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Sozialdemokrat

Zentralorgan d. Deutschen   ſozialdemokratiſchen Arbeiterpartei i.d.Ifthechoſlowakischen Republik  .

13. Jahrgang.

Sadisten an der Arbeit.

Berlin  , 24. März. Wie das Conti- Nach­richtenbüro erfährt, erwägt das Kabinett ein be= sonderes Gesetz über die Ahndung politischer Straftaten", in dem vor allem die Anwendung der Todesstrafe für politische Ver brecher geregelt wird; unter Umständen soll auch die Todesstrafe durch Erhängen eingeführt werden.

Die Mörder- Amnestie in Kraft.

Berlin  , 24. März. Wie VDZ." meldet, ist die von Reichskabinett beschlossene neue Amnestieverordnung soeben im Reichsgesetzblatt berkündet worden. Die Verordnung stüßt sich auf Art. 48, Abs. 2, der Reichsverfassung und ge­währt Straffreiheit für die Straftaten, die im Kampf für die nationale Erhebung zu ihrer Vorbereitung oder im Kampfe für die deutsche  Scholle begongen worden sind.

Verstaatlichung

der Gewerkschalten!

Berlin  , 23. März.( Tsch. P.-B.) In parla­mentarischen Kreise erregt besonderes Interesse der vom Nachrichtenbüro des Vereines deutscher  Zeitungsverleger, bereits angekündigte Regie­rungsentwurf über die Neuregelung des Gemert­schaftswesens. Wie das erwähnte Nachrichtenbüro dazu ergänzend hört, dürfte das Ziel der Regie­rungsbestrebungen auf diesem Gebiete in erster Linie sein, die großen Organisationen der Ar­beitnehmer von jeder Einflußnahme durch mar­ristische Parteien zu befreien, Es würde dann der berufsständische Gedanke entschiedener in der Gewerkschaftsorganisation hervortreten, während jede parteipolitische Einflußnahme ausgeschaltet werden würde. Darnach scheint es als ficher, daß der Entwurf u. a. die Vorschrift enthalten wird, daß Gewerkschaftsfunktionäre nicht gleichzeitig Funktionäre in der sozialdemokratischen Partei fein fönnen. Namhafte Führer der Freien Ge­werkschaften würden demnach vor die Wahl ge­stellt werden, ob sie auf ihr Reichstagsmandat innerhalb der SPD.   oder aber auf ihre gewert schaftliche Führerstellung verzichten wollen, so­fern nicht überhaupt von der Reichsregierung vorgeschireben wird, daß die leitenden Positionen der großen freien Gewerkschaftsorganisation neu besetzt werden müssen. Im Uebrigen bleibt die Vermutung bestehen, daß an der Spitze der so ein entpolitisierten Gewerkschaftsbewegung Staatskommissar stehen könnte, dem von seiner hohen Warte aus die Verbindung der Interessen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber, also die Wahrnehmung der Belange der gesamten Volts wirtschaft, leichter fallen würde.

Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh.

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Gamstag, 25. März 1933

Erhebende Worte der Kraft.

Herrliches Bekenntnis der SPD  

Wie Genosse Wels seine Reichstagsrede schloß!

Aus dem heute erst vorliegenden, ausführlicheren Text der Rede, mit der der Führer der SPD  , Genosse Wels, Hitlers   Regierungserklärung beantwortete, veröffentlichen wir im Nachfolgenden die Sätze, mit denent Wels seine tapfere, politisch und moralisch große Rede in schwierigster Situa­tion erhebend, fämpferisch, eine bessere Zukunft versichernd schloß:

Wir Sozialdemokraten haben in schwerster Zeit die Mitverantwortung getragen und sind dafür mit Steinen beworfen worden. Unsere Leistungen für den Wiederaufbau von Staat und Wirtschaft, für die Befreiung der besetzten Gebiete werden vor der Geschichte bestehen.( Sehr richtig! bei den Soz.) Wir haben gleiches Recht für alle und ein sozialeres Arbeitsrecht geschaffen. Wir haben geholfen, ein Deutschland   zu schaffen, indem nicht nnr Fürsten und Barone  ( Lachen rechis), sondern auch Männern aus der Arbeiterklasse der Weg zur Führung des Staates offensteht. Davon können Sie nicht zurüd, ohne Ihren eigenen Führer preiszugeben.( Beifall bei den Soz.) Vergeblich wird der Versuch bleiben, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Wir Sozialdemokraten wissen, daß man machtpolitische Tatsachen durch bloße Rechtsverwahrung nicht beseitigen kann. Wir sehen die machtpolitische Tatsache Ihrer augenblicklichen Herrschaft; aber auch das Rechtsbewußtsein des Volkes ist eine politische Macht, und wir werden nicht aufhören, an dieses Rechtsbewußtsein zu appellieren. Die Verfassung von Weimar ist keine sozialistische Verfassung, aber wir stehen zu den Grundsäßen des Rechtsstaates, der Gleichberechtigung, des sozialen Rechts, die in ihr niedergelegt sind. Wir deutschen   Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsäßen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozia­lismus.( Erneuter Beifall bei den Soziald.) Kein Ermächtigungsgeset gibt Ihnen die Macht, Ideen zu vernichten, die ewig und unzerstör= barfind.( Lachen rechts.) Sie selbst haben sich ja zum Sozialismus bekannt. Das Sozialistengeset hat die Sozialdemokratie nicht vernichtet. Sie wurde im Kaiser­reich stärkste Partei. Auch aus neuen Verfolgungen kann die deutsche Sozialdemokratie nur neue Kraft schöpfen. Wir grüßen alle Verfolgten und Bedrängten. Wir grüßen unsere Genossen im Reich. Ihre Standhaftigkeit und Treue verdienen die Bewunderung der ganzen Welt. Ihr Bekennermut( Ge­lächter rechts), ihre ungebrochene Zuversicht sind dem arbeitenden Volke Bürgen einer helleren Zukunft.( Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Zur Verhaftung des Reichskommissars Gereke.

Gereke schlägt man, Hindenburg   meint man!

Gereke der Vertrauensmann Hindenburgs  .

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Nr 72.

Staat der Kultur

oder der

Unkultur?

Wenn man den Worten der Herren des Dritten Reiches   glauben dürfte, so hätte Deutschland   seit dem Kriegsende in einem wahren Sodom und Gomorrha gelebt, aus dem jetzt erst die Erlösung durch einen großen ,, nationalen Reinigungsprozeß" erfolgen soll. Dabei ist in Wahrheit gerade auf dem Gebiete der kulturellen Betätigung das Deutschland  der Nachkriegszeit an der Spize der Nationen marschiert. Durch soziale und hygienische Maß nahmen schuf man die Voraussetzungen, auf denen ein modernes Schul- und Bildungs­wesen hätte erfolgreich aufbauen können, wenn nicht, insbesondere in der Provin:, muckerische Schulmeister sowie beamtete und nichtbeamtete Pfaffen den immer wiederhol­ten Versuch gemacht hätten, jeden freien Luft­zug aus ihren muffigen Erziehungsfasernen zu verbannen. Daß trotzdem eine fortschritt­liche Entwicklung Plat greifen konnte, Ing nicht zuletzt daran, daß der Kunstpflege und der Wissenschaft weitestgehende Unterstützung und Verbreitung zufeil wurde. Mögen selbst hier und da Auswüchse vorgekommten sein. die übrigens zumeist vom Geschmack des Bublikums selbst forrigiert wurden, so war es doch freien Geistern jeder Zeit möglich, sich in dem jungen Staate wohlzufühlen und auch die Arbeiterschaft konnte in steigendem Maße an den kulturellen Gütern des Landes teil­haben.

Was dagegen die Propheten des Dritten Reiches   unter einer Reinigungsaktion des ful­turellen Lebens verstehen, haben sie durch ihre bisherigen Taten hinreichend bereits zum Aus­drud gebracht. Sieht man von der Schlie­kung einiger Gaststätten ab, in denen sich Herr Hauptmann Röhm und seine gleichgesinnten Freunde früher recht heimisch gefühlt haben so bleibt nichts übrig, als ein Kreuzzua der Unkultur wider den Geist besten europäischen   Denkens und deutschen   Fühlens Der Staat der Dichter und Denter läuft Gefahr, ein Staat der Richter und Henker teils im übertragenen, teils leider auch im wörtlichen Sinne zu

Berlin  , 23. März. Zu der sensationellen, Wahl- Propaganda zusammenhängen. Auf I werden. auf unmittelbare Veranlassung des Reichsmini- völlig demselben Gebiet liegt auch die gestern er­ſters Goering   erfolgten Berhaftung des folgte Verhaftung des früheren preußischen Die Sinrichtungsprozedur begann bei der derzeitigen Reichskommissärs für Innenministers evering( und seines poli- Dichterakademie, die man ihrer besten Schön Hitler erhöht Lebensmittelzölle Arbeitsbeschaffung, Gerefe, erfahren fischen Referenten, Ministerialrats Dr. Hirsch fer beraubte, in dem man den großen Epifer wir von be st unterrrichteter Seite folgendes:. feld). Bekanntlich wird Minister Severing be Heinrich Mann   und die geniale Zeich Berlin  , 24. März. Nach einer im heutigen Der Gegensatz zwischen Hitler   und Gereke schuldigt, vor Jahresfrist zwei Millionen Reichsnerin Räthe Kollwitz, die dem furcht Reichsang ger   v röffentlichten Verordnung wird ist älteren Datums; er stammt aus der Zeit der mark für parteipolitische Zwecke widerrechtlich baren Kriege zwei Söhne zum Opfer gebracht der Roll für Margarine usw. von 30 auf 75 legtjährigen deutschen   Reichspräsidenten  - ausgegeben zu haben; als diese Beschuldigung hatte und Watterschmer; und Arbeiterelend Deart je Eoppelzentner erhöht. Der Zoll fürwahlen, bei denen Gerete als beson alsbald nach dem Regierungsantritt Hitlers   zum gleich ergreifend zu gestalten wußte, swang, Margarinetäse usm, erfährt gleichfalls eine Erberer Vertrauensmann des Reichs- ersten Male erhoben wurde, intervenierte Mini­höhung von 30 auf 75 Mart je Doppelgentner. präsidenten den sogenannten Hindenburg- ster Severing( und Ministerpräsident Dr. Braun) aus der Akademie auszuscheiden. Hätte die Der Zollak für Kunstspeisefett beträgt in Zu­hunft 75 Mart anstatt bish 12.50 Mart. Die Ausschuß" geleitet hat. Diesem Ausschuß oblag bei Sindenburg und ersuchte um Klarstellung in Dichterakademie den wirklichen Geiſt einer Verordnung tritt mit dem 29. März 1933 in die gesamte Propaganda für die Wiederwahl soweit, daß diese Summe, wie dem Reichs- Akademie, d. h. Sinn für Freiheit und Würde Hindenburgs; es war selbstverständlich, daß hier- präsidenten bekannt war, weder für gehabt, so hätte sie sich im gleichen Augenblick bei und hierdurch schwere Verstimmungen zwi persönliche, noch für parteipolitische Zwede, auflösen müssen, um es dem Manne, der in sondern seinem Buche ,, Mein Kampf  " eine der sonder Severing wieder freigelassen. fchen Hitler und Gereke eintraten. Bei der Kabinettsumbildung am 30. Jänner barsten deutschen   Stilproben seit Menschen­Berlin, 24. März. Der ehemalige preußische gedenken gegeben hatte, zu überlassen, die Ver­Innenminister Star! Severing, der gestern vor dieses Jahres forderte Hitler   zunächst, daß Gereke Karl seine Aemter niederlegt; Hindenburg   lehnte dies fasser sentimental- kitschiger Bubertätsromane, Herrn Hans Heinz Ewers  , den Dichter der in hochmoralischen Alraune", zu den Häup tern einer neuen Akademie zu küren, die dann von Frau Courths Mahler   bis zu Walter Bloem   das Deutschland   der Givsornamentif und der Fassadenherrlichkeit Wilhelms dea führen können.

Kraft.

über Gerete für die Hindenburg- Wahl­Propaganda

worden war, ist heute wieder auf freien Fuß jedoch in kategorischer Form ab. Schließlich fem ausgegeben worden war. Herr von Hindenvie etiva des Göbbelschen ,, Michael", oder den

gesetzt worden, muß sich aber zur weiteren Vereine Einigung derart zustande, daß Gerefe als Reichsminister demissioniert, aber als Reichs­fügung der Behörde halten. tommissär für Arbeitsbeschaffung bleibt.

In Bayern   sozialistische Wearverbände aufgelöst.

Die Wühlereien gegen Gereke, der nach mie vor zu den intimsten Vertrau= ten des Reichspräsidenten Hinden=

München, 24. März. Der kommissarische burg zählt, gingen jedoch unverändert etter bayrische Minister des Innern Adolf Wagnerinszeniert vor allem durch Goering  . Der hat eine Verordnung erlassen, wornach sich außer Zweck dieses Intrigenspiels ist offensichtlich: dor SA  , der SS und dem Stahlhelm sämtliche mest schlägt nach Gereke und will Hindenburg  noch bestehenden sogenannten Wehrverbände auf­treffen, zulösen und die vollzogene Auflösung bis zum

burg befürchtete von einer öffentlichen Klärung jedoch inner Schwierigkeiten und lehnte ein Ein greifen ab; er ging soweit,

daß er für den Fall einer einseitigen Ver­öffentlichung der Zusammenhänge durch Severing seinen Rücktritt androhte,

ein Rücktritt, der unter den gegebenen Umständen Dilettanten zu neuer Herrlichkeit hätte herau gleichbedeutend gewesen wäre mit der Wahl

Hitlers   zum Reichspräsidenten. Was man bei den Akademien begann Unbeschadet dessen wird seitens Hitlers   und Goerings die Angelegenheit weiter forciert: wurde im übrigen Kunstleben fortgesetzt. 31. März dem Staatsministerium des Innern um den Rücktritt des Reichspräsidenten zu eröffentliche Plakate gegen Severing in ganz Bruno Walter  , einem Dirigenten von anzuzeigen haben. Weiters haben die aufzulösen zwingen und um dessen Macht, insbeson- Deutschland  , Rundfunkreden des Reichskanzlers Weltruf, wurde der Taftstod entwunden, die den der kunstverständigen SA. mit Gewalt ent­um durch diesen Terror die Herren Gerefe und fernt und der Spielplan ist bis zur Lilien­tion den örtlich zuständigen Sonderkommissaren Severing zu zwingen, den Reichspräsidenten   milch- Seifen- Reinheit gesäubert. Namhafte preiszugeben und Hindenburg   zum Rücktritt Darsteller und Regisseure, selbst ein Mar Reinhardt, wandten sich mit Graufen. Was zu veranlassen.

ihrem Besize befindlichen Waffen nebst Muni dere der Reichswehr   gegenüber, zu und schließlich, als alles nichts nuzte, die Ver- künstlerischen Leiter der Bühne wurden von

übernehmen.

des obersten SA- Führers abzuliefern. Nichtbe- Tatsächlich ist die Verhaftung Gerefes nicht folgung der Verordnung wird nach der Verord mung des Reichspräsidenten zum Schutz von Boll und Staat bestraft.

etwa wegen seiner jezigen Amtsführung erfolgt, sondern aus Gründen, die mit der Wahl Hin denburgs und mit der Finanzierung der

haftung Gerefes und Severings,