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ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XH., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. ADMINISTRATION TELEFON 53076. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

14. Jahrgang

Mittwoch, 21. März 1934

Einzelpreis 70 Homer

( einschließlich Hellen Bost

Roosevelt interveniert Paris   wartet ab Politische und

bei Lohnkampf

Washington, 20. März. Jm letzten Moment werden Versuche unternommen, den Streit von 100.000 Arbeitern der Automobilindustrie zu ver­hindern. Präsident Roosevelt   deutete an, daß er auf Grund der ihm übertragenen Vollmachten ein­schreiten werde, wenn die Verhandlungen zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern scheitern. Die Intervention des Präsidenten Roosevelt  in den Konflikten in der Automobilindustrie und in den Eisenbahngeſellſchaften übte eine sofortige Wirkung aus. Der Vorsitzende der amerikanischen  Arbeitsförderation Green telegraphierte Collins und trug ihm auf, alle Streitmaßnahmen im Sinne des Wunſches Roosevelts bis zum 22. März zu verschieben. Präsident Roosevelt   berief nachy Washington eine Konferenz ein, in der er eine Bei­legung der Konflifte versuchen wird.

Jm Repräsentantenhause wurde eine Refo­

lution eingebracht, in der die Aufnahme einer Untersuchung über die Löhne der Arbeiterschaft in der Automobilindustrie verlangt wird.

Die Direktoren der Eisenbahngesellschaften gingen auf den Vorschlag Roosevelts ein, das bis herige Lohnablommen mit Wirksamteit bis zum 1. Jänner 1935 zu verlängern.

Großbetriebe müssen

Interesse für das heutige Beneš- Exposee

Nr. 67

militärische Strategic

Von EMIL FRANZEL  

Paris  , 20. März. Unter dem Eindruck der( liche Geldsumme aufwenden müsse, um eine Nede Mussolinis weichen die Kommentare der Wunder"- Kaffe für die Erhöhung der In seiner Erividerung auf meine Broschüre franzöfifchen Preffe zu den römischen Protokollen Produktionspreise und der Preise der landwirt  - wendet sich Genosse Otto Bauer   gegen die „ Der Bürgerkrieg in Defterreich"( 17. März) wesentlich von der früheren Stellungnahme zur schaftlichen Erzeugnisse Desterreichs und Ungarns   von mir vorgetragene Auffassung, daß die Des römischen Konferenz ab. Es wurde, wie Haves auf das Weltniveau zu bilden. Diese Kompenfensivideologie die Ursache der offiziell berichtet, noch nicht der Eindruck der Nede fat ionskasse soll nunmehr eine erstran- Niederlage der Schutzbündler sei, Mussolinis und die Unsicherheit zerstreut, was gige Aufgabe in der wirtschaftlichen Wiederauf- und er kommt zu dem Schluß, daß bei mir eine eigentlich Mussolini   im Wesen beabsichtige. So richtung Mitteleuropas   spielen. Es ist sehr wahr Standpunkt die kleine Entente zu den römischen der gute Wille vorhanden war, und das iebe wartet die Pariser Prese vorläufig ab, welchen scheinlich, daß vor der Rede Mussolinis überall Protokollen und insbesondere zu der Kundgebung europäische Nation sich bereit fand, sich im Ver­Mussolinis einnehmen wird.„ L'Ouvre" macht auf hältnis zu ihren Möglichkeiten an diefer Kompen die am Mittwoch erfolgende wichtige Kundgebung fationstaffe zu beteiligen. Prag   würde sicherlich des Ministers Dr. Benes aufmerksam, an erster Stelle für sie beigetragen haben. Hente scheint dies jedoch mehr als zweifel­des römischen Wirtschaftsprogrammes und schreibt haft zu ſein und die italienischen Versuche nach hiezu: Festigung des Bandes mit diesen zwei Staaten, werden in Prag   und auch anderswo bloß vom a b wartenden Standpunkte aus aufgenom= men werden.

Das Blatt befaßt sich auch mit der Bebentung

Heute hat es den Anschein, daß Muffolini für die Durchführung des Programmes eine beträcht­

Das Martyrium

Heimwehrleute befchäfigen der politischen Gefangenen

Verwechslung der politischen Strategie mit der Kategorien wirklich so wesensverſchieden, daß man militärischen Tattit" vorliege. Sind diese beiden fie verwechseln könnte und sie vernünftigerweije auseinanderhalten müßte? Zunächst eine Begriffs= flärung: Strategie und Tattik sind vers schiedene Begriffe und sie müssen scharf vonein= ander geschieden werden. Die Taktik wird durch die technischen und in der Politik durch die sozialökonomischen Bedingungen des Kampfes dauernd verändert, die Strategie unterliegt zu allen Zeiten den gleichen Gesezen. Taktisch besteht ein ganz anderes Problem, wenn Menschen primitiver Zivilisation miteinander fämpfen oder wenn Rit­terheere oder wenn Soldaten mit Feuerwaffen gegeneinander geführt werden. Die Taktik des pos litischen Kampfes ist anders, wenn es sich um eine Gesellschaft von Grundherren und Bauern, von Bürgern und Feudaladel, von Industriellen und Arbeitern handelt. Sie wird selbst in jeder dieser Gesellschaftsformen je nach der augenblicklichen Verteilung der Kräfte und der Stampfmittel eine wesentlich andere sein. Die Strategie ändert sich nicht. Zwei Horden, die einander mit primi tivsten Waffen bekämpfen, stehen vor dem glei fenheere. Die Strategie der Stlaven im Stampfe gegen die antike Gesellschaft oder die Strategic der industriellen Arbeiter im Klaſſenlampf mit den Stapitalisten stehen vor den gleichen Aufgaben. Denn Strategie, das ist ganz einfach die Kunst zu siegen und ihre Aufgaben waren zu allen Zeiten einfach, aber ebendarum auch weit schwieriger als je ein tattisches Prob­lem. Den Punft zu finden, an dem die Entschei dung fällt, den Augenblick zu wählen, in dem der Sieg greifbar nahe liegt, im entscheidenden Augenblick an der entscheidenden Stelle so starf Der bekannte Arbeitersekretär ösch- Sapfen- als möglich zu sein, dem Gegner das Gefey des berg, ein Führer der Freidenker und darum be- Handelns zu diltieren und ihm am wirksam fonders verhaßt, ist nach seiner Gefangennahme sten selbstverständlich in der„ Vernichtungsschlacht" gefesselt, d. h. wie ein Bünde  ! zusammenge- im Stoß gegen seine rüdwärtigen Verbindungen, schnürt worden und so lag er in einem Winkel zwei Tage und zwei Nächte ohne Nahrung. Christliche Milde oder Inquisition?

So sieht das ,, christliche" Dollfußregime aus Und Kardinal Innitzer   predigt Liebe und Barmherzigkeit... chen strategischen Problem wie zwei moderne Mas

Wien  . 20. März. Nach einer heute in der Wiener Zeitung  " veröffentlichten und acht Tage nach der Kundmachung in Kraft tretenden Verord­nung der Regierung werden alle auf Gewinn oder Eriverb berechneten Betriebe verpflichtet, arbeits­Lose abgerüstete Schuhforpsangehörige während der Fünf Wochen hat es gedauert, bis die Dauer der Schußtorpsverordnung vom Juli 1933 Regierung Dollfuß   einer Gruppe von Anglo- ame­einzustellen und zu beschäftigen. Voraussetzung ist, ritanischen Journalisten Zutritt zu einem Bruchteil daß der Betrieb wenigstens 25 Arbeitnehmer be- der gefangenen Sozialdemokraten gewährte. Frei schäftigt. Bei je 25 Arbeitnehmern ist ein Schußlich nur in Wien  , wo die Kontrolle der Welt forpsangehöriger einzustellen. Ms abgerüstete öffentlichkeit schon bisher ein gewisses Gegengegen unbeteiligt und nur wegen ihrer Gesinnung Schußtorpsangehörige sind Personen anzusehen, wicht gegen die Brutalitäten der Sieger war. Sei­die mindestens einen Monat oder vom neswegs läßt man ausländische Journalisten zu 12. bis 18. Feber d. J. beim Schußtorps Dienst den Gefangenen in Brud, Steyr oder Linz  machten. Die näheren Bestimmungen erläßt der zu, wo sich in provinzieller Abgeschiedenheit der Sozialminister. Die Nichteinhaltung dieser Ver ordnung wird mit Geldstrafen bis 1000 Schil ling bestraft werden.

Tschechischer Verband in Oesterreich   aufgelöst

Wien  , 20. Mai. Das Bundeskanzleramt hat acht weitere sozialdemokratische Vereine auf gelöst, darunter auch den Verband der tschechi­schen sozialdemokratischen Gewerbetreibenden

und Kaufleute Desterreichs. Hungertyphus

im Konzentrationslager

Wien  ( Inpreß): In dem österreichischen Konzentrationslager Staisersteinbruch bei Brud an der Leitha   ist Hungertyphus ausgebrochen. 600 Jahre Kerker

Wien  ( Inpreß): Eine vorläufige Bilanz der Arbeit österreichischer Standgerichte ergibt folgen­

des Bild:

Auf Grund von Urteilen der Standgerichte wurde über sechs Personen lebenslängliche Kerker­strafe verhängt, sechs Personen erhielten je 20 Jahre, zehn je 15 Jahre, sechs je 12 Jahre, vier je 10 Jahre und sieben je 5 bis 8 Jahre Kerter. Insgesamt sind Urteile über 600 Jahre Sterter gefällt worden.

Fascistisches Urteil

Heimwehrsabismus gegen Wehrloje am hemmungslosesten austobt. Aber selbst der Wiener   Besuch, der vorwiegend bekannten Füh­rern galt, Männern von internationalem Rang wie Seit, Renner, Breitner, Tand­ler, die man bei bestem Willen nicht ohne Ge­richtsurteil verschwinden lassen konnte, wie so manchen Schutzbündler, diese erſte leichte Berüh rung der Gefangenen mit der Außenivelt hat eine erschütternde Tatsache zu Tage gefördert, die ein grelles Schlaglicht auf die Humanität" des Doll­fußregimes wirft.

Im Wiener   Landesgerichte fitten politische Untersuchungshäftlinge, die in vier Wochen nur zweimal an die Luft tamen, während der tägliche Spaziergang in allen modernen Strafanstalten nicht einmal Raubmördern verweigert wird.

ster bringen wir zum Abschluß noch einige ton­frete Beispiele. Der alte deutschböhmische Arbeiter führer Rieger und Karl Leuthner  , beide ehemalige Nationalräte, beide hochbetagt( Nieger ist 71 Jahre alt), beide an den Kampfhandlun= eingefertert, fiben noch immer im Polizeigefäng nis in der Wiener   a hngaise. Beiden wird bis heute jede Erleichterung oder Begünstigung, die kriminellen Untersuchungsgefangenen zusteht, verweigert. Christliche Nächstenliebe!

Frau Wallisch wurde nach ihrer Ver­haftung gleich ihrem unglücklichen Manne so grausam gefesselt, daß die blutunterlau­fenen Striemen noch drei Tage später sichtbar

tvaren.

in der Umfassung der beiden Flügelnden eige nen Willen aufzuzwingen, ihn zur Napitulation zu nötigen, das ist Strategie. Gelten diese Regeln der militärischen Strategie nicht gleichermaßen füit die Politit? Ich glaube, daß es zu den Verhäng­nissen des internationalen Sozialismus gehört, von der bei Engels noch als selbstverständlich erkannten Einheit der politischen und militärischen Strategie nichts mehr gewußt zu haben. Der So ziaismus hat seit 19.8, besser gesagt, seit den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht mehr strategisch, sondern nur noch tatiisch gedacht. Tal­tisch ist er wiederholt auch offensiv gewesen. Tat­tische Offensive finden wir in den Parlamenten, auf der Straße und noch im Wiener   Bürgerkrieg. Aber die Strategie des Sozialismus war rein defensiv, weil sie eben gar keine Strategic mehi Und letztens: eine Genossin, deren Name uns war. Die Taftit hatte wie so oft auch in der betannt ist, wurde beschuldigt den Bruder Schutzengeren Striegsgeschichte die Strategie era bündlern Munition nachgetragen zu haben. Mit schlagen. ihrem kleinen Söhnchen schleifte man sie zur Mauer des Schloßberges, ließ sie 4 Stunden lang mit erhobenen Händen im Schnee stehen und drohte mit standrechtlicher Erschießung. Das Büb­

Eine fünfund sechzigjährige Frau aus Pernegg   bei Bruc hatte einige Schußbündler versteckt. Sie wurde von Heimwehr­horden bis zur Bewußtlosigkeit geschlagen, auf den Misthaufen geworfen und dort liegen gelassen. Dabei sind die Bellen furchtbar überfüllt. Jn Nur daß sie in frostfalter Nacht durch einen Zu­dem Wiener   Polizeigefängnis Roisauerfall gefunden wurde, hat diesen christlichen Lynch lände steden bis zu 24 Schutzbündler in Bel- mord an einer Greifin verhindert. Charitas in len, die für drei bis vier Insassen berechnet sind. Reinfultur! In der Roffauerlände müssen 24 Zimmer­infassen in einen einzigen Kübel ihre Not­durft verrichten.

Und diesen Leuten verweigert man bis zu vier­zehn Tagen einen Schritt in den Gefängnishof, auch wenn sie bereits in der ordentlichen Unter­fuchungshaft des Wiener   Landgerichtes sich be finden. Kann hinter einer solchen Schurkerei eine andere Absicht steden als diese, die angeklagten Schutzbündler und Parteifunktionäre bis zu dem Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung

lein fragte:

Ich gehe in meiner Broschüre, was Otto Bauer   in seiner Polemit übersicht, von der Un vereinbarkeit der demokratisch- parlamentarischen Reprblik in Desterreich mit den sozialökonomischen Bedingungen der Depressionsperiode aus. Die ,, Mutti, wann werden wir erschossen? Jetzt oder später?" demokratisch- parlamentarische Republik des allge meinen und gleichen Wahlrechts, der Koalitions Wir unterbreiten diese Tatsachen der inter- freiheit, des Streifrechts der Arbeiter. ſept als nationalen Untersuchungskommission über die Basis des politischen Kompromisses zwischen Ar­törperlich und feelisch zu zerbrechen? Rom  , 20. März. Dienstag nachts gegen 10 österreichischen Vorfälle. Und wir fragen zum beitern und Kapitalisten einen gewissen Wohlstand hr wurde vor dem Sondergericht zum Schuße 2143 politische Häftlinge, darunter 29 Frauen er Schluß: der Gesellschaft voraus, der es den Besitzenden er des Staates in Rom   das Urteil gegen die Bom- tragen allein in Wien   dieses Los, 1200 find cs Herr Kardinal- Erzbischof Inniher, wie möglicht, sozialpolitische Zugeständnisse zu machen, benattentäter von der Petersfirche gefällt. Die in Lina. Will Dollfuß die Methoden eines Gelange kann Ihr christliches Gewissen noch zu ohne ihre Mente ernstlich zu gefährden. In der Angeklagten Bucciglioni, Renato und Claudio ring übertreffen? Er möge nicht vergessen, daß Cianca surden wegen terroristischer Tätigkeit Goering   troßdem seinen Dimitrow gefunden und solchen Schandtaten einer Regierung schweigen, Beriode der Depression gibt es nur eins von der Sie im Namen der österreichischen Bischöfe beiden: entweder die Profite der Be­gegen den Staat verurteilt, und zwar die beiden sich an ihm die Zähne ausgebissen hat. sitzklasse oder die sozialpolitischen Er= ersteren zu je 30 Jahren, der 18jährige Claudio Für die Schurterei der christlichen Kerkermei- das Vertrauen ausgesprochen haben? rungenschaften der Arbeiter. Damit wird Cianca unter Zuerkennung mildernder Umstände die demokratische Republik   in der Form von 1920 au 17 Jahren unhaltbar. Sie gibt beiden Stlassen zum Leben zu

Herr Innitzer, Sie haben das Wort!