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Sosialdemokra

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

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14. Jahrgang

Freitag,

9. Feber 1934

Nr. 33

Wien   ein Pulverfass! Die Köpfe rollen...

Große Polizeiaktion gegen das Parteihaus

Van der Lubbe hingerichtet! Beter Strauß in Desterreich an den Galgen geknipt. In Köln  starben unter dem Henkersbeil fedhs tommuni­

Ergebnislose Waffensuche tische Arbeiter. Im Ländchen Anhalt wurden

Plant Fey einen Sturm auf das Rathaus?

Wien  , 8. Feber.( Eigenbericht.) Während Bundeskanzler Dollfus bei politischen Besprechungen in Budapest   weilt, hat Vizekanzler en heute in Wien   und auch in der Provinz unter großem Aufgebot von Polizei und Militär eine Waffenfnche in sozialdemokra tischen Parteihäusern und Organisationen vornehmen lassen, die allerdings vollkommen er­gebnislos geblieben ist.

Sturmabteilungen der Wiener   Polizei, die bis an die Zähne bewaffnet waren, be jekten hente vormittags um acht Uhr das Parteihans in der Rechten Wienzeile, wo die ,, Ar­ beiter Zeitung  " und das Parteisekretariat untergebracht sind, sperrten die ganze Umgebung ab und nahmen eine Hanssnchnug nach Waffen vor.

In der Redaktion der Arbeiter- Zeitung  " wurden sämtliche Schreibtische durch­wühlt und nach Dokumenten gefndhht. Um halb 3 1hr nachmittags mußte die Polizei ergeb­nislos abziehen.

Um 6 1hr abends kamen 3 n m 3 weitenmal starke Polizeiabteilungen, die die Waffenfnche im Parteihaus fortsetten. Auch jetzt wurde nichts gefunden. Die zweite Hans­juchung dauerte bis 9 Uhr abends. Dann ließ die Polizei eine starke Wache im Haus zurück, die die Nacht über dort bleiben soll, und fündete qn, daß die Aktion morgen fortge­jett werden wird.

Alle Anzeichen denten darauf hin, daß es sich hier um einen entscheidenden Endschlag gegen die Arbeiter Organisationen handeln soll. Es wird in den Abendstunden auch bekannt, daß die Regierung alle Borbereitungen für eine Aktion gegen das Wiener   Rat hans bereits getroffen hat und zum Schlag bereit ist.

Ein amtliches Kommuniqué, daß in den Abendstnaden ausgegeben wurde, läßt über die weiteren Pläne der Regierung fanm einen Zweifel. Obwohl heute alle Waffensuchen vollkommen ergebnislos geblieben find, wird in diesem Kommuniqué auf eine Waffensuche in Schwechat   hingewiesen, die bereits vor längerer Zeit stattgefunden hat. Bei dieser Waffenfucje wnrden, wie die Regierung mitteilen läßt, eine Anzahl von Sprengkör­pern und Waffen gefunden.

Die Partei zum offenen Widerstand gerüstet!

Die sozialdemokratische Partei erklärt dazu, daß sie wiederholt im Parlament und in der Oeffentlichkeit die Erklärung abgegeben hat, daß die österreichische Arbeiterschaft be­waffnet iit nnd bewaffnet sein muß angesichts der Tatsache, daß die Fascisten, dic Monarchisten, die Heimwehr und die Nazi iu Desterreich bis an die Zähne in Waffenstecken und bereit sind, die Republik   zu zerstören.

Die Arbeiter können unter diesen Umständen nicht darauf verzichten, für Waffen vor­zusorgen, da es vielleicht notwendig sein wird, den Bestand der Republik   und ihre Unabhängigkeit mit den Waffen zu verteidigen.

Die Mitteilung der Regierung schließt sehr deutlich mit einer Warnung an die Ar­beiterschaft, worin darauf hingewiesen wird, daß die Regierung sich mit dem Plan trägt, eine jener Aktionen zu sehen, die die Sozialdemokratic, wie sie bereits eindeutig erklärt hat, mit dem Generalstreik und dem offenen Widerstand beantworten würde.

Wien   macht auch sonst den Eindruck einer Stadt, in der sich entscheidende Aktionen borbereiten. Im Laufe des heutigen Nachmittags wurde ans der Umgebung Gendar­merie nach Wien   zusammengezogen. Die Wachposten wurden aus den Straßen zu­rückgezogen und in den Polizeiwachstuben und Kasernen konzentriert. Auch die ge­jamte Wiener   Garnison des Bundesheeres ist in den Kasernen konsigniert.

jtehen.

Man hat allgemein den Eindrnd, daß entscheidende Tage und Stunden bevor­

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Bon 8 Uhr morgens bis halb 4 Uhr nach­

nach dreißig Jahren zwei Sinrichtungen au Kommunisten vollzogen. Aus allen Teilen Deutschlands   meldet der amtliche deutsche   Nach­richtendienst Hinrichtungen über Sinrichtungen. Hauses aufgräbt, um and dort nach Waffen zu Der gewiß nicht zart besaitete Magdeburger

wühlen.

Auch in anderen Orten Niederösterreichs   Henter Groepler hat nach verbürgten Nachrichten wurden ähnliche Aktionen unternommen. In ſein Amt niedergelegt, nachdem sich bei der Ere­Liesing bei Wien  , in Augersdorf und tution an den sechs kommunistischen Arbeitern Siebenhirten   wurden die Parteiheime eben furchtbare Szenen abgespielt haben, die selbst falls von Militär und Polizei besetzt und in einen Groepler erschauern ließen, der mehr als Siebenhirten   wurde ohne Angabe eines Grundes sechzig Hinrichtungen in seinem Leben voll. die gesamte sozialdemokratische Gemeinderatsfrak­30gen hat. tion verhaftet.

Der Henker rast. Jene furchtbare Zeit des Alle diese Suchen sind bisher vollkom= men ergebnis Ios geblieben. Nicht das ge- Galgenauffnüpfens und des Kopfabschlagens, ringste Material, weder eine Waffe noch eine Ba- die man das Privileg der französischen   Revolu trone ist gefunden worden, ebenso wie bei den tion nannte, ist wiedergekommen. All unser Waffensuchen, die vor wenigen Tagen in Drä- Rüstzeug, welches wir im Kampje gegen die sing bei Hohenan veranstaltet worden waren. Todesstrafe vor nicht allzu ferner Zeit benutt Audy dort wurden 13 Bertrauensmänner der Ar- haben, muß angesichts dieses Serienmordens ver beiterschaft verhaftet, obwohl nicht das geringste sagen. Stann man heute gegen die Todesstrafe in belastende Material gefunden werden konnte. Deutschland   und anderswo kämpfen, indem man Die Erregung der Arbeiterschaft über diese die Machthaber daran erinnert, daß die voll Aktionen des Herrn Feh wächst sichtbar von Stunde zu Stunde. In der Umgebung Wiens   in zogene Todesstrafe irreparabel ist? Genügt es, Liejing und Siebenhirten   sind heute sämtliche die Herren Goering   usw. darauf hinzuweisen, Betriebe stillgestanden, da dic, Arbeiter wie oft schon in der Geschichte der Justiz nach sich weigerten, die Arbeit anfzunehmen. Auch in Wien   haben während der Waffenfude int Partei heim zahlreiche Betriebe die Arbeit niedergelegt. Feys Greuelmeldung

gewiesen worden ist, daß ein Hingerichteter un schuldig war? Soll man an den Fall Jean Ca las erinnern, dessen Justizmord kein Geringe ter als Voltaire enthüllte? Soll man aus der jüngsten Vergangenheit den Fall des polnischen Landarbeiters Zafubomifi hervorholen? Soll man in Erinnerung rufen jene Fälle Dujardin, Hermann v. Dielingen und den Maurermeister, der der Zufall hat es gewollt--- nicht dem Hentersbeil ausgeliefert worden ist? Würde auf die Machthaber der Gegenwart, die ihren An­hängern glauben Stöpfe hinwerfen zu müffen. eine solche Beweisführung irgendeinen andern Eindruck machen, als daß sie sie abtäten als liberales Gewäsch", das nicht in die heutige Zeit passe? Oder würde es einen Zweck haben. auf das Rechtsgefühl eines englischen oder fran­ zösischen   Volkes hinzuweisen? Das französische Die Polizeidirefiion Bien hat in Zusammen Bolf, das im Falle Dreyfus, in leidenschaftlichem arbeit mit den zuständigen Behörden feſtgeſtellt, Stampfe sich selbst von der Schmach eines Justiz daß seit dem Spätherbst des vergangenen Jahres mordes gereinigt hat. Oder das englische Volf, der seinerzeit aufgelöste Republikanische Samybund wieder eine umfangreiche Tätigkeit entfaltet und das erst vor wenigen Jahren durch die ler Sla Waffen und Munition für eine gewaltsame Attion ter bewies, wie ausgeprägt sein Rechtsempiin­in großem Umfange bereitstellte. Daraufhin wurden iſt.

In diesem, sichtlich von Herrn Fey inspi­rierten Bericht, der dem Ausland offenbar das Gruseln ob der unerhörten Bürgerkriegsvorberei tungen der Marristen beibringen und gleichzeitig die Tatsache vergessen machen soll, daß die Fascis sten im Heimwehrfleid seit Tagen ihre schwer be­waffneten Abteilungen in allen größeren Orten ganz offen zum Putsch gegen die verfassungs­mäßige Staatsform konzentrieren und auch die Nazi- Fascisten seit Monaten tagtäglich beweisen. daß sie Bomben nicht nur haben, sondern auch ent­sprechend anzuwenden verstehen, wird u. a. gejagt:

den in Sch we a) at und einigen anderen nieder- Auch in einer solchen Beweisführung wür österreichischen Orten und schließlich auch in Wien   den wir weder auf die Herren des Dritten Rei Haussuchungen vorgenommen, die in den leisten ches noch auf die Massen einen Eindruc Tagen zur Beschlagnahme von Maschinengewehren, machen. Wenn wir darauf hinweisen würden, Gelvehren, Dunition, Handgranaten und Spreng daß die trodene Zahlenberechnung ergeben hat, stoffen führten. Die aufgefundenen Sprengförper,

von denen einige tausend Stück(?) beschlagnahmt daß die Kriminalität gerade in den Zeiten, wo tourden, sind nach Feststellung der Sachverständigen Todesurteile vollstreckt wurden, nicht gesunken außerordentlich gefährlich und es hätte ein einziger ist, sondern daß diese barbarischen Hinrichtun solcher Sprengförper genügt, um ein Gebäude in gen an die schlechtesten Instinkte im Menschen die Luft zu sprengen. Die vorgefundene Menge rührten und keinesfalls schwere Verbrechen ver­hätte ausgereicht, ganze Stadtviertel( 1) hinderten der Hamburger Strafrechtslehrer zu zerstören. Es handelt sich, wie das amtliche Max Liepmann hat bereits 1912 in seinem tief­Stommuniqué weiter erklärt, um einen unerhört gründigen Werke über die Todesstrafe nach verbrecherischen Anschlag bolschewiſtiſch- marristi- gewiesen, daß mit der Steigerung der Hinrich­scher Elemente", der glücklicherweise durch die tungen todeswürdige Verbrechen nicht geringer Wachsamteit und Züchtigkeit" der Behörden verwurden-, so würden wir auch hiermit keinen Schritt weiter kommen.

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hindert werden konnte.

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Eine erfolgreiche Waffensuche

Mit Recht wird man von uns eine andere

Die Regierung Dollfuß hat es, wie man jetzt lizisten besetzt; brei Waschinengewehre wurden vor deutlich sicht, darauf angelegt, ihre fascist idem Hause aufgestellt und die ganze Umgebung des ichen Totalitätspläne auf Biegen oder Häuserblocks wurde von Polizisten mit aufgc= Brechen durchzusehen. Die Aktionen der Heimwehr   pflanzten Bajonetten abgesperrt. in den österreichischen Bundesländern waren ein aber bel einem Linzer   Nazi rgumentation verlangen, als sie in einer Zeit Vorspiel, das der österreichischen   Regierung den mittag wurden alle Räume im Parteihaus und in zu brauchen war, wo noch der Gegner der Todes­willkommenen Anlaß zu ihren Blänen gibt. Der der Arbeiter Zeitung  " vom Boden bis zur Decke Im Zuge der auch in Oberösterreich   gegen strafe in Blättern der Rechten mit dem Anhän­Bundeskanzler Dollfuß   ist gestern nach Budapest   durchsucht. Jeder Schreibtisch wurde geöffnet und den nationalsozialistischen Terror mit allem ger der Todesstrafe zu diskutieren vermochte. gereift und schon hat sein Bertreter& en, dem die Schreibtische jeder Genossen, die nicht anwesend Nachdruck durchgeführten Säuberungsaftion Seit der Stanzlerschaft Hitlers   find fünfund­das Tempo der Fascisierung in Desterreidy noch waren, aufgebrochen und durchstöbert. wurde heute in Linz   anläßlich einer Hausdurch fünfzig Todesurteile boll stredi immer zu langsam ist, eine neue Aktion unternom Gleichzeitig wurden in den Wohnungen zahlreicher ſuchung bei dem Tischlermeister Start Stellermayer worden! Soweit die Zeitungsnachrichten hier­men, die deutlich darauf abzielt, die Organisatio- führender Funktionäre Hausdurchsuchungen ver- in einem Maschinenraum versteckt nicht weniger für Unterlagen bieten, waren etwa die Hälfte nen der österreichischen Arbeiterschaft zu zerstören. anstaltet. Der Sommandant der offiziellen städtials 100 Stück Sprenglörper, 35 Papierböller der Hingerichteten unter fünfundzwanzig Jah, Am frühen Morgen wurden in Wien   und schen Schuhwache, Schubert, wurde verhaftet. und 68 Tränengasbomben aufgefunden und ren. Also junge Menschenleben werden nicht Niederösterreich   die wichtigsten Plätze der Sozial- Die Untersuchung wurde um halb 4 hr im Par- sichergestellt. Außerdem wurde bei Kellermayer demokratie von einem Gewaltaufgebot von Boli- teibanse vollkommen ergebnisles ab- eine große Menge nationalsozialistisches Propa- etwa einem sittlichen 3wed, sondern sisten, die mit Stahlhelm und aufgepflanzten gebrochen. gandamaterial, das zweifellos aus Deutschland   einer politischen Maßnahme geopfert. Bajonetten ausgerüstet waren, besetzt. Das Wiener   Gegen 6 1hr lam aber neuerlich ein Bolizei- ftammt, vorgefunden. Kellermayer und zwei wei- So wenig jener Peter Strauß in Desterreich Parteikans in ber Eiengeile urbe wen 500 Bubenchement, bas bis sur Stunde die Keller des tere Personen wurden verhaftet. irgendetwas mit den Böllerschüssen und dem