderen Orten.

Kanzler v. Papen in dem berüchtig gewor­denen Worte Ausdruck gegeben hat: der Staat ist keine Wohlfahrtsanstalt! Wenigstens nicht für die Armen.

Und so prasselt denn aus den unter den verschiedenen nationalen Fahnen einbermar schierenden Lagern des Bürgertums seit eini In der Nacht von Freitag auf Samstag Im Laufe des Abends kam es in Wien au ger Zeit wieder ein wahres Trommelfeuer wurde die Stadt Rapfenberg in Steiermart zahlreichen Stellen zu Zusammenstößen, bei wel gegen den Minister für soziale Fürsorge, Dr. durch Bundesbeer und Gendarmerie, die in chen drei Nationalsozialisten durch Messerstiche Czech nieder, weil er sich in seinem Amie Lastautos dorthin gebracht wurden, zerniert, und Siebverlegungen schwerere Verlegungen er von menschlichen Erwägungen leiten läßt und die Arbeiterheime und Wohnungen sozial litten. Außerdem wurden noch acht Nationalsozia- nicht von der aller Humanität baren Geistes­demokratischer Funktionäre wurden besetzt und listen und drei Sozialdemokraten leicht verlegt. richtung der bürgerlichen Parteien, die bei der durchsucht, zahlreiche sozialdemokratische Fun! 38 Personen, u. zw. 23 Sozialdemokraten und 15 Rücksichtnahme auf die hinter men stehenden tionäre wurden verhaftet und zum Kreis- Nationalsozialisten, wurden verhaftet. Schichten ungemein weitherzig sein fönnen. gericht in Leoben gebracht. Als am Vormit In Kapfenberg war es zu einem zu tag die Gendarmerie mit den Verhafteten nach ſammenstoß zwischen Schutzbündlern und den bedauernswerten Arbeitslosen dagegen coben fam, ereigneten sich dort erregte ei maticu gelommen. Die Gendarmerie nicht das geringste soziale Verständnis ent­Szenen. Die Erbitterung der Bevölkerung stieg verhaftete sieben Personen aus den Reihen des gegenbringen. Wie könnte es sonst sein, daß der ins Ungeheuere. Schutzbundes. Die Schutzbündler verlangten die deutschnationale Abgeordnete Raibl in der Tausende sammelten sich vor dem Kreisgerichte Freilassung der Verhafteten und beschoffen wie gestrigen Sitzung des Abgeordnetenhauses mit amtlich behauptet wurde den Gendarmerie einem so ausgesuchten Unverständnis für an und verlangten die Freilassung der posten, der das Feuer erwiderte. Es wurde an- menschliches Elend von den Arbeitslosen sprach, Verhafteten. scheinend niemand verletzt. Die Polizei ging in aufgelösten Schwarm- In Hüttenberg bei St. Veit a. d. Glan daß einem jeden, der noch nicht völlig verroht linien und mit gefälltem Bajonett stießen heute nacht eine Gruppe des republikani- ist, die Schamröte darüber ins Gesicht steigen eine Abteilung muß, wenn sich dieser Herr als Repräsentant gegen die Menge vor und zerstreute sie. Gegen schen Schutzbundes und Abend kehrten aber die abgedrängten Massen, Heimwehr zusammen. Auf beiden Seiten gab des deutschen nationalen Geistes ausgibt. Ihm der Mann verstärkt durch die Arbeiter aus den umliegenden es mehrere Beichtverlette. Vier sozial- zufolge ergeht es den Arbeitslojen bei den vie len Arten von Unterstützungen" demofratische Arbeiter wurden verhaftet. In Korneuburg bei Wien tam es hat eine geradezu orientalische Phantasie- so Der Hauptplatz von Leoben ist gegenwärtig gestern abends unweit des Bahnhofes zu einem wohl, daß sie nichts höheres fennen, als ihr von tausenden Menschen besetzt. scharfen Zusammenstoß zwischen drei gegnerischen ganzes Leben arbeitslos zu bleiben. Wie Zur Stunde sind alle Zugänge nach Leo- Gruppen, nämlich Sozialdemokraten, Heimweh- fönnte es auch sein, daß aus dem anderer In dem an der Straße von Gottes- ben von Gendarmerie und Bundesheer abgeren und Nationalsozialisten. Dabei wurden eine gab nach Weipert unterhalb des Keilber- perrt. Wie weit noch im Laufe der Nacht Person, und zwar der Arbeiter Franz Hubá nationalen Lager ähnliche Töne zu hören sind ges gelegenen Waldschlößchen", das etwa eine sich die Lage verschärfen kann, läßt sich im čet schwer und fünf weitere leicht verlegt. Die die man allerdings dadurch zu dämpfen such herbeieilende Gendarmerie stellte die Ruhe wieder daß man vorgibt, mur gegen ,, mißbräuchliche" Stunde von der Grenze entfernt liegt, haben Augenblid noch nicht voraussehen. Ther. Verwendung von Staatsgeldern und ihre ,, kon­die Hakenkreuzler ihr Lager aufgeschlagen,

Ein zweites Katharinaberg. Reichsdeutsche SA- Leuie verletzen tschechoslowakische Grenzbeamte. Weipert, 18. März.( Eigenbericht.) Welche Frechheit die Hitlerbanden an den Tag legen, zeigt ein ernster Vorfall, der sich Freitag abends Orten, zurück. in Stolzenhain ereignete und ein würdiges Nebenstüd zur Schießerei in Katharinaberg bildet. Wir erhielten darüber folgende authen­tische Informationen:

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