Sr. 6

Geistige und organi­satorische Umgestal­tungen im Landstand? Die junge gegen die alte Generation

Zu der bekannten Erklärung des Ehrenob­mannes des Bundes der Landwirte, Franz Kres pet, als ernannter Bürgermeister von Leitmeriz bemerkt die ,, Abwehr" in Warnsdorf, ein deutsch­nationales Vlatt, verärgert folgendes in auffal Yendem Fettdruck:

,, Zum Schluß seiner programmatischen Darlegungen, aus denen mit aller Klarheit zum erstenmale offiziell der Anteil hervorgeht, den der deutsche Bauer Krepet gewiß an der Erlassung der umwälzenden Parteiengesete gehabt zu haben scheint und für deren rüdsichtslose Durchführung bis ans Ende er mit seiner bekannten Hartnädigkeit sich auch jetzt noch der Neun­undsiebzigiährige einsetzt, gab er mit Befriedigung eine Reihe von Glück­wunschtelegrammen bekannt, die ihm anläßlich seiner Ernennung zugingen."

Diese Feststellung mag angesichts der kon sequenten aktivistischen Politik Kerepeks vollkom men zutreffen; etwas anderes wäre vom Ge­nannten auch dann nicht zu erwarten, wenn er jünger wäre, als wie die..Abwehr" in einer be= stimmten Absicht durch Sperrsas ostentativ her vorhebt. Wer so wie der alte Strepet sich bewußt auf den Boden des tschechoslowakischen Staates stellt, innerhalb dessen sich das deut­sche Volt durchsetzen und mit der tschechischen Mehrheit verständigen muß, muß selbst­verständlich gegen alle fascistischen und halb fascistischen Pläne zugunsten Hitlerdeutschlands mit großer Ent­schiedenheit fämpfen. Das hat Krepek getan und wird es auch in Zukunft tun.

Dienstag, 9. Jänner 1934

An der Bahre der Opfer

Konrad Henlein   kneift statt zu sprechen! Prachtvolle sozialdemokratische Gegenkund­gebung in Graslitz  

einer solchen Diskussion bestehen würden, ging der Einberufer der Versammlung, ein Herr Dr. Riedl, einen Augenblid weg und kam dann mit dem Befehl Henleins zurück. Er ging auf die Tribüne und hielt eine Rede, die nur aus zwei Säßen bestand:

,, Ich erkläre die Versammlung für eröffnet. Gleichzeitig erkläre ich die Versammlung für ge­schlossen."

Es liegt die Frage nahe, ob auch seine Partei restlos das gleiche tut? Die Wahrheit ist, daß dies nicht gleichmäßig geschah. Einige Parteiorgane des Bundes der Landwirte( z. B. das Saazer und Karlsbader Blatt) sind noch heute start fascistisch infiziert; wie denn auch ein großer Teil der Parteimitgliedschaft durch Nazi­phrasen besoffen gemacht wurde. Speziell die Landjugend, die angeblich 18.000 junge Leute umfaßte, rebellierte. Einer ihrer Graslių, 8. Jänner.  ( Eigenbericht.) Ston­Führer, Dr. Robert Set in Lieboschan bei Saaz  , rad Henlein   hatte für Sonntag vormittag um wurde sogar verhaftet. Nach seiner Freilassung 10 Uhr in dem großen Saal des Hotels veröffentlicht er nun in der Deutschen Land- Schwan" in Grasli eine öffentliche, all­poſt" vom 6. Jänner eine notwendige Klarstel- gemein zugängliche Versammlung einberufen, in lung über die Einordnung des jungen Landvolder er über die Grundfäße der Heimatfront spre tes in den Landstand". chen wollte. Unzählige Plakate prangten überall in Graslig mit dem Say:., onrad Hen Leinspricht". An der Front des Hotels..zum Schwan" war ebenfalls ein großer Leinwand­steifen mit der Aufschrift ,, Konrad Henlein  Genosse de Witte sprang sofort auf das spricht!" angebracht aber Konrad Henleines zu diesem Schluß; gekommen sei, was ſelbſt Podium und erklärte, der Versammlung, warum sprach nicht! Als ausdrückliche Aufgabe des jungen Land­verständlich eine ungeheuere Empörung der Ver­Henlein war in Grasliz, aber er betrat den sammlungsbesucher über dieses sudetendeutsche volkes bezeichnet Dr. Het die Neu bildung Bersammlungsraum auch nicht mit einem Fuß! des deutschen   Landstandes im Die Ursache war, daß die Sozialdemokrasineiſen vor einer Aussprache auslöfte. Rahmen der bölligen geistigen ten in die Versammlung gekommen waren und Hierauf hielten die Sozialdemokraten am und organisatorischen Neubil- daß Abgeordneter Genosse de Witte als deren Marktplaße eine öffentliche Kundgebung ab, bei dung unseres Bolles", weil die Sprecher eine Stunde Re dezeit bean- der Genoffe de Witte unter brausender Zustim erfolgreiche Weitergestaltung des derzeitigen spruchte. Er sagte den Vertretern Henleins, daß mung der Maſſen Entstehung und Ziele der fude­schwer trankenden öffentlichen Lebens" unmöglich die Versammlung diese ohne jeden Zwischenruf tendeutschen Heimatfront erklärte und mit dem sei. Dr. Heh lagt, daß die befreundeten Kreiſe anhören würde, daß aber andererseits die Hei- Nufe schloß: Auch Nonrad Henlein wird man es diese Absichten mißberstanden und die matfront sich bereit erklären müsse, auch de Witte unmöglich machen, hier ein Wegbereiter des Führer der Landjugend unrealistischen, phanta eine Stunde Redezeit zu geben, und ihn dabei Fascismus zu werden. stischen Dentens beschuldigten. Feindliche Kreise nicht zu stören. (?) hätten die Sache böswillig bei den Behörden und zweifelnden Freunden angeschwärzt.

Aus seinen umfangreichen Darlegungen geht mit zwingender Beweiskraft hervor, daß zwischen der alten und jungen Generation des nunmehri­gen Landstandes, trop erfolgter Verständigung, Gegensäge flaffen, die au heftigen Stämpfen führen müssen.

Hier wird mit aller Deutlichkeit dargetan, daß zwischen den politischen Führern des Bun­des der Landwirte und den Führern der Land­jugend schwer ste Differenzen be­standen. Richtiger: sie bestehen wei­ter! Dr. Hez und seine Mannen wollen näm­lich innerhalb des Sudetendeutschen Landstan­des" die ,, völlige Neubildung" um jeden Preis durchsetzen. Wörtlich schreibt er unmißverständ­lich:

Wir unterlagen, weil wir nicht mit dem Behauptungswillen des führenden Geschlechtes gerechnet hatten. Die Schaffung des Sudetendeutschen   Landstandes hat uns nun in engere Berührung mit dem äl teren Geschlecht gebracht. Dabei ist aber in gewissen Sinne die Lage für uns güns ſtiger geworden. Denn nun ist der Landstand, dem wir zustrebten, gebildet worden. Den Namen haben wir durchgesetzt. Die Gliederung ist ernst in Angriff genommen. Der Geist kann frei­lich nicht hervorgezaubert werden, sondern muß allgemach durch gesetzt werden. Und nun wird das niemand wehren, sondern man wird es begrüßen, wenn wir ihn dringen. Wer könnte es denn sonst sein? Uns hiebei ernste Schwierig­teiten zu bereiten, hiese mit dem Landstand Humbug treiben. Uns hiebei zum allmäh­lichen Durchfämpfen au atingen, wird nicht schaden; wir werden in Idee und Per sönlichkeit nur reifer werden dafür und das wird dem Ganzen nur nüßen."

Herr Dr. Het hofft also mit zunehmender Reife in 3dee und Persönlichkeit innerhalb des Landstandes über die ältere Generation( Stre­pet, Spina usw.) au siegen! Ob der alte Strepet sich beugen wird, wollen wir sehr bezwei feln.

Schließlich meinten die von der Heimat­front, daß man Genossen de Witte zu einer Er­flärung 30 Minuten Redezeit geben würde, wo­mit wieder dieser sich unter dem Hinweis nicht einverstanden erklärte, daß er einmal vor allen diesen Menschen nicht nur Herrn Henlein ent­gegnen, sondern auch die Probleme der sudeten deutschen   Politik aufrollen müsse, wie sie sich dem deutschen   Sozialdemokraten zeigen.

As die Leute von der Heimatfront sahen, daß die Sozialdemokraten auf der Abhaltung

Unter jubelnden Zurufen schloß Genosse Wunderlich die Kundgebung mit dem Ge­löbnis, daß wir alle Kraft daran sehen werden, hier den Fascismus zu verhindern.

Herr Henlein   sprach dann am Nachmittag in Graslih in einer Paragraph- 2- Versammlung vor seinen unentivegten Anhängern. Sein Nicht reden vor den von ihm selbst gerufenen Volts massen in Groslik hat jedenfalls über den Cha­rafter seiner Bewegung mehr gesagt, als alle Reden, die er bisher vom Stapel gelassen hat, darüber zu sagen vermochte.

Die Heimwehr schwankt

140 Sprengstoffattentate seit Neujahr! Wien  , 8. Jänner( Eigenbericht). In Wien  findet die morgen bereits angekündigte Führer: tagung der Heimwehren statt, in der die Antwort der Regierung auf das bekannte Ultimatum er­wartet wird, in dem die Heimwehren die Auf­lösung der Parteien und die Einseyung eines Re­gierungskommissärs für Wien   verlangt hatten.

von schweren Terroratten der Natio­nalsozialisten in Desterreich verheimlicht hat.

Die Regierung fürchtet, daß die Heim­wehr ihre Drohung, aus der Regierung auszutreten und sich mit den

Nazizu vereinen, ernst machen wird, umso mehr, als heute das offizielle Heimwehr­organ bereits drohend erklärte, man werde vor einer Konzentration aller fafzistischen Sträfte in Oester reich" nicht zurückschrecken.

Die Regierung gibt darin zu, daß die Verhängung des Standrechtes sich als völlig wirkungslos erwiesen hat und das seit dem 1. Jänner nicht weniger als 140 Sprengstoff­anschläge in den verschiedensten Teilen Dester­reichs durch Nazis verübt worden sind!

Angesichts dieser Tatsachen sei die Regie­auch den schärfsten(?) Mitteln diesen Ter rung nunmehr entschlossen, nunmehr mit allen, rorafien entgegenzutreten und ihnen ein für alle mal ein Ende zu setzen.

Deshalb sollen neue Abteilungen des Heim­wehrschußkorps etwa 6000 Mann- aufge­

Seite 3

778.150 Arbeitslose

am Jahresende

Nach den Feststellungen des Ministeriums für soziale Fürsorge hat sich die Zahl der Ar­beitslosen Ende Dezember auf 778.150 belau fen, was gegen Ende November, da die Ziffer 691.075 betrug, ein Ansteigen der Arbeitslosen um 87.075 bedeutet. Diese Zunahme ist etwas geringer als der Zuwachs der Arbeitslosen im Dezember 1932. Ende November 1932 betrug nämlich die Anzahl der Arbeitslosen 607.881, Ende Dezember 745.319, das Wachstum betrug bemnach 137.438. Immerhin übersteigt die Zahl der Arbeitslosen zu Ende 1933 die Ziffer su Ende 1932 um 32.831. Es ist anzunehmen, daß and im Jänner 1934 die Zahl der Arbeitslosen wachsen wird, wenn auch nicht in dem Maße wie im Jänner 1933, da die Zunahme an Arbeits­losen nicht weniger als 136.415 betrug.

Titulescu

läßt sich erweichen

und bleibt Aussenminister

Bukarest  , 7. Jänner. Außenminister Titus lescu hat sich nunmehr nach einer zweistündigen Audienz beim König bereit erflärt, das Außen­ministerium im Kabinett Tartarescu beizubehal ten. Damit ist die rumänische Regierungskrise, die durch die Ermordung Ducas ausgelöst wurde, endgültig beigelegt.

Drill für den Krieg

Berlin  , 8. Jänner. Die militärische Ausbil dung der SA- Abteilungen wird jetzt in großen Gruppen durchgeführt. Heute wurde in der nächs sten Umgebung von Berlin   ein Ausdauer- Marsch mit einer Belastung von 25 Seilogramm veran staltet, an dem 3500 SA- Männer beteiligt waren. Der dreicinhalbstündige Marsch der SA- Männer, die von der Bevölkerung begrüßt wurden, fand im Berliner   Vorort Pankow   seinen Abschluß.

Noch keine Reichsreform

Die ursprünglichen Pläne, zum 18. Jänner eine Reichsreform zu verkünden, sind fallen gelassen oder wenigstens auf ein Minimum reduziert wor den. Es scheint, daß dabei der Gegensaus zwischen Hitler   und Göring   eine Rolle gespielt hat und das Göring  , der auf sein Amt als preußischer Minister­präsident entscheidenden Wert legt, die Durchfüh rung der Aktion fürs erste hintertrieben hat. Das würde ein Beweis dafür sein, daß seine Stellung Hitler   gegenüber sich erneut gefestigt hat. Unverbesserlich

( DG) In einem Aufsaß des Zentralfomitees der SPD  . am 24. Dezember zum Freispruch von Dimitroff   und Genossen heißt es:

,, Aber Dimitrofi und die 2. Internationale, Kommunism is und Sozialdemokratie, das und awei Welten, zwischen denen es nichts gemein james gibt.

Dimitroffs Auftreien in Leipzig  , das ist der proletarische Wedruf der kommunistischen Inter­nationale zum geiſteigerten Stampf gegen die bourgeoisie. Das heuchlerische Eintreten der 2. In­ternationale für Dimitroff   aber ist nichts als der Versuch, euren Willen für die proleta Einheits- und Kampfesfront zu mißbrauchen, um die Politik der Arbeitsgemeinschaft mit der Bour­geoisie gegen die weltrevolutionäre Bewegung fort­zuführen."

Wären die Sozialisten nicht für Dimitroff  

eingetreten, wäre das falsch und unverständlich ge wesen. So sind sie für Dimitroff   eingetreten und werden dafür auch von den 38. der MPD. abge lanzelt. Anstatt anzuerkennen, daß hier erstmalig in einer großen Sache die geschlossene Front der ganzen Arbeiterklasse gegen den gemeinsamen Feind stand.

Kardinal Fau haber bedroht

Berlin  . Die legten Predigten des Mardinals Faulhaber, in denen dieser das alte Testa­ment gegen nationalsozialistische Angriffe vertei diate, haben dem Kirchenfürsten die besondere Feindschaft Münchener   Hatenfreuzfreise eingetra­gen. Der Stardinal soll deshalb, wie verlautet, vom Papit zum Delegaten ernannt werden, um ihm die Rechte der Erterritorialität zu sichern. Man glaubt, so einen Schutz gegen etwaige Radhepläne der Nationalsozialisten zu schaffen. Die ganze Stimmung, die heute in Bayern   herrscht, erinnert an die Epoche des Kulturkampfes.

Fritz Ebert   freigelassen. Der älteste Sohn des früheren Reichspräsidenten  . Frib Ebert, der seit Monaten unter schimpflichster Behandlung sich im Konzentrationslager Lefand, ist auf Interven­tion des Reichspräsidenten von Hindenburg  , an den hatte, in diesen Tagen aus dem Lager in Witten­seine Mutter sich in einem Bittschreiben gewandt berge entlassen worden.

Schauspiel menschlicher Erniedrigung... Man­chester Guardian" veröffentlicht einen Brief des früheren englischen Unterstaatssekretärs Rennie Smith über die Zustände im Konzentrations­Die Regierung hat daher heute nachmittags boten werden. lager Dachau  . Smith beschreibt mit G Dieser Schachzug der Regierung soll offenheiten die schlechte Behandlung der Intern einen außerordentlichen Ministerrat einberufen, der einen Aufruf an das öſterreichiſche Volk be-| bar dazu dienen, um die Heimwehrführertagung die er bei seinem Besuch festgestellt habe. Stein unter Druck zu setzen und den Heimwehren Mensch, erklärt er, fönne sich ein Schauspiel schlossen hat. Aus diesem Aufruf erfährt man, daß die den Austritt aus der Regierung und die Sini menschlicher Ern': drigung v. estellen, das mit dem Regierung in den legten Tagen eine llnmenge gung mit den Nazis zumindest zu erschweren. Konzentrationslager Dadjau vergleichbar sei.