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Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERECHEN MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGL CH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076.

14. Jahrgang

HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

Mittwoch, 24. Jänner 1934

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

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Gefängnis

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des Dritten Reichs

Dollfuss packelt mit Hitler! Unternehmer

und

Nr. 19

Berlin  , 23. Jänner.  ( Tſch. V.- 8.) Das Habicht war am 8. Jänner in Oesterreich   zu endgiltigen Verhandlungen! Vierzigstundenwoche

Berliner   Sondergericht verurteilte eine

amtin, welche in der Eisenbahn über die Der Plan verraten!- Dollfuß kompromittiert- Ein photographierter Brief schlechte Behandlung erzählte, der sie im Konzen­trationslager ausgesetzt war, zu neun Monaten Arrest.

Das gleiche Gericht verurteilte einen Ka u f= mann, welcher erzählte, daß er mit eigenen Augen gesehen habe, wie die Mitglieder der SA mehrere Juden ermordeten, zu acht Monaten Gefängnis.

Zu sechs Monaten Gefängnis wurde ferner cine 62jährige Lehrerin verurteilt, welche vor einigen Monaten die Behauptungen der offiziellen Kreise, daß Berlin   ,, von feindlichen Flugzeugen" überflogen worden sei, als plumpe Erfindung und als Hirngespinst bezeichnet hatte. Die Angeklagte verteidigte sich mit dem Hinweis darauf, daß fie national gesinnt sei und aus ciner Offizier& familie stamme. Ihrer Berteidigung trat der Staatsanwalt mit folgenden Worten entgegen: Es ist an der Zeit, daß die Gerichte energischer gegen bestimmte Kreise einzuschreiten beginnen, die sich bewußt werden müssen, daß es nicht genügt, national zn sein, sondern daß sie nationalsoziali- stisch sein müssen oder dem neuen Staat wenig­tens günstig gesinnt sein müffen.

Neue Verhaftungen

Im Zusammenhang mit den verschärften Vorgehen der Geheimen Staatspolizei gegen die illegale sozialdemokratische Parteis und Jugend­arbeit sind, wie die Internationale Sozialistische Jugendkorrespondenz meldet, in Berlin   zahlreiche SAZ- Funktionäre, darunter auch alle früheren leitenden Funktionäre der Sozialistischen Arbeiter­jugend verhaftet worden. Unter den Ver­hafteten befinden sich Genosse Gustav Weber, Redakteur der Arbeiter- Jugend", Genossin käte Fröhbrodt, Sekretärin im Hauptvorstand, Genosse Friz List. Sefretär im Hauptvorstand, Genossin Erna Schlingmann, Mitglied des Hauptvorstandes, und Genosse Willi Schlawe, Angestellter im Vorstandsbüro. Der Geschäfts­führer des Verbandes, Genosse Frik Ohlig, ist feit Juni 1933 in Haft. Er wurde bei der Goeringschen Weihnachtsamnestic" nicht berüd­sichtigt, sondern er befindet sich weiter im Konzen­trationslager Brandenburg. lleber den unmittel baren Anlaß zu den neuesten Verhaftungen ber weigert die Geheime Staatspolizei   den Angehöri gen der verhafteten Genossen iede Auskunft.

Saarzentrum

leistet Widerstand Saarbrüden, 28. Jänner.  ( Inpreß.) Die

gleißgefſchaltete, Saarbrüder Landeseitung

gibt dem Unwillen der katholischen Bevölkerung des Saargebiets dadurch Ausdruck, daß sich

pgegen die biusta babuen bes Best

ländischen Hitler- Jugend" wendet und die Gleich­schaltung der katholischen Jugend ,, als undisku tabel zurüdweist". Interessant ist auch, daß der ebangelische Pfarrer Juhl aus Barmen auf einer Konferenz der Saar  - Pfarrer unter allge­meiner Zustimmung erklärte, das Aufgehen der cbangelischen Jugend in der Hitler- Jugend   sei ein Versailles des evangelischen Jugendwerkes".

Kleine Entente   In Belgrad Belgrad  

, 23. Jänner.  ( Abale.) Die Außen­minister der Kleinen Ententestaaten, Dr. Beneš, Titulestu und Jevtic sind mit ihrer Begleitung. nachmittags um 13 Uhr 30 in Belgrad   eingetrof­fen. Auf dem Bahnhof wurden sie von führenden Beamten des jugoslawischen Außenministeriums, fowie vom Personal der tschechoslowakischen und rumänischen Gesandtschaft und zahlreichen Jour­nalisten begrüßt.

Wien  , 23. Jänner.  ( Eigenbericht.) Welch gefährliches Doppelspiel die Regierung Dollfus in Oesterreich  ) treibt, wird nun erst bekannt, da man erfährt, was in den letzten vierzehn Tagen hinter den Kulissen der österreichischen Politik vorgegangen ist.

Die Züricher Zeitung", ein durchaus bürgerliches Blatt, weiß in ihrer Sonntagsnummer zu berichten, daß Dollfn dringliche Versuche gemacht hat, um noch in den allerlegten Tagen eine Einigung mit den Nationalso­zialisten in Berlin   zustandezubringen. Diese Versuche seien lediglich daran gescheitert, daß die Nationalsozialisten die Verwaltung des Sicherheitsressorts in Oesterreid) verlangt haben, so daß die österreichische Exekutive vollkommen unter den Befehl des Hitler­Fascismus gekommen wäre. Das Züricher   Blatt weiß sogar, daß bereits ein österreichi­scher Staatsmann mit einem maßgebenden deutschen   Delegierten in einer kleinen Landstadt Niederösterreichs   zusammentreten wollte, um über die Beilegung aller Konflikte zu beraten. Die in der ersten Jänne rwoche erfolgte Freilassung Frauen­felds finde ihre Erklärung dadurch, daß man die geeignete Atmosphäre für diese Verhand lungen schaffen wollte.

Nun erfährt unser Wiener   Korrespondent, daß die Verhandlungen mit Berlin   von Dollfus bereits im November aufgenommen wurden. Damals fuhr der österreichische Instizminister Schuschnigg   nach Berlin  , um dort im Auftrage der Regierung Verhandlungen anzuknüpfen. Es wurde ihm bedeutet, daß Hitler eine Prestige- Frage daraus mache, daß solche Verhandlungen nicht ohne Habicht geführt wür den. Hitler habe sich auch bereit erklärt, Habicht zu diesen Verhandlungen Vollmachten zu erteilen. Jener deutsche Staatsmann, von dem das Züricher   Blatt berichtet, war tatsäch­lich Habicht, der am 8. Jänner gemeinsam mit dem deutschen   Gesandtschafts- Sekretär Waldet Pyrmontbereits im Flugzeug auf der Reise nach Oester­ reich   war, wo in dem niederösterreichischen Ort Pöchlarn   die endgültigen Beratungen zwischen Habicht und dem österreichischen Delegierten Schuschnigg   stattfinden sollten. Im lesten Augenblid, während das Flugzeug bereits über österreichischem Boden war, erfuhren maßgebende christlichsoziale Politiker von diesem Plan. Sie wandten sich an Dollfus und drohten mit dem Anffliegen eines politischen Skandals, falls diese Verhandlungen tat­fächlich geführt würden. Dollfuß   blieb nichts anderes übrig, als den Sektionschef des Außen­ministeriums, Hornbostl, anf den Flugplatz in Aspern   zu schicken und Habicht mitteilen zu lassen, dieser müsse leider nach Deutschland   zurückkehren, da die Verhandlungen unter diesen Umständen nicht stattfinden können. Das Flugzeng kehrte auch sofort nach Regensburg  zurück, Habicht fuhr von dort nach Berlin  . Waldek- Pyrmont reiste mit der Bahn nach Ber­ lin  , wo er bekanntlich zwei Tage später auf Drängen christlichsozialer Kreise in der Woh­nung des Naziführers Frauenfeld verhaftet wurde. Es ist interessant, daß bei dieser Verhaf­tung bei dem Heimwehrführer Alberti ein Brief vorgefunden wurde, in dem ihn Dollfuß   ausdrücklich zur Führung der Verhandlungen mit den Nationalso­zialisten bevollmächtigt. Dieser Brief wnrde von der Polizei beschlagnahmt, Alberti aber erklärt, er sei Gottscidank vorsichtig genug gewesen, um das Schreiben photographic­ren zu lassen. Er habe einige Stopien in Sicherheit gebracht und werde dafür sorgen, daß sie in nächster Zeit publiziert würden.

Man kann aus all diesen Ereignissen ersehen, wie ernst der sogenannte Appell Dollfuß   an die Arbeiterschaft zu nehmen ist!

Alexandre der Große

Neuer Hundertmillionen- Skandal in Paris  Hunderte Beamte und Offiziere mitschuldige Opfer

Wir hatten vor kurzem Gelegenheit, mit einem unserer bedeutenderen Industriellen über die gegenwärtigen Wirtschaftsprobleme zu spre­chen. Er mußte zugeben, daß er unter den obwal­tenden Verhältnissen kaum eine Möglichkeit sehe, eine Gesundung der Wirtschaftsverhältnisse her­beizuführen und meinte schließlich, daß der ein­zige Ausweg in der Einführung der 24- Stun denwoche bestehe. Dann könnte ein großer Teil der Arbeitslosen wieder in den Produk tionsprozeß eingegliedert werden, es würde die ungeheure Belastung der öffentlichen Sand ver schwinden, welche durch die notwendige Arbeits­lofenfürsorge verursacht wird, die besonders bei dem weitgehenden Exportausfall schwer ins Ge wicht fallende Inlandskaufkraft würde gehoben und ein großer Teil der wirtschaftlichen Schwie­rigkeiten könnte so beseitigt werden.

Man wird zugeben, daß diese Auffaffung durchaus richtig ist. Umso überraschender wirkt es daher, wenn man die Praxis der Unter­nehmer auf diesem Gebiet verfolgt. Da über­wiegt allenthalben das Bestreben, die gegenwär tig zulässige Höchstarbeitszeit zu überschreiten und die gewerkschaftlichen Organisationen der Arbeiter müssen mit Hilfe der staatlichen Ston­trollorgane einen ständigen Kampf gegen die un­erlaubte und oft auch unhonorierte- Ueber­stundenarbeit führen. Hat ein Betrieb etwas Ar­beit, so besteht seine Hauptsorge darin, sie so rasch wie möglich) fertig zu bringen, ohne sich dabei allzu sehr an die vorgeschriebene Arbeits­zeit zu halten. Ist der Auftrag erledigt, so wer­den die Arbeiter einfach wieder auf die Straße geworfen oder günstigstenfalls von der Arbeit ausgesetzt, wobei man die Fürsorge um die Er­haltung ihrer Eristenz der Allgemeinheit über­läßt. Es ist einleuchtend, daß ein solches Vor­gehen vom Profitstandpunkt des Unternehmers genommen das denkbar vorteilhafteste ist. In je türzerer Frist eine Arbeit zu Ende geführt wird. desto günstiger die Kalkulationsbasis. Man kann eine weitgehende Senkung der Regiekosten her beiführen, die sogenannten sozialen Lasten" werden auf ein Minimum gesenkt, die Betriebs­fosten werden je Produktionseinheit verringert und da die Unternehmer an die Arbeitslosig feit nicht die geringste Risikoprämie zu zahlen haben, so können sich für sie aus einer Verlän gerung der Arbeitszeit unter gleichzeitiger Stei­gerung der Zahl der Arbeitslosen höchstens Vor­teile ergeben. Für die Masse der Unternehmer ist das natürlich eine Fehlrechnung, weil auch

sie

durch die Belaſtung des Staatsbudgets und

mit den Ausgaben der Selbstverwaltungskörper für betroffen

Paris  , 23. Jänner. Das Interesse an dem Fall Stawisty ist heute dem Interesse an dem gestern verhafteten Bankier George Alexandre gewichen, dessen Betrüge­reien bekanntlich auf 200 Millionen Franken geschäst werden. Alexandre, der aus Nancy   stammt, befaßte sich während des Krieg es und nach dem Kriege mit allen möglichen Geschäften, namentlich in der Konfektionsbranche, welche lettere er en gros betrieb, und be­gann gleichzeitig Anleihen hauptsächlich für Beamte und Angestellte gegen hohe Zinsen zu vermitteln. Aus diesen kleinen Geschäften schuf er bald die sogenannte Be­amtenbank und verschiedene Kreditgesellschaften und Gesellschaften, die sich mit Grund­stückhandel beschäftigten. Ihr Kapital war größtenteils fiktiv. In den Verwaltungsräten sei­ner Unternehmungen befanden sich Personen mit klingenden und vertrauenswürdigen Na­men. Alexandre führte umfangreiche Geldtransaktionen und Spekulationen durch und schrieb sogar auch große Anleihen ans, von denen eine 150 Millionen Franks betrug. Unter den Personen, die ihm im Glanben auf die Vertrauenswürdigkeit seiner Unternehmungen ihren Namen zur Berfügung stellten, werden drei Deputierte, 18 Präfekten oder Generalsekretäre von Präfekturen, 30 Stenerborstände, 100 Steuer­beamte, 12 Gerichtsvorstände und an 50 hohe Gerichts- und Polizei beamte, 2 Staatsanwälte, hunderte Offiziere niw. genannt.

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eins el te Unterſenter fiebt iedod dieje

volkswirtschaftlichen Schäden nicht, sondern be­urteilt die ganze Frage einzig vom Standpunkt der Rentabilität seines Betriebes. Selbst jener bernünftige Unternehmer, von dem wir ein­gangs sprachen, denkt nicht im Traume daran, die von ihm vertretene Theorie etwa in seinem Betriebe anzuwenden, sondern auch er behilft sich in zahlreichen Fällen mit einer Verlänge rung der Arbeitszeit, mit Sonntagsarbeit und dergleichen.

Wenn wir das Problem so stellen, so er­gibt sich schon die hauptsächlichste Schwierigkeit, die unter den gegenwärtigen Verhältnissen einer Verkürzung der Arbeitszeit entgegensteht. Es ist des ins Maßlose getriebene Sonkurrenz tampf der Unternehmer, welche besonders in der jetzigen Krisenzeit mit allen Mitteln ihre Betriebe zu halten versuchen. Da sie gegen die wirtschaftliche Uebermacht der Kartelle nicht an­tommen, ebenso wenig gegen die Ausplünderung

Die neue Skandalaffäre wächst en festgenommen worden war, wurde gestern noch durch die Banken, an den überhöhten Startell.

cin anderer Bantdirettor namens Karl Neu

Heute nachmittags wurden die beiden Mini­fter Dr. Beneš und Titulescu   einzeln vom König bon Jugoslawien in Audienz empfangen. Noch preisen und Zinssätzen also nicht rütteln kön­heute abends verlassen Dr. Benes und Titulescu Paris  , 23. Jänner. Außer dem Bantier Ge- burger wegen Betrügereien und Veruntreuun- nen, wenden sie ihre Bemühungen der Linie des Belgrad  . Sie begeben sich gemeinsam nach Su botica. Von dort jetzt Dr. Beneš die Reise nach orge Alexander, welcher gestern wegen Be- gen in der Höhe von vier Millionen Franken ver- geringsten Widerstandes zu. Der findet sich heute bei den Arbeitern. deren Kraft durch die Aus­

Brag. Titulescu die Reise nach Bularest fort. trügereien in der Höhe von zwei Millionen Fran- haftet.