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Bozialdemokrat

Zentralorgan d. Deutschen ſozialdemokratischen Arbeiterpartei id Tschechoslowakischen Republik.

13. Jahrgang.

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Dienstag, 17. Oktober 1933

Der Österreichische Parteitag:

Bereit halten zu den Entscheidungskämpfen..

Nr. 243.

Parlamentsbeginn

Otto Bauer : Es gibt Dinge, die Ihr Euch nicht gefallen lassen werdet! werdet! ment gleidh bei seinem Wiederzuſammentritte

Wien , 16. Oftober.( Eigenbericht.) Der Sonne tag und Montag war am Wiener Parteitag durchaus von der Debatte über die politische Lage und die notwendigen Vorbereitungen zu den voraussichtlich bevorstehenden Kämpfen einge­

nommen.

Am leßten Tag des Parteitages faßte Otto Bauer nach Schluß der Debatte die politische Situation in einem Schlußwort zusammen. Er erflärte:

Ich habe in meinem Referat darüber gespro then und dargelegt, daß es unuveifelhaft auch Kräfte im gegnerischen Loger gibt, die nach einer friedlichen Entwicklung drängen. Ich habe jestgestellt, wie start diese gegnerischen Kräfte sind und wie gering doch die Wahrscheinlichkeit ist, daß sich die friedlichen Kräfte durchsetzen. Darüber werden alle Genossen, die ernst nachdenken, einer Meinung sein, daß, wenn eine Möglichkeit be­stünde, daß efterreich zu einer Demokratie und bamit zur Bewegungsfreiheit der Arbeiterklasse wieder zurückzukehren vermöchte auf den Wege einer Berständigung mit einer verständigungs­bereiten Gruppe unserer Gegner, dieselbe nicht ausgeschlagen werden dürfte. Aber wir müssen da mit rechnen, dak es wahrscheinlicher ist, daß die Möglichkeit uns nich gegeben wird.

Wir alle rechnen mit der Notwendigkeit des Rampfes und wir wissen, daß, wenn jene Möglich leit einer friedlichen Entwirrung nicht mehr bc­stehen sollte, sie nur wieder herbeigeführt werden lann durch die Entschlossenheit der Arbeiter zum Kampje. Deswegen steht natürlich für uns auf diesem Parteitag das Problem des Kampfes im Vordergrund.

Genosse Otto Bauer fam damit auf die Frage der bekannten vier Punkte zu sprechen, und erflärte, man dürfe sich keinen Illusionen hin geben; es fönne sehr leicht einer dieser Fälle eintretn.

Herr Tollfus steht anter einem immer star| feren Drud der Heimwehr und er wird bald feine andere Wahl mehr haben, als entweder diese Dinge zu tun oder mit der Heimwehr Schluß zu

machen.

Aber auch auf andere Ereignisse wird die österreichische Arbeiterschaft gefaßt sein müssen. müffen. Die Möglichkeit, daß ausländische Mächte Defter reich befeßen fönnten, ist vielleicht nicht so fern, als manche von uns meinen.

Unter ganz außerordentlichen Verhält nissen tritt diesmal die Nationalversammlung zu ihrer Herbstsession zusammen. Das Rin gen zwischen Demokratie und Fascismus hat sich, international wie innerpolitisch, geradezu dramatisch zugespitzt und so wird das Parla­vor wichtige politische Entscheidungen ge­nach der jener Satz aus dem Parteiprogramm zu stellt. Die behördlichen Maßnahmen, die in streichen ist, der den Anschluß Desterreichs an den letzten Tagen gegen staatsfeindliche, anti­Deutschland fordert, wurde mit Einstim demokratische Parteien getroffen wurden, migteit angenommen, ebenso viele andere Re- haben provisorischen Charakter: zur Auflösung folutionen. einer politischen Partei und zur Vollziehung Mit dem Lied der Arbeit wurde der beden­tungsvolle Parteitag, der die Wege für den kom­tungsvolle Parteitag, der die Wege für den tom- aller sich daraus ergebenden Konsequenzen menden Kampf getlärt und auch die Mittel für fehlt die Rechtsgrundlage. Darum fonnte einst­diesen Kampf streng vertraulich festgelegt hat, weilen nur die Tätigkeit der Hafenkreuz nach einem Schlußwort von Seit gefchloffen. Die ler eingestellt werden, aber eine ganze Reibe Arbeiter, die zu Hunderten vor dem Parteihause wichtiger Fragen, insbesondere die Frage der in Favoriten sich eingefunden hatten, bereiteten öffentlichen Wandate blieb ungelöst. Wird den Delegierten, als sie den Parteitag verließen, einem formellen Erfordernisse der Demokratic ungeheuer spontane Kundgebun­Kundgebun Rechnung getragen, indem die Lösung dieser gen; immer wieder wurden die Delegierten mit Probleme auf parlamentarischem Wege, durch stürmischen Freiheitsrufen begrüßt. Gesetz geschicht, so ist es nicht minder not­Redeverbot gegen Vandervelde wendig, daß auch der Inhalt der Lösung den Bedürfnissen der Demofratic genügt: daß auf Auch§ 2- Versammlungen verboten. der einen Seite gegen die Feinde der Demo Wien , 16. Oktober. ( Tich. P.-B.) Die fratic mit aller Energie vorgegangen wird, daß Polizeidirektion verbot alle für den heutigen die Demofratic mirjam geschüßt wird, da­Zum Schluß seiner Ausführungen sprach Abend auf Grund des§ 2 des Versammlungs mit den Fascisten feine Möglichkeit geboten Otto Bauer noch einmal über die Frage, die er gefeßes einberufenen sozialdemokratischen Ver- mit den Fascisten keine Möglichkeit geboten als ungeheuer wichtig bezeichnete, nämlich die fammlungen, in welchen n. a. auch ausländische wird, Einrichtungen der Demokratie zu ihren Frage der etwaigen Landesverre Delegierte, die zum Kongreß der sozialdemokra antidemokratischen Zweden zu mißbrauchen, digung Oesterreich gegen einen Eintischen Partei Desterreichs in Wien weilen, spre daß aber auch die Demofratic geschützt fall aus Deutschland . chen sollten. Damit wurde auch dem Vorsißen wird, damit nicht Maßnahmen, die zur Ver­ den der Zweiten Internationale Vanderteidigung der Demokratie dienen sollen, zum belde eine Rundgebung unmöglich gemacht. Schaden der Demokratic ausschlagen.

Es gibt Anlaß zu glauben, daß bei gewissen Berhandlungen mit Mussolini in Riccione diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen wurde. Ich hatte diese vier Punkte für etwas ganz Wesentliches, man darf sie aber nicht als eine taxative Auf sählung nehmen, wir fönnen ja nicht wissen, ob jich die Sachen nicht ganz anders entwickeln. Aber es muß der Masse flar gemacht werden: Es gibt Dinge, die Ihr Euch nicht gefallen lassen werdet und wo Ihr zum Kampf mit allen Mitteln über­gehen werdet!

Nazi- Rummel an den Wiener Hochschulen

Ich halte, jagte Otto Bauer , diese Frage zwar augenblidlich, infolge der Nachrichten aus Deutsch : land für weniger aktuell, als sie es vor drei Tagen war, aber sie kann wieder aktuell werden. Die Landesverteidigung, zu der sich unsere Ge­nossen in den westlichen Bundesländern entschloß­jen haber, lam in einer Erklärung an die Regie rung zum Ausdruck: Wir sind bereit, uns gegen Wien , 16. Oftober. Zu Semesterbeginn fam die baunen Fascisten zu wehren, denn wir wissen, es heute an den Wiener Hochschulen wieder zu wir würden ihre ersten Opfer sein. Deswegen Terrortaten der Nazistudenten. In der Univer verlangen wir, daß man uns feine Sindernisse fität explodierten vier oder fünf Petarden, auch bereite, eine Arbeiterlegion aufzustellen an der Technik ereigneten sich vier ähnliche Er und sie zu bewaffnen.

Parteitags- Resolution

Auf Antrag von Otto Bauer wurde dann die große Resolution des Parteitages über die Taftil der sozialdemokratischen Partei einstim mig angenommen. Die Resolution lautet:

Die Partei hat sechs Monate lang eine Taftil der Zurückhaltung und der größten Selbstbeherrschung geübt, um alles zu vermeis den, was dem deutschen Nationaljascismus die willkommene Gelegenheit zu einem Angriff auf Desterreich gegeben hätte.

Die Regierung hat aber diese zurüdhal tende, zuwartende Haltung der Partei mil immer weiterer Verschärfung ihres Kampjes gegen die Freiheitsrechte des Volkes und gegen die sozialen Rechte der Arbeiter und Angestell­ten beantwortet. Die Partei war immer und bleibt auch jeẞt zufriedlicher und ver falinngemäßiger Lösung der Arise bereit. Die Regierung hat aber jebe Erklärung dieser Bereitschaft mit einer Verschärfung ihres Kampfes gegen die Arbei terklasse und gegen die Sozialdemokratic be­

antwortet.

Angesichts dieser Tatsache muß die Partei mit größerer Aftivität als bisher den Kampi gegen die bürgerliche Diftatur führen und jede Möglichkeit ausnüßen, zur Offensive überzu­gehen. Der Parteitag ruft die Arbeitermassen auf, stärkste Agilität zu entfalten im Kampje für folgende Forderungen:

Aber das Parlament steht vor gleich ver antwortungsvollen Aufgaben auch auf wirts schaftlichem Gebiete. Es hat vor allem über den Haushalt des Staates für das Jahr 1934 zu entscheiden. War der Budgetausgleich schon im Vorjahre ein überaus schwieriges Problem, das erst nach mühevoller Arbeit einer Lösung zugeführt werden konnte, so ist unvergleichlich plosionen. Die nationalsozialistischen Studenten diese Aufgabe heuer noch maren zur Zeit der Explosionen in den Aulen der schwerer. Die Staatseinnahmen sind weiter beiden Gebäuden sowie in den Gängen und und sehr starf zurüdgegangen, die Quellen Stiegenhäusern versammelt und begleiteten die für neue Einnahmen sind nahezu gänzlich 4. Aufhebung der seit dem 5. Explosionen mit ironischem Gelächter und demon versiegt. Unter diesen Umständen wird mit März verfügten Maßnahmen, durch strativen Ausrufen gegen die Regierung. Einige einer Serabsetzung des Budgets auf etwa sic­die die Arbeitslosensürsorge verschlech= ührer hielen auch an die Studenten Anspra beneinhalb Milliarden gerechnet, was natur tert worden ist; chen, worauf die Studenten nationalsozialistische gemäß die Notwendigkeit einer ganzen Reihe 5. Wiederherstellung der Ber: Lieder absangen. Sammlungs und Preßfreiheit für alle Die Polizei räumte sowohl Technik wie von neuen Abstrichen und Drosselungen nach demokratischen Parteien; Universität sowie auch die Umgebung der beiden sich zieht. Vom sozialistischen Standpunfte er 6. Auflösung und Entwaffnung Hochschulen. An der Technik gelang es den geben sich daraus eine Reihe von Forderun der fascistischen Heimwehrformationen. Nationalsozialisten, die Safenfreuzfahne zu biffen, gen: Die Arbeitslosen haben durch die Neu­regelung des Genter Systems ein Opfer auf Die Altionen im Kampfe um diese For- die jedoch von der Polizei bald beseitigt wurde. derungen müssen die Arbeiterschaft bereit Der Reftor der Universität erließ nach sich nehmen müssen, dessen ganze Schwere bon machen und bereit erhalten zu den mittags eine Sundgebung, in welcher er die den bürgerlichen Streisen gar nicht verstanden Entscheidungsfämpfen, die under heutigen Begebenheiten verurteilt, vor einer Fort wird. Es ist unbedingt notwendig, daß die meidlich werden fönnen. Angesichts der Forschung warnt und auf das Verbot von Ver sozialpolitischen Maßnahmen des Staates in derungen der Heimwehrfaafcisten nach dem sammlungen, Mundgebungen und Gesängen in dem ohnehin eingeschränkten Umfange durch Totalitätsstaat, nach der Auflösung der Partei, der Aula beriveist. Die Abendblätter berichten, nach der Gleichschaltung der Gewerkschaften, die Regierung sei bereit, im Falle einer Wieder entsprechende Dotierung gesichert werden, es nach der Beseßung des Wiener roten Rathau- holung der Demonstrationen die beiden Hoch ist aber auch notwendig, daß der längst in Rathan- holung der Koalition vereinbarte Beitrag der Unter ses, nach der Einfeßung eines Regierungslomschulen zu schließen.

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missärs für das rote Wien , hat der Parteivor- In Traiskirchen unweit Wien bemalten nehmer für die Krisenopfer endlich realisiert stand und die Bundesvorstände der Freien Ge Safenfrenzler aus Anlaß einer Feier des dreißig wird. Wenn die finanzielle Not des Staates werkschaften am 17. September beschlossen, in jährigen Bestandes der dortigen Kadettenschule die weitere Personalsparmaßnahmen unvermeid jedem dieser Fälle die Arbeiterflasie umgebung der Kadettenschule und der Ubifatio- lich macht, so muß darauf geachtet werden, daß zum Generalstreit aufzufordern. Der Parteitag bestätigt und bekräftigt die nen der Heimwehr - Hilfspolizei mit Sakenkreuzen; die Opfer nicht gerade auf die schwächsten sen Beschluß und fordert die Organisationen auch die Mauern wurden mit nationalsozialisti Schultern gewälzt werden. schen Parolen bemalt. Die Gendarmerie wurde Wieder und wieder muß aber auch be­auf, die gesamte Arbeiterklasse und über sie aber noch in der Nacht zahlreicher Nationalsoziali hinaus alle freiheitsliebenden Republikaner iten habbaft, bildete sogenannte Reinigung& font werden, daß sich die Finanz- und Wirt­mit diesem Beschluß vertraut zu machen." tolonnen und zwang sie zur Entfernung und schaftspolitik in der Krise und gerade in der schöpfen darf. Alle Sparmaßnahmen werden Nach dem Abschluß der politischen Tebatte zum Abwaschen der Hafenkreuze und der anderen rise nicht in negativen Maßnahmen er nationalsozialistischen Zeichen. vergeblich bleiben, wenn die Kauffraft wei­1. Wiedereinberufung der Bolfs: referierte am Nachmittag Gen. Julius Deutsch vertretung; über die Aenderungen einiger wichtiger Bestim ter zusammenschrumpft und die Ausgabenjen fung durch weitere Einnahmenrückgänge mehr 2. Arbeitsbeschaffungsprogramm mungen in den Parteistatuten. Die wichtige Aen­nach dem Vorschlag der sozialdemokra: derung ist die tischen Partei für 200.000 Arbeitė­Errichtung eines Parteirates, Innsbrud, 16. Oftober.( AN.) Gegen 11 Uhr als aufgewogen wird. Die Autartiebestrebun lose, Schutz für die Löhne und Geder aus 60 Mitgliedern besteht: fein Mitglied des vormittags wurde auf der hiesigen Universität gen in aller Welt, die dem Export immer hälter, Sebung der Kauffraft des Parteirates fann Angestellter oder Mandatar der eine Rauchbüchse angezündet, die das ganze schwerere Hindernisse in den Weg stellen, lai Boltes; Partei sein. Diese Parteiinstitution soll dazu Erdgeschoß und das Stiegenbaus verqualmte. Die sen die Pflege des inneren Marktes aljo um 3. Wiederherstellung der vollen beitragen, die unmittelbaren Beziehungen zwi fofort verständigte kriminalpolizei verfolgt eine so dringlicher erscheinen. Darum wird es ge: Koalitionsfreiheit, Aufhebung aller schen der Parteiführung und der Arbeiterschaft bestimmte Spur. Eine zweite Büchse, die nicht wiß mit Genugtuung begrüßt werden, wenn zur Entzündung gelangte, wurde im ebenerdigen die Regierung ihre Entschlossenheit äußert, Maßnahmen, durch die das Arbeitss noch enger zu gestalten, als bisher. Auch die wichtige Aenderung des Parteipro Sauptgang der Universität gefunden. Der Rettor dem Preis problem energisch an den und Dienstrecht und die sozialen Leib zu rücken und das Kartellgesetz tatkräftig Schutzgesetze verschlechtert worden sind; grammes, dic Otto Bauer vorgeschlagen hatte, hat wieder Legitimationsgwang eingeführt.

Die Innsbrucker wollen nicht nachstehen...