cká akademie

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Vastawemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Sonntag, 4. März 1934

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porte)

Nr. 53

Der Raubzug vollendet! Taktische Lehren der

Im Geiste des Christentums

Österreichischen   Katastrophe

Von OTTO BAUER  

vermeiden gewesen, wenn die österreichische So. Manche glauben, die Statastrophe wäre zu 3ialdemokratie rechtzeitig eine Koalition mit bür gerlichen Parteien angestrebt, sich auf diese Weise Anteil an der Staatsgewalt gesichert und da durch der Entwicklung zum Fascismus entgegen. gewirkt hätte.

Wien  , 3..ärz. Der gestrige Ministerrat legenheit gegeben werden, den Entwurf in sei­hat die Anflösung der gemeinwirtschaftlichen nen Details kennen zu lernen, che die Verord- Die österreichische Sozialdemokratie hatte diese allein in Opposition gegen das herrschende Unternehmungen Dewa Desterreichische Werke unng verlantbart wird. 600.000 Mitglieder in einem Lande mit sechs. System blieben. im Arsenal  ) und Vereinigte Leder- und Schuh- So wie in Deutschland   nach dem 5. März einhalb Millionen Einwohnern. Bei allen Wah. Wer will heute entscheiden, ob die Entwic fabriken in Brunn am Gebirge  , sowie die 1933 das Vermögen der Gewerkschaften und len der Nachkriegszeit haben mehr als 40 Pro- lung einen anderen Weg gegangen wäre, wenn Ueberführung der gemeinwirtschaftlichen Unter- aller übrigen, auf sozialdemokratischer Grund- sent des österreichischen Volkes und beinahe wir uns zu einer Tolerierungspolitik" gegen­nehmungen Heilmittelstelle" und Gifeba lage aufgebauten Verbände und Organisationen zwei Drittel des Volkes von Wien   sozialdemo- über der Regierung Burcsch entſchloſſen hätten. in privatrechtlicher Gesellschaftsform beschlossen. von den Nationalsozialisten in Befits genom fratisch gestimmt. Die österreichische Arbeiter. Wahrscheinlich wäre die Partei durch eine solche Die Einrichtung der gemeinwirtschaftlichen In- men wurde und wie man dort mit Hilfe der schaft war nicht gespalten, die Stommunisten Politik vor breiten Arbeitermassen kompromit­ternehmungen( Geſetz vom 29. Juli 1919) wird Gewalt die geschlossenen Formationen der Ar- waren nur eine unbedeutende Minderheit. Daß tiert und dadurch empfindlich geschwächt worden. johin aufgehoben werden. beiterschaft in die nationalsozialistische Arbeits- fonnte, beschäftigt natürlich jetzt die Sozialisten Deutschland   im Jahre 1933 die Hochkonjunktur eine so gewaltige Partei zertrümmert werden Als dann mit dem großen Siege Hitlers   in In sehr ausführlicher Weise beschäftigten front überführte, so geschieht das jetzt in Defter aller Länder. Begreiflicherweise fragen fic, ob des Antimarrismus" fam, wäre sie erst recht sich schließlich der Ministerrat, wie es in der reich. Nur ist hier nicht der Nationalsozialis nicht schwere taftijche Fehler der Partei die tra- niedergeworfen worden. Die Tolerierungspoli amtlichen Meldung heißt, mit dem vom Bun- mus, sondern die Christlichsozialen für das Un gische Katastrophe mit verschuldet haben. desminister für soziale Verwaltung vorgelegten recht und den Diebstahl an der Arbeiterklasse tit" gegenüber Buresch hätte die Statastrophe Entwurf einer Verordnung über die 3 us a m- verantwortlich. Der Sinn, der des Gewaltaktes, die Tolerierungspolitik gegenüber Brüning in vermutlich ebenso wenig verhüten fönnen, wie menfassung der gesamten Arist hier wie dort der gleiche. Man erledigt sich beiter- und Angestelltenschaft innerhalb der kapitalistischen   Gesellschaft, der Deutschland   sie verhütet hat. Auf Burefch folgte Dollfuß  . Die Seimweh incinereinheitlichen Organi   um eine Nenordnung ringenden Klasse, mit ren saßen in der Regierung. Nun ging der Kurs fation", die im Geiste des Christen- Hilfe der modernen Kriegsmittel, gegen die man auf den Fascismus zu. Am 7. März, zwei Tage tums, der sozialen Gerechtigkeit(?!) nnd der sonst nur noch kurze Zeit standzuhalten vermag, nach dem großen Wahlsieg Hitlers   in Deutsch  Liebe zum Vaterlande" allen Arbeitern und man eignet sich ihren Besitz an, so wie im Mit­Angestellten angeblich eine wirksame Intereffen- telalter die Kriegsscharen sich des Eigentums nicht erörtert werden, ob eine solche Politik in Zwischenfall zum Vorwand, das Parlament aus Es fann im Rahmen eines Zeitungsartikels land, nahm Dollfuß   einen parlamentarischen vertretung geben und den berufsständi- der Besiegten bemächtigten, man zwingt den einem früheren Zeitpunkt möglich und zielfüh. zuschalten, die Verfaſſung tatsächlich zu fuspen schen Anfban der Gesellschaft Unterlegenen im Gefängnis oder der Sklaverei rend gewesen wäre. Gewiß; ist, daß sie seit dem dieren, einen Regierungsabsolutismus aufzurich zugrunde zu gehen. Man rnft aber auch mit Sanre 1932 nicht mehr möglich war. Seitdem der ten. Was mun? Ueber die Grundlinien des Entwurfes sei diesen aller Kultur und Menschlichkeit hohnspre schnelle Aufstieg des Nationalsozialismus die Die Sozialdemokratie hat sehr wohl ge­vollkommene lebereinstimmung erzielt worden. chenden Taten zu ernentem und zweifellos anchantimarristische" Konjunktur in Desterreich her.wußt, daß ein Generalstreik in einer Zeit un Den einzelnen Gewerkschaften wird noch Ge- fiegreichem Kampfe der Arbeiterklasse. vorgerufen hatte, gab es teine bürgerliche Bar. erhört großer und lang andauernder Arbeits. tei mehr, die zu einer Stoalition mit der Sozial. losigkeit   sehr schwer gelingen konnte. Die So. demokratie bereit gewesen wäre. In einem Zeit. sialdemokratie wußte erst recht, daß seit dem punkt, in dem die Nationalsozialisten im schnel. Sahre 1818 ein bewaffneter Aufstand der Ar­len Aufstieg waren, hätte jede bürgerliche Bartei beiter immer nur dann gefiegt hat, wenn ent gefürchtet, ihre Wählerschaft an die Nationalso­weder die Armee selbst revolutionär war, wie zialisten zu verlieren, wenn sie sich mit den in der letzten spanischen   Revolution, oder Nic­derlagen auf Schlachtfeldern die Armee desorga­Wien, 3. März. A. D. Von der unerhörten[ Ein weiteres Kapitel sind die Bemühungen Warristen" foaliert hätten. nisiert hatten, wie in der russischen Revolution Roheit der zur Herrschaft gelangten Banden, die des Klerus, aus den Opfern der Katastrophe noch Eine Koalitionspolitik war also mindestens von 1917. Die Sozialdemokratie kannte sehr jich von ihren deutschen   Gesinnungsbrüdern in für sich Kapital zu schlagen. Die Frauen der Binsfeit dem Jahre 1932 schlechthin unmöglich. Was wohl die klassischen Darlegungen Friedrich En­feiner Weise unterscheiden, ist bis jetzt nur wenig Nachricht ins Ausland gedrungen. Tausende afti­ver Genossen wurden aus Gemeinde- und Privat­betrieben fristlos entlassen und stehen vor dem Nichts. Für Sozialdemokraten gibt es heute überhaupt keinen gesetzlichen Schuß mehr, was selbst höhere Polizeioffiziere unverhohlen einge­stehen.

vorbereiten soll.

In den Wiener   Gefängnissen wird geprügelt

mittel möglich ist.

Rohe Behandlung tapferer Männer

gerichteten wurden tagelang vom Erzbischof ſelber möglich gewesen wäre, wäre nur eine Tolerie. gels in seinem berühmten Vorwort zu den Klaj­belagert und bestürmt, ihre Kinder im Kloster er- rungspolitik" gewesen, wie sie die deutsche Sozial. jentämpfen in Frankreich  ", in denen der große ziehen zu lassen. Angesichts der Heuchelei der offiziellen Streise, demokratie gegenüber der Regierung Brüning Stratege der Revolution dargelegt hat, wie ichon die zuerst die Väter hängen ließen, um nachher geübt hat. damals, schon 1895 die Entwicklung der Waffen­die Kinder zu beklagen, fällt die interna- In der ersten Hälfte des Jahres 1932 tednik die Aussichten eines revolutionären Sie tionale Solidarität der Arbei regierte in Desterreich die Regierung Buresch. ges im Straßenkampf verkleinert hatte. Die So terschaft besonders ins Gewicht. Nicht nur Sie war auf die Christlichsozialen und Land- zialdemokratie wußte, wie sehr die Enhvidlung die beiden Bruderparteien der Tschechoslowakei  , bündler gestützt. Die Großdeutschen verließen die der Waffentechnik seit 1895 die durchschlagende Jeder Heimwehrmann kann ohne weiteres auch die Schweizer   und belgischen Genossen über Regierungskoalition und traten in Opposition, Straft jeder disziplinierten Armee gegenüber Hausdurchsuchungen vornehmen, verhaften, ja bieten sich in Anstrengungen, die Opfer der Greig seitdem Deutschland   und Desterreich) unter dem einem proletarischen Aufstande noch verstärkt selbst Strafen verhängen, gegen die kein Rechts- nisse zu unterſtüßen. Schon am 18. Feber holte Drude der Westmächte gezwungen worden hatte. Die Sozialdemokratie hat daher seit dem eine Schweizer   Delegation zirka hundert Kinder waren, die geplante Zollunion zwischen den bei Staatsstreich vom 7. März 1933, volle 11 Mo­aus Stehr in die Schweiz   zu einem längeren Auf­aus Stehr in die Schweiz   zu einem längeren Auf enthalt und eine Woche später folgten ihnen wei- den deutschen   Staaten fallen zu lassen, und nate lang, alles Erdenklichhe getan, um eine ge­tere dreihundert. Ja selbst aus Leitland tamen Schober, der Vertrauensmann der Großdeutschen waltsame Entscheidung zu verhüten. Beweise internationaler Verbundenheit in Form in der Regierung, unter französischem Druck Wir haben 11 Monate lang immer wieder von Geldspenden und Einladungen." demissionieren mußte. Die Regierung Buresch versucht, zu Verhandlungen mit Dollfuß   und hatte daher keine Mehrheit im Parlament. Eine mit der demokratischeren Fraktion der christlich. Tolerierungspolitik der Sozialdemokratie gegen sozialen Partei zu gelangen. Wir haben ihnen über dieser Regierung hätte ihren Sturz und immer wieder unsere Zustimmung zu weitgehen­dadurch die Bildung der Regierung Dollfuß, den Verfassungsreformen und zu außerordent­einer Soalitionsregierung der Christlichsozialen lichen Vollmachten für die Regierung für die Im Gefängnis wird geprügelt, und zwar nicht nur in der Erregung der ersten er für den Augenblick zu einer Niederlage geführt mit den fascistischen Heimwehren, verhüten Dauer von zwei Jahren angeboten und als Preis und zwar nicht nur in der Erregung der ersten fönnen. Tage, sondern auch systematisch, um ,, Geständ­nisse" zu erzielen.

Natürlich geht es bei solchen Hausdurchsu­chungen auch nicht immer sehr ehrlich zu, den Be­troffenen fehlt nachher bald dies, bald jenes, bor allem das Bargeld, das man ihnen in der Regel ganz offen abnimmt. So hat man der Familie eines verhafteten Lehrers, der seiner Stelle ent­hoben wurde, bare 97 Groschen übrig gelassen, die sich zufällig in der Hosentasche eines Sohnes be­

fanden.

Trotz der schweren Jahre, die dem österrei chischen Proletariat bevorstehen, ist aber eines sicher und darüber herrscht Einmütigkeit unter allen österreichischen Genossen: Dieser Widerstand ivar notwendig, er war sogar nützlich, selbst wenn hat. Er war notwendig und nüßlich nicht nur für die Arbeiter von Wien  , sondern für die Arbeiter der ganzen Welt, die hier gesehen haben, daß der Ein Gemeinderat des 13. Bezirkes hat im Ge- Sozialismus auch versteht, sich zu verteidigen. In fängnis einen Selbstmordversuch unternommen, einem Land aber, in dem der Sozialismus zwa: um den Prügeln zu entgehen. Im 19. Bezirk im Kampf besiegt, aber in den Herzen noch leben wurde einem Schutzbündler der Bart ausgeriffen dig ist, kann keine Macht der Welt ihn ausrot­und seine Frau verübte daraufhin mit ihrem ten. Kinde Selbstmord. Dem Mann wurde nicht ge­stattet am Begräbnis teilzunehmen. In der Brigittenau wurde ein Schutzbündler taub ge­schlagen, zwei junge Arbeiter von 23 und 25 Jahren wurden derart behandelt, daß sie nach ihrer Enthaftung tagelang von Weinkrämpfen befallen waren. In Döbling   hat man einen fräftigen Mann mit Gewehrkolben derart zuge= richtet, daß er für immer arbeitsunfähig blei­ben wird.

Für alle diese Fälle, die leicht durch weitere ergänzt werden könnten, stehen Namen und Abrelien aur Verfügung.

für uns nichts anderes verlangt als die elemen­Die österreichische Sozialdemokratie hat sich tarste gesetzliche Bewegungsfreiheit für die Par­3u einer solchen Tolerierungspolitik nicht ent- tei und für die Gewerkschaften. Aber alle unsere schlossen. Die Erfahrungen der deutschen   Sozial Bemühungen scheiterten an dem starren Nein demokratie schredten uns. Wir fürchteten, daß die Dollfuß  '. Der entscheidende Grund des Schei­durch die Wirtschaftskrise verelendeten Massen zu terns war: die monarchistischen Aristokraten und den Nationalsozialisten abströmen würden, wenn Generäle, die katholische Kirche   und die Kapita­listen waren entschlossen, die antimargistische Hochkonjunktur, die durch Hitlers   Sieg in Deutschland   entstanden war, gegen uns vollstän dig auszunüßen und sich daher auf kein Kompro­miß einzulassen. Und der seit dem Sommer 1933 vorherrschende Einfluß Italiens   in Wien   trieb die Regierung zum hundertprozentigen Fascis­mus zu und schloß daher jedes Kompromiß mit

Die Konferenz in Rom  

vom 14. bis 16. März

Budapest  , 3. März. Das ungarische Telegraphen- Korrespondenzbüro meldet amt­lich aus Rom  : Der ungarische Ministerpräsident Gömbös   und der österreichische Bundeskanzler Dr. Dollfuß   werden am 14., 15. und 16. März der italienischen Regierung in Rom  eines Besuch abstatten.

uns aus.

Wir haben die Möglichkeit, zu einer fried. lichen Lösung zu gelangen, überschäßt, weil wir dic Widerstandskraft der bäuerlichen und flein­