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Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Oesterreich

Dienstag, 6. Feber 1934

erhebt Klage in Genf  Einstimmiger Beschluß des Ministerrates

Wien  , 5. Feber.( AN.) Der Bundeskanzler hat für heute einen anßerordentlichen Ministerrat einberufen und diesem das Material vorgelegt, das den Stonflikt zwischen dem Deutschen Reich und Desterreich anbetrifft. Der Ministerrat hat in mehrstündiger Beratung alle Unterlagen gründlich geprüft.

Unter dem Einbrnde des umfangreichen und schwerwiegenden Tatsachenmaterials hat der Ministerrat nach eingehender Anssprache einstimmig beschlossen, den Bundeskanzler zu ermächtigen, die ihm notwendig und dienlich erscheinenden Schritte zum Zwecke der der deutschen   Regierung bereits angekündigten Befassung des Bölkerbundes zu un­ternehmen.

heimwehrterror verschärft

Ueberfall auf die ,, Innsbrucker Volkszeitung" auf Befehl eines Plattenbruders

Wien  , 5. Feber.( Eigenbericht.) Die Lage in Tirol wird von Tag zu Tag dhaotifcher. Die Zustände im Laufe des heutigen Tages brachten den Beweis, daß die Wiener   Zentralregie­herrscht voll­

rung überhaupt nicht mehr in der Lage ist, das Land zu beherri abfvida das

Land, wenn auch noch nicht staatsrechtlich, fo both moralisch bereits mit Hitler- Deutschland gleichgeschaltet ift.

Heute wormittag brang eine Bande von 70 Heimwehrpolizisten, von zwei Offizieren ge­führt, in das Drudereigebäude der sozialdemokratischen Innsbruder Bolkszei tung" ein, verhaftete dort vier Redakteure und stürmte die Räume der Druderei, wo sie tech­nische Einrichtungen vernichteten und den Sak einer in Druck befindlichen sozialdemokratischen Proflamation zerstörten.

In wenigen Minuten hatte sich die Nachricht von dem Sturm auf das sozialdemokratische Par­teigebäude in der Stadt verbreitet und die Ar­beiter in den Betrieben, die davon erfuhren, schick= ten fich an, die Maschinen zu verlassen.

Die reguläre Polizei, die von dem beginnen ben Streik unterrichtet wurde, fuhr nun mit einem Ueberfallanto zum Gebäude der Bolls. zeitung und verhandelte dort mit ihren Heim­wehrkollegen, wobei sich herausstellte, bak die Heimwehr ohne jede Legitimation das Gebäude gestürmt hatte. Die Heimwehrler erklärten, fie hätten den Auftrag zu diesem Einbruch von dem Heimwehrführer Benz bekommen.

Benz ist einer der berüchtigsten Raufbolde und Messerstecher Innsbruds, der Führer einer bekannten Verbrecherplatte, der schon wiederholt wegen Einbruchsdiebstahls und Raufhandel vom Gericht verurteilt worden ist!

Mißhandlung

von Sozialdemokraten

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 30

Ter Heimwehren, Dr. Ernst Fischer, ein zwei, fig sei in Tirol noch alles beim Alten. Das Land ter Vertreter der Heimwehr  , Ing. Herbert Pich werde den Boden der Legalität nicht verlassen. Ler, der Obmann des Tiroler Bauernbundes, die Verfaffung müsse respektiert werden. Arnold, der Obmann des Jungbauernbundes Pen und ein Vertreter der ostmärkischen Sturmscharen 2, a chner; ein Vertreter der Ar­beiter(?) wird noch ernannt werden.

Haẞrede Starhembergs

Gegen Demokratie und Sozialdemokratie

Sonntag gab es in Innsbruck   einen Heim­wehrappell.

Was die Kompetenz dieses neuen ,, autori­tären" Landesausschusses betrifft, so erklärte der Tiroler Landeshauptmann Dr. Stumpf dem Berichterstatter der ,, Stunde", daß der Ausschuß Starhemberg   erklärte, seit sich gezeigt habe, nicht als Rebenregierung, sondern als Be- daß das Schicksal Oesterreiche mit dem Heimat­ratungsorgan gedacht ist. Demgegenüber schus untrennbar verbunden sei( armes erklären die Heimwehrführer, daß der neue Lan- Desterreich!), hätten die Heimatschüßler auch be besausschuß mit dem Landeshauptmann an der sondere hte und seien entschlossen, von ihnen Spige mit weitreichenden Vollmachten ausge- auch rüdichtslos Gebrauch zu machen. Es sei an stattet und die bisherige Landesre- der Zeit, wenn sichtbare Zeichen fämen, daß das gierung suspendiert werden wird. Programm vom 11. September auch durchgeführt Eine diesbezügliche Entschließung sei noch werde. Man brauche nur Ordnung zu machen und nicht getroffen worden und sei Sache des Bunder ganze Nazirummel werde aufhören. Wenn deskanzlers Dr. Dollfus. man aber verspreche, Schluß zu machen mit den

Auch einem Redakteur der Wiener   Allge- Parteien und andererseits bedeutende Stellen, wie meinen Zeitung" gegenüber erklärte Dr. die Stadt Wien  , rot verwaltet werden Stumpf, daß die Angelegenheit des Tiroler Lan- und wenn diese Bolschewiken auch weiterhin in den desausschusses noch nicht definitiv geregelt ist; er verschiedenen Landesregierungen igen, wie solle werde jedenfalls feine Exekutivgewalt, sondern dann die Bevölkerung an die Erneuerung nur eine beratende Stimme haben. Vorläu- glauben?

Tiroler Volkspartei

verurteilt Fascismus

Bon der Leitung der christlichsozialen kür und der Karrution I und Tiroler Boltspartei wird namens der Tor geöffnet werden.

durch sie vertretenen Organiſationen ( Bauernbund, Arbeiterbund und chrift liche Gewerkschafien) festgestellt:

Die in den letzten Tagen in Tirol machtvoll eingesetzte Erhebung des Tit ler Volkes richtet fi gegen den allenthalben versuchten Terror der Nationalsozialisten und war eine gewaltige Ver­trauenskundgebung für den Kanzler Dr. Dollfus. Im Laufe der Aktion wurde von radikaler Seite versucht, die Richtung dieser Bewegung gegen die Landesregierung, gegen die fünf Jahrhunderte alten Tiroler Landesrechte und ge­gen die Tiroler Bolkspartei zu wenden.

spielen fich flandalöse Borfälle mit der Heim­Aber auch in anderen Gegenden von Tirol Die Leitung der Tiroler Volkspartei erklärt, wehrbesatzung ab. In Mattenberg wurde die daß sie geschlossen hinter dem Landestazler. dem Berichterstatter der Innsbrucker   Bolkszeitung Ge- Landeshauptmann und den von ihr in die öffent­hoffe dan ek von Heimwehrlern auf der Straße lichen Körperschaften entsandten Funktionäe stehe. überfallen, in ein Heimwehrlokal geschleppt und scifierun- sbestrebungen lehnt bort solange mishandelt, bis er bewußtlos liegen die Tiroler Boltspartei auf das blich. Die Gendarmerie teilte über diesen Vorfall entschiedenstea b, weil dadurch der Will­mit, Danek sei von der Heimwehr  , stra fweife mikhandelt" worden, weil er Artikel für die Innsbruder Bolkszeitung geschrieben habe, in de­nen die Heimwehr angegriffen wurde.

In Innsbruck   selbst wurde der sozialdemo­fratische Funktionär Bodkrowsky von Heim­wehrlern in ein Heimwehrlokal gefchleppt. Dort

Noch eine vernünftige Stimme

In Beißenbach an der Triesting fand gestern eine Versammlung der dortigen Funktionäre der christlichsozialen Partei statt, in welcher der Minister a. D. STY mann u. a. erflärte:

Die christlichsoziale Partei müsse unter allen Umständen fortbestehen bleiben. Allerdings könne fie den Kampf für die Zukunft Desterreichs nicht allein führen. Wir müssen uns, erklärte Stollmann, auf eine breitere Basis ſtellen und uns einer großen Front angliedern.

Die sozialdemokratische Partei ist nicht tot. Diese Partei hat bei den letzten Wahlen 42 Prozent der Stimmen auf sich vereinigt. Wenn sie sich jetzt ruhig verhält und abwartet, so gebe man sich feinen Täuschungen hin. Sie ist eine Partei von Bedeutung, mit der reale Polititer rechnen müssen.

Die Arbeit im Brüxer Revier

Im vollen Umfang wieder aufgenommen

Da die Polizei nicht stark genug war, mit Brachialgewalt mit ihren Heimwehrkollegen fertig wurde er gefesselt und man flößte ihm Risi- Bei den samstägigen Verhandlungen, zu Anders dagegen die Kommunisten. 3 werden, verlegte sie sich aufs Verhandeln. Nach nusöl ein. Nachdem er länger als eine Stunde denen das Revierbergami Brür die Betriebsräte Ihnen lag daran, wegen dieser lokalen Streitig einer halben Stunde gelang es ihr endlich, die in der Gewalt der Heimwehr gewesen war, kam der Schächte Zentral, Kolumbus und Herkules so­Heimwehren zum Berlassen der Druderei zu ver- endlich die reguläre Bolizei, holte ihn ab nnd ver­anlassen. Das sozialdemokratische Blatt fonnte urteilte ihn noch zu fünf Tagen Arrest, weil er dann mit Hilfe von Noteinrichtungen am Nach- während der Mißhandlungen die Heimwehr­mittag wieder hergestellt werden. Silfspolizei beschimpft(!) habe.

Die Besetzung Innsbrucks   hält an

3 um

Die Lage in Tirol ist im Augenblick der art, daß es ganz unmöglich ist vorauszusehen, was sich daraus entwickeln soll. Die Regierung wollte anscheinend gestern abend den Putsch Stillstand bringe it, weil sie für ihre bevorstehende Intervention beim Böller­bund einen offenen Putsch in Desterreich nicht brauchen kann. Tatsächlich sind auch im Laufe der Nacht von Sonntag auf Montag einige hundert Heimwehrleute von Innsbrudabtrans­portiert worden. Im Laufe des heutigen Tages und Abends find aber auf vielen Autobussen alle abtransportierten Heimwehrler wieder nach Innsbruck   zurückgebracht wor= den, wo sie neuerlich ihre Quartiere beziehen.

Man hat den Eindruck, daß auch innerhalb der Regierung volle Uneinigkeit über die Fortführung oder Liquidierung des Heimwehrputsches besteht und daß die Heimwehrfascisten ganz planlos einmal von der einen Gruppe nach Hause geschickt und dann wieder von der anderen Gruppe zum offenen Butsch vorwärts getrieben werden.

Autoritärer" Landesausschuss Landeshauptmann   will Legalität bewahren?

Sonntag spät nachts sandten die Tiroler gigen 2andesausschusses stattge Heimwehren ein Stommuniqué aus, in dem er- geben und den neuen Landesausschuß für Mon­Märt toird, der Landeshauptmann von Tirol habe tag vormittags zu seiner ersten Sigung einberu der Forderung der Heimwehren nach Einsetzung fen. Dem neuen Landesausschuß gehören an: eines von den Parteien unabhän Der Stellvertreter des Landesführers der Tiro­

usw.,

feiten den Revierstreit zu entfachen und schon zu wie die Vertreter der Unternehmer eingeladen hat- Beginn der Verhandlungen brachte der fommuni ten, fam es zu einer Einigung, derzufolge die Ar- stische Sekretär Malif zwölf Forderungen vor, beit am gestrigen Montag in vollem Umfange wie über die verhandelt werden sollte, wobei zu den der aufgenommen wurde. Die Bergbehörde gab bisher aufgestellten noch einige neue hinzugefügt Zusicherungen, daß sie den Unzufömmlichkeiten auf wurden, u. a. die Erhöhung der Bergarbeiterlöhne den Gruben sofort energisch nachgehen werde und um 20 Prozent, Sanierung der Bergarbeiterber­in fürzester Zeit die Forderungen nach Entfer- jidherung und Erhöhung der Renten. Berkürzung nung des Betriebsleiters Ing. Mayer und des der Arbeitszeit auf sechs Stunden täglich. Sistie­Schichtmeisters Reismüller vom Kolumbuss rung der Regierungsverordnung vom 13. Dezem ichacht und alle Streitigkeiten zwischen Beiriebs- ber 1933 über die Verlängerung der Verträge rat und Werksleitung vereinigt werden würden. im Bergbau bis zum 30. April, Siftierung der Die Vertreter der Unternehmer versicherten, daß Regierungsverordnung vom 23. Juli 1933 über sie die Streitschicht entschuldigen und bei der näch die Verlängerung des Staatszuschusses zur Ar­Sten Auszahlung einen Vorschuß von 100 für beitslosenunterstüßung nach dem Genter System Verheiratete und 60 für Ledige über Ansuchen gewähren wollen, red in wöchentlichen Raten von 5 vom Lohn abgezogen wird. Weiters hinter­Tegen sie, wenn Montag die Arbeit aufgenommen wird, beim Ministerpräsidium den Betrag von 100.000 als Spende für die Waisen bis zum 16. Lebensjahre nach den Opfern der" Nelson" Statastrophe. Ueber die Zusammenlegung der bei­den Schächte Kolumbus   und Humboldi wird eine Sachverständigentommission des Ministeriums für öffentliche Arbeiten, welche bereits Samstag Vor­mittag diese Gruben inspizierte, entscheiden. Die Vertreter der Vertragsorganisationen und die ihnen angehörigen Betriebsräte nahmen diese Ber­einbarung zur Kenntnis und versicherten, den Be­legschaften die Aufnahme der Arbeit zu empfehlen, um sie vor weiteren Schaden zu bewahren.

Der Vorstand Dr. Volenil belehrie Herrn Sekretär Malit, diese Forderungen an fompetenter Stelle einzubringen. Den Kommunisten lag jedoch weniger an der Erfüllung dieser Forderungen, sondern mehr daran, die Verhandlungen zu ver eiteln. Zu dieser Ansicht schienen sich auch die kom­ munistischen   Betriebsräte schon durchgerungen zu haben, denn ihrerseits reagierte fein einziger nur mit einem Worte auf die von Malit vorgebrachten Forderungen und trotzdem neben Malit auch der kommunistische Sefretär Sebla čet die Abma­chungen für unzureichend erklärte, und sie von ihm den Belegschaften nicht zur Annahme empfohlen wurden, ist die Arbeit heute in vollem Umfang

aufgenommen worden.