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Praha II. Hybernská ul.7.
bosuwemokrat
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .
14. Jahrgang
Samstag, 17. März 1934
Einzelpreis 70 Hetter
( einschließlich 5 Heller Porto)
Nr. 64
Wirtschaftlich und politisch
Rom , 16. März. Heute abend wurde zwischen Mussolini , Dollfuß und Gömbös ein wirtschaftliches und politisches Donauübereinkommen abgeschlossen.
Dieses Abkommen wird morgen unterzeichnet werden.
Die Budapeſter Blätter von Freitag abends
melden bereits einheitlich, daß die Dreierbesprechungen in Rom zu einem gnten Abschluß gekom men seien, die trotz wirtschaftlicher und politiicher Vereinbarungen gegen keinen Staat eineSpikedarstellen. Besonders befrie dige eine Aeußerung des ungarischen Ministerpräsidenten Gömbös , wonach die politischen und wirtschaftlichen Verhandlungen im Prinzip zu einem völlig befriedigenden Abschluß geführt haben.
Nach einer früheren Meldung des Reichspost" Sorrespondenten sollten die Hauptpunkte der wirtschaftspolitischen Einigung folgende sein:
1. Unabhängigkeit Desterreichs und Zujammenarbeit für den europäischen Frieden als Grundlage jeder wirtschaftlichen Verständigung auch mit anderen Staaten über den Donauraum;
fchaftlichen Interessengemeinschaft gefunden werblieben. den, auch wenn noch einzelne Punkte offen
In dem Berichte der Reichspost" werden sodann die Gerüchte über ein Eintreffen des deutschen Außenministers in Rom dementiert.
und
militärische Offensive
Eine kritische Darstellung der Kampfhandlungen der österreichischen Aufstandstage ist heute noch nicht möglich. Das Auslandsbüro österreichischer Sozialdemokraten besitzt schon hunderte Kampfberichte von Teilnehmern an den Kämpfen, trotzdem hat es nod) keineswegs eine so erschöpfende Uebersicht über die Kampfhand
denselben Rechten und Pflichten auch für an Familien- Aufnahme in Rome, daß sie als Grundlage einer krit
dere Länder.
Es scheine nach römischer Beurteilung nicht ansgeschlossen, daß, wie die Reichspost" meldet, in dieser Hinsicht vor allem and mit Prag baldigit Ergänzungsverhandlungen beginnen könn ten, wenn der derzeitige günstige Stimmungsum schwung in der Tschechoslowakei von Dauer iſt, uns von Italien nicht weniger lebhaft als von Desterreich gewünscht wird".
Nach derselben Luelle wurde über die Schaf fung von Grundlagen für die wirtschaftliche Interessentengemeinschaft der drei Staaien folgendes
vereinbart:
Italien nimmt sowohl von Desterreich als auch von Ungarn Ausfuhr warenimer. höhten Umfange an, um die wirtschaftliche Stärkung beider Länder zu erreichen.
Desterreich liefert Holz und Industric stoffe nach Italien , Industriewaren nad) lingarn, während l'ngarn Getreide und viehwirtschaftliche Produkte, Italien Wein und Obst sowie Industrie Fertigwaren an die Wirtschafts nachbarn absetzen dürfen.
2. Schaffung von Grundlagen für die wirtschaftliche Interessengemeinschaft zwi schen Italien , Ungarn und Desterreich mit Präferenzen und Kontingenten. 3. Jm Sinne der Konferenz von Strefa Durch gegenseitige Vorzugszölle und und des Donan- Memorandums Mussolinis Kontingente, vor allem durch Sondertarije die Weltoffenheit der römischen Abmachungen der Eisenbahnen und durch Vergütung des Ha durch Schaffung eines Ausgleichssystems mit fen- Transportes soll die Grundlage einer wirt
Golddeckung der Mark nurmehr 8 Prozent!
Rohstoff- Import kann nicht mehr bezahlt werden
Berlin , 16. März. Heute erklärte Reichshantpräsident Dr. S ch a cht auf dem Jahresban lett der amerikanischen Handelstammer im Hotel Adlon , Deutschland habe seine kommerzielI en Auslandsschulden, die für die deutsche Wirtschaft verwendet wurden genau(?) bezahlt. Die heute noch bestehenden Auslandsschulden seien politischen Ursprungs. Es müsse der Versuch gemacht werden, diesbezüglich zu einer Abmachung zu fonimen.
Deutschland befinde sich in einer sehr schwierigen Devisenlage. Seit 31. Desember 1933 habe es einen Golddeckungsver= luft von 122 Millionen Mark zu verzeichnen, so daß sich die Notendeckung nur noch auf 274 Mil lionen belaufe, d. f. 8 Prozent! Allein in der letzten Woche habe Deutschland 45 Millionen Mart an Gold und Devisen eingebüßt.
Eine weitere Kürzung der Devisen zuteilung für die Einfuhr werde die unmittelbare Folge sein, Wahrscheinlich werde es auch notwendig sein, die Einfuhr von Rohstoffen unmittelbar zu beschränken.
15 Milliarden Mark
Berlin, 16. März. Die Revue Wirtschaft md Statistit" veröffentlicht eine Uebersicht der Auslandsverschuldung Deutschlands ; die Zeitschrift errechnet, daß im September 1933 die furzfristige Verschuldung Deutschlands im Auslande 7.5 Milliarden Marf ausmachte und daß die langfristigen Schulden ebenso hoch waren, so daß die Gesamtverschuldung sich auf 15 Milliarden Mart belief. Im Monate Feber 1933 belief sich die kurzfristige Verschuldung Deutschlands auf 8.7 Milliarden, die langfristige auf 10.3 Milliarden, demnach im ganzen auf 19 Milliarden Mart. Der Rüdgang der Verschuldung für das halbe Jahr|
,, Fehlt nur der Adolf, Kinder, dann sind wir komplett!"
auch die Rücksicht auf die Gefangenen, die in den Händen der Austrofascisten sind, zu größter Vorsicht in öffentlichen Darstellungen. Troßdem suchen jetzt schon einzelne Genossen fritische Lehren aus den Wiener Aufstandstagen zu ziehen. So hat Emil Franzel unter dem Titel " Der Bürgerfrieg in Desterreich" eine Broschüre veröffentlicht, die die Ursachen der Niederlage des Republikanischen Schutzbundes zu erforschen sucht. Aber der Grundgedanke dieser Broschüre scheint mir irrig zu sein. Ich glaube, ihm entgegentreten zu müssen, um zu verhüten, daß aus der österreichischen Erfahrung unrichtige Schlüsse gezogen werden.
Die politische Strategie der österreichischen Sozialdemokratic war durch folgenden Gedanken bestimmt: in der demokratischen Republik mollen wir die politische Macht durd) Gewinnung der Mehrheit des Volkes, durch das verfassungsmäßige Mittel des Stimmzettels erobern. Nur wenn uns der Fascismus die demokratischen Stampfmittel zu rauben versuchte, nur dann wol len wir den demokratischen Kampfboden mit den Mitteln der Gewalt verteidigen. Wir selbst haben diese These als die These von der„ n urdefen jiven Rolle der Gewalt" bezeichnet.
Franzel glaubt nun, diese„ Devensivideo logie" sei die Ursache der Niederlage der österreichischen Arbeiter. Sie habe die Arbeiter der
Schüsse an der Grenzeßen auf die bloße Verteidigung eingestellt,
Wien , 16. März. Unweit der Gemeinde Waidring bei St. Johann an der Tirolerbayrischen Grenze, fam es gestern zu einer Schie erei. Eine zwölfgliedrige Patrouille der Hilfspo lizei bemerkte einen gewissen Josef Filzer, einen Zeit nach Bayern geflohen und in die österreichiNationalsozialisten aus Nizbühel, der vor einiger iche Legion eingetreten war. Die Patrouille for
um vier Milliarden wurde hauptsächlich durch die Devalvationen einiger Auslandswährungen her beigeführt, wodurch sich die deutschen Schulden um derte Filzer auf, stehen zu bleiben, worauf dieser etiva 3.4 Milliarden reduzierten; die deutschen zum Revolver griff und den Hilfspolizisten Exen Ratenzahlungen an ausländische Streditoren mach- berger durch einen Schuß verleite. ten in diesem Zeitpunkte etwa 0.7 Milliarden Mart aus.
Der verhaftete Korrespondent bereits freigelassen
Berlin , 16. März. Der Berliner Korrespon dent des„ Prager Tagblatt", Ernst Popper, der Sonntag von der preußischen Geheimen Staatspolizei verhaftet wurde, ist heute wieder entlassen worden.
Die Hilfspoliziſten erwiderten das Feuer und verletzten Filzer, der daraufhin verhaftet wer den konnte.
Deutsche Unterhändler in Belgrad Belgrad
, 16. März. Die deutsche San delsdelegation wurde hente früh nach ihrem Eintreffen in Belgrad dem Minister für Handel und Industric, Demetrovič, vorgestellt. Nachmittag um 17 Uhr traten die deutsche und die jugoslawische Delegation zu ihrer ersten Sitzung zusammen.
Frankreich lehnt Rüstungsbeschränkung ab?
,, Angesichts der ostentativen Rüstungen Deutschlands "
Paris , 16. März. Der Vorsitzende des Außenausschusses des Senates Henry B c= renger unterrichtete heute die Mitglieder des Ausschusses über seine Unterredung mit Außenminister Barthon und über die in Vorbereitung stehende Note der französischen Regierung über die Abrüstung. Der Ausschuß faßte den Beschluß, der Ministerpräsidenten Doumergue und dem Außenminister Barthon dahingehend zu verständigen, daß Frankreich in der gegenwärtigen Lage und insbesondere in Anbetracht der ostentativen Nüstungen Deutschlands teiner Abmachung beipflichten könne, durch die es sich verpflichten würde, seine Rüstungen zu be= schränken oder auf Bedingungen zu verzichten, die für die Garantie der Sicherheit Frankreichs unerläßlich sind.
abgehen.
daß sie sich auch im gewaltsamen Kampfe mit der bloßen Verteidigung ihrer Häuser und Be sirke begnügten, während nur eine kraftvolle militärische Offensive aus den Wiener Arbeiter bezirken gegen das Stadtzentrum den Sieg hätte herbeiführen können.
einer Verwechslung der politischen Stra. Ich glaube, daß; dieser Gedankengang auf tegie mit der militärischen Taftif beruht.
Franzel glaubt, daß es am Montag, den 12. Feber sehr wohl möglich gewesen wäre. zw1schen 12 und 2 Uhr mittags das Stadtzentrum, 1000 qut bewaffneten, mit Motorfahrzeugen in dem die Regierungsgebäude liegen, mit 2 bis ausgestatteten Schutzbündlern einzunehmen. Aber„ weder gab es die 2000 Mann Bereit schaft, noch hatte man den Geist, sofort anzu greifen". Wie war es in Wirklichkeit?
Niemand hatte für den 12. Feber den Aufstand beschlossen, in Aussicht genommen oder auch mur vorausgesehen. Die bewaffneten Zusammenstöße in Linz , die die Wiener Arbeiter zum Stampfe zwangen, famen überraschend. Erst u die Mittagsstunde gab die Stillegung des Wicner Elektrizitätswertes das Zeichen zum Generalstreif. Erst der Generalstreit war das Zeichen zur Sammlung der Schutzbündler. Kasernen, in denen Bereitschaften bewaffneter Schutzbündler ständig bereit gewesen wären, hat der Schutzbund freilich nicht gehabt und selbstverständlich nicht haben können. Daß die Sammlung der Schutzbündler längere Zeit erfordert hat als die Alarmierung der ständigen Bereitschaften des Militärs und der Polizei, die das Stadtzentrum absperrten, ist daher selbstverständlich. Waren die Schutzbündler aber erst gesammelt, so mußten sie sich vorerst bewaffnen. Das war nun fei neswegs eine leichte Aufgabe. Die Waffenbestände des Schutzbundes waren zum größten