Sosialdemokrat

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DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

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14. Jahrgang

Samstag, 13. Jänner 1934

Heimwehr im Bunde mit Nazis

Hauptführer der Heimwehr verhaftet Doilfuss ohne jeden Anhang

Der Zersetzungsprozeß in der österreichischen Die fei Wien  , 12. Jänner.  ( Eigenbericht.) Vorfälle erstattet, nach welchem Alberti vorläufig seine Führerſtelle zurücklegte und diese mit Zu gierung wurde heute wieder in einem sensationel- stimmung Starhembergs einem gewissen Kuba  len Ereignis sichtbar. Die Polizei drang in den cek übergab. Rubacet ist jener Mann, der vor frühen Morgenstunden in die Wohnung des Füh vier Tagen erst eine sensationelle Rede gegen die rers der österreichischen Nazipartei Frauen Vaterländische Front   gehalten hat. In dieser Rede feld, ein und traf dort zu ihrer Ueberraschung hat er die Nazis deutlich seiner Sympathien ver­nebst einer Reihe von Naziführern, auch promis sichert. Seine Ernennung zum Nachfolger Alber­nente Führer der Heimwehren. Die tis bedeutet daher nicht weniger als eine kaum Anwesenden waren bei der Ausarbeitung verhüllte Nebellion der Heimwehren cincs nationalsozialistischen im Regierungslager. Die Heimwehr seht jetzt ganz Putschplanes für den 30. Jänner. Die Polizei verhaftete alle und brachte sie zur Staats­polizei.

Unter den verhafteten Heimwehrführern befin det sich der niederösterreichische Landesführer Aberti, der engste Mitarbeiter Starhembergs. Alberti war noch gestern abends von den Heim wehren zum I u st iz minister außersehen worden. Auch der frühere Chefredakteur des offi­ziellen österreichischen Naziblattes, der hakenkreuz lerische Bundesrat Schattenfroh, wurde bei der Putschberatung verhaftet.

offiziell ihre nationalsozialistischen Verbindungs­Icute an ihre ersten Führerstellen.

Im Regierungslager herrscht über diesen völligen Auflösungsprozeß furcht bare Bestürzung. In den Abendstunden trat der Klub der Christlichsozialen   Partei zu einer Siyung zusammen in der, wie man hört, festgelegt wurde. daß unter solchen Umständen von einer Selbst­auflösung der Christlichsozialen Partei vor läufig nicht die Rede sein könne, da die Vaterlän­difche Front, für deren Kerntruppen man die Heimwehren hielt, nun eine durchaus unsichere Einrichtung wurde.

Schon die erste Untersuchung ergab, daß zwi­schen den Heimwehren und den Nazis außeror Die Regierung hat ausdrücklich verboten. dentlich weitverzweigte und offizielle Verbinüber die Vorfälle des heutigen Tages irgendetwas dingen beſtehen und es wurde notwendig, faft zu berichten und hat auch die An Ian b& tor alle maßgebenden niederösterreichischen Heimwehr- refpondenten gewarnt, einen Bericht an führer zur Polizei zu bringen. ihre Blätter zu geben. Bezeichnenderweise hat aber die Heimwehr selbst auch diesen Plan der Ne gierung bereits durchkreuzt, indem sie am späten Abend ein offizielles Partei- Kommunique aus. fandte, in welchem die Verhaftung Albertis we­gen der Zusammenarbeit mit Frauenfeld   und die

Der Heimwehrführer Alberti wurde bis zun: späten Abend auf der Polizei zurückbehalten, dann wurde er auf freien Fußgesett und be. gab sich, gemeinſam mit Starhemberg  , zu einer Führersitzung. Dort wurde ein Referat über die

Nr. 10

Der Kampf um die Waffe

Vor der Antwort Berlins  

Niederlegung seines Führermandates parteioffi­Der Kampf um die Waffe ist noch nicht ant ziell zugegeben wird. Das politische Ergebnis aller diefer Ereignisse Ende, aber er ist bereits in seine Endphase ein. bedeutet die Klarstellung, daß nun hinter getreten. Die entnervenden, ermüdenden, ver­Dollfus offenbar überhaupt worrenen Verhandlungen von leyten Monaten ein Teil des österreichischen   Vol- und Wochen nähern sich ihrer legten Etappe. tes mehr steht. Das zwischen ihm und den Noc) der Jänner kann die Entscheidung brin Christlichsozialen seit langem schon schwere Span- gen, vielleicht sogar die endgültige Entschei nungen bestanden, ist bekannt. Als seine treuesten dung. Wiederum wird die Aussprache direkt zwi­Anhänger hat er die Heimwehren ausgegeben, die sich nun als getarnte Nazis entpuppt haben. schen Berlin   und Paris   geführt, aber dies. mal anders als vor sechs Wochen, als Berlin  Oesterreichische Nazi wollen durch die direkten deutsch   französischen   Verhand­In die Tschechoslowakei  lunaen das Versailler Staatensystem aufloderr to die Verhandlungen in Genf   verhindern Wieder abgeschoben wollte. Die jetzigen Verhandlungen sind durch die Initiative Berlins   zustande gekommen, heute, vor ihrem Abschluß, hat Frankreich  ) die Initiative an sich gerissen. Frankreich   ſtellt Fragen und legt Bedingungen vor, Berlin   muß Antwort geben. Die französische   Initiative be ruht auf drei wichtigen Faktoren: dem Bünd­nissystem, der starken diplomatischen Position, der günstigen innenpolitischen Lage.

Im Laufe des Donnerstag ist wiederum eine aus 30 Personen bestehende Gruppe österrei­chischer Nationalsozialisten nach Ungarn   gekom men. Von den in Binta- Mindszent   internierten Nationalsozialisten haben einige das Ersuchen ge­stellt, nach Desterreich zurüdtransportiert zu wer­den. Sie wurden gestern vormittags freigelassen und von Grenzorganen bis zur österreichischen Grenze zurüdgeleitet.

Jänner amtlich mitgeteilt: Freitag, den 12. Jän Aus Bratislava   wird unter dem 12. ner, nach 7 Uhr früh, trafen in Petržalka   neun Mitglieder des Stremer freiwilligen Arbeitsla gers   ein, die Donnerstag, den 11. Jänner, nach ungarn   gefluchtet waren. Um 10 Uhr vormittags trafen weitere fünf Mann aus dem gleichen La ger ein. Alle 14 wurden auf dem Bahnhof perlu ſtriert und es wurde ihnen mitgeteilt, daß sie wie­der nach Ungarn   zurüdtransportiert werden, von wo sie gekommen waren. Drei von ihnen forder­ten selbst den Rücktransport nach Desterreich, die 11 anderen, darunter auch der Architekt Mater­na, wurden nach Ungarn   zurückgeschafft.

Abrüstungskonferenz Henleins Mitarbeiter verhaftet

nächsten Freitag

Simon unterrichtet Henderson

Haussuchung bei Henlein

Brag, 12. Jänner. Fast alle engeren Mit arbeiter Henleins wurden verhaftet und dem Streisstrafgericht in Prag   eingeliefert.

London  , 12. Jänner.  ( AR.) Der britische  Außenminister Sir John Simon stattete gestern dem Vorsitzenden der Abrüstungstonferenz Hen derson in dessen Wohnung einen Besuch ab und informierte ihn über die gegenwärtige Lage, die Der Verhaftung gingen Haussuchungen iv sich aus den nunmehr auf diplomatischem Wege der Wohnung des Herrn enlein in Asch und im Zuge befindlichen gleichzeitigen und ergänzen in der Zentralstelle der Sudetendeutschen   Heimat den Bestrebungen" ergibt. An dem Besuch betei- front in Eger   voraus. Es wurde viel Materid. ligte sich auch der Direktor der Abrüstungsabtei- beschlagnahmt. Darunter war die Einladung z lung beim Völkerbund A g h ni de 3. Im Laufe einer Sizung aller engeren Mitarbeiter Henlein  der Besprechungen informierte Henderson den bri- in cinem Holleschowißer Gasthaus. Einige Mits tischen Außenminister über die Nachrichten, die er arbeiter Henleins fanden sich am vergangeney in der Frage angemessener Garantien für die Mittwoch dort ein und wurden verhaftet. Es han. loyale Durchführung der Abrüstungskonvention delt sich um Oskar Stuhn, Dr. Stöllner und erhielt, worüber er auf der Konferenz referieren um Henleins Pressechef Dr. Sebetowski aus wird. Henderson deutete an, daß er wahrscheinlich Eger  . Außer diesen drei Leuten wurde im Zu am Dienstag nächster Woche aus London   abreisen sammenhang mit der Strafsache gegen Dr. Wal­werde. Er wird seine Reise in Paris   unterbrechen ter Brand der Direktor des Deutschpolitischen und dann am Mittwoch die Weiterreise nach Genf   Arbeitsamtes. Herr Ernst Sundt, verhaftet antreten. Henderson hofft, daß das Büro der Ab- Kundt war mit dem verhafteten W. Brand eng be­rüstungskonferenz am Freitag wird zu einer Sits sung zusammentreten fönnen.

Sie fürchten die Leiche des Zeugen!

Der Leichnam van der Lubbes muß in Deutschland   bleiben.

den die Auslieferung der Leiche van der Lubbes nach Holland   verweigert haben. Man will den

Reichsbischof bei der Gestapo  

sonderer Stampf. Er enthüllt auf die gröbste Der Kampf um die Waffe ist ein ganz be­Weise die gewaltsamen Konsequenzen und Hin tergründe der fascistischen Außenpolitik. Die Waffen sind die letzten Mittel der Außen­politik, aber wir sind bereits so weit, daß der Kampf um die Waffen zur Vorausset 3ung und treibenden Kraft der fascistischen Außenpolitik geworden ist. Der Fascismus braucht die Waffe, zunächst um den außenpoli tischen Druck, den er ausüben kann, zu stei­gern, dann, wenn das nicht genügt, direkt sic anzuwenden. Aber ob ihm die Waffe gestattet wird, ist wiederum eine außenpolitische Frage, die Frage nach der Unterstützung durch Ver bündete und Gönner. Die Frage steht brutal und offen: wer isoliert wen? Hitler   will Frank reich durch die direkten Verhandlungen mit Bo­len, durch die Fühlungnahme mit Italien   und England isolieren. Frankreich   will die Kräfte­lagerung vom 15. Oktober einen Tag nach Sit lers Bruch in Genf   herstellen, als, allerdings Die amtliche Meldung besagt: nur wenige Tage, gegen deutsche Aufrüiſtungs­Im Zusammenhang mit der Untersuchung der forderung und außenpolitische Methoden die ge­Strafsache Dr. Walter Brand   und Genossen, die schlossene Front stand. Die Beſtätigung der trafbarer Sandlungen nach Paragraphen 2 und 17 Unterstützung durch) Belgien   und die Kleine Sebekowsky, wohnhaft in Eger  , als verdächtig Entente liegt bereits vor. Inzwischen haben And, wurden verhaftet und in die Haft des Kreis- auch Roosevelt   und Litwinow   gesprochen. Rovic­rafgerichtes in Prag   eingeliefert: der 30jährig velt bat unmißverständlich von kriegslüsternen JUDr. Köllner Friedrich, wonhaft in Prag   VII, Störungsfrieden gesprochen und von den durch S. i 115 u Smalionny, der 29jährige Seuhn Oskar, wohnhaft in Prag   N. 2.283 Perucká, der die Führer" verführten Nationen. Litwinom  87jährige Ernst Sundt, wohnhaft in Prag  - Podol: war noch deutlicher. Er hat Hitler   und Neu R. 2.259 und der 28jährige JUDr. Wilhelm rath   das ungarische Verhalten vorgeworfen und Sebetovstu, wohnhaft in Eger  , als verdächtig Stellung gegen die Revision der Verträge ge strafbarer Handlungen nach Paragraphen 2 und 17 nommen: des Gesetzes zum Schuße der Republik  . Das be­schlagnahmte, Material wird geprüft und die Unter­michung fortgesetzt."

feande und ist als einer der geistigen Urheber der Henleinbewegung zu bezeichnen. Beide waren Mitglieder des Kameradschaftsbundes.

auf rund 6000 geschäßt. Ihre gesamte Entsetzung dürfte einige Schwierigkeiten bereiten; es wird schivierig sein. 6000 Pfarrer zu finden, die dem Bischof genehm jind.

Verhaftete Pfarrer

Es sind auch solche Entwürfe einer ge­rechten" Revision bekannt, die die Befriedigung der territorialen Appetite der besiegten Staa­ten auf Stoſten ſolcher Länder vorausschen, die wie z. B. die Baltischen Länder oder die So­ wjetunion   mit dem Versailler Vertrag nichts zu tun haben und niemanden Ungerechtigkeiten angetan haben. Ich weiß nicht ob diese Vorstel Tung von Gerechtigkeit und Moral nicht viel­Teicht Hottentotten stammt, arischer Her­kunft ist sie jedenfalls nicht."

Berlin  , 11. Jänner( Inpreß). Der Reichs­bischof Müller hat in Hannover   den ersten Reichsbischof, von Bodelschwingh, getroffen, der bekanntlich auf Nazidrud Mitte des vorigen Der Petit Parisien", der dem Außenmini­Es wird bekannt, daß die deutschen   Behör- Jahres zurüdtrat. Die Aussprache hat kein poji­tives Resultat ergeben. Pfarrer Rzadtti aus Schneidemühl   ist im Man erfährt, daß Müller seit einigen Tagen Einvernehmen mit dem Geheimen Staatspolizei- fterium sehr nahe steht, berichtete in diesen Leichnam ohne Zeremonie in Leipzig   begraben. Sprechungen mit den Inspektor der Geheimen amt in Berlin   am Donnerstag in Schußbaft ge- Tagen, daß die Bedingungen, die Frankreich   in Dr. Diehls, führt. Es ist wahr- nommen worden, weil er sich ,, verantwortungs- der Abrüstungsfrage Hitler   vorschlägt, im Ein­Dies bedeutet, daß die Reichstagsbrandstifter scheinlich, das der Reichsbischof versucht hat, eine lose Angriffe" gegen einen hohen Staatsbeamten vernehmen mit der Stellungnahme nicht allein selbst den toten van der Lubbe noch fürchten. Er staatliche Intervention im Stirchenstreit durchzu- hat zuschulden kommen lassen. Der evangelische der Tschechoslowakei  , Belgiens   und Polens  , ſon felbſt fonnte nicht sprechen, weil man ihn ver- drücken, die auf das Verbot des Pfarrnotbundes Pfarrer Bu eltemeier wurde von der Ges dern auch der Sowjetunion   formuliert wur giftet hat: aber sein toter Körper fönrte noch und damit auf die Erstidung der Opposition ab- heimen Staatspolizei verhaftet. Er hatte seiner den. Nach der Rede Roosevelts und Litwinows reden: er enthält Spuren des Giftes. Und darum zielt. Für den Augenblick hat er mit seinem Vor- Konfirmanden untersagt, den Hitlergruß anzu­schriev das führende radikale Blatt das darf er nicht über die Grenze. haben einen Erfolg nicht gehabt; die 1500 Pfar: wenden und Aeußerungen über den Stultusmini­ Deuvre: Wir werden gegen Deutschland  rer, die von der Kanzel den Protest gegen den ster Rust   getan, die als Beleidigung aufgefaßt durch die Sowjetunion   und Amerika unter­Reichsbischof verkündet haben und die entsprechend wurden. Der Domherr e Bler aus Stein­eines früheren Erlasses hätten suspendiert werden ach, bei Schweinfurt   wurde verhaftet und einem stüßt." Inzwischen ist ein großer Erfolg der müffen, zeigen sich nicht im mindeſten beunruhigt. Stonzentrationslager zugeführt. Der Vifar Jo- französischen Diplomatie auch auf dem Balkan  Die Zahl der Pfarrer, die die Autorität des ſeph Stelle aus Traunstein   in Oberbayern   zu erwarten, wo der Beitritt Bulgariens   zum Reichsbischofs nicht anerkennen, wird gegenwärtig ist auf Grund einer Predigt verhaftet worden. Balfanpaft bevorsteht, wodurch sein Austritt aus

Die holländische Regierung hat allerdings durch ihren Berliner   Gesandten die Auslieferung des Leichnams verlangt. Es ist aber nicht zu er warten, daß die Reichtstagsbrandstifter diesem Segehren nachtore nwerden. Sie schten allzu­viel aufs Spiel.

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