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Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076.

14. Jahrgang

HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

Donnerstag, 8. Feber 1934

Rücktritt Daladiers

sadje aus Maschinengelvehren. Dem" Petit Pa­rifien" zufolge sollen mehrere tausend Schüsse abgefeuert worden sein. Zahlreiche Verwundete wurden ins Café Weber" in der Königsstraße ges bracht. Das Café turde amtlich ausgeräumt und in ein ambulantes Hospital verwandelt, wo den Berleßten

Um weiteres Blutvergießen zu vermeiden en bie erſte Hilfe zuteil wurde. Die Leicht­

Paris, 7. Feber. Die blutigen nächtlichen Demonstrationen in den Pariser Stra Hen, die einschließlich der Verletzten, die heute in den Pariser   Spitälern gestorben sind, über 20 Tote nnd Hunderte von Verletzten forderten, haben hente den Rüdtritt der Re gierung Daladier herbeigeführt.

Nach Beratungen mit den Vorsitzenden der Kammer und des Senates sowie nach einer Rüdsprache mit Leon Blum   und Herriot   überreichte Daladier   um 14 1hr dem Präsi denten der Republik seine Demission. Journalisten gegenüber erklärte Daladier, die Regie­rung, die für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung verantwortlich sei, wolle zn feinen außerordentlichen Maßnahmen greifen, wie z. B. zur Alarmierung des Heeres. Sie wollecin weiteres Blutvergießen vermeiden und habe sich deshalb zum Rüdtritt entschlossen.

Doumergue   übernimmt Kabinettsbildung

Der Präsident der Republik hat am Nachmittag den ehemaligen Präsidenten der Republik Don mergne ersucht, die Kabinettsbildung zu übernehmen. Donmergue war bereits vor der Bildung des Kabinetts Daladier   in der Vorwoche, die Ministerpräsident­schaft angeboten worden; er hatte sie jedoch mit Rücksicht auf sein Alter sowie auf den Ilm­stand, daß er derzeit feiner parlamentarischen Körperschaft angehört, abgelehnt.

Doumergne, der unweit von Toulouse   auf einem Landgut lebt, lehnte anch hente zu­nächst aus denselben Gründen ab. Erst nach wiederholten telephonischen Gesprächen mit dem Präsidenten Lebrun verstand sich Doumergne am Abend zur Uebernahme der Kabinetts­bildung. Er wird mit dem Abendschnellzug von Toulouse   nach Paris   abreisen, wo er Don­nerstag früh cintreffen wird.

Doumergue   will eine sogenannte ,, Regie rung des Waffenstillstandes zwi schen den Parteien" bilden.. Er hat jedoch dem Präsidenten einige Bedingungen gestellt, die er am Donnerstag des Näheren darlegen werde. Man ist der Ansicht, daß Doumergne das Budget erledigen und dann die Auflösung der kammer und baldige Neuwahlen

vorbereiten will.

Die Präsidenten des Senates und der Kammer beriefen demnach eine Beratung aller ehemaligen Ministerpräsidenten ein und teilten dann am Abend Doumergue   folgende cinmütige Ansicht dieser ehemaligen französischen   Ministerpräsi­denten mit:

,, Gaston Doumergue   ist mehr als sonst iemand zur Verwirklichung der Aufgaben geeignet, welche das Land in diesen äußerst ernsten Augen­blicken von einem Regierungschef erwartet."

Eine der Bedingungen Doumergues war, daß die ehemaligen französischen   Ministerpräsidenten Man erwartet, daß Gaston Doumergue   die ohne Unterschied ihrer politischen Zugehörigkeit be- Mehrzahl der ehemaligen Ministerpräsidenten in fragt werden, ob sie seiner Ernennung zustimmen. sein fünftiges Kabinett nehmen wird.

Ueber 20 Tote und

Hunderte von Verletzten

170 Verletzte find auf Seiten der Demon­stranten, 180 auf Seiten der Polizei, 130 bei der Republikanischen Garde und 100 bei der Garde mobile zu verzeichnen.

Das Innenministerium gibt folgende Mit- gestoßen waren. Der große Einigkeitsplatz wurde teilung über die Verlustziffern der gestrigen sozusagen zu einer Art Hauptquartier   aller Mani­Kundgebungen bekannt: sechs Tote auf Seiten der festanten. Das Gebäude der Deputiertentammer Demonstrauten, sechs Tote bei der Republikani  - liegt gerade gegenüber und ist bloß durch die schen Garde. Die Leichen der letzten wurden von Seine und die Einigkeitsbrüde getrennt; diese den Demonstranten in die Seine ge- Brücke war durch Polizei und berittene republika worfen. nische Garde besetzt. Die Manifestanten steckten auf dem Play einige Autobusse in Brand und errich teten mehrere Barikaden. Gegen 20 Uhr fielen die manifestanten sodann plößlich die Brüde an, durchbrachen die Polizeikordone und stießen bis zur Kammer vor. Die berittene Garde vor der Einer Mitteilung der Zentrale der Pariser Stammer 30g nun blant und ritt nun auf Beschl Krankenhäuser zufolge, die um 11 Uhr vormit- mitten in die demonstrierende Menge hinein. Hier tags bekanntgegeben wurde, starben in den Hofpi- fielen auch die erſten Schüsse, anfangs allerdings tälern von Paris   10 Verlegte, 182 Verwundete hauptsächlich in die Luft. Der Zusammenstoß war befinden sich noch in Pflege; davon soll der Zn- crnft: Zahlreiche Verletzte blieben auf dem Erd­kand zahlreicher Personen zu ernsten Besorgnissen boben liegen. Die republikanische Garde schlug um Anlaß geben. 300 Berwundeten wurde in den 21 Uhr definitiv den Angriff der Manifestanten Krantenhäusern erste Silfe zuteil und nach dem zurüd, drängte sie auf den Einigkeitsplab zurüd Anlegen von Verbänden wurden sie in häusliche und jagte sie bis zur Königsgaffe und zur St. Pflege entlassen.

während die Schwerversvundeten ins Krankenhaus transportiert wurden.

Nach Mitternacht   war die Polizei Herrin der Situation auf dem Einigkeitsplaß und später auch in den übrigen Vierteln.

Die Manifestanten gehörten verschiedenen

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 32

Gegen die Korruption?

Stavisky- Skandal und

Reaktion

Die Unruheperiode, in die Frankreich  ) feit der Enthüllung des Stavisty Skandals geraten ist, hat am Tage, da sich die inzwischen zurüc getretene Regierung Daladier   der Kammer vor­Lagern an. Sie setzten sich aus Royalisten, stellte, ihren Höhepunkt in Straßenfundgebun aus der Patriotischen Jugend, Stugen erreicht, die geradezu bürgerkriegähnlichen denten, kommunisten, ehemaligen Front- Charakter annahmen. Royalisten, Patriotische kämpfern und dergleichen zusammen. Es scheint Jugend, Frontkämpfer, die Liga der Steuerzah jedoch, daß die Zahl der ehemaligen Frontkämpfer ler, die Coty  - Fascisten und alle anderen Fasci­verhältnismäßig fehr gering war und daß stengruppen und gemeinsam mit dieſem ganzen die große Mehrheit derfelben sich an dem Umzuge Seerbann der Reaktion die Kommunisten, batten nicht beteiligte. Viele derselben befanden sich ihre Anhänger mobilisiert und lieferten der Vo­aber unter den Zuschauern und den Neugierigen lizei förmliche Straßenschlachten. Die Nachrich auf den Straßen.

ten sprechen von 30 Toten und 600 Verletzten. Was sich da abspielte, ist sicher ein ernstes Zei­

Antifascistischer tiefen Erregung, in welche die

Front?

Kooperationsbestrebungen

auf der Linken

französische   Bevölkerung durch das Bekanntwer den der Betrügereien des Erzschwindlers Sta­visty und die von ihm vorgenommenen Beste­chungen von Beamten verjetzt ist.

Die sozialistische Partei hat eine Proklama- Soweit sich die Empörung gegen die Schul­tion erlassen, in der sie bekannt gibt, fic trete so- digen richtet, welcher Art sie immer sein mögen, fort mit der kommunistischen   Partei, mit dem All­gemeinen Arbeiterverband und dem tommunisti- it ſie begreiflich. Ein anderes ist, daß die fran zösische Reaktion aus der aufgepeitschten öffent­schen Arbeitsbund über die Verwirklichung einer gemeinsamen Uebereinkunst in Unterhandlungen, lichen Meinung Gewinn für ihre dunkeln Ziele damit jie gemeinsam derfascistischen zu ziehen sucht und zum Sturm gegen Parla Reaktion Widerstand entgegen= mentarismus und Demokratic bläst. Auch die zusetzen vermöchten. Fascisten der anderen Länder weisen höhnisch Das sozialistische Blatt Populaire" mit Fingern auf die Stavisty- Affäre hin, in schreibt, daß sich unter den Wanifestanten zahlrei der sie einen neuen Beweis für die Verruchtheit dhe Agitatoren befanden, die die Menge gegen die des demokratischen Systems, auf dem die Kor­Polizei aufgewiegelt hätten, ja, die selbst in die ruption blühe, gefunden zu haben behaupten. Luft zu schießen begannen, um dadurch eine Pa­nit herbeizuführen; diese Agitatoren trügen ein Großteil der Verantwortung für die gestrigen bln tigen Ereignisse.

Der Gewerkschaftsverband der Postangestell ten beschlon, auf den Post, Telegraphen- und Telephonämtern allgemeinen Streif zu proklamieren, wenn eine Regierung gebildet werden sollte, die die Demokratic er= drosseln" würde.

Wahr ist soviel, daß das Ereignis, das an Umfang sogar die Panama   Affäre übertrifft, einen Sumpf von Leichtfertigkeit, Bestechlichfeit. Verderbtheit in Justiz, Polizei, Verwaltung und in politischen Streisen enthüllt hat. Aber welch ein Unsinn, böswillig ausgeheckt, daß daran das parlamentarische System Schuld trägt! Nichts. destoweniger droht es, besonders jetzt, nach dem Beim zurückgetretenen Ministerpräsidenten Rücktritt Daladiers, das parlamentarische Sy­Daladier fand sich eine Delegation des Allgemei- stem Frankreichs   in eine ernste Serise hineinzu nen Arbeitsverbandes( CGT  ), der Zentralstelle treiben. Schon bisher war Frankreichs   Stellung der französischen   Gewerkschaftsorganisationen, un- in der Außenpolitit infolge seiner inneren Stala­ter Führung des Generalsekretärs Jouhaux   mitäten nicht unerheblich erschüttert und die ein, der Protest dagegen erhob, daß Daladier   Demokratie einer starten Erschütterung ausge­vor dem Aufruhr kapitulierte und zurüftrat, wäh- setzt, sie wird es jetzt nach dem wenig ruhmwollen rend andere Regierungen vor ihm dies nicht Abgang Daladiers noch mehr. taten. Unter diesen Umständen, erklärte Jouhour, werde sich der Allgemeine Arbeitsverband seine weiteren Schritte vorbehalten.

Neue Zusammenstöße vor dem Palais des Präsidenten

Daß die Nechtskreise und besonders die Fascisten als Anwälte der Moral und Ankläger der Storruption auftreten, ist eine Heuchelei. Es gibt fein Staatliches System, das unbedingten Schutz gegen die Sorruption gewähren würde. Paris  , die in dichtem Nebel lagen, wieder ruhig Frankreich  ), dem Lande einer der ältesten Demo Während Mittwoch morgens die Straßen von So offen man zugeben muß, daß gerade in waren, tam es während der Mittagsstunden fratien, weite Streise des Bürgertums ange neuerlich auf den Boulevards zu größeren An- fault find, Geldmacher und Industrieritter aller sammlungen, die von der Polizei zerstreut werden Art ihr Unwesen treiben und es dort unter den mußten. An einer Stelle wurde eine Gruppe von Gründungsschwindlern auch genug auf hoher ge­Deputierten von der Menge bedroht. Gegen Abend nahm die Spannung neuerlich sellschaftlicher Stufenleiter stehende Persönlich. zu. In den Straßen zwischen dem Place de la feiten gab und gibt, so weiß man doch, daß Kor­Concorde und dem Palais des Präsidenten der ruption auch schon vor der Demokratie überall Republik   fam es zu heftigen Zusammenstößen da war und daß fie um so üppiger wucherte, vischen Polizei und Manifestanten, die zum Brä- je autokratischer das Regierungssystem war und sidentenpalais zogen, um Lebrun durch eine Depu je mehr es gleich dem Fascismus die Möglich. Madeleine Kirche  . Die Manifestanten stedten jotation zu veranlassen, Doumergue   mit der Kabi feiten einer öffentlichen Meinung und Stontrolle dann das Einfahrtstor des Marineministeriums nettsbildung zu betrauen. Etwa 20 Verletzte drosselt. Den Staat zu plündern, sich auf seine mußten ins Strankenhaus eingeliefert werden. Die Sosten zu bereichern, aus Machtstellungen durch Manifestanten wurden zerstreut.

Das Bild der Dienstag Manife- in Brand, dod) fonnie dieser Brand alsbald ge­stationen zeigt sich in furzen Zügen wie löscht werden. folgt: Gruppen nationalistischer Jugend brachen Zwei Stunden hindurch waren die Manife Dienstag vom Rathaus aus auf, um durch die stanten bis 23 Uhr Herren des Einigkeitsplaẞes. Riboli- Gasse in Richtung zur Kaminer zu ziehen. In einem Augenblicke durchbrachen sie den Polizei­An ihrer Spike standen einige Pariser Stadtver- fordon, der die Gabrielgasse mit dem Balais ordnete. Zweimal wurden die Gruppen durch die Elysée verbindet und zum Innenministerium führt. Brüde kam es dann zum dritten schwereren Zu den Blättern zufolge mit Hilfe von Maschinen­sammenstoß, bei dem auch mehrere Stadträte ver- gewehren. Jest wurden. Die Manifestanten begaben sich so­Vor Mitternacht fielen die Manifestanten dann einzeln auf den Enigkeitsplatz, wohin am neuerdings die Bride an. G3 tam zu einem Abend auch die Studenten aus dem Quartier Latin   neuerlichen heftigen Zusammenstoß, bei dem wie sowie der Frontkämpferbund und die Kommunisten derum geschossen wurde, diesmal in der Haupt­

Advokaten gegen Frot

Im Justizpalast kam es am Mittwoch zu Demonstrationen von etwa hundert Advokaten, die die Streichung des Innenministers rot aus der Advokatenliste verlangten, weil er die Schuld an

den blutigen Vorfällen trage. Die Advokaten öffneten schließlich den Garderobeschrank Frots im Gerichtsgebäude, nahmen seinen Talar heraus und verbrannten ihn unter dem Absingen der Marseillaise  .

Wucher, Steuerpadit und Aemterkauf Profite zu ziehen, das war schon in den Uranfängen des modernen Sapitalismus Gepflogenheit. Ein neues goldenes Zeitalter ist für die Korruption mit dem Kriegsende angebrochen und kaum ein Staat ist von ihr verschont geblieben. In Deutschland   waren es der Lahusen- und der Stlaret Standal, in Desterreich u. a. der Kre­

ditanstalts- Standal, die als auffallendste Blüten des raffgierigen Nachkriegsgeistes einer gewis sen Bourgeoisie übelriechende Düfte ausstrahl­