Sosialdemokrat
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI
IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .
14. Jahrgang
Samstag, 3. März 1934
Reichsgericht hebt Die Parteiführer
10 Todesurteile auf
Neue Verhandlung des Hecklinger Kommunistenprozesses
Leipzig . 2. März. Auf die Revision der rehn im zweiten Hedlinger Mordprozeß am
28. November des Vorjahres vom Schwurgericht Dessau wegen gemeinschaftlichen Mordes an den SA- Mann Zicslift zum Tode verurteilten Kommunisten hob das Reichsgericht heute das ergangene Urteil auf. Es verwies die Sache zur nochmaligen Verhandlung nach Dessau zurück.
im Gerichtsgefängnis
Wien , 2. März. Im Laufe des gestrigen Abends wurden sechs sozialdemokratische Junt tionäre dem Landesgerichte eingeliefert, und zwar Bundesrat General Körner, General Scheller, der militärische Leiter des Republikanischen Schut bundes Major Eifler, Hauptmann Löw, weiter Franz Brettschneider und der Zentralinspektor der ehemaligen Gemeindewache Schuhbaner. Mittags wurde auch Gen. Seit in das Landesgericht übergeführt.
Diese Maßnahme fei erforderlich gewesen, da das angefochtene Urteil Mängel in prozessualer Hinsicht aufwies. Die Angeklagten waren in un zulässiger Weise von der Teilnahme an einem LotalterminausIm Zuge der Untersuchungen gegen die Argeschlossen worden, indem sie während beiterbant und deren Unternehmungen, die zu ihr dieser Zeit im Polizeitraftwagenfest in Geschäftsverbindung gestanden sind, erfolgte gehalten wurden. Auch sei die Becidigung gestern die Verhaftung des Obmannes des Zen zweier während des Lokaltermins vernommener tralverbandes der Lebens- und Genußmittel Ar= Sachverständigen unterblieben.
Die letzten Zuckungen des Stahlhelms
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( einschließlich 5 Heller Porto)
Nr. 52
Der Anteil
der Kirche
Ihre Verbundenheit mit dem Fascismus
Die Mißhandlungen von Priestern und die beiter Stephan Huppert. Er befindet sich im Drangfalierungen von Katholiken in Deutschland Gewahrsam der Wirtschaftspolizei. Gestern nach sowie auch gelegentliche Polemiken des Vati mittags wurde ferner der Redakteur des„ Tele- fans gegen den Fascismus brauner oder schwar graphs" Hellmut Leipen festgenommen. zer Couleur hat oberflächliche Betrachter zu Unter den nen verhafteten sozialdemokraciner falschen Beurteilung der Einstellung der tischen Führern befindet sich der kommerzielle Di Kirche gegenüber den Geschehnissen der Gegenreitor der Großeintaufsgesellschaft der österrei wart verleitet. chischen Konsumvereine( GDCG) Franz eský und der Sekretär des Zentralverbandes der Lebensmittelarbeiter Julius Zipper.
Wien , 2. März. Der deutsche Akademische Juristenverein in Wien und die Gewerkschaftsorganisation der deutschen juristischen Studenten an der Wiener Universität sind von der Polizei | direktion aufgelöst worden.
Hubermann spielt nicht für die Opfer aus den Reihen der Exekutive
Aufsehenerregende Erklärung des großen Geigers
Sie glaubten in ihr eine Feindin des Fascismus und vielleicht sogar eine Verbündete im Kampfe gegen ihn erblicken zu dürfen und waren überrascht, als die österreichischen Ereig nisse vor ihren entsetzten Augen abrollten. als ein katholischer Fascismus nach beſtialiſcher Beschießung von Arbeiterwohnhäusern und Niederfartätsdung von vielen hunderten Männern, Greisen, Frauen und Kindern bluttriefend„ im Namen Gottes" die Staatsmacht an sich riß. Es wäre eine Illusion, zu meinen, hier sei nur ein Husarenstreich des augenblicklichen Säuptlings der österreichischen Bundesregierung und der mit ihm verbündeten Heimwehrkommandanten erfolgt. Die Ursachen des österreichischen Bürgerkrieges und die Aufrichtung der Serr schaft eines fatholischen Fascismus liegen, so wenig die furchtbare Blutschuld der Dollfus, Fey
Seldte erklärt heute in einem Aufruf, daß er nuit sofortiger Wirkung den Stahlhelmführer in Schlesien , Graf von Pückler, seines Amtes ent hoben hat, tueil er wider alles Recht und gegen den Willen des Stahlhelmführers den Stahlhelmbund für Schlesien für aufgelöst erklärt habe. Erst jetzt wird uns folgender Vorfall be-„ Ich spiele." so erklärte Hubermann,„ Heute um- und Starhemberg geschmälert sein soll, weit ticDer Stahlhelm bleibe wie überall, so auch in fannt, der sich in der Vorwoche im Wiener Kon- sonst, aber Schlesien bestehen. Die Führung des Landesver- zertsaal abgespielt hat. Ein dort stattfindendes bandes in Schlesien hat Dr. Seldie selbst über- Stonzert des großen Violinvirtuosen Bronislaw Subermann war auf den Plakaten von den Veranstaltern mit dem Vermerk angekündigt wor
nommen.
Packelt Dollfußben, daß das Reinerträgnis dieses mit Berlin ?
Konzertes für die Hinterbliebenen der gefallenen Angehörigen der Exekutive bestimmt sei. Vor Beginn des Konzertes wandte sich HuBerlin, 2. März. Das von dem national- bermann mit einer Erklärung an das sozialistischen Inspektor für Desterreich Habicht Publikum, daß jene Ankündigung ohne an die österreichische Regierung adressierte Ultise in Einverständnis erfolgt sei und matum ist abgelaufen, ohne daß deutscherseits daß er, was ja nicht zweifelhaft sein könne, bisher zu der angekündigten Offensive gegen die nicht daran dente, für die Opfer aus den Regierung Dollfuß geschritten wurde. Es läßt Reihen der Exekutive zu spielen jich eher beobachten, daß die reichsdeutsche Presse zweifellos auf Weisung von den zuständigen Stellen in den Berichten und Artikeln über das Dollfuß- Regime einen mäßigeren Ton angeschlagen hat.
Verhinderte
Nach Gerüchten, die schon einige Tage im Emissäre der österreichischen Regierung weilen und über ein Abkommen mit den nationalsozialistischen Streisen verhandeln. Der österreichische Bundeskanzler Dollfuß soll jetzt bereit sein, den österreichischen Nationalsozialisten für den Fall weitgehende Zugeständnisse zu machen, daß diese ihre Forderung nach einer vollständigen Auslieferung der staatlichen Macht aufgeben.
Umlauf find, follen in Berlin schon einige Tage Preiskletterei
Die Geier melden sich
Wien , 2. März. Bundeskanzler Dr. Dollfuß empfing eine Abordnung der christlichen Gewerkschaften zu einer Neuregelung des Gewerkschaftswesens. Die Abordnung erklärte im Hinblick auf die durch die Auflösung der sozialdemokratischen Gewerkschaften geschaffene Lage und den„ dringenden Wunsch der Regierung" ihre Bereitwilligteit, an der Schaffung einer einheitlichen gewerkschaftlichen Organisation mitzuarbeiten und ihren erprobten gelverkschaftlichen Apparat in den Dienst dieser Neuordnung zu stellen.
Regierung von Lettland zurückgetreten
Riga , 2. März. Die lettländische Regierung unter Führung des Ministerpräsidenten Blodnik ist am Freitag abends zurüdgetreten, nachdem der Ministerpräsident im Parlament ein Mißtrauensvotum, das der Bauernbund eingebracht hatte, erhalten hat. Es erregte allgemeines Aufschen, daß bei der Abstimmung von 100 Abgeordneten nur 9 dem Ministerpräsidenten ihr Vertrauen aussprachen.
goire
für die Wiener Opfer!" Diese Erklärung wurde vom Publikum mit einem Beifalls- Orkan aufgenommen, der acht Minuten dauerte.
fer, sie sind in der engen Verflechtung der Interessen der Kirche mit jenen des modernen Stapitalismus zu suchen, der, durch die Weltfrise aufs schwerste erschüttert, fein anderes Wit tel zu feiner Sicherung mehr sicht, als die restlose Veriflavung des werftätigen Volfes durch den Fascismus.
Wir verneigen uns vor dem großen Künstler, der nicht nur auch ein überzeugter Pancuropäer, Es ist nicht die seit je bekannte feindselige Fortschritis- und Friedensfreund, sondern eben Stellung der Stirche und ihrer Diener gegen die durchaus ein großzer, edler, wahrhaft demokrati jozialistische Arbeiterbewegung, welche dies allein scher Mensch ist. Und wir freuen uns jenes Wiener beweist. Seit jeher wurde den Gläubigen der Publikums, das durch seinen Beifall bewies, daß Sozialismus im Interesse bürgerlicher Befites auf Seiten der Menschlich leit und nicht politik als eine Ausgeburt des Satans ver der autoritären Startätſchenchristen steht! zerrt dagestellt, seit jeher war das, was viele Gegner des Sozialismus im fleritalen Lager den Emanzipationsbestrebungen entgegenbrad)- ten, nichts anderes als blinder Haß und eine teuflische Deformierung der Bergpredigt. Immerhin waren die Kirche und ihre politischen Parteien noch nicht dem Fascismus verschrieben, das kam erst später, aber es I am und mußte sich aus den ganzen Beziehungen zwischen den Katholizismus und dem modernen Stapitalismo ergeben.
M
Ihr seid wohl grössenwahnsinnig geworden?!
War die Kirche schon früher Verteidigerin der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und er flärteste Feindin des Sozialismus, die eigentliche Wendung und Versöhnung mit dem Fascismus erfolgte gelegentlich des im Feber 1929 von Mussolini u. Kardinal Gasparri unterzeichneten Lateran- Vertrages und des gleichzeitig abgeschlossenen Konkordats. Auf den Inhalt dieser beiden Abkommen hier näher einzugehen, er scheint in diesem Zusammenhange ebenso überflüssig wie die Erörterung der Frage, welcher der beiden Vertragschließenden die größeren Vorteile gewonnen hat. Jedenfalls sind die Tatsachen, wie Ignazio Silone in seinem jüngst erschienenen Buche„ Der Fascismus“ richtig darlegt, die dem Abschluß des Vertrages und des Stonkordats folgten, die Segnung des Fascismus als eines von der„ Vorsehung gewollten Regimes" durch den Papst, die offizielle Beteiligung des italienischen Klerus und der katho lischen Verbände am fascistischen Plebiszit und noch manches andere der sichtbare Beweis des engsten Bündnisses zwischen Stirche und Fascismus. Und dieses Bündnis entspricht völlig den ideologischen Grundlagen der Kirche, die immer bereit war, sich aller Mittel zu bedienen, die gegenwärtige soziale Ordnung und Disziplin im Volte zu erhalten.