Dienstag, 37. Weber 1934

Blutende Steiermark

Das Land, in dem die Rache wächst

Marburg , Ende Feber 1934. Ber im Striege net habe sich in den letzten fünf Minuten ſeines Den Polizisten graust es!

cin befentes Land gesehen hat, diesen bitteren Lebens mit Gott ausgesöhnt". Eretutivorgane, Trok, diese stumme Trauer, diese nach innen welche die Tragödie aus nächster Nähe miterlebt

bluienden Herzen, der wird heute in der Steier- haben, bezeugen aber folgendes: Stanet ist als

marf ein Gleichnis finden. Die grüne Mark", Desterreichs stärkste Industrieproving, ein Meinod an landschaftlichen Schönheiten, trauert ihren tapfersten Söhnen nach, den Schutzbündlern, die heldenhaft gefämpft baben und blutig- ehrenbol unterlegen sind. Was ich nach den Kampftagen durch die Berührung mit den verschiedensten Schichten in der ganzen Proving festgestellt habe, bercatigi mich zu sagen: Die Stimmung von 90 Progmt der Bevölkerung ist geschlossen gegen die Regierung Dollfuß und gegen die verbrecherischen Heimwehrführer gerichtet. In der Hauptstadt Graz hat die Ausplünderung der Hauptlager der steiris fchen Stonjumgenossenschaften durch Heimwehrban­den, die Beraubung von Privatwohnungen und vor allem die Standgerichtspraxis gegen die ges fangenen Schußbundhelden auch die bürgerliche Bevölkerung in maßlose Erbitterung versetzt. Noch während der Kämpfe weigerte sich eine ganze An­zahl von menschlichen Richtern, den Vorsitz vom Grazer Standgericht zu übernehmen. Eine Des putation von bürgerlichen Advolalen wies auf die Verfassungswidrigkeit des Verfahrens hin und Tehnte jede Mittvirtung an den geplanten Justiz morden ab. Die Front der Empörung wurde noch

In Brud sind zwölf Schußbündler tot und

zwei Arbeiter, die mit ihnen gelämpft haben. Da

gonnenem Blut bedeckten Zeichen bis in der

Schlaf verfolgt.

die unschuldigen Frauen und Kinder.

Die Rache der christlichen Sieger trifft auch Beteiligung an den Kämpfen verdächtigen Arbeits. neben sind bei den Kämpfen nur vier Mitglieder der Regierungstruppen gefallen, ein Beweis, daß losen wurde die Unterstützung gesperrt. Auch den auf der Seite der Arbeiter feine Mordlust Familien der Eingekerferien. Von einer dem herrschte. An fünfzig Verwundete liegen noch im Auslande vorgeschwindelten Hilfe christlichsozialer strankenhaus. Drei tote Schutzbündler wurden Stellen für die Hinterbliebenen der Schutzbünd als abschreckende Beispiele" zwei Tage lang un- ler war bis Ende voriger Woche in der Steiermart geborgen im Garten der Forstschule unter freiem nichts zu bemerken. Ja, die neuen christliche Himmel liegen gelassen. Von dem toten Unter- sozialen Machthaber einer großen steirischen Ge führer des Bruder Schukbundes Sepp Lien- meinde haben allen Ernstes erwogen, die Anges hart wird berichtet, daß er schwer verwundet in hörigen der Schutzbündler auch aus der gesetz Gefangenschaft geriet und ohne ärztliche Hilfe vers lichen Pflichtfürsorge nach dem Armen und blutet ist. Lienhart war Jugendführer und zulekt Heimatrecht auszuschließen, als abschredende Vers Krantenfassenbeamter. Das Bild seines unge- geltung. Ein großdeutscher Fürsorgerai drohte borgenen Leichnams verschaffie mir ein ange hierauf mit der Verständigung der Auslands schener Bürger von Bruck an der Mur , der es presse. Die Zahl der Zivilopfer wird sich durch die ohne Schwierigkeit in einer öffentlichen Buchhand­Tung kaufen konnte. Die Leichen der auf dem Grausamkeit der Regierung noch vergrößern. Die Kampfplaße gefallenen Bruder Schußbündler Gattin des hingerichteten Grazer Metallarbeiter wurden nach drei Tagen ihren Familien zur Be- sekretärs Stanet ist wahnsinnig geworden. Jetzt stattung ausgefolgt. Sie wurden von den Regie- kommt noch die Entlassung aller Männer, die der rungstruppen ungewaschen, mit dem Teilnahme an dem Aufstand beschuldigt werden. Blut und dem Schmuß der Schlacht Die Aftion zur wirtschaftlichen Vernichtung der bebedt, in primitive Särge gested taufrechten Sozialdemokraten erfiredt sich nicht mur und die Angehörigen durften ihre auf öffentliche, sondern auch auf Privatbes geschändeten Toten nicht mehrantriebe. In der Drahtzicherei Felten und rühren. Diese Mitteilung verdante ich einem Guillaume in Diemlach bei Brud wurde mit der beteiligten Sicherheitsfunktionär, der mir vers Entlassung der nichtfascistischen Arbeiter bereits sicherte, daß ihn das Grauen des Anblids der von begonnen.

King Ernten die Braunen?

Dieses Bild schenkte Wallisch noch zum Abschied einem Kampfgenossen.

ungebeugter Rebell in den Tod gegangen. Unter dem Galgen stehend rief er den Vertretern der Staatsgetvalt zu: So wie ich hier ge­hängt werde, so werdet Ihr hängen. Der verblutete Schutzbundführer Sepp sterbefür die Freiheit!" Die Leiche dieses Helden wird nun durch die Lüge besudelt, daß er als reuiger Sünder von der Welt geschie­den jei. So will die katholische Kirche Proselyten machen!

Lienhart

Der Stahlhelm wurde erst vor der fotographi­achen Aufnahme zur Leiche gelegt, um die Gefährlichkeit des Toten zu demonstrieren.

verbreitert durch die niedrige, ekelhafte Zeichen schändung, welche die offizielle Berichterstattung an dem hingerichteten Metallarbeitersekretär Sta net begehen ivollte. Stanet war Yonfessionslos und lehnte nach der Verurteilung geistlichen Beis stand ab. Die Regierungspresse meldet nun, Sta­

Die uniformierten Sieger gehen stumm und gedrückt durch die Straßen, von den Passanten gemieden und von feindseligen Blicken verfolgt. Wo in öffentlichen Lokalen ein lautes Wort ge­sprochen wird, ist es fein Lob für die Heimwehren und ihre Führer, sondern die unverhüllte Ankün­digung der kommenden Rache.

Bauern beten für Koloman Wallisch Höher noch wodern die Haßgefühle in per- hauptstadt Graz beordert wurde, sagie er beim jönlichen Geſprächen auf. Wenn vor den steiri- Abschied zu den Bruder Arbeitern:" In den schen Arbeitern der Name des verratenen und bin schwersten Stunden werde ich bei gerichteten Schutzbundführers St v I o man Wal - Euch sein!" Er hat Wort gehalten und dieses Iisch genannt wird, dann beginnen ihre Augen Treugelöönis mit dem Tode besiegelt. Dieser unruhig zu fladern. Die Schmähungen, die dem Maurer aus der altungarischen Provinz Sieben Toten von seinen Hentern ins Grab nachgesandt bürgen, der wegen seiner Rebellengesinnung zu wurden, bewirkten das Gegenteil. Es ist nicht erst aus Ungarn , dann aus Jugoslawien flüchten wahr, daß Koloman Wallisch in weiteren Kreisen mußte und dann in Desterreich nur durch den jeiner Gegner als der böse Geist der Steiermart" verhaßt war! Auch anständige Bürgerliche ivaren von der Lauterfeit seines Charakters über­zeugt und schäßten seine stahlharte Gesinnung, seine Liebe für die arbeitende Klasse. Glaub­würdige Berichte besagen, daß in den zwei Tagen, in denen sich Wallisch vor seiner mißglüdten Fluchi in den Bergen verborgen hielt, Bauersfrauen auf den Knien lagen und für das Leben Wallischs Nächte hindurch beteten. Ein hoher Gerichtsfunt­tionär versicherte mir, die Mitglieder des Stand­gerichtes in Leoben hätten sich heftig gesträubi, Wallisch zum Tode zu verurteilen. Die Wiener Regierungsstellen mußten äußersten Druck aufbie­ten, um das Todesurteil durchzudrücken. Jede

kaserne.

In Brud an der Mur weigerten sich national- sie, um den Stampf um die Secke des österreichi sozialistisch eingestellte Unternehmer und Betriebsschen Arbeiters im Sinne einer demokratischen Teiter, dem Wunsch der Heimivehren auf Entlassung Friedenssicherung zu entscheiden? Dollfus lodi der sozialdemokratischen Arbeiter nachzukommen. Sie mit Zuderbrot und Peitsche in die vaterländi­In solchen wirksamen Sympathiebeweisen liegt sche Habsburgerfront. Der Nationalsozialismus eine große Gefahr für die Zukunft Desterreichs wirbt mit dem reichsdeutschen Rundfunt. Moz­und seiner Nachbarländer. Die Nationalsozialisten tau funft seine fommunistischen Parolen nach haben in der Steiermark auf der ganzen Front Desterreich. Die Gefahr für die Nachbarstaaten, den Kampf um die Seele der sozialdemokratischen aber auch für die europäischen Demokratien ist Arbeiter aufgenommen. Sie erfreuen sich dabei einer großen Bewegungsfreiheit und liebevoller Duldung der hitlerisch verseuchten Behörden. In Graz gehen die Nazis von Haus zu Haus für die Angehörigen der Schuhbündler sammeln. So fommen sie auch mit den Arbeitern in Berührung und versprechen ihnen, daß eine unmittelbar be vorstehende nationalsozialistische Revolution auch die toten Schutzbündler rächen wird. Die Nazis feiern Soloman Wallisch als einen Helden.

In Bruck an der Mur besuchen national­sozialistische Funktionäre die vertvundeten Sozials demokraten im Krantenhaus und beschenken sie mit Liebesgaben. Wenn dem Rachewerk der österreichischen Regierung nicht durch den morali­ſchen Druck des zivilifierten Auslandes Einhalt getan wird, wenn die Verhafiungen, die Verurtei lungen, die Entlassungen weitergehen, dann wer den große Teile der steirischen Arbeiterschaft dem individuellen Terrorismus und damit wahrschein­lich dem Nationalsozialismus in die Arme ges trieben.

Die steirischen Arbeiter gehören zu den besten Soldaten der Welt. Die stetrischen National Die stetrischen Nationals fozialisten haben mit Wissen der Regierung große Waffenlager aus den Beständen jener Heimwehr formationen, die zum Hitlerismus übergeschwenkt sind. Wenn diese zwei Elemente, der verzweifelte Racheburst der Arbeiter und die Waffen der Nazis zusammenfommen, dann dürfte sich die allgemeine Anfündigung bewahrheiten, daß Desterreich im März eine neue Revolution und damit den Sturz der Regierung Dollfuß- Fey erleben wird.

Bruck unter christlicher Herrschaft

groß, daß sich aus dem österreichischen Pulverfaß neuer großer Konflikt entzündet.

Ich fann diefen Bericht nicht schließen, ohne der zahllosen Beispiele großer Gesinnungsireue und idealistischer Selbstaufopferung zu gedenken, die ich bei meinen alten steirischen Stampfgenossen auch in den Tagen schwerster Verfolgung vorfand. Begreifliche Rücksichten verbieten die Anführung von Beispielen. Wenn es einmal möglich sein wird, das Schweigen über diese Dinge zu brechen, dann werden Millionen freiheitlicher Menschen in der Welt in Demut niederknien vor den Arbei tern und Arbeiterinnen der Steiermark , die zivi­schen Galgen, Hungertod und Serter den Märtyrer­weg ihrer Gesinnung gehen. Sollte es gelingen, Für den europäischen Frieden bedeutet das die Stimme und die Tat der Menschlichkeit drin­eine ungeheuere Gefahr. Wir Sozialdemokraten gen zu lassen in die blutende Steiermark, die Nacht haben kein Interesse daran, daß die österreichischen des Grauens, die über diesem Lande liegt, mit dem Arbeiter mithelfen, um an Stelle des schwarz- Lichtstrahl nicht nur proletarischer, sondern auch gelben Fascismus einen braunen einzutauschen und demokratischer Solidarität zu besiegen, dann wird dieses Land für ein freies und friedliches Europa Abschlachtung auszuliefern. Die Entscheidung die tapfersten Soldaten stellen. liegt bei den europäischen Demotration. Was tun

Vierteljiunde tam eine ungeduldige Anfrage aus Einschüsse an der Brucker Gendarmerie- den siegreichen Nazis ihre gefangenen Führer zur Wien , wann denn Wallisch schon hänge, bis der Wille der Hängechrisien endlich widerstrebend ers füllt wurde. Die Trauer der Arbeiter um Wal­lisch ist unbeschreiblich. Als Wallisch im Novem­ber vorigen Jahres von der Partei in die Landes­

Bruck,

die Stadt der Helden

Henter zur Strecke gebracht werden konnte, ist nicht tot! Sein Rebellentrotz lebt in den Herzen der steirischen Arbeiter weiter.

tausend betrage, find aus Brud und Umgebung

allein 700 Sozialdemokraten eingeferiert, darunter

vicle Frauen. Zehn Tage nach Beendigung des Furchtbar ist die Rache der Sieger gerade Stampfes fanden noch immer neue Verhaftungen in Bruck an der Mur , wo Wallisch an der statt. Hocherhobenen Hauptes schreiten die gefan­Spizze des Schußbundes gefämpft hat. Diese genen Schutzbündler an der Seite ihrer Häscher fleine obersteirische Industriestadt gleicht noch durch die Straßen. Das Stadtbad, eine großze immer einem Heerlager. Militärautos und Ka- Schöpfung der sozialdemokratischen Gemeinde­nonen sind noch immer auf dem Marktplaß auf- verivaltung, ist von Häftlingen überfüllt. Man gefahren und zeugen von den christlichen Befrie- hört ihre Stimmen durch die offenen Fenster auf dungsmethoden in einer Stadt, wo es feine Ge- die Straße und die schneidigen Kommandoworte meindebauten als" Festungen" zu bombardieren der Sterkermeister, welche zu den Verhören auf­galt. Während die Wiener Regierung heuchlerisch rufen. Frauen und Kinder stehen weinend vor den verkünden läßt, daß die Zahl der Verhafteten keine Gefängnistoren.

Karl Gruber.

Wallisch- Verräter gerichtet?

Koloman Wallisch ist bekanntlich durch den Verrat eines der Heimwehr nahe stehenden Eisenbahners in die Hände der Henker gefallen. Dieser Eisenbahner hat sich die von der katholischen Regierung Dollfus auf den Kopf des Helden Wallisch ausgesehte Prämie von 5000 Schilling verdienen wollen nnd wurde von den Schergen des allerchrist. lichsten Kanzlers der Belohnung für würdig befunden. Die leidenschaftliche Empörung über die Hinrichtung des Genossen Koloman Wallisch ist in der Steiermark nicht geringer als die Empörung über die Judastat des Eisenbahners.

Nnn kommt aus der Obersteiermark die Nachricht, daß der Verräter an Stolo man Wallisch tot anfgefunden wurde. Er soll von bisher unbekannten Tätern erschossen worden sein. Die Behörden, die mit der Aufklärung des Falles fieberhaft beschäftigt sind, bewahren strengstes Stillschweigen und haben der Presse verboten, über den Akt der Ver geltung au dem Judas zu berichten.