Titl.
Nělni
Hybernská
Lusinioemokrat
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .
14. Jahrgang
Freitag, 2. März 1934
Einzelpreis 70 Heffer
( einschließlich 5 Heller Porto)
Nr. 51
Hochverratsverfahren Englischer Brief
gegen 20 Mitglieder des Parteivorstandes
Rückwärts, rückwärts
Wien , 1. März. In den nächsten Tagen wird eine Notverordnung erlassen werden, durch die die Tätigkeit der österreichischen Son sum bereine beschränkt werden wird.
Wien , 1. März. Amtlich wird gemeldet: rich Schneidmadel, Paul Speiser, vorangegangenen Zusammenstoß vor die Hente mittags langten bei der Staatsanwalt Albert Sever , Anton Weber, Karl Weigl , te berfallsantos der Polizeige schaft Wien I. die Polizeiakten ein, die das Er- Rosa Jochmann und Hella Prostrane slegt hatten. gebnis der Untersuchung gegen die Mitglieder fy, überdies noch gegen Dr. Otto Bauer , Dr. des sozialdemokratischen Parteivorstandes ent Julins Dentsch, Karl Heinz und Johann Falten. Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin Schorsch, welche flüchtig sind. gegen 20 Mitglieder des sozialdemokratischen Das Präsidium des Straflandesgerichtes I. Parteivorstandes beim Straf- Landesgericht I. hat mit der Untersuchung des Straffalles den den Antrag auf Verhängung der ordentlichen Untersuchungsrichter Oberlandesgerichtsrat Dr. Voruntersuchung wegen Verdachtes des Verbre- eprek betrant. chens des Hoch verrates, bezw. der MitDer Untersuchungsrichter hat auf Antrag schuld hiezu gestellt. Dieser Antrag richtet sich des Staatsanwaltes über die in Polizeihaft begegen den früheren Bürgermeister Karl Seis, gegen Dr. Robert Danneberg , Dr. Ellen findlichen 16 Mitglieder des sozialdemokratischen kogen, Johann Pölzer , Dr. Karl Ren- Parteivorstandes die Untersuchungshaft wegen ner, Oskar Helmer , Paul Richter , sein Flucht- und Kollusionsgefahr verhängt.
Die Räuber
in Verlegenheit
Die Dollfuschriften hatten es sehr eilig, daß Eigentum der Arbeiter in Besitz zu nehmen. Insbesondere freuten sie sich, das herrliche Parteihaus und die Druckerei in der Wienzeile für ihre Zwecke verwenden zu können. Jetzt sind von ihnen nicht erwartete Schwierigkeiten aufgetaucht: das Haus in der Wienzeile gehört nämlich gar nicht der österreichischen Sozialdemokratic, sondern dem Vorsitzenden der Sozialistischen Arbeiterinternationale, Genossen Vanderveld c. Herr Doll=
Davon sind 600 bereits dem Kreisgericht einge liefert worden. In den benachbarten Industrieorten Waltersdorf und Ebreichsdorf werden die sozialdemokratischen Belegschaften entlassen und ihre Familien sogar aus den Wohnungen delogiert.
Kardinal Innitzer
erhält die verdienfe Abfuhr!
Die Frau des Genossen Münnichrei ter, der trotz seiner schweren Verwundung als erstes Opfer der Henker hingerichtet wurde, wurde dieser Tage persönlich vom Wiener Kardinal Inniger besucht.
Dr. D. G. London , Ende Feber. Desterreich im Mittelpunkt.
Wie überall so stand auch in England in
den legten Wochen Desterreich im Mittelpunkt. Selbst die Londoner Abendblätter, die sonst nur über Sensationsprozesse, Raubüberfälle usw. zu berichten pflegen, widmeten ihre Schlagzeilen dem Kampf in Wien . Aber es war nicht mir Sensation. Die Engländer, die bisher Dollfus; vergöttert hatten, fühlten sich durch die furcht baren Vorgänge aufs Tiefste erschüttert. Artille rie gegen Großstadtwohnhäuser, Frauen und Kinder getötet die ganze englische Gefühls. welt wurde aufgerührt. Dem Engländer galt Wien immer nur als die Stadt der Fröhlichkeit. Und nun dies. Dollfus; hat die Sympathien der Engländer verloren. Man nimmt ihn vielleicht noch als fleines Uebel hin, aber niemand sicht in ihm noch den großen Wann.
Der heldenhafte Kampf der Arbeiter hat bis weit in die fonservativen Streise hin Bewunderung erregt. Selbst der durch und durch jozialistenfeindliche„ Daily Telegraph " hat geradezu Sie hat sich aber in sehr entschiedener Weise begeisterte Berichte über die Tapferkeit und Entverbeten, daß man ihr erst den Mann geschlossenheit der Arbeiter veröffentlicht, er hat nommen hat und ihr dann nachher noch etwas sich über die Verleumdung der Führer Deutſch von christlicher Nächstenliebe erzäh- und Bauer durch Fey empört. Auch die anderen
Dort find auch 18 Arbeiterinnen in Haft, welche sich bei einem dem offenen Bürgerkrieg len will!
Ungarische Granaten
fuß wird einige Mühe haben, den Genossen Ban- gegen die Wiener Gemeindehäuser?
dervelde von der Berechtigung des eingeleiteten Raubzuges zu überzeugen. Auch das andere un= bewegliche Eigentum der österreichischen Arbeiter ist zum großen Teil im Besitze von Ausländern. Die Freude der Räuber war also etwas verfrüht; um so größer ist jetzt ihre Verlegenheit.
Der Raub der Naturfreunde- Hütten
wird noch sein Nachspiel haben!
Bon der Vermögensbeschlagnahme der Naturfreundeorganisation wurden insgesamt 100 Hütten und Erholungsheime erfaßt, ein Kulturwert, welches zwei Generationen der österreichischen Arbeiterschaft aufgebaut haben!
Mit Rücksicht darauf, daß Arbeitertouristen aus fast allen europäischen Ländern regelmäßig die Hütten der österreichischen Wandergenoffen besuchten und auch materiell beisteuerten, wird die Beschlagnahme zweifellos sehr ernste und einschneidende Rückwirkungen auf den österreichischen Fremdenverkehr zeitigen.
Es ist auch zu erwarten, daß im Hinblic auf den internationalen Charakter der Naturfreundeorganisation auf diese Schutzhütten nnd Heime ich weizerische und tsche= choslowakische Vermögensrechte angemeldet werden.
Die Verhaftungen
gehen weiter!
Wien , 1. März. Die Rache der Sieger an den Besiegten wütet ohne Erbarmen weiter. Aus Graz und Umgebung sind an die Tausend so= zialdemokratischer Männer und Frauen verhaf tet worden, in Brud fast die ganze männliche Arbeiterbevölkerung. Dort trat eine Gruppe von Häftlingen in den Hungerstreit, weil sie immer noch in den improvisierten Maſſengefängnissen ohne Deden auf dem strohbelegten Fußboden schlafen müssen und nur zweimal täg lich einen Hundefraß vorgesetzt beYommen. Das Essen, das die Angehörigen bringen, wird nur zum Teil den Verhafteten ausgefolgt, zum andern Teil von der Heimwehrwache verzehrt. Derzeit sind gröhere Heimwehrabteilungen damit beschäftigt, in den obersteirischen Bergen Treibjagden auf flüchtige Schutzbündler zu veranstalten.
Wien , 1. März.( Eigenbericht.) Hente sind einige Veränderungen in den leitenden Posten des Bundesheeres bekanntgegeben worden. Unter anderem ist auch der General der Artillerie Gustav Geng in Penfion geschickt worden, welcher der Leiter der Materialsektion des Heeresministeriums war.
Ob das auf die vielen Blindgänger bei der Artilleriebeschießung der Wiener Gemeindehäuser zurückzuführen ist, ist noch nicht aufgeklärt.
Jedenfalls gewinnt dadurch die Version an Glaubwürdigkeit, daß die Munitionsreserven des Bundesheeres in Wien sehr gering waren und zeitweise die Situation der Exefutive sehr kritisch gestalteten.
Wie ans glaubwürdiger Snelle verlantet, hat in den kritischen Tagen 11ngarn mit Artillerie munition ausgeholfen, welche über den burgenländischen Ort icrm nach Desterreich befördert wurde. Somit wären die gähnenden Einschußlöcher in den Wiener Gemeindebanten das erste positive Resultat der österreichisch ungarischen Zusammenarbeit nnter italienischer Patronanz!
Deutsche Propaganda
den 800 Arbeiter und Arbeiterinnen verhaftet. Wir lassen Sie heute frei
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gore
empfehlen Sie uns draußen bestens
Tonservativen Blätter wie„ Times"," Observer" " Sunday Times"," Morning Post", und sogar Lord Beaverbrooks„ Daily Expreß " waren vol ler Respekt. Nur die fascistischen Rothermere Blätter standen auf der Seite der Dollfus- Fen. Fast alle Blätter gaben den Heimwehrprovoka teuren einen wesentlichen Teil, wenn nicht die ganze Schuld. Alle empörten sich über die Hin richtung eines schwerverwundeten Stämpfers. Und der nach außen hin private- Schritt des englischen Gesandten in Wien , der Dollfus; zur Milde aufforderte, wurde allgemein gebilligt.
Aber, darüber darf man sich nicht täuschen, politische Konsequenzen will niemand aus seinen jentimentalen Gefühlen ziehen. Ein Vorstof; eines Abgeordneten in dieser Richtung, stieß; auf entschiedensten Widerspruch. Ja, fast möchte man annehmen, daß manche Engländer die furchtbaren Ereignisse in einem Winfel ihres Herzens begrüßen, weil ihnen nun ein Vorwand gegeben ist, nicht nur Dollfuß fallen zu lassen, sondern sich aus der ganzen österreichischen Affäre zuriidzuziehen. Die Dreimächte Erklärung zugunsten der Unabhängigkeit Desterreichs ist daher auch auf Englands Veranlassung recht nichts fagend ausgefallen; und Simons Erklärungen. im Unterhaus haben sie noch mehr verwässert. England möchte sich aus der österreichischen Affäre zurückziehen und stedt deshalb wieder einmal den Kopf in den Sandes will die schwerwiegenden Probleme nicht sehen, weil sie unangenehm sind und aktives Sandeln fordern wir den. Und das scheut die englische Außenpolitik wie in der Abrüstungsfrage so auch hier. Um momentane Konflikte zu vermeiden, duldet man es mit geschlossenen Augen, daß der Brandstoff aufgehäuft wird.
Ist auch Englands Freiheit in Gefahr?
Die gleiche Inaktivität in der Innenpolitit bedeutet zweifellos eine Gefährdung der demofratischen Einrichtungen. Die Taten- und Ideenlosigkeit der Regierung beunruhigt allmäh lich auch die Anhänger der Regierung. Jungkonservativen werden unruhig. Eine Redewendung des Landwirtschaftsministers Elliot erregte weitgehend Aufsehen. Er sagte in einer Rede, daß Minister, die sich nicht zu Aftivität und zum Handeln aufraffen fönnen, abtreten müssen, wenn sie nicht weggefegt werden wollen. Obwohl Elliot es leugnete, sah jeder darin eine Mahnung an die Kabinettskollegen. Macdonald versuchte die Regierung durch einige Reden popu lärer zu machen, aber das mißlang ihm völlig, seine Reden machten selbst im Regierungslager einen katastrophalen Eindrud, da sie nichts als