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Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Donnerstag, 15. Feber 1934

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 38

Widerstand bis zum Aeußersten

Wechselvolles Ringen um die Wiener   Vorstädte Schwere Geschütze zerschießen Floridsdorf   Neue Kämpfe in der Provinz Der Blutkanzler läßt hinrichten!

Der Widerspruch, der zwischen den offiziellen Meldungen und den zahlreichen Nachrichten aus privaten, Quellen schon gestern bestand, verschärfte sich im Laufe des hen­tigen Tages so stark, daß es schwer geworden ist, ein annähernd objektives Bild der Lage zu gewinnen.

Die Regierung jetzt mit ihrer Stimmungsmache, mit offensichtlichen Lügenmeldun gen und vor allem auch mit den laszivsten, auf Täuschung der Welt berechneten Ablen­fungsmanövern ihren Kurs in der Berichter stattung konsequent fort. Leider verfügten die Arbeiter auch heute über kein Mitteilungsorgan. Eine Münchener   Meldung gab zwar dic angeblichen Nachrichten eines Arbeitersenders wieder, aber es ist zur Zeit unkontrollier bar, was daran wahr ist. Derart auf die offensichtlichen Lügen der fascistischen Mörderban­bande und auf schwer zu überprüfende Privatmeldungen angewiesen, kann man nur ein sehr vorsichtiges Urteil über die Gesamtsituation fällen.

Jedenfalls war auch heute teine Rede davon, daß die Regierung dic Lage beherrsche oder daß die Arbeiter kapituliert hätten. Die Kämpfe konzentrierten sich mehr und mehr auf den Abschnitt Floridsdorf  , wo erbittert um die Gaswerke in der Leopoldan gekämpft wurde. Aber auch in anderen Stadtvierteln jeuten die schon abgebrochenen Stämpfe wieder ein, der Schußbund ging vielfach zum An­griff über und nahm verlorene Positionen neuerlich ein. Mittags ist verschiedenen Berich ten zufolge ein Flugzeug über Wien   erschienen, das Flugblätter abwarf, in denen die Arbeiter zum Durchhalten ermuntert wurden.

Charakteristisch für die Gefahr, in der sich die Regierung befindet, ist der Ein­ja bon schwerer Artillerie gegen einige Widerstandszentren. Das Bundesheer hat auf den Anhöhen bei Floridsdorf   regel rechte Stellungen bezogen, um die Arbeiter niederzufämpfen. Die barbarischen, gegen Kinder und Frauen gerichteten Kampfmethoden der Fascisten wurden noch verschärft und in den Gesamtrahmen der christ katholi ichen Schlächterei fügt sich stilgerecht die Hinrichtung cincs schwer verwundeten Schußbundführers.

Der Kampf um Floridsdorf  

Der Widerstand dauert an

Froiz größier Anstrengungen gelang es dem zu ergeben, widrigenfalls ihre Stellungen von der Seer und der Polizei auch in den Abendstunden Artillerie vollkommen zusammengeschossen würden. des Dienstag nicht, den Widerstand des Schuß- Aus St. Pölten   sind Vormittag die Arti l- bundes niederzuringen. Im Innern des Bezir- lerie und Regierungstruppen eingetroffen und les befanden sich die Polizen und 700 Soldaten sofort in   Floridsdorf in den Stampf eingeset mit 5 Feldgeschützen in der Defensive. worden. Zwischen dieser Gruppe und den übrigen Teilen der Regierungstruppen liegt ein breiter Wiesen­streifen, der von den Schußbündlern gehalten wurde. Sie hielten diesen Strich an der wichtig sten Verkehrslinie und auch die Brücke unter Maschinengewehrfeuer. Ultimatum

der Regierung

Vormittag ,, als   Floridsdorf angeblich von Regierungstruppen eingeschlossen war, wurde den Sajuzbindlern ein um 12 1hr ablaufendes Ulti­matuin gestellt, die Waffen abzuliefern und sich

12 Uhr nachts:

Trois dem Ultimatum dauerte der Wider stand der Schutzbündler auch in den Nachmittags­stunden au. Besonders heftig wurde um das Gas­wert in Leopoldsau gekämpft und ist zum zweiten­mal erobert worden, nachdem dessen Verteidiger sich schließlich in das nahe   Gerasdorf zurückgezo­gen hatten!

Schwere Artillerie in Stellung

Auf dem   Leopoldsberg und Kah Tenberg wurde leichte und schiere Artillerie in Stellung gebracht und eröffneten eine schwere Beschießung Floridsdorfs und der Positionen des gestunden meldete der amiliche Bericht, daß es Schußbunds gegen   Korneuburg hin. In den Mit­den Regierungstruppen gelungen sei. Florids dorf zu erobern, nachdem sich Teile des Schuß­bundes ergeben häiten. Ebenso seien die Kämpfe an der Philadelphiabrücke zu Ende gegangen. Die  Wien, 14. Feber. In   Floridsdorf wird der Schutzbündler seien auf dem Rüdzug. Auf ein­Goethe- Hof, deffen Bombardierung angekündigt seinen Arbeiterhäusern sei die weiße Fahne ge­wurde, von Artillerie beschoffen. Das Bombarde- hißt worden. Bei der Besetzung seien große Men­

In   Floridsdorf hält sich der Schutzbund noch immer

Als hoffnungsvolle Nachrichten konnte man die zuerst von Renter verbreiteten und dann immer wiederholten Meldungen über den Anmarsch Wiener Neustädter Schnübündler gegen   Wien und über Bildung von Entjastruppen im March­feld buchen. Hier scheint sich tatsächlich eine Möglichkeit des Erfolges für die Arbeiter zu öffnen. Wenn es gelingt, Munition, Waffen und nene Mannschaft nach   Wien zu ziehen, so könnte die stark erschütterten Truppen der Fascisten vielleicht an einer der strategisch entscheidenden Stellen geworfen werden.

Das Bundesheer scheint in zahlreichen Fällen versagt zu haben. Der Austausch oder die Zurückziehung der Truppen wird von den offiziellen Lügenzentralen als Folge der " Ermüdung" der Truppen hingestellt.

Wie immer die Schlacht um   Wien ausgeht, schon hente steht seit, daß die  Wiener Arbeiter der an Zahl und an Waffen überlegenen Macht der Fascisten dic größte Revolutionsschlacht der Geschichte geliefert, daß sie Wunder an Heldenmut, Ausdauer und Kampfgeist vollbracht, daß sie mit dem Blute hunderter braver Proleten, mit dem Opfertod von Frauen und Kindern, die sich noch in den Kellern gegen die Mordbanden Feys wehrten, ein unsterbliches Zengnis für die Idee des Sozialismus und den Geist der Sozialdemokratic abgelegt haben. Wir sind im Geiste bei unseren Brüdern und Schwestern auf den Barrikaden von   Wien, noch lebt unsere Hoffnung auf Sieg, aber auch die Niederlage, sollte sie unvermeidlich sein, wird den Ruhm der unsagbar tapferen Kämpfer von   Wien nicht verdunkeln, den morelischen Wert ihres Opfers nicht mindern, die Armee der fascistischen Schlächter nicht von der Schmach befreien, mit der sie sich in ihrem feigen Materailfampf gegen die Arbeiter bedeckt haben.

Die Nacht zum 15. Feber wird wohl die endgültige Entschei dung darüber bringen, ob Entsatz möglich oder ob die österreichische Demokratic ver loren ist. Diese Entscheidung wird nichts an der heißen Liebe und tiefen Bewunderung des Weltproletariats für seine österreichischen Vorfämpfer ändern!

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worden war, ſei ebenfalls in die Hände der Re- Kremser

gierungstruppen gefallen. Im Judenhof in Flo ridsdorf versuchten die Schutzbündler sich in Stel­lungen einzugraven.

Die Arbeiter halten sich

trotzdem weiter

Kremser Militär nach   Wien

Die militärische Besatzung   Wiens wurde durch Truppen der Kremser   Garnison verstärkt beziehungsweise abgelöst. Nach Privatmeldungen Fönnte diese Maßnahme auch auf die beginnende Unzuverlässigkeit der   Wiener Truppen zurückzu führen sein.

In der Umgebung   Wiens

Die Kämpfe in   Floridsdorf waren jedoch trots dieser offiziellen Siegesmeldungen nicht be­endet. Der Republikanische   Schutzbund besaß trot dem Verlust des Arbeiterheims und des Bahn­hofs noch starke befestigte Positionen, vor allem in den Gemeindehäusern. Die Umgebung des Ar­Den ganzen Tag über wüteten in der Um beiterheims bietet ein fürchterliches Bild, das gebung Wiens und an der Peripherie der Stadi durch die letzten kämpfe verursacht worden ist, erbitterte Kämpfe. Der abendliche Bericht melder. hauptsächlich durch die Wirkung der Artillerie. daß im 12. Bezirk eine größere Abteilung von um die Mittagstunden brach der Kampf mit gro- Schußbündlern die Waffen gestreckt haben. In ßer Heftigkeit wieder los. Die Zahl der Toten und Jedlese e spielten sich erbitterte Stämpfe um die Verletzten auf diesem Schlachtfelde ist beträchtlich. Transformatorenstation ab, die nach Einnahme Der Floridsdorfer Bahnhof ist stark beschädigt. Der Schüßengräben, welche die Schutzbündler er Auch hier liegen Tote und Verwundete. Die Strecke befand sich jedoch in der Hand der Regie­rungstruppen, so daß hier Züge ausgefertigt wer­den fonnten. Die Schutzbündler errichteten in und und hinter Floridsdorf Schützengräben.

Auf der Nordbahnstrecke wurde ein Panzer wagen in Richtung   Floridsdorf in Verkehr gesetzt. Es tam zu einem Zusammenstoß, bei dem der verleist wurde. Auch der Lokomotivheizer erfitt Lokomotivführer durch zwei Bauchschüsse schwer schwere Verwundungen.

richtet hatten von Militär besetzt wurde. In Sai sermühl befestigten sich die Schutzbündler im Goethehof und verließen die Position auch nich, als ihnen mit einer Kanonade gedroht wurde. In  Strebersdorf leisteten die Schußbündler den Regierungstruppen in neuen Positionen Widerstand. In   Stadlau fam es zu fleineren Zusammenstößen. In Meid l'ing halten die tungstruppen feisten zu Wiiiag mit einem Angriff Schußzbündler den Wienerberg besetzt. Die Regie­

auf das Gemeindehaus ein. Auch Panzerwagen

Heute 11 Uhr Sympathiestreik

ment bauert sur Sturbe, hud af. Das Baus gen von Waffen und Munition aufgefunden in der   Tschechoslowakei!

noch

worden.

brennt bereits an einigen Stellen. Der Schutz­band verteidigt sich trotzdem weiter. Aus dem Fey meldet Sieg 12. Bezirke, Meibling, wird gemeldet, daß die

Polizei ihre Aktion gegen die Gemeindehäuser am Der amtliche Bericht der österreichischen Re­chienberg und im Tivoliviertel in den Abend gierung meldet, daß die Truppen Durchsuchungen nden unterbrochen hat. Sie soll mit neuen Wer- der Gemeindehäuser durchführen. Das Gaswert stärtungen morgen Bormittag fortgefekt werben, Leopoldan, das von den Schußbündlern gehalten

Die deutschen und tschechischen freien Gewerkschaften und die tschechisch- nativ nalsozialistischen Gewerkschaften haben für heute 11 Uhr vormittags einen allgemeinen Sympathie streik von fünf Minuten zum Zeichen der Soli­darität mit der heldenhaft kämpfenden österreichischen Arbeiterschaft proklamiert. Jeder Arbeiter muß dafür sorgen, daß der Sympathicstreik lüt centos burchgeführt wird!