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Sozialdemokrat"

Dienstag, tretet 1034 9fr. SV

PRAGER ZEITUNG

.k:_ on<>U«« mühte erst darüber streiten, ob der Eindruck durch ei <tQ^ÖUtC einer[UnjCIt JJlUttCt Kunstwerk mit solchen Mitteln erkauft werden dar

Vorträge

Eröffnung der ersten Schwurperichtspertode:

Kunst und wissen

Aus der Partei

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Die Arbeitervorstellung am 4. Feber brachte den Besuchern ein paar vergnügte Stunden. Wie gern gaben sie sich der Mozart'schen Musik hinl Wie froh stimnrten diesePetit RtenS", wie erfreuten sie sich am Anblick der graziösen Tänzerinnen I Und wie ergötzten sie sich dann am«eingebildeten Kranken" und den von seiner Einbildung lebenden Aerzten und an der Natürlichkeit rmd Schlauheit seines

Feuerwehr holt Tobsüchtigen vom Dach. Sam.ftag gegen'-1 Uhr wollte sich in Älarov der K i e in p n e r g e h i l f c F. F. vor die her an fahren de Straßenbahn werfen. Er wurde aber von einem Polizeibeamten recht» zeitig zurückgerissen. Jetzt fing F. an zu toben. Man brachte ihn auf das nächste Poli­zeirevier, dock dort rückte er wieder aus, flüchtete in ein Haus und hinauf bis zum Dach. Nun mußte die Feuerwehr cingreifen und den Toben­den von seinem luftigen Platz entfernen. Man ließ F. von einem Arzt untersuchen, der die vor­läufige Internierung des Klempnergehilfen in einer Irrenanstalt anordnete.

Gin XoveÄurle« TRörfter der Levenelsefüyettn

ö- Tod des Neugeborene« im Keller Ein Fall, der die ganzen sozialen Nöte und M i ß st ä n d c u n se r e r Zeit widerspie­gelt, hat sich am Samstag in den Weinbergen ereignet. Dort gebar eine junge, er st 1 6 jäh- rige Hausgehilfin im Keller, der zur Wohnung ihrer Arbeitgeber gehörte, ein Kind. Kurz vor der Niederkunft, von der niemand etwas ahnte, schleppte die Bedauernswerte Kohlen aus dem Keller. Als sie dann nickt mehr zurückkehrte, ging die Frau deS Hausverwalters, um nach ihr zu sehen. Im Keller fand sie die Hausgehilfin fast ohnmächtig einKind im Arm. Es war wenigeSckunden vorher zur Welt ge- tcnnmen. Dec herbeigenifene Arzt stellte jedoch fest, daß das Neugeborene bei seiner Ankunft be­reits tot Ivar. Da der Arzt die Todesursache, nicht sogleich angebcn konnte, ist an der KindeSkeiche gerichtliche Obduktion angeordnet worden. Mit aller Energie bestreitet die Sechzehnjährige jedoch, an dem Neugeborenen ein Berbrechcn verübt zu haben.

Fra » Lessing , die WiUve des in Maricnbad tragisch dahingegangenen Prof. Theodor Lessing , hält im Rahmen derDeutsche» Gesellschaft für sitt­liche Erziehung in Prag " am Mittwoch, den 7. Feber, halb 8 Uhr abends, imFranenfortschritt", Krakov- skä 21, einen Vortrag überJührertum und Selbst­verantwortung in der Erziehung". Eintritt frei. An­schließend Wechselrede.

I ein ,, darf oder nicht, oder ob alles, IvaS auf einen Beschauer w i r k t, Kunst ist. Und außerdem ist Thiele ein wunderbarer Meister des Details, der eS aus diesem Punkt heraus schon sehr verständlich macht, daß er mit den jüngsten Kunstrichtungen nichts gemeinsam haben kann. 1902 wird Prof. Thiele als Lehrer an die Pra­ger Kunstakademie berufen und beginnt eine segens­reiche Lehrtätigkeit. Weite Reisen innerhalb seiner Prager Zeit bringen neben heimischen Motiven (tftrgebirgübildern fremdländische Landschaften: Griechenland , den Orient, Italien , Portugal , Tunis . Daneben einige virtuose Porträts und zarte Hand­zeichnungen. Ein großer Könner, ein ernster Künstler und«in tiefer Mensch zeigt hier die klare und einfache Ent­wicklung seiner künstlerischen Persönlichkeit. Und diese Persönlichkeit ist wert, daß man sie kennt, selbst wenn sie dem Heut« nicht mehr ganz nahe steht. R. F.

Tode wurde Basler aber auSgeheilt und erschien heute vor den Geschworenen. Der Angeklagte wird von den Zeugen als exzentrischer Mensch»ad Sonderling geschildert und eS mag wohl viel Wahres an dieser Meinung sein. Basler hatte vorher mit einer ge­wissen Marie KrauS eine Ehe geschlossen,. die nach kaum zweijährigem Bestände ein überaus tra­gische» Ende fand. Am NeujahrStage 1926 er­tränkt« fick seine Gattin samt ihrem kleinen Söhnchen in der Elbe bei Ncrato- witz, wo der Angeklagte, wohnte. Dtr Witwer machte später die Bekanntschaft der Eisenbabnerwitwe Karoline B a r ä k und lebte siebenJahre mit ihr in Lebensgemeinschaft. Von einer Eheschließung sah man deshalb ab, weil die Baräk nach ihrem verstorbenen Mann eine W i t« wen Pension von 700 Ui monatlich bezog, die sie nicht durch die neue Eheschließung verlieren wollte. Nach Aussagen der Zeugen hatte die LebenS - ' geführt!» BaslerS kein gutes Leben, da er infolge seiner jähzornigen Natur zu Gew alt« ' tätigkaiten neigte und sich auch regel» ' rechte Mißhandlungen seiner Leben«» - gefährtin zuschulden kommen ließ. ' Schließlich verließ sie ihn und ließ damit ' auch daS ihr gehörige Häuschen in TiSice bei Nera- tvwitz im Stich, das sie ihrem Lebensgefährten zur Hälfte überschrieben hatte. Basier soll sich über diese Flucht seiner Lebensgefährtin sehr gekränkt haben. Jedenfalls kaufte er einen Revolver mit zwanzig Patronen eine Tatsache, die als Indiz für den Mordvor-

S. I. l. Dienstag, 8 Uhr im Heim Närodni 4, Gedenkfeier für Karl Liebknecht und Rosa Luxem­ burg . Freie Brrrinlgmig so;. Akademiker. Donnerstag, den 8. Feber, beteiligt sich di« F. P. S. A. an dem Gnippenabend der 2. I. 8. Montag, den 12. Feber 6 Uhr Ausk-^ußlitzung. Donnerstag, den 18. Feber Mitgliederversammlung um halb 8 Uhr. Anschließend Leseabend.

Vcrelnsnadiriditen Deutsche Volksstnggemeinde Prag . Nächste Probe Dienstag, den 6. Feber. Mit Rücksicht auf die Programmvorbereitung ist es Pflicht aller aus­übenden Mitglieder, pünktlich zu erscheinen.

s a tz schwer in die Waagschale füllt. Etwa vierzehn Tage nach ihrer Trennung von Basler kaui die Da­rät aus dem Nachbarort H a d i l o v i e e, wo sie eine Stelle als Haushälterin angenommen hatte, am 4. September v. I. nach T i ä i c e, um dort den Geldbriefträger zu erwarten, da ihre Witwcnpension noch an die alte Adresse angewiesen worden war. Sie hielt sich zunächst nur in der Wohnung der Mietspartei auf, welcher ein Teil des Häuschens vermietet war. Später ging sie in die anstoßenden Wohnräume DasierS, die zur Zeit leer standen, wo sie auf dem Tisch ihre Photogra­phie stehen sah, auf die Basier die Worte geschrieben hatte:Meine teuere K a r l al" Sie nahm die Photographie mit und zeigte sie der Mieterin, die ihr riet, diese Widmung abzuwaschen. Die Baräk folgte diesem Rat aber nicht und wollte die Photographie unheschädigt wieder an ihren Ort stel­len. Inzwischen war aber Basier in die Wohnung gekommen. Die Zeugen hörten, wie gleich, nachdem le Baräk die Wohnung ihres ehemaligen Gefährten betreten hatte, von innen der Riegel vorge­schoben wurde. Sie hörten einen lauten Hilfe- nif. Dann krachte« schnell hintereinander mehrere Schüsse. AIS die Gendarmerie eindrang, fand man die Baräk mit vier tchwerenSchußwunden tot auf. Basler lag mit einem schweren Schläfenschuß bewußtlos auf der Erde. Er würde, wie erwähnt, nach schwerem Krankenlager wiederhergestellt. Bei der heutigen Verhandlung bekannte er sich im Tatsächlichenschuldig. Er ersiärte aber, im Verlaufe eines heftigen Streites und in hochgradiger Aufregung zur Wafte gegriffen zu haben und sich an keine Einzelheiten niehr zu er­innern. Durch die Indizien ist allerdings der Mordvorsatz sehr wahrscheinlich geworben. Die Geschworenen bejahten nach langstündiger Ver­handlung die Schnldfrage aus gemei­nen Mord mit allen zwölf Stim- m e n, worauf der SchwnrgerichtShof den Angeklag­ten zum

Sport»Spiel Körperpflege Der Verband der tschechischen Arbritertonriften hielt am Sonntag, den-1 Feber, in G e r s d o r f bei Komata » feinofe Kongre ß, verbunden mit ski- sportlich el»W ettkämpfen ab. Die Er­gebnisse der Tagung, sowie der Wettkämpfe wel­che durch den gefrorenen Schnee etwas litten sind als zufriedenstellend zu bezeichnen, lieber 200 Dele­giert« und Wettkämpfer waren anwesend, unter ihnen ein« große. Anzahl von Vertreter» der Natur­freunde. und de- Atns. Die Ergebnisse der Skiwettkämpfe sind: 25 Kilometer(Männer-: 1. Prikryl(DTJ. TauS) 1:14:57(1); 2. Porcal (Arbeitertouristen Komotau) 1:18:26. IS Kilo­nr e t e r(Männer): 1. Silhavy(Arbeitertouristen Prag ) 84:12; an 4. Stell« Keckstein(Natursremchei 57:45. 6 Kilometer(Frauen): 1. Fran- kovä(Arbeitertouristen Komotau) 80:20; auf dem 5. Platz Drexler l Naturfreunde) 36:50. 4 K i- lometerHindernislauf sirr Männer: Prikryl(DTJ. Taus) 23:35; 2. Stanek(Arbeiter­touristen Prag ) 25:33; ferner 5. Rotte(Natur­freunde) 26:10, 8. Teißler(Naturfreunde) 27:27. Erwähnenswert bei diesem Lauf ist, daß auch ein 1 Sokolsportler(I) daran teilnahm. Das 6-Ki- lometer-Laufen für Jugendliche gewmm Sada(Arbeitertouristen Komotau) in 25:80. An > 5. Stelle kam Keckstein(Atui) in 80:22; 6. wurde Görg(Naturfreunde) in 80:80 mid 10. Sacher (Naturfreunde) in 38:28. Der erfolgreichste Sportler war Prikryl(Taus), der zwei Wett- läinpfe absolvierte und die ersten Plätze besetzte.

Tod durch den Strang verurteilte.

Frau Carpen tier als seine Liebespartnerin, vorzüglich in kleineren Aufgaben Fr. Bertram. Fr. Reiter und die Herren Reiter, Aida und Bauer. Als musikalischer Leiter des Abends zeich­nete sich Paul K o m l o s durch Temperament und rhhthmische Straffheit aus. Das zahlreich erschie­nene Publikum unterhielt sich sehr gut. E. I. Wochenspielplan deS Renen Deutschen Theaters. Dienstag halb 8 Uhr: Tango um Mit­ternacht, A 1. Mittwoch 7ist: Boris Go­ dunow , B 2. Doimcrstag 7%: Zu ebener Erde und erster Stock, neuinszeniert, C 2. Freitag 7j-i: Figaros Hochzeit , CykluS IV. DI. Samstag 8: Wallensteins Tod, Schülervorstellung, 8: Zu ebener Erde und e r st e r Stock. A 2. Wochenspirlplan der Kleinen Bühne: Diens­tag 8 Uhr:W e i ß e r Fl i e d e r". Mitt­woch 8 Uhr:Andere Seite". Donners­tag halb 8 Uhr:Katz im Sack". Freitag 8 Uhr:Andere Seite"(auch freier Verkauf), Kultrirverbandsfrennde. SamStag 8 Uhr:Katz im Sack".

Prag , 5. Feber. Heute wurde die erste Schwur- gerichtsperiode dieses JahreS, die über zlvei Wachen dauern wird, mit der Verhandlung einer Ansiage wegen Mordes an derLebenSgefähr- t i n eröffnet. Der Verhandlung präsidierte OGR. Kaut e, die Ansiage vertrat Staatsanwalt Dr. K ä b r l e. Angeklagt ist der 42jährige Eisenbahnangestellte

Ausstelluno Vros(?ranr Dktele Julius B a f l e r. der am 4. September v. I. P ro T- O*««»^qicie I fdn(. Lebensgefährtin Karoline Baräk erschos. Pros. Franz Thiele , der seit 1902 an der Pra- f e""nd sich selbst durch einen Schläfenschuß schwer ger Akademie als Lehrer tätig ist, stellt im Kunst- Verletzt hat. Nach wochenlangem Ringen mit dem verein für Böhmen , nachdem er lange Zeit hindurch'* pausierte, wieder aus. An Hand der ausgestellten Werke kann man fast die ganze künstlerische Ent ­wicklung des heute 66jährigen verfolgen. Da haben wir zunächst auf der frühesten Epoche des Künstlers Porträts. Landschaften und Zeich ­nungen. Der nächste SchaftenSahschnitt erfreut durch farblich schön« Jtalienbilder in Oel und Aquarell. Hier schon ist der Kampf des Nordländers, des küh ­len, verftandeSmaßig die Dinge betrachtenden Men ­schen gegen den phäütäsievouen Ueberschwang deS Südländers im Bild selbst enthalten. Ein Kampf, den der Kiinftler dauernd mst sich selbst auSfocht und der sich fast zu deutsch in vielen seiner Werke wi­derspiegelt. Endlich begrüßt man mit Freude die schöneDame im Grünen". auS der modernen Gale ­rie her wohlbekannt. Ein Werk aus dem Jahre 1898, eines seiner ersten Gemälde, in dem Prof. Thiele durch meisterhafte Technik und siare Farbengebung sich festlegte. p AuS der Wiener Zeit deS Künstlers stammt«ine Fülle von Landschaftsbildnissen, wie dieKornernte" und die Landschaften aus Anticoli. Wunderbar und vielleicht der Höhepunkt seines Schaffens daS Bild der rothaarigen Helena. Mag sein, daß die seelische Wirkung dieses und der aus der nachfolgenden Zeit in gleichem Stil gemalten Bilder nur sehr an dec Oberfläche liegt; vielleicht ist die Wirkung auf den Beschauer fast nur durch einen Trick erkauft. Aber dieser Trick liegt in der Komposition der Farben, im krassen Gegensatz dessen, was man sich stark, kraft ­voll und bewegt denkt, zu dem fast krankhaft-bläßlich» tarblosen, baS man vorfindet. Eine meisterhafte Um ­kehrung der gefüblsgewohnten Werte. Und man

Dienstmädchens! So sehr jedem der zeitliche Abstand zwischen MoliärS Welt und dem Heute bewußt war, so willig ließ auch jeder d«S Dichters prachtvolle Menschen, seine herzerfreuende Satire auf sich wir­ken. ES gab viel Heiterkeit«nd viel Beifall und keinen unzufriedenen Besucher dieser Vorstellung. fb Katz im Sack"(Kleine. Bühne). Die Geschichte eines Winter-Weekends" nennt LadiS» jauS S z i l a g h i dieses Zwitterding von Operette und Posse, dasKatz ün Sack" heißt, well ein ver­meintliches Provinzgänschen an einen Sportnarren ungeschaut, also alsKatz im Sack" verkuppelt wer­den soll. Daß sich das Provinzmädel dann als resches und fesches Sprühteufelcken entpuppt, das inkognito, also wieder alsKoch im Sack" den Sportnarren bekehrt und für ein richtiges happy end sorgt, ist der Kern de« zwar nicht neuen und originellen, aber immerhin unterhaltenden Lustspieles. Die Musik da­zu hat Michael Eisemann geschrieben; Operet­tenmusik der Schablone und von bescheidener Ersin» düng, die in den künstlerischen Mitteln ebenso Primi» tiv wie gewöhnlich ist und nur selten die Gabe des Komponisten offenbart, witzig und satirisch zu sein. Gespielt wurde daS Werk dank der siotten Regie­führung Walter T a u h S und im Rahmen einer von ihm bewirkten ebenso originellen wie geschmack­vollen Inszenierung ganz ausgezeichnet. Blendend in der temperamentvollen Wiedergabe ihrer Verwand» lungSrolle als Provinzmädel und Sportgirl Edith d'A m a r a, voll erheiterndsten Humors und auch als Sänger überraschend gut Walter T a n b in der Rolle eines Pseudo-Fürsten, elegant PadlesakalS der rekordsüchtige Sportnarr, diskret humorvoll D ö r» n e r als zweiter Liebhaber,, charmant und schneidig Boris

Godunow Zar ErslaaliOhraml In Prager Deutschen Theater 1885 wurde ModestPetrowitfchMuf- sorgöky im russischen Karew geboren, wurde Ossizier, widmete sich dann der Musik, kehrte, weil er aus materieller Not seine Studien nicht voll» enden konnte, zum Militär zurück, komponierte tvei» ter/ erlebte 1876 die Uraufführung seiner größten OperBoris Godunotv" am Petersburger Kaiser­lichen Theater, ohne daß ihm dmiernder Erfolg ge» gönnt tvar, und starb 1881 in grenzenlosem Elei>d. Nicht eimal das aber erfährt man aus ge» wissen Handlexika der Musik, die für Mussorgfkh ge­nau fünf Zeilen übrig haben. Aber trotz der er­barmungswürdigen Zünsler, die sich zuFührern" durch die Musilwclt machen, Iveiß man heute allent­halben, daß Mussorgfly der wahrscheinlich genialste unter allen russischen, vielleicht unter allen siawi- schen Musiken:, daß er Bahnbrecher derNeuen Musik" überhaupt war, ja daß er als revolutionärer Gestalter seines.Musikalischen VollSdramaS"Bo­ris" vor mehr als einem halben Jahrhundert eiy Kunstwerk schuf, das vielleicht mehr als irgendein anderes dieser Art einer sozialistischen Auffassung vom Schicksal, von der Bewegung und Sendung der Masse nahekam. Dem neuenBoris Godunow" hatte in Rnß» land alles zngejubelt, was dort freiheitlich, tvas dort revolutionär gesinnt war. Vergessen warS, als Mufforgsty starb. Fünfzehn Jahre später brachte Rimsky- Korssakow das Werk zu neuem Leben und für Westeuropa überhaupt erst zum Leben, durch eine Bearbeitung und Instrumentie­rung, die dank ihrer fachlichen Qualifikation und ihrer Glätte den: Werk allmählich die Bühnen auch

außerhalb Rußlands öffnete. Dmnit hat sich Rimsky- Korssakow ein großes Verdienst erworben man spielt auch heute noch denBoris" nur in dieser Fassung; vor ein paar Jahren hat die deutsche Funk­stunde unter Malko denBoris" in der Urfassung herausgebracht man hat aber sonst nirgends Lust, auf das Original zurückzugreifen, weil, nun weil die gelernten Musiker meinen, daß dem Kompo- sisionS»Analphabeten" Mussorgfly nur durch Korssa­kow geholfen werden könnte. Mer was groß und genial an diesem Werk ist, was es als einzig in seiner Art erscheinen läßt, das ist die Handschrift deS in der tiefsten Erniedrigung verkommenen Schöp­fers, des Mannes, der mit Herz und Hirn der nanienlosen Masse, dern Riarthrium des russischen Volkes angehörte und der, um Neues zu gestalten, natürlich die alten Mittel verschmähte, bewußt ver­schmähte. Die großartige Primitivität seinerBo­ris"-Musik entspricht der Sicherheit und Glut seiner Empfindung vom Wollen und Leiden der Entrech­teten, ber Mißbrauchten, der Erbitterten; der Kind­lichkeit des russischen Wesens, das es so schwer Hatte, Mann, zu werden, es nun aber herrlicher geworden ist, als Mussorgfly es zu träumen vermochte. Mufforgsky schöpft aus der Bosisweise, aus der Kirchenmusik, auS allen tänzerischen, wehmütigen, grotesken um» rührenden Begabung des Volks; aus Lyrik und Symphonik, aus den» geschlossenen Musik­stück und der Findung eines musikdramatischen Stils, aus hundert Farben, ungewöhnlichen Rhythmen, aus der Feierlichkeit der byzaniinischen Kirche, den Elft­ladungen eines empörten Volks, der musikalischen Vermenschlichung des-arischen Einzelschicksals, unter dem Millionen stöhnen, Ivird ein eigener nationaler Stil, wird die nationale musikalische Tragödie des russischen Volks und müßte ein Standardwerk der Weltopernbühne werden. Wieder Ton malt das unendliche Rußlmid und seine jahrhundertelange Unterdrückung; man kann keine Vorstellung von der

Wirkung de» Werke« geben, indem man Einzelnes hervorhebt: die grandiose Zareuhymne(dieSonnen­hymne" der Arbeitersänger), das Ammenlied, das Klatschhändchenduett, di« Mönchsballade, Mazurka und Polonaise und gewaltigster Höhepunkt den Revolutionsakt, der nicht seinesgleichen hat in der ganzen Opernliteratur. Kraft und Schönheit, Größe und Erschütterung geht von dem ganzen Werk auS wie von dem wunderbaren Porträt, das Repin von Mussorgfly gemalt hat. Die Aufführung am Prager deutschen Theater ist ein großer Wurf; ist die überzeugendste kollektive Leistung in.dieser Spiel­zeit. Man müßte jeden Chorsänger, jeden Mu­siker,.jeden Arbeiter nennen, um sie voll zu würdigen. Bor allem hat hier Opernchef S z c 11, wie immer prachtvoll. unterstützt vom Chordirektor Schmidt, hervorragende Arbeit geleistet, am.Pult hingcgebener Diener am Werk. RenatoMordo stellte neuer­dings vollgülttg unter Beweis, daß wir eine« Gast­regisseurs im keinem Falle bedürfen: insbesondere bie Massenszenen Ivaren unübertrefflich gestaltet. Professor P i r ch a n half mit durchwegs interessan­ten, originellen Bühnenbildern, von denen das des Kreml und der Volkserhebung stäicksten Eindruck auslösten; eine Mariniertheit an anderen Stellen soll nur vermerkt, nicht getadelt werden.. Richtig entstand, durch die Zusammenwirkung aller der Geist des Mussorgskyschen Werkes(mif dem Urgrund des P u s ch k i n's chen Dramas): Massen« Tragödie, Schicksal eines ganze»» Volles. Daß die Hanblung um 1600 spielt, daß der Ursupator Boris Godunow unb seine Schuld als Kindesmörder Kri- stallisationSpunkt ber Handlung ist, der Aufstieg des falschen Dimitrij, die intrigante Liebeshandlung, der Machtwille der katholischen Kirche das alles wurde richtig zur Illustration des größeren, tieferen Geschehens um das Leiden des russischen Volkes; am einprägsamsten vielleicht der Epilog zur Revo-

lutton mit nachfolgender Huldigung für den neuen Zarewitsch : der Dlödsinnige. der auf leerer Szene erkennt, daß daS Leiben kein Ende bat.... Ans diesem Hiniergrnnde erwuchs riesenhaft an Gestalt unb Gestaltung der Boris des Herrn Kam­mersängers Theodor Scheid!; musikalisch fein abgewogen, erschütternd als Vater, grauenerlveckend als Despot, packend als reuiger Sünder, grandios im Sterben eine Gipfelleistung, die um fo bedeutender erscheint, als sie sich so hoch noch über ein allgemein bedeutendes Niveau erhob. Den Dimitrij sang und spielte Herr Adolf Fischer sicher und nattirlich, die Marina dec Fran Rose Pauly wirkte durch schauspielerische Stärke; be­sonders wirkungsvoll aber der Jesuit Herrn Han« HotterS durch eindringliche Darstellung und phänomenale Tongebung, die einen ganzen Massen­chor überragt. Prächtige Figuren die Bettelmönche der Herren Hey und Hotter; durch schönen, lveichen Gesang und durch den Grad technischer Be­herrschung machte Herr Bender als Chronist aus sich ausmerksmn, obivohl er die Partie erst in letzter Stunde übernommen batte, llngemein sympathisch die Amme der Frau K i n d e r m a n n, durch Ge­gensätzlichkeit von starkem Reiz der Feodor Frau Eisinger» ein rührend-zerbrechlich-unschul- digeö Kindlein neben dein riesenhaften Vater Zar Scheid!«. Bon den vielen anderen seien noch ver­merkt: Adolf Fuchs sicher und erfreulich in drei kleinen Partten, Herr Masäk erst noch in Kon­turen, gesanglich wie darstellerisch, der Intrigant Schulski, dann noch H a t t e m e r , Hagen, Fräulein R o b n e, Fran S ch i l'. Der Erfolg war nngelvöhnlich groß; es herrschte ehrliche Begeisterung im Haus es wäre aus« innigste zu wünsche», daß sie sich noch recht oft wie­derhole und daß derBoris Godunow" nicht mehr aus dem Spielplan verschivinde. L G.

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