Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

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14. Jahrgang

in

Mittwoch, 14. März 1934

Dic Lage In Spanien Die erste Unterredung

andauernd ernst

Madrid , 13. März. In einem Madrider Borort versuchten starke Gruppen von Syndikali­sten die Arbeiterschaft der noch nicht streikenden Betriebe zur Arbeitsniederlegung zu zwingen. Gleichzeitig verteilten fie Flugblätter, in denen zur sozialen Revolution aufgefordert wird. Die Ueberfallkommandos der Polizei wurden mit Bi­stolenschüssen empfangen. Die Bolizei erwiderte das Feuer, wobei ein Syndikalist schwer und meh= rere leicht verletzt wurden.

Im Zentrum der Stadt wurde ein Lastkraft­wagen, der Zeitungsballen der katholischen ,, El Debate" beförderte, von streikenden Arbeitern mit Steinen beworfen und seiner Fracht beraubt. Die Zeitungsballen wurden auf offener Straße verbrannt. Brandstiftungsversuche in mehreren Drndereien wurden von der Polizei ver­hindert.

in

Rom

,, In größter Herzlichkeit" verlaufen

Rom , 13. März. Wie amtlich gemeldet wird, hat Mussolini hente mittags den ungarischen Ministerpräsidenten Gömbös empfangen, mit dem er länger als anderthalb Stunden in größter Herzlichkeit" fonjerierte.

Ueber den Inhalt der Unterredung ist bisher nichts bekannt geworden. Sie dürfte in erster Linie die Besprechung zu dritt mit Dollfus vorbereitet haben, die vielleicht schon am Mittwoch Nachmittag stattfindet.

Am Dienstag Nachmittag erwidert Mussolini in der ungarischen Gesandtschaft den Be­snch Gömbös . Letterer machte auch bei dem Großmeister des Maltheser Ordens und etwas später bei Kardinal Sincero Besuche. Um 19 Uhr 30 wnrde er vom Papst in Pri­vatandiena empfangen.

Der römische Korrespondent des Petit Parisien" teilt mit, an den kompetenten ita­Außer Madrid wurde eine größere Erregung lienischen Stellen werde behauptet, daß die Unter auch aus Barcelona gemeldet. Dort hat die kata- rungen Mussolinis mit Gömbös und Dollfus laniſche Regierung die extremiſtiſchen Zeitungen dahin gerichtet sein werden, die praktische

verboten.

Untersuchungskommission für Oesterreich

Paris , 13. März. Unter der Patronans zahlreicher Universitätsprofefforen, Schriftsteller, darunter Abdré Gidea, Nomain Rolland, Caffon, J. Painlevé und zahlreicher anderer Bersönlichkei­

iten Mittel zur Verteidigung der inabhängigfeit Oesterreichs und

Ungarn zu suchen. Es werde ſich nicht um

die Vereinbarung eines der Kleinen Entente ober dem Balkanpalte ähnlichen Reginalablom mens handeln. Im Gegenteil, das Abkommen, welches aus den römischen Konferenzen sich er­geben wird, soll im Geiste des von Mussolini for mulierten Donan planes abgefaßt werben.

Auch Dollfuß bereits eingetroffen

Der österreichische Bundeskanzler Dr. Doll fuß ist heute am Flugplane von Venedig gelandet und hat sofort seine Weiterreise mit der Bahn nach

Rom fortgesetzt, wo er um 22 Uhr eintraf.

Zum Empfang hatten sich der Duce, dic Staatssekretäre Rossini und Suvich, der Sekretär ber fascistischen Bartei, fowie zahlreiche hohe Be­amte eingefunden. Bei der Abfahrt dankten Doll­ fuß und Mussolini der grüßenden Menge mit dem Fascistengruß.

ten konſtituierte sich heute in Paris eine interna Englands Sympathien"

tionale Untersuchungskommission, welche sich mit der Ueberprüfung der jüngsten Ereignisse in Desterreich beschäftigen wird.

In der konstituierenden Sihung wurde be= schlossen, die Untersuchungskommission möge nad Desterreich eine Sonderdelegation ent­senden, der eine englische Schriftstellerin, ein beut­scher und ein schweizerischer Journalist, ein fran­zöfifcher Vertreter und einige Delegierte großer Arbeiterorganisationen angehören.

3wed dieser Sonderdelegation wird sein, nicht nur die Ursachen und Folgen der letzten Er­eignisse festzustellen, sondern auch jene Mittel sicherzustellen, die geeignet find, der Not in den Arbeiterzentren Desterreichs abanhelfen.

Nr. 61

Staatsschutz als Vorwand

Eine Niederlage der schweizerischen Reaktion

Dem weniger aufmerksamen Beobachter dürfte es entgangen sein, daß die internationale Reaktion dem letzten Sonntag gewisse frohe Er­wartungen entgegenbrachte. An diesem Tage sollte ein weiteres Land den ersten entscheidenden Schritt auf dem Wege zur Erdrosselung der demokratischen Freiheiten machen. Die Schweiz . Unter der Falschmeldung, daß dies die bedrohte Freiheit bedinge, war über ein Ordnungsgesetz" eine Volksab­stimmung anberaumt, für die von den

Gronten"- auch diese fascistischen Vorläufer gibt es bereits in der Schweiz seit Wochen damit agitiert wurde, daß von vornherein alle, die es etwa wagen wollten, bei der Abstimmung

mit Nein" zu stimmen, nach einer uns längst bekannten Art, als Antipatrioten, das ist als Vaterlandsverräter stigmatisiert wurden. Als brave Patrioten wurde nur der gelten gelassen, der sich für das sogenannte Schutzgesetz erklärte. Man kennt die Weise und man fennt auch die Verfasser...

Die am Sonntag durchgeführte eidgenös sische Volksabstimmung fiel, wie schon gestern berichtet, nicht nach dem Sinn der kapitalisti­

stark eingeschränkt schen Ordnungsmacher aus und ein Teil unserer

London , 13. März. Der Reuterbe richterstatter meldet, daß die britischen Regie­rungskreise, trosdem ihnen die Tagesordnung der römischen Beratungen nicht mitgeteilt wurde, dieser Konferenz sympathisch gegenüberstehen und alle Bemühungen zur wirtschaftlichen Erholung des Donanbeckens begrüßen, falls diese Bemühungen nicht zu politischen Differenzen führen und falls der Plan ciner wirt­schaftlichen Wiedergeburt nicht den Reim politischer Erregung in sich birgt.

Neuer Waffenschmuggel Estnische Regierung gegen

Schweizer Kinderaktion aus Italien nach Ungarn in vollem Gang

Belgrad , 13 März. Das Blatt Poli­tika" berichtet aus Graz, daß vor vier Tagen ein Linz, 13. März. Aus Stehr sind vor 31vei mit Kriegsmaterial beladener Eisenbahnzug aus Wochen 388 Kinder gefallener oder eingekerferter Italien durch österreichisches Gebiet nach Ungarn Schußbündler von der Hilsfaltion der Schweizer geschmuggelt worden sei. Der Zug bestand aus Arbeiter zum mehrmonatigen Aufenthalt in die zwei mit Gasmasken beladenen Waggons, vier Schweiz gebracht worden. Zu Wochenende wurden Kriegstanks großen Modells, 26 Feldgeschützen und neuerdings 150 Kinder aus Stehr und 50 Kinder einer größeren Zahl von Minenwerfern. Es habe aus der Umgebung zu ihren Pflegeeltern in die fich hier, meldet das Blatt, um den ersten Trans­Schweiz befördert, wo sie mindestens drei Monate vort einer ganzen Serie von Eiſenbahnzügen zur Erholung bleiben. Noch im Laufe dieser Woche handelt, welche Waffen und Kriegsmaterial nach geht ein dritter Kindertransport in die Ostschweiz. Desterreich und Ungarn führen sollen. Damit sind etwa 800 Kinder aus Stehr und Um­gebung in der Schweiz untergebracht.

Eine Anzahl dieser Kinder dürfte nicht mehr zurückkehren, da sie von ihren Pflegeeltern adoptiert werden; vom ersten Transpor' wurden bereits 12 Kinder adoptiert.

Rache an Kindern

Wien . Die ,, Reichspost", das offiziöse Dr­gan der Bundesregierung, protestiert gegen das Brojekt der nach der Tschechoslowakei emigrierten Sozialdemokraten, die Kinder der Getöteten bei fich zu beherbergen, soweit die Familien ohne Existenzmittel zurückgeblieben sind. Das Blatt fordert die Behörden auf, den Kindern der frühe­en Sozialdemokraten feine Bässe auszustellen.

Französischer Besuch in Prag und Warschau angekündigt

"

Baris, 13. rz. Außenminister Barthou wird einer Information Les Matin" zufolge, am 25. April nach Warschau und von dort nach Prag reisen, un die vom tschechoslowatischen Außenminister und vom polnischen Außenminister im letzten Jahre gemachten offiziellen Besuche zu

erwidern.

Fascisten

bürgerlichen Presse, das immerhin den Nein­jagern ein Plus von rund 60.000 Stimmen brachte, trauert über das Ergebnis mit den leid­tragenden Arrangeuren dieser Volksbefragung mit. Man sucht glauben machen, die schweize­rische Sozialdemokratie wäre, da sie die Parole ausgegeben hatte, gegen das Ordnungsgeset: 31 stimmen, von der Absicht ausgegangen, der vom Süden und Norden durch den Fascismus be­drohten Schweiz den notwendigen Schut feiner demokratischen Verfassung zu verweigern.

Es braucht nicht erst versichert zu werden, daß die Behauptung der Gesetzesanhänger, die Reval, 13. März. Zu der Aktion der eſtni- Sozialdemokraten wollten Rechtsbrecher und schen Regierung gegen die Freiheitstämpfer wird Gewalttäter schützen, eine alberne Verleumdung noch bekannt, daß sich unter den Montag abends ist. Tatsächlich waren und bleiben sie bereit, verhafteten Freiheitskämpfern auch der Führer einem Gesetze zuzustimmen, das sich auf die der Freiheitstämpfer, Rechtsanwalt Sirt, be=

unumgänglichen Abwehrmaßnahmen zum findet. Man rechnet mit umfassenden Entlassun gen innerhalb des Offizierskorps, da die Propa- Schutze der Demokratie beschränken würde. gandatätigteit innerhalb des Heeres in letzter Welche Rolle aber diesem Ordnungsgesetz zu­Beit sehr start war. Man rechnet ferner damit, gedacht war, das plaudert unter anderem auch daß die Präsidentschaftswahl und die Parla- unsere christlichsoziale Presse aus, indem sie im gementswahlen, die im April ſtattfinden sollten, frohem Glauben, das Gesez werde die Mehrheit verschoben werden. Die Stadtverordnetenwahlen, finden, feststellt, es werde ermöglichen, so­

Italienischer Emigrant ermordet Baris, 13. März. Der italienische Advokat Francesco Clerici, der der sozialistischen Par­tei angehört und als Flüchtling in Paris Tebt, wurde auf der Straße von einem unbekannten Manne erschossen. Bekannte des Ermordeten er­flären, daß es sich um eine politische Rache handle. Das neue Londoner

Stadtpräsidium London , 13. März. Zum Präsidenten des neuen sozialistischen Londoner Stadtrates wurde am Montag der Arbeiterparteiler 2 or dSnell, früher Unterstaatssekretär für Indien , gewählt.

Ferner ernannte die Arbeiterpartei a chi Stadträte, während die Konservativen nur

zwei erhielten.

Die Lord- Würde Snells ist noch sehr jungen Datums. Er fam erst im Jahre 1931- noch un­ter der leßten Arbeiterregierung- ins Ober­haus. Seine Karriere hat er als landwirts fchaftlicher Arbeiter begonnen. Er wurde vor mehr als 20 Jahren für die Labour Party im Wahlbezirk Eaſt- Woolwich ins Unter­haus gewählt und gehört zu den hervorragendſten Führern der Bewegung.

bei denen in den Städten Reval , Dorpat und wohl gegen die Sozialisten wie auch Marva die Freiheitstämpfer die absolute Mehr­heit erzielt hatten, sollen annulliert werden. Die gegen die Nationalsozialisten vorzugehen". Eine gesamte Preffe der Freiheitstämpfer ist verboten frisch fröhliche Heßjagd gegen die Sozialisten worden. Wie das Deutsche Nachrichtenbüro erunter brauner oder schwarzer Couleur sollte fährt, wurde der Kriegszustand, nicht, wie zuerst nicht gerade die Wirkung des Ordnungsgesetes gemeldet, der Ausnahmszustand auf ſechs Monate sein, aber eine Sozialistenhak unter verhängt. Führung der heimischen Bour­geoisie wäre dieser gerade recht gewesen.

Anmerkung der Redaktion; Die Freiheitskämpfer" sind als Fascisten anzu­Der Trid, unter dem Vorwande des sehen. Sie haben sich trop den im Dezember Schutzes der Demokratie Zustände und eine. 1933 von der Regierung( eine Regierung der Lage zu schaffen, welche die Abwürgung der Mitte) gegen die rechtsraditale Frontkämpfer demokratischen Freiheiten erſt recht möglich gruppe", deren Nachfolger sie sind, starf ent­machen, ist nicht mehr neu. Tatsächlich sah der widelt. Die letzten Wahlen waren am 22. Mai 1932. Das Parlament seist sich zusammen aus Entwurf dieses Ordnungsgesetzes so tief ein­42 Agrariern, 22 Abgeordneten der Nationalen schneidende Einschränkungen der politischen Mitte, 22 Sozialdemokraten, 5. Kommunisten, Rechte und Freiheiten vor, daß sie der mißzbräuch­5 Russen, 2 Deutschen , 1 Schweden . lichen und parteiischen Anwendung Tür und Tor geöffnet und so den Boden abgegeben hätten, auf dem ein politisches System der Gewalt und Brutalität, wie es jetzt überall von der fascisier­Stockholm, 13. März. Vom schwedischen ten Bourgeoisie angestrebt wird, sich erst recht Außenministerium wird bestätigt, daß die schwe­hätte entfalten können. Nicht nur, daß die disch- russischen Verhandlungen erfolgreich zum Abschluß gebracht und ein Abkommen über eine Strafen für alle gegen die Ordnung", des Anleihe an Sowjetrußland getroffen wurde, da- Staates gerichteten Handlungen eine sehr mit Rußland schivedische Waren einkaufen lönne. wesentliche Verschärfung erfahren sollten, mar

Schwedenanleihe, an Rußland