Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Unerhörte Provokation durch eine Dollfuß- Gräfin

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Donnerstag, 15. März 1934

Internationale Skandal- Rede in Prag  !

Oesterreichisch  - fascistische Propaganda im ,, Deutschen Haus" Rekruten- Werbung in der ČSR   für die, Vaterländische Front  "!

Am Dienstag Abend ist es bei einer inier nen" Veranstaltung im" Deutschen Haus" zu tollen Provokation durch die Dollfuß- Fajci iten gelommen, die sicherlich noch Weiterungen nach sich ziehen wird. In einer geschlossenen Ver anſtaltung, zu der persönliche Einladungen an in EINLADUNG

zw dem am 13. März 1934 punktid Na Ube abends in Dan sche Haus, Graben 26. Zimmer Nr. 10. 11. Seach, stattfindenden

Vortrag über die Entwicklung

in Osterreich von Seipel bis zur vaterländischen Front

gehalten von Elisabeth Grifin Korff- Schmising- Kerssenbrock Vertreter der Ostery, Gesonderschaft und des Osterr. Konsulates, sowie der Osterr. Kolanis in Prag   baben ihr Erscheinen zugesag

Einzelprets 70 noter

( einschließlich 5 Hollen Patio)

Nr. 62

Die umworbenen Arbeiter

Während der Wiener   Kampftage erschienen beim Bundespräsidenten Miklas bürgerliche Po­litiker und beschworen ihn um seine Vermitt lung. Er lehnte a b. Herr Miklas  , Ritter des Christusordens  , frommer Katholik, der täglich in der Kirche Gott um Beistand anfleht: ein fascisten alles anders werden. Eine gesunde nicht sparte, und darauf hinwvies, daß diejenigen. Wort hätte genügt, um die Waffen zu senken, Reaktion müsse schalten und die Wenge mit die sich weigerten, es sich selbst zuzuschreiben hätunt Herrn Dollfuß   zur Besinnung zu rufen. Die Liebe und Energie zur Gläubigkeit und zuten, wenn sie jegliche Verbindung mit ihrem Gott zurückführen. ses Wort wurde nicht gesprochen, Herr Miklas der Heimat verlören. Dann ging ein Mit dreierlei volksfremden Ele- Wann durch den Versammlungsraum und verteilte hat lieber den geleisteten Eid auf die Verfassung menten werde Dollfus fertig werden müssen: die Stammrollenformulare der gebrochen, hat lieber indirekt das Leben tauſen mit den entwurzelten Fabrikarbei- österreichischen Vaterländischen der Söhne seines Landes auf sein Gewissen ge­tern, den Juden und den unerwünsch= Front" mitten im Herzen der Hauptstadt un laden. Wichtiger als die Verhütung des von den ten Einwanderern. Die abritar serer Republik, wobei er die mit den Formularen Dollfuß Fey Starhemberg verübten Verbrechens beiter werde man seßzhaft machen und zum Bedachten aufforderte, sich namentlich einzuzeich erschien ihm die blutige Niederringung der Ar Glaubenzurüdführen, die Juden auf beiterbewegung. ihre eigentlichen Berufe beschrän Im jeden Zweifel zu beseitigen und eben ten und die Einwanderer hinaus- tuelle Ableugnungsversuche bereits im Keim zu werfen. erstiden, veröffentlichen wir hier die in der Ver­Dann tam es zu einem unglaublichen Ersammlung der Gräfin Norff- Schmijing- Kerßen­zeß der streitbaren Dame. Bei Behandlung des brod verteilten Stam mrollen Formu= Umsturzes von 1918 und des Zusammenbruchs are der Vaterländischen Front  ". der S. u. St.- Monarchie jagte Frau Gräfin Korff­Schnnifing- Sterßenbrod wortwörtlich die Acußze= rung ist, um Dementis vorzubeugen, mitgeschrie­

der Tschechoslowakei   lebende Desterreicher ergan­gen waren, sprach vor vielfach gefiebtem Publikum die Propagandareisende des östers reichischen Bundeskanzleramtes, ben: die Gräfin Elisabeth Korff- Schmising- Kerßen­brod über Die Entwidlungin Dester= reich von Seipel bis zur vaterlän= dischen Front". Die vaterländische" Aristo­fratin, die ihren Vortrag sorgfältig vom Manu stript abbuchstabierte, ein Manuskript, das ihr offensichtlich von der Propagandaabteilung der österreichischen   Regierung geliefert worden war, erschien in pompöser Abendtoilette.

Die Dollfuß- Gräfin begann ihre Manu­stript- Vorlesung, indem sie, lächelnden Gesichts, berichtete, daß sie die Wiener Kampfpläße selbst besichtigt" habe, worauf ein staunendes AH" durch die Reihen ging. Nachdem die gefühlvolle Dame versichert hatte, daß Dollfuß   das Verdienst zukomme, Desterreich vor dem Bolschewismus gereitet zu haben, wodurch neben Rußland   und -Spanien   cine dritte Brutstätte des Unglaubens verhindert worden sei, war sie blasphemisch genug, den Segen des Himmels auf die Opfer der Exekutive herabzuflchen.

Von den Anwesenden stand bei dieser Gottesläste rung nur ein Mann auf, der sich in mili­tärischer Habt acht"-Stellung vergeblich bemühte, die übrigen Hörer zur gleichen Ehrenbezeugung zu bewegen.

Nachdem die Gräfin in ihrem sprunghaften Referat Seipel als ein Genie gefeiert und sich den Wizz erlaubt hatte, daß seit Seipel Oesterreich das Geschick Mittel europas bestimmt habe, nannte sie Doll­ fuß   einen Mann, der Oesterreich   aufbaue, wie es die Apostel des Herrn getan hät ten", ohne zuviel Sorge um das Gegenwär­lige". Dann fuhr die Gräfin wörtlich fort:

,, Geschickte Volksdemagogen heimsten damals die Früchte einer jahrzehnte­langen nationalen Irredenta ein. In den armen Hirnen wurde die nationale Flamme entfacht!"

Bei diesen unerhörten, geradezu beispiellosen Be­schimpfungen jenes Landes und seiner Führer. deſſen Gastrecht die Gräfin im Augenblid genoß, schritt der diensthabende Polizeikommissär, der die Versammlung überwachte, unbegreiflicher Weise nicht ein. Er ließ die schwerste Beleidigungen auss stoßzenden Dame, ruhig weiterreden. Anscheinend war er sich über die Bedeutung und den Sinn dieſer Worte nicht im stlaren. Die beiden Säße wurden in einer Veranstaltung gesagt, zu der, wie es auf der von uns abgedruckten Einladung heißt, Vertreter der Oesterreichi schen Gesandtschaft, des Oesterrei chischen Konsulats und der Prager  Oesterreichischen Kolonie geladen und wohl auch erschienen waren. Es scheint ausgeschlos= sen, daß es zum Aufgabenkreis des Prager österreichischen Hilfsvers eins gehört, einer derart unverschäm ten Hebe gegen die Tschechoslowa- fische Republik seinen Namen zur Verfü­gung zu stellen.

Im Zusammenhang damit sei nur noch der Kuriosität halber erivähnt, daß die Dollfuß- Gräfin die Behauptung aufstellte, König Albert von Belgien   sei nicht abgestürzt"; cr habe sie formulierte das, was sie sagen wollte, aller­dings sehr verworren eben die Waffen ge= stredt...

Aber das Unglaublichste tam zum Schluß. Die Gräfin forderte alle Anwesenden auf, der Vaterländischen Front  " beizutre ten, wobei sie mit versteckten Drohungen

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Als die Streiter für den christlichen Staat die von ihren Saubitzen zerschossenen Gemeinde­bauten erstürmten, hausten sie in ihnen wie in Feindesland. Kleider und Wäsche wurden zer­schnitten, Möbel kurz und klein geschlagen, Ge schirr wurde zertrümmert, Seit; Bilder, ja selbst Kinderspielzeug sinnlos vernichtet. Dabei haben diese Ordnungsstüten gestohlen wie die Raben. Was einigermaßen von Wert und leicht zu verbergen war, wurde von den Orga­nen der braven Erefutive" eingesteckt. Nicht einmal im Weltkriege kam es vor, daß Frauen und Kinder in von der Artillerie beschossenen Gebäuden gewaltsam mit vorgehal tenem Gewehr zurückgehalten wur­den, wie es in Wien   bis zu dem Augenblick ge­schah, da die Gesandten der Großmächte beim christkatholischen Bundeskanzler gegen die ver übten Grausamkeiten protestierten.

Auch die bestialische Mißhand­Iung wehrloser Gefangener wurde im Weltfrieg nicht geübt, nicht einmal die Ro­safen machten sich solcher Untaten schuldig. Ehr liche Kämpfer fanden den Soldatentod durch Pulver und Blei, in Desterreich überantwortete man sie dem schimpflichen Ga Igen und die Quadragefimo anno- Sieger hätten ohne den Widerspruch der empörten Weltmeinung noc) zahllose Gefangene gehenft. Mit ihrem christ­lichen Glauben haben es die Sieger in vollendete Uebereinstimmung zu bringen vermocht, den un­terlegenen Rämpfern ihr in den Gewerkschaften, Hier wird ganz offensichtlich der Versuch ges Genossenschaften, Arbeiterheimen, 3Zeitungsun macht, das Gastrecht eines fremden Landes in der ternehmungen und Arbeiter Bank Inſtituten an­infamsten Weise zu mißbrauchen und in der Repu gelegtes Geld zu stehlen, gleichzeitig den blit eine Dollfus- Knüppelgarde aufzuziehen. Unternehmernreiche Milliarden­Es wird Sache der Behörden sein, die- präsente in der Form des Verzichtes auf sem gemeingefährlichen Treiben unver- ihre Beiträge zu den Lasten der Sozialversiche züglich ein Ende zu bereiten! Ein Hilfs- rung zu machen. verein, der es sich zur Aufgabe setzt, Sogar die chinesischen Kulis können sich) in Rekruten für den österreichischen Verzweiflungsstreits gegen die Ausbeutungs Faschismus auf tschechoslowakischem gelüfte ihrer Unternehmer wehren; die österrei­Gebiet auszuheben, hat unseres Er- chische Arbeiterschaft wird im christlich) autoritä achtens keine Existenzberechtigung ren Ständestaat" feinerlei Streifrecht

mehr.

Dollfuẞ   rühmt sich beiderseits ebnet den Weg zur Konsolidie seiner Stärke

Nom, 14. März. Bundeskanzler Dr. Doll erklärte einem Vertreter einer römischen Agentur gegenüber:

fuß

haben, jede Auflehnung gegen Ausbeutungspraf­tiken wird dem Verbrechen des Landesverraies gleichgestellt werden.

An vollständigem Stiaventu

Wit welch' rührender, fast himmlischer Ge­duld ist die Regierung den Putschisten ent= gegengetreten! Wieviel Milde hat sie diesen gegenüber walten lassen! Wer den väter= Ii chen, eindringlichen Mahnruf des Kanz­Ters an die Aufrührer im Nundfunk gehört hat, dem wird er unvergeßlich bleiben!" zwischen Italien   und Oesterreich   besteht. Der gute wird der gemäß der letzten päpstlichen Enzyklika Wille Die Dollfuß  - Negierung, die so behutsam und so rung der wirtschaftlichen Interessen. Italien  , zurechtgeformte österreichische Staat den Reichen nachsichtig mit ihren Feinden umgegangen sei, habe Desterreich und Ungarn   haben alle drei das Hitlers   und Mussolinis nicht im geringsten nach die Methoden ihres Kampfes der 2000jähri gleich große Interesse, mitzuarbeiten an der gen Diplomatic der Kirche abge= Schaffung stehen. Und doch bilden sich die Machthaber ein, Schaffung eines neuen Wirtschaftsraumes. lauscht. Auch die Kirche habe der Brodem Dieses Ziel, das niemanden von der Mit­es werde ihren Bemühungen und Lügenfünften der Unterwelt oft umwalli". arbeit ausschließt, liegt auch im Interesse aller. gelingen, die bis nun in der Sozialdemokratic Unvergleichlich war, wie sich diese Pro­Die wirtschaftlichen und die politischen Ver- Es sei mir gestattet, hervorzuheben, daß Lester organisierten Arbeitermassen zur Anerken pagandistin des Dollfuß- Regimes mit der so= zialen Frage" befaßte. Den Klassen- hältnisse, welche das Europa   von heute charafieri reich einen positiven Faktor in diesem Entwid- nung und Liebe für ihre blutbe­fampf, so ertlärte sie, gebe es nicht, er sei eine ſieren, bringen uns alltäglich neue und immer lungsprozeß darstellt. Um dieſer ſeiner Pflicht fledten Unterdrüder zu bewegen. Ein Erfindung der Sozialdemokraten. wieder neue Aufgaben. Es ist für mich ange- nachzukommen, müssen wir unsere Freiheit, un- Teil des jetzt zur Schau getragenen Wohlwol Die breiten Massen sind nach Ansicht der elegan- nehm, eben deshalb heute einem Freunde die ſere Autonomie und unsere Unabhängigkeit lens, mit dem man die Arbeiter zu födern sucht, ten Gräfin  , niederen Einflüssen leicht zugäng Sand zu reichen, der volles Verständnis für die wahren. Wir müssen dies auch, um unserer hi- hätte genügt, um die entsetzliche Katastrophe zu lich  ", sie sind ihrem Gefühl nach oft stumpf und Lage Desterreichs besitzt und der sich auch in jeder ſtorischen Aufgabe gerecht zu werden. In den verhüten. Jetzt heucheln sie auch Mitleid mit lahm, verlieren die Nase und lassen, wie der Jäger Weise bemüht, uns in unserem Bestreben nach lesten Tagen haben wir javon sagt, mit sich machen". Wirtschaftliche Nachteile, Wiederaufbau unseres Landes zu unterstüben. ne u em den Beweis erbracht, daß philosophierte die Gräfin fühn, rufen gewiffe Italien   handelt in der Frage der wirtschaftlichen wir genug start sind. scelische Veränderungen und un- Konsolidierung im Donauraume natürlich auch Pflicht, mit allen Staaten in beiten Beziehungen gesunde komplexe in den Massen hervor. im eigenen Intereſſe. Es freut mich ungemein zu stehen. Unsere Innen- und Außenpolitik rich Das wird, so stellte sie fest, im Reiche der Kleriko- zu konstatieren, daß eine völlige Uebereinstimmung tet sich auch nach diesem Gesichtspuntic.

den Opfern unter der Arbeiterschaft und wäh­rend der amtliche Nachrichtendienst in den Sturmtagen die kämpfenden Arbeiter nur als rote Horden" und marristische Verbrecher" beschimpfte, ist man jezt freundlichst bereit, die